„Neutomischel um die Jahrhundertwende“ – der Artikel wurde im Original von Friedrich Haase für das Jahrbuch der Landsmannschaft Weichsel-Warthe Ausgabe 1983 verfasst und publiziert.
Eine Veröffentlichung auf dieser Seite erfolgt mit freundlicher Genehmigung der LWW – Landesmannschaft Weichsel-Warthe.
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Wer unter uns erinnert sich wohl noch, wenn wir heute einmal unseren Blick nach dem einstigen Neutomischel richten, des einst gängigen Zweizeilers über jene fruchtbare Gegend, in der bekanntlich der Anbau und Handel mit Hopfen zu Hause war: „Links ein Büschel, rechts ein Büschel – mitten drinnen Neutomischel“!?
Der geregelte und rationelle Hopfenanbau rund um Neutomischel datierte — seitdem Josef Jacob Flatau sich sehr dafür eingesetzt hatte und dafür den Beinamen „Flatau von Hopfenfeld“ erhielt — seit dem Jahre 1838. Ausgehend von alten Urkunden und Zeitungsmeldungen rund um die Jahrhundertwende wollen wir heute einmal einen Blick auf jenes Städtchen und seine Umgebung werfen, die stets einen starken Anteil deutscher Bevölkerung nachwiesen, bis sich mit dem Zweiten Weltkrieg und der Zeit nach 1945 auch hier die Verhältnisse grundlegend wandelten. Wir bringen unseren kleinen Situations-Querschnitt unkommentiert, ein jeder kann sich auf die teils amüsanten, teils tragikomischen Meldungen und Hinweise selbst seinen Vers machen. Viele aus dem Kreis Neutomischel stammende Leser werden hier ihre Großeltern bzw. Urgroßeltern aufgeführt finden.
Wir beginnen mit der Aufführung solcher Namen, deren Träger damals Hopfen in großem Umfang anbauten:
August Brunsch, Robert Fechner, Traugott Fenske, Ludwig und Alexander Kannewischer, August Manthey, Heinrich, Dienegott und Alexander Maennel, Oswald, Hugo und Adolph Thomas, Carl Xenodochius, Gottlieb, Christian, Wilhelm und Heinrich Tepper, Heinrich Zeidler.
Als Hopfenhändler sind in den ausgewerteten Unterlagen folgende Neutomischler Bürger verzeichnet:
David Bonn, Wolf Danziger, Carl Fechner