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Gebäude der Stadt Neutomischel – No. 15 – Familie Pietsch / anfänglich Schneiderwerkstatt und später Kupferschmiede bis 1870

Direkter Blick auf das ehemalige Hausgrundstück No. 15 in Neu Tomysl / Aufn. PM [1]

Direkter Blick auf das ehemalige Hausgrundstück No. 15 in Neu Tomysl / Aufn. PM

Am 13. August 1778 wurde durch Graf Feliks Szołdrski den Hauländergemeinden das Kirchenprivilegium zum Bau einer evangelischen Kirche nebst eines Pfarr- und Schulhauses und die Anlage eines Kirchenplatzes auf dem „Platz bey Pietschen Nachbar in der Glinauschen Gemeinde“ erteilt.

Letztlich ist es natürlich nur Annahme, dass dieser Nachbar Pietsch, tatsächlich derjenige war, dessen Familie wir in den Kirchenbuchaufzeichnungen folgten, es spricht jedoch vieles dafür.

Zu finden sind die George Friedrich und Anna geborene Nerling(in) Pietsch‚en Eheleute. Beide waren rückgerechnet aus Altersangaben in ihren Sterbeeinträgen um 1725/1726 geboren worden. Zu wann sie sich in Glinau ansiedelten oder auch woher sie kamen ist nicht bekannt.

Erwähnt wurden sie als Nachbarn aus der Glinauschen Gemeinde. George Friedrich Pietsch war Schneidermeister und späterer Kirchenvorsteher. Verstorben sind sie, so die Toteneintragungen im Kirchenbuch, in den Jahren 1797 und 1799 „allhier“, welches gleichzusetzen ist mit der in den Jahren 1786-1788 gegründeten Stadt Neutomischel.

Weiterhin ist in den Aufzeichnungen der Eheschließungen aus dem Jahr 1785 nachfolgender Eintrag zu finden: „ Johann George Pietsch, juvenis, ein Schneider u. Eigenthümer auf dem Kirchen Platze, George Friedrich Pietsch, Nachbar in der Glinauschen Gemeine und Kirchenvorstehers, jüngster Sohn, mit Jungfer Maria Elisabeth Kliemin, Mstr. Gottfried Kliems, Eigenthümers und Windmüllers auf dem Kirchen Platze älteste Tochter. Copul. d. 18 October“.

Johann George Pietsch, Sohn von George Friedrich Pietsch und seiner Ehefrau Anna geb. Nerling war vermutlich um das Jahr 1753 geboren worden, sein Geburtsort konnte nicht ermittelt werden. Er und seine Ehefrau Maria Elisabeth geborene Kliem haben jedoch als Unverheiratete den Kirchenbau und in den ersten 2 Jahren nach ihrer Eheschließung die Stadtgründung miterlebt.

Kupferschmiede im Museumsdorf Cloppenburg Die alten Handwerksgeräte bestimmen die Einrichtung. Die ältesten Geräte stammen aus der Zeit um 1850 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kupferschmiede_-_Coppersmithy_-_Museumsdorf_Cloppenburg_-_Open_air_museum_Cloppenburg.jpg / Aufn. Heinz-Josef Lücking [2]

Kupferschmiede im Museumsdorf Cloppenburg Die alten Handwerksgeräte bestimmen die Einrichtung. Die ältesten Geräte stammen aus der Zeit um 1850
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kupferschmiede_-_Coppersmithy_-_Museumsdorf_Cloppenburg_-_Open_air_museum_Cloppenburg.jpg / Aufn.
Heinz-Josef Lücking

Ob es mit der Stadtgründung zu einer Neuordnung „alter“ Grundstücke gekommen ist, oder ob die vorhandenen lediglich dem Areal der Stadt zugeschlagen wurden, ist ein weiterer Punkt, der bis heute nicht geklärt werden konnte. Angenommen wurde, dass das ehemalige Grundstück der Familie Pietsch in Glinau zum Grundstück Neu Tomysl No. 15 am Alten Markt bzw. dem Kirchenringe wurde.

Die Daten der Gebäude, die in der seitens der Provinzial Feuerversicherung angefertigten Beschreibung aus dem Jahr 1836 für den Besitzer Wilhelm Pietsch festgehalten wurden, wiesen für diese ein Alter von 30 Jahren aus; als Baujahr ist also das Jahr 1806 anzunehmen.

Zugrunde gelegt wurde, dass der genannte Besitzer Wilhelm Pietsch der im Januar 1803 geborene Sohn o. g. Eheleute Pietsch/Kliem ist, welche anhand des Errichtungsdatums der Gebäude auch als deren Erbauer gelten; getauft wurde er auf den vollen Namen Johann Wilhelm Friedrich Pietsch.

Wilhelm Pietsch hatte sich 1828 mit der im Jahr 1807 geborenen Johanna Rosina Maennel, einer Tochter des Kaufmanns und Eisenhändlers Carl Maennel und dessen Ehefrau Anna Rosina geb. Kannewischer, vermählt. Die Eheleute Pietsch/Maennel waren Bürger, Wilhelm zudem Kupferschmied, in der Stadt Neu Tomysl.

Das 1836 beschriebene Wohnhaus war 48 Fuß lang, 29 Fuß breit und 7 Fuß hoch (ca. 14,60×8,80×2,10m). Die äußeren Bohlenwände waren mit Lehm verputzt gewesen, während die inneren Wände aus kiefernem Fachwerk, welches mit Lehm ausgeklebt gewesen war, bestanden haben. Das Haus hatte über einen stehenden Dachstuhl mit einem Erker verfügt. Gesondert wurden 2 gläserne Dachfenster erwähnt. Beim Bau des Schornsteins war darauf geachtet worden, das dieser nicht in Berührung mit hölzernen Wänden kam. Über 2 Flure waren 4 Stuben, 1 Stubenkammer, 2 Dachstuben und 1 Rauchkammer zu erreichen gewesen. Die Räume hatten über 13 Türen, welche sie miteinander verbunden hatten, verfügt. Licht kam durch 8 zweiflügelige Fenster ins Haus. Mit 2 im Haus befindlichen „Ofen aus Kacheln“ konnte das Haus beheizt werden.

Im Gebäude wurde, so der Vermerk des Versicherungsbevollmächtigen, die „Kupferschmiede Profession“ betrieben. Diese Aussage erhärtet nochmals die Annahme, dass es sich bei dem Besitzer um Johann Wilhelm Friedrich Pietsch gehandelt hat, er galt als Kupferschmied in der Stadt.

Über einen Torweg konnte das Grundstück vermutlich auch mit einem Pferdefuhrwerk befahren werden. Durch diesen war der Stall, 76 Fuß lang, 19 1/2 Fuß breit und 7 Fuß hoch (ca. 23,10×5,90×2,13), der sich an den hinteren Teil des Wohngebäudes anschloss, zu erreichen gewesen. In dem aus Bohlwerk errichten Gebäude waren unter anderen 1 Pferdestall, der 5 Pferde beherbergen konnte und 2 Ställe für 12 Stück Rindvieh untergebracht gewesen.

Das Gebäude auf dem Hausgrundstück No. 15 links neben dem ehemaligen Hotel Hopfenkranz / Ansichtskarte aus der Sammlung Wojtek Szkudlarski [3]

Das Gebäude auf dem Hausgrundstück No. 15 links neben dem ehemaligen Hotel Hopfenkranz / Ansichtskarte aus der Sammlung Wojtek Szkudlarski

Die großen Ställe lassen vermuten, dass außer dem Ehepaar Pietsch noch weitere Personen im Haus gelebt haben, hierzu wurden allerdings keine Aufzeichnungen gefunden.

Alles in allem, trotz erwähnter „etwas verwitterter“ äußerer Wände, trotz „etwas verfaulter“ Holzwände und Ecken am Erker, trotz „etwas ausgetretener“ Lehmfußböden, trotz nur zur „Hälfte guter Schindeln“ auf den Dächern galten die Bauten als „noch dauerhaft„.

Insgesamt wurden in den Kirchenbuchaufzeichnungen 8 geborene Kinder von Johann Wilhelm Pietsch und der Johanna Rosina geborene Maennel gefunden. Krankheiten wie Ruhr, Stickfluss und Scharlach ließen vermutlich nur den in den Eintragungen gefundenen, im Jahr 1842 geborenen Sohn, Emil Gustav überleben. Er ist in Kirchenbuchaufzeichnung in späterer Zeit wiederum als Kupferschmied zu finden. Weiterhin kann er als Folgebesitzer des Hausgrundstücks Neu Tomysl No. 15 angenommen werden ehe dieses um 1870 mit neuen Besitzern Erwähnung findet.

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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt:
Akten des Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/):
Stadtakten / Beschreibung sämtlicher Gebäude in der Stadt Neu Tomysl
Kirchenbücher der evangelischen Gemeinde Neu Tomysl