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Ein Kreisständehaus für Neutomischel … / 1898 Teil 1

"Stadtwappen" - Gustav Knoblauch (1833-1916) Tuschezeichnung auf Transparent - Entwurf - Quelle: Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek, Inv. Nr. GK423,027 [1]

„Stadtwappen“ – Gustav Knoblauch (1833-1916) Tuschezeichnung auf Transparent – Entwurf – Quelle: Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek, Inv. Nr. GK423,027

Im Jahr 1898 erschienen im Kreisblatt vereinzelte Berichte, die beim ersten Lesen nichts miteinander zu tun zu haben scheinen.

Erst im Oktober des Jahres 1900 fügen sich die einzelnen Meldungen zu einem Ganzen.

Entgegen anderen in der Stadt Neutomischel errichteten Bauten, wurde die Berichterstattung über die Pläne und Auftragsvergabe betreffend dem Kreisständehaus sehr zurückhaltend geführt.

Leider fanden sich bis zur Veröffentlichung dieser Zusammenstellung der Meldungen, auch keine weiteren Unterlagen im Staatsarchiv Poznan.

Das ehemalige Kreisständehaus ist heute eines der wichtigsten Gebäude in der Stadt Nowy Tomysl. Seit  1976 ist unter der Adresse ul. Poznańska 33 das Stadtamt ansässig.

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Ein erster Bericht findet sich im Kreisblatt Neutomischel vom 05.07.1898. Es heißt darin, dass der Kreistag einstimmig den Beschluss gefasst hatte in der Stadt Neutomischel ein Kreisständehaus zu erbauen.

Für die Summe von 3.900 Mark, so war die Entscheidung gewesen, wurden die Grundstücke Glinau 664-665/336 angekauft. Nicht in den Kauf eingeschlossen war eine ca. 19 qm große Fläche, die von Otto Hirsekorn, dem zukünftigen Nachbarn des Kreisständehauses als Einfahrt genutzt wurde. Bedingung für diese Regelung war, dass Hirsekorn die Kosten für die Neuvermessung und Auflassung der fraglichen Parzelle zu übernehmen hatte und ebenfalls einen Betrag in Höhe von 30 Mark für die Grundstückserwerbskosten zu übernehmen hatte.

Der Kreistag bevollmächtigte den Landrat, die gerichtlichen Auflassungen kurzfristig zu beantragen und entgegenzunehmen.

Seitens des Landrates lag die Zusage vor, eine Jahresmiete in Höhe von 1.400 Mark für die Nutzung der Räumlichkeiten zu bezahlen.

Unter Berücksichtigung dieser Mieteinnahme, wurde zur Errichtung des Kreisständehauses der Gesamtbetrag von 70.000 Mark für die Baukosten bewilligt. Um diese Summe zu decken sollten 30.000 Mark durch Verkauf von Effekten welche sich im Besitz der Kreiskommunalkasse befanden, und die dann noch fehlenden 40.000 Mark über eine Anleihe aufgebracht werden.

Durch den Verwaltungsrat des Kreissparkasse Neutomischel war hinsichtlich der Anleihe das Angebot unterbreitet worden, dass diese die Finanzierung übernehmen würde, aber diese erst  amortisiert werde, wenn die Eisenbahnschuld getilgt sein würde, also vom Jahre 1908 ab.“

ul. Poznańska 33 - Aufn. PM [2]

ul. Poznańska 33 – Aufn. PM

Für diese Veranlassungen bevollmächtigte der Kreistag den Kreisausschuss. Ebenfalls erstreckte sich  diese Vollmacht auch auf die Notwendigkeiten zur  Erstellung des Bauplanes und der Einholung von Kostenvoranschlägen, der später folgenden Auftragsvergabe der Bauausführung und deren Überwachung sowie auch für die Zeichnung der Schuldurkunde.

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Im Sommer des Jahres, in der Ausgabe vom 22.07.1898, erschien dann folgender Artikel:

Der fliegende Sand der Alttomischeler Sandberge, welcher mit dem Aufschwung der Stadt Neutomischel schon lange in engem Zusammenhang steht, indem jährlich tausende Fuhren zu Neubauten, Straßenpflaster usw. herangeschafft wurden, soll wieder eine nützliche Verwendung finden.

Herr Baumeister Hasenfelder hat für die Kreise Neutomischel und Grätz von dem Patentinhaber das Recht erworben durch Ausnutzung eines sich sehr schnell vollziehenden chemischen Vorganges aus Sand und Kalk, ohne jeden Zusatz, Mauersteine, Dachsteine, Werkstücke, Fliesen etc. von unübertroffener Druckfestigkeit (238 Kilogr. pro Quadratcentimeter) und absoluter Wetterbeständigkeit mit geringsten Kosten herzustellen.

