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Bei den Großeltern in Sontop !

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Der beschriebene Waldrand in Sontop - seinerzeit reichte er dichter an das Dorf. Foto entnommen aus dem Artikel von Piotr Szwiec http://oledry.pl/stopy-wie-o-redniowiecznym-krajobrazie-i-architekturze-olderskiej/

Frau Lieselotte Becker, geborene Schneider hat uns diese Kindheitserinnerung eingereicht. Beschrieben ist eine Fahrt von Strehse nach Sontop und der Aufenthalt bei den Großeltern.

Vielen Dank Frau Becker, dass Sie uns an Ihren Erinnerungen haben teilhaben lassen.

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Bei den Großeltern in Sontop !

In den großen Ferien fuhren wir oft nach Sontop. Dort wohnen unsere Großeltern, sie waren Vaters Eltern.

Er wurde 1894 dort geborene und hatte noch 4 Geschwister. 1926 hat er nach Strese geheiratet. Meine Mutter war Frieda Schneider geborene Simsch und mein Vater Ewald Schneider. Wir hatten eine kleine Landwirtschaft und einen Weidenhandel. Wir waren 4 Kinder: Hannchen, Lieselotte, Ewald und Kurt Schneider.

Wenn die Weiden geschält waren und die Kornernte noch auf sich warten ließ, machte meine Familie bei Opa Gustav und Oma Emma Auguste in Sontop Urlaub. Mit der vollbeladenen Kutsche und 2 Pferden davor begann eine abenteuerliche Reise. Wir fuhren von Strese bei Bentschen über Lomnitz auf Sandwegen durch große Wälder, und wenig befestigte Straßen. So kamen wir oft ins Schaukeln, denn die Sandwege hatten oft tiefe Löcher. Wenn ein Wagenrad festgebrannt war, gab es eine längere Pause. Im Wald war dickes Moos, auch Beeren und Pilze konnte man finden. Mein Vater kannte alle Bäume und Gräser, auch wusste er über die verschiedenen Pilze Bescheid. So erzählte er uns vieles über die Natur, wie die Blumen hießen und welche Vögel sangen. Auch wir sangen und es gab keine lange Weile.

Endlich kamen wir wohlbehalten in Sontop an.

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Familie Schneider - von unten beginnend u von links nach rechts - 1. Reihe: Gerhard Bläsing, Erhard Schneider, 2. Reihe: Marta Matzke geb. Schneider, Oma Auguste Schneider, Opa Gustav Schneider, mein Vater Ewald Schneider, 3. Reihe: Paul Bläsing, Wanda Bläsing geb. Schneider, Ida Schneider geb. Scheffler, Hermann Schneider; der Fotograf war Otto Schneider, Emma Rau, geb. Schneider ist nicht aufgenommen, da sie schon in Berlin wohnte, Herrmann ist leider ohne Kopf fotografiert, dieses Maleur passierte öfter, da er annähernd 2 m gross war / Aufnahme von Frau Lieselotte Becker zur Verfügung gestellt

Nach einem herzlichen Empfang durften wir im Garten spielen. Nach dem Abendessen ging es ins Bett. Wir durften in dem großen Himmelbett schlafen. Es war mit einem großen Vorhang vom Wohnzimmer abgetrennt. Obwohl wir noch den Gesprächen der Erwachsenen lauschen wollten, überfiel uns doch die Müdigkeit und wir schliefen tief und fest bis zum frühen Morgen.

Großmutter wollte uns mit einer Tasse warmer Ziegenmilch verwöhnen, aber – brr -. Wir waren an Kuhmilch gewöhnt und verzogen das Gesicht. Als Großmutter das Problem mit einem Löffel Bienenhonig löste, schmeckte uns auch die Ziegenmilch. Wir stellten fest, dass die Ziegen ganz zahm und gute Spielgesellen waren.

Das Grundstück der Großeltern lag am Waldesrand. Es gab einen Blumengarten, wo die Beete mit Buchsbaumrabatten eingerahmt waren. Die Wege waren geharkt und wir konnten dort gut mit den Nachbarkindern „kriegen“ spielen. Im großen Gras-Garten standen Obstbäume und ein riesiger Brunnen mit einem Dach. Gleich daneben stand das Wohnhaus. Es hatte ein dickes großes Strohdach, das weit nach unten reichte. Es war für uns verlockend darauf herum zu klettern. Aber das war verboten !

Meisten spielten wir in dem großen Garten. Für unsere Märchenspiele war alles vorhanden: Apfelbaum, Backofen, Ziegenstall und unser „Märchenbrunnen“, und der Wald ganz nahe. Es machte uns viel Spaß – bis wir den Froschkönig spielten. Dazu öffneten wir das Dach auf dem Brunnen. An einer Kette hing ein Schöpfeimer. Wir kurbelten den Eimer hoch und wieder hinunter, aber wir schöpften nur Wasser und keine goldene Kugel und kein Froschkönig war zu sehen. Es war ein Wunder, dass niemand hineingefallen ist. Doch plötzlich löste sich die Kette und der Eimer fiel mit einem lauten „Platsch“ in den Brunnen. Noch schwamm er aber er drohte ganz unterzugehen.

Der Schreck steckte uns in den Gliedern. Wir wussten nicht ob das mit rechten Dingen zuging. Nach einer abenteuerlichen Bergung mit einer langen Stange und einem Haken daran, wurde der Eimer doch noch heraufgeholt. Für uns blieb der Brunnen verschlossen !

Unsere Großmutter tröstete uns oft mit ein paar „Klimpan“. Das waren Bonbons, die sie in ihrer Rocktasche hatte. Sie erzählte uns oft Geschichten. Auch vom Großvater, als er noch jünger war.

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Bahnhof Sontop - Postkartenausschnitt aus Sammlung Arno Kraft

Großvater war Bahnhofsvorsteher auf dem Sontoper Bahnhof, mit dunkler Uniform, roter Schirmmütze und der Trillerpfeife. Er verkaufte Fahrkarten, hielt die Züge mit der Kelle an und ließ sie ebenso mit erhobener Kelle und lautem Pfiff aus der Trillerpfeife wieder abfahren.

Sein zweiter Beruf war Müller. Auf einem Sandberg in der Nähe des Bahnhofes stand seine Windmühle. Er hatte noch einen Gehilfen, der den Mühlenbetrieb aufrecht erhielt, wenn Großvater seine Müllersachen mit der Bahnhofsuniform vertauschte. An dieser Stelle musste ich immer „kichern“, weil ich mir das so gut vorstellen konnte. Dazu kannte ich ihn nur mit seinem großen weißen Bart.

Es gab auch Unfälle. Die Bauern brachten mit dem Pferdewagen das Getreide zur Mühle. Oft kam mit lautem Pfeifen und Getöse die Eisenbahn vorbei. Die Pferde erschraken und gingen durch. Das heißt, dass die Pferde nicht mehr zu halten waren.

Als die Straße von Bentschen nach Neutomischel weiter gebaut wurde, hörte der Mühlenbetrieb auf. Der ganze Sandberg wurde abgetragen um die Straße zu bauen.

Die Mühle steht schon lange nicht mehr. Auch das Strohdachhaus und der Brunnen sind längst nicht mehr da. Nur – die Erinnerung daran lebt weiter !