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Dr. M. Mosse Krankenhaus zu Grätz, Dr. Rubensohn und der Baumeister Chocieszynski / 1891

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Dr. Mosse Krankenhaus / Bild: „Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und der jüd. Gemeinden in den Posener Landen“ – 1909

„Am 10. November 1891 wurde, wie die „Posener Zeitung“ berichtet, das von Herrn Rudolf Mosse in Berlin gestiftete Dr. Mosse’sche Krankenhaus eingeweiht.

Das nach den neuesten Erfahrungen der Krankenhaushygiene eingerichtete Gebäude war festlich dekoriert. Der 10. November war als Sterbetag des seligen Dr. (Marcus) Mosse, Vater des Stifters, zur Einweihung gewählt worden.

Die Feier wurde Nachmittag 1 Uhr damit eröffnet, dass die Tochter des Baumeisters Chocieszynski, welchem die Ausführung des Baues übertragen war, ein die Krankenpflege und die Stiftung behandelndes Gedicht vortrug und die Schlüssel Herrn Rudolf Mosse überreichte. Letzterer hielt eine Ansprache, dankte den städtischen Behörden für die Annahme der Stiftung, für die richtige und vorzügliche Ausführung des Bau-Projekts, den Königlichen Behörden für die erwirkte allerhöchste Genehmigung zur Annahme dieser Stiftung, wünschte, dass das Krankenheim im Sinne seines seligen Vaters, der hier mehr als 30 Jahre in aufopferndster Weise, verehrt von allen Bürgern, als Arzt gewirkt und gelebt, verwaltet werden möge. Sodann überreichte er die Schlüssel Herrn Beigeordneten Grünberg, welcher den als Zeugen zum Schwurgerichts in Meseritz geladenen und deshalb abwesenden Bürgermeister Bäntsch vertrat. Herr Grünberg übernahm die Schlüssel, dankte dem Stifter für die Schenkung und übergab die Schlüssel dann dem Vertreter der Lazarethkommission, Stadtrath und Sanitätsrath Dr. Rubensohn.

In längerem Vortrage schilderte nun der Herr Kreisphysikus Dr. Rubensohn die Entwicklung des Krankenwesens in Grätz, die Geschichte des Baues und der inneren Ausstattung des Krankenhauses, betonte besonders, wie durch die Gewährung der erforderlichen Mittel (84.000 Mk.) nicht nur der Bau selbst so hergestellt werden konnte, dass er als Musteranstalt von Fachmännern anerkannt wird, sondern auch das Operationszimmer so mit Instrumenten ausgerüstet ist, wie kaum, mit Ausschluss der Stadt Posen, ein zweites im Regierungs-Bezirk Posen existieren dürfte.

Hierauf wurde unter Leitung des Herrn Dr. Rubensohn ein Rundgang durch das Kranken- und das sich anschließende Desinfektionshaus vorgenommen. Gegen 3 Uhr fand im Kutzner’schen Saale ein Festessen statt, an dem außer den Ehrengästen die städtischen Behörden und eine größere Anzahl unserer Bürger sich betheiligten.

Der erste Toast wurde vom Beigeordneten Grünberg auf den Kaiser ausgebracht, Rabbiner Dr. Friedmann toastete auf den Stifter, Stadtverordneten-Vorsteher Herzfeld auf die gesamte Mosse’sche Familie, Sanitätrath Dr. Litthauer entwickelte in gediegener Rede die edle Moral, die der selige Dr. Mosse während seiner ganzen Lebenszeit bewiesen, wie er sie in der Erziehung seiner Kinder bis zum Tode zur Geltung gebracht, wie gerade ihm kein schönerer Denkstein als ein Krankenhaus errichtet werden konnte. Er dankte den städtischen Behörden für das Interesse und die Förderung des Baues und toastete auf das Wohl der Stadt und ihre Vertreter.“

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Villa Rubensohn – Mossestraße 2 / Ul. Mossego 2, Grätz / Grodzisk, das Gebäude steht noch heute / AK Sammlung A. Kraft

1890 war das seit ca. 1856 bestehende Stadtkrankenhaus durch das neu, durch Spenden des Herrn Zeitungsverleger Rudolph Mosse, Berlin, errichtete Krankenhaus ersetzt worden. Als Vorstand fungierte der Magistrat; als Arzt der Kreisphysikus Dr. Rubensohn. Als Wartepersonal wurden 2 Diakonissen aus dem Diakonissenhause zu Posen beschäftigt. Das Haus verfügte über 21 Betten – 15 von diesen für Männer, 6 für Frauen. 1899 wurden 87 Männer und 26 Frauen für durchschnittlichen 28 Tage verpflegt; 3 Männer verstarben. Es wurde außerdem noch 1 Sieche Person gepflegt. Die Ausgeben und Einnahmen 1899 betrugen 3.625,46 Mark, letztere setzten sich zusammen aus 1.952,14 Mark Verpflegungsgeld und 1.673,32 Mark Zuschuss der Stadt.

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Dr. Jacob Rubensohn (ca. geboren 1840) war verehelicht mit Bertha geborene Friedländer. Als Kinder des Paares galten ein Sohn, Arthur (geb. 1870 Bischofswerda), er war es vermutlich, der sich 1898 in Rybnik als Rechtsanwalt niederließ, die Tochter Elsbeth genannt Else (geb. 1877 zu Osterrode in Ostpreußen / Ostrada und die im Jahr 1880 in Grätz geborene Tochter Betty.

1902 wurde der Kreisarzt Dr. Rubensohn zum Geheimen Medizinalrath ernannt.

1913 wurde der Frau Geheime Medizinalrath Bertha Rubensohn, geborene Friedländer die Rote Kreuzmedaille dritter Klasse verliehen.

Wiederum 1913 zum 1. November trat der Herr Kreisarzt Geheimer Medizinalrath Dr. Rubensohn, welcher viele Jahre hindurch in Grätz amtlich tätig gewesen war, in den Ruhestand. Aus diesem Anlass wurde ihm der Kronenorden 3. Klasse verliehen.

1914 wurde, in Ausführung der Beschlüsse der städtischen Körperschaften zu Grätz, der Herr Geheime Medizinaltrath Dr. Rubensohn anlässlich seines Übertritts in den Ruhestand wegen seiner langjährigen Verdienst um die Stadt zum Stadtältesten ernannt und ihm hierzu das Diplom durch den Bürgermeister feierlich überreicht.

1918 beging der langjährige Kreisarzt des Kreises Grätz Geheimer Medizinalrath Dr. Rubensohn sein fünfzigjähriges Arztjubiläum. Herr Dr. Rubensohn wurde als Arzt und Mensch gleich geachtet und geschätzt. Dem Jubilar gingen von amtlicher und privater Seite vielfache Glückwünsche zu.

Nach Mai 1918 und vor November 1919 übersiedelte die Familie Rubensohn von Grätz nach Charlottenburg / Berlin.

1919 im November beging Geheimer Medizinalrath Dr. Rubensohn, früher in Grätz, jetzt in Charlottenburg lebend, mit seiner Gattin das schöne Fest der goldenen Hochzeit.

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Elsbeth Rubensohn geb. 1877 / https://www.stolpersteine-berlin.de/en/biografie/3082

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Betty Rubensohn geb. 1880 / https://www.stolpersteine-berlin.de/en/biografie/3082

Bis zum Jahr 1926 findet sich im Berliner Adressbuch der Eintrag: Rubensohn, Jacob, Dr. Geh. Mediz. Rat, Wilmersdf., Joachim Friedrich Str. 42 I (Post Halensee)

1927 fand sich, dass Else Rubensohn unter o.g. Anschrift lebte; 1928 lebten dann Else, von Beruf Kassiererin und ihre Schwester Betty, letzte hatte eine Konfitürenhandlung betrieben, in der Windscheidstr. 9.

1943 wurden die Schwestern Elsbeth und Betty Rubensohn nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

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Wenig war über den erwähnten Baumeister Chocieszynki zu finden.

In Grätz / Grodzisk lebten der Maurer- und Zimmermeister Felix / Feliks Chocieszynski und seine Frau Angela / Aniela Marie Ludowiga geborene Zeyland.

Ihre Kinder waren Leo geb. 1881, Stephan geb. 1882/verst. 1883, Marianna Veronica geb. 1884, Antonina geb. 1885, Anna geb. 1887, Franziska geb. 1891 und Juliana geb. 1893. Die Familie war katholischen Glaubens.

Ob er weitere, heute noch erhaltene, Bauten in der Stadt Grätz / Grodzisk errichtet hat, war den uns vorliegenden Dokumenten und dem deutschsprachigem Internet nicht zu entnehmen.

Wir würden uns freuen, wenn uns jemand weitere Informationen zu ihm zukommen lassen könnte

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lesen Sie auch:
Berühmte Männer der Familie Mosse / http://hauland.de/beruhmte-manner-der-familie-mosse/

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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt:
Personenstandsunterlagen Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/); zlb – Zentral- und Landesbibliothek Berlin – Berliner Adressbücher – https://digital.zlb.de/viewer/cms/141/; Goethe Unversität Frankfurt am Main – Sammlungen – Allgemeine Zeitung des Judenthums des Jahres 1891, 1898, 1902, 1913, 1914, 1918, 1919; Wielkopolska Biblioteka Cyfrowa, Poznan – http://www.wbc.poznan.pl/dlibra [5] – Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel, zugleich Neutomischeler Hopfenzeitung des Jahres 1918