Der Kalk wird nicht auf gewöhnlichem Wege, sondern in Dampf von acht Atmosphären Druck gelöscht, mit 90 Prozent Sand gemischt, zu Steinen geformt und nochmals 12 Stunden dem Dampfdruck ausgesetzt. Die Steine kommen dann baufertig aus dem Kessel und vertragen einen Druck von 200 Atmosphären. Proben solcher Steine können bei Herrn Hasenfelder in Augenschein genommen werden.

Die Anlage soll schon in wenigen Monaten in Betrieb gesetzt werden, zu welchem Zweck Herr Hasenfelder die Alttomischeler Sandberge auf längere Jahre in Pacht erhalten hat.“

Der Bauunternehmer Hasenfelder hatte mit seiner Vorgehensweise für sich und sein Unternehmen die Produktion von Kalksandsteinen nach dem unter Patentrecht stehendem Verfahren zu sichern, einen Vorteil gegenüber seinem Mitbewerbern aus dem Baugewerbe erworben. Gleiches gilt für seinen Schritt den benötigten Rohstoff Sand durch eine Langzeitpacht der Alttomischeler Sandberge abzudecken.  Einerseits konnte er zukünftig für neue Bauvorhaben durch die Eigenherstellung der benötigten Steine günstige Angebote ausarbeiten, andererseits aber auch durch den Verkauf des Fertigproduktes „Stein“ Einnahmen verzeichnen.

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Eingangsportal des Bahnhofes Posen - Quelle: www.zeno.org [3]

Eingangsportal des Bahnhofes Posen – Quelle: www.zeno.org

Im Kreisblatt finden sich bis zum November keine weiteren Artikel. Die Ausarbeitung des Projektes „Kreisständehaus“ schritt jedoch fort. In Berlin war Gustav Knoblauch (1833-1916) damit beschäftigt die Bauzeichnungen des zu errichtenden Gebäudes anzufertigen. Seine ersten Entwürfe sind datiert vom Juni, die, die schließlich umgesetzt wurden vom August 1898.

Gustav Knoblauch galt als renommierter Architekt; vornehmlich war er in Berlin tätig. Ein sehr bekanntes von ihm entworfenes Gebäude, welches jedoch außerhalb der damaligen Metropole lag, war das des Posener Hauptbahnhofes welches in den Jahren 1872-1879 errichtet wurde.

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Am 11.11.1898 fand eine weitere Kreistagsitzung, die sich mit der Errichtung des Kreisständehauses befasste statt. Eine kurze Berichterstattung ist hierzu in der Ausgabe des Kreisblattes vom  22.11.1898 zu finden.

In dieser Sitzung „beschloß der Kreistag einstimmig auf Vorschlag des Kreisausschusses und unter Bezugnahme auf das Schreiben des Baumeisters Knoblauch-Berlin vom 10. November d. J.:

Zur Bestreitung der gesammten Kosten für die Errichtung eines Kreishauses werden 30.000 Mark durch Versilberung der im Bestande der Kreiskommunalkasse befindlichen Effecten und 45.000 Mark im Wege der Anleihe bei der Kreissparkasse aufgebracht. Die Anleihe soll mit 3 1/2 % verzinst und vom 1. April 1908 ab mit 5 % getilgt werden. Die gesammten Kosten sollen die im Schreiben des p. Knoblauch vom 10. d. Mts. angegebene Summe von 77.300 Mark nicht überschreiten. Der nicht gedeckte Betrag von 2.300 Mk. soll, soweit er erforderlich ist nach dem Vorschlage des Kreis-Ausschusses durch Einstellung in den Etat für 1900/1901 aufgebracht werden. Der Kreisausschuss wird bevollmächtigt, die Bauausführungen demgemäß nach eigenem Ermessen zu vergeben.“

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Eine letzte Begebenheit des Jahres 1898 in der Stadt fand sich dann in einer Kurzmeldung, welche unter dem 03.01.1899 erschienen war:

„Zwei Dampfkessel von selten großem Umfange wurden am 24. und 30. Dezember  (1898) von je 6 Pferden nach der neuen Hasenfelder’schen Dampfhartsteinfabrik vom Bahnhof durch die Stadt gezogen und machten viel Aufsehen. Jeder Dampfkessel hat ca. 9 m Länge, 2,10m Durchmesser und ein Gewicht von ca. 200 Centner. Der Betrieb der Dampfhartsteinfabrik wird bereits Ende Januar eröffnet und soll auch alsdann mit dem Verkauf der Mauersteine sofort begonnen werden.“

Anzeige des Bauunternehmens Hasenfelder, Neutomischel - Quelle: Kreisblatt vom 03.01.1899 [4]

Anzeige des Bauunternehmens Hasenfelder, Neutomischel – Quelle: Kreisblatt vom 03.01.1899

 

– Fortsetzung folgt –

Quellen: