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Gebäude der Stadt Neutomischel – No. 4 Posener Straße / Teil I. – Chirurgius und Wundarzt Sagawe

Berliner Chirurgensiegel, datiert 1727 / Bild: Buch "Alte Berufe" [1]

Berliner Chirurgensiegel, datiert 1727 / Bild: Buch „Alte Berufe“

„Der Wundarzt wird zwar zu verschiedenen Verrichtungen gebraucht; doch bestehen diese hauptsächlich in der Heilung äußerlicher Wunden am menschlichen Leibe.

Der Kopf wird bald durch Stoßen, bald durch Schlagen, Schießen oder Stechen, durch Geschwüre und Beulen verletzt. Bald werden Arme, bald Beine gebrochen, oder verrenkt, ohne anderer Wunden und der Brüche zu erwähnen. Zur Hebung dieser Uebel bedient sich der Wundarzt bald erweichender Mittel, um gewisse Verhärtungen und Geschwüre zu zeitigen, bald ätzender und anderer geistiger Wasser, um die Fäulniß zu verhindern und die Wunden zusammenzuziehen, bald der Pflaster, um die freie Luft abzuhalten und die Heilung zu beschleunigen.

Oft kann aber die Heilung nicht glücklich von Statten gehen, wenn nicht ein oder ein anderes Glied abgenommen wird, was mit Hilfe chirurgischer Instrumente geschieht. Oft versteht der Chirurg auch die Geburtshilfe.“

Berufsbeschreibung  in „Neuer Orbis Pictus“  aus dem Jahr 1835

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Es war das Wohnhaus des Johann Wilhelm Sagawe – Bürger, Chirurgius und Wundarzt zu Neu Tomysl welches sich in der Posener Str. No. 4 befunden hatte.

Das Wohnhaus als Hauptgebäude war 59 1/2 F lang, 23 F breit und 8 F hoch (ca. 18,10×7.00×2,40m) gewesen. Es war von Fachwerk welches mit Lehm ausgefüllt gewesen war erbaut worden; dieses galt auch für den Erker. Letzterer war auswendig noch mit Brettern verschlagen gewesen und es hatten sich 2 hölzerne Rinnen an diesem befunden.

Im Inneren des Hauses befanden sich 2 Flure von denen die 2 Stuben und die Küche abgingen. 2 zweiflügelige Fenster brachten Licht in die Räume. Das Haus wurde über 2 „Ofen von Kacheln“ beheizt. Die Stuben und die Einfuhr hatten gedielte Fußböden gehabt, während die Küche nur mit einem Estrich von Lehm versehen gewesen war. Die Feueresse hatte aus Holz bestanden und war mit Lehm umflochten gewesen. Ein massiver Schornstein hatte aus dem Schindeldach geragt. Die Durchfahrt auf den hinteren Teil des Grundstückes war mit einem 2 flügeligem Tor zu verschließen gewesen.

Ein Giebel des Hauses hatte direkt an den des Hauses der No. 3 gestoßen, während der andere, er war der stadteinwärts gelegene gewesen, ebenso wie das Gebäude nach hinten, völlig frei gestanden hatten. Die Hausfront müsste nach dieser Beschreibung zur Posener Straße gelegen haben.

Das Alter des Gebäudes war im Jahr 1836 auf etwa 50 Jahre geschätzt worden, es war also etwa um 1784 errichtet worden. Als Mängel waren lediglich notiert worden, das die Wetterseite, vermutlich die Westseite, des Hauses etwas vom Regen ausgeschwächt und die Fenster und Türen lediglich zur Hälfte gut gewesen waren.

Weiterhin hatte auf dem Stadtgrundstück ein Stall von 41 Fuß Länge, 17 Fuß Breite und 6 1/2 Fuß Höhe (ca. 12,50×5,10×2,00m) gestanden. Er war teils aus Bohlen, teils aus gelehmtem Fachwerk erbaut gewesen. Das Dach war lediglich mit Stangen belegt gewesen auf welchen man dann eine Eindeckung mit Rohr vorgenommen hatte.

In dem Stall waren 1 Tennflur, 1 Bansen und 1 Kuhstall „zu 4 Kühen“ und ein Holzstall untergebracht gewesen. Ebenso wie das Wohnhaus war sein Alter auf etwa 50 Jahre geschätzt worden. Der Zustand der Bohlen war als gut befunden und  nur die Schwellen als verfault beschrieben worden.

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Johann Wilhelm Sagawe

Chirurgius und Wundarzt zu Neu Tomysl

Errechnet aus seiner Altersangabe im Toteneintrag des Kirchenbuches von Neutomischel war er ca. 1753 geboren worden. Angaben zu seinem Geburtsort oder etwaige andere Daten wurden nicht gemacht. Er verstarb am 15. Februar 1838 zu Neu Tomysl. Er starb, so der Eintrag, an Altersschwäche im Alter von 85 Jahren.

Als Ehefrau wurde in einem Kirchenbucheintrag Eva Rosina geborene Gottschlag gefunden. Aus ihrem Toteneintrag rückgerechnet war sie ca. 1765 geboren worden. Auch bei ihr wurden keine weiteren Angaben gemacht. Im Alter von 68 Jahren verstarb sie an Abzehrung am 25. April 1833 zu Neu Tomysl.

Als Kinder des Paares wurden anhand der Kirchenbucheintragungen notiert:

  1. 1785 Charlotte Louise (später verehelichte Schulz) – ihr Name wechselte in den gefundenen Einträgen zu Caroline Elisabeth oder auch Lisbeth
  2. 1789 Christian Wilhelm Sagawe
  3. 1799 Beate Eleonora ( später verwittwete Wandtke, wieder verehelichte Eichler)

Theoretisch könnte Johann Wilhelm Sagawe der Erbauer des Gebäudes im Jahr 1784 auf dem ehemaligen Hausgrundstück No. 4 in Neu Tomysl gewesen sein, da zu dieser Zeit die Kinder des Paares geboren sein müssten. Dagegen spricht, dass von keinem der Kinder ein Geburts-/Taufeintrag  gefunden wurde. Letzteres gilt auch für Sterbeeinträge der Kinder. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ist nichts Abschießendes über ihren Verbleib oder den ihrer Familien bekannt.

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Ein Besitzwechsel des Gebäudes fand ungefähr im Jahr 1854 statt. Leider wurde bei diesem nicht vermerkt wer als Verkäufer des Anwesens auftrat.

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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt: 1) Akten des Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/): Stadtakten / Beschreibung sämtlicher Gebäude in der Stadt Neu Tomysl; 2) Personenstandsunterlagen  Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/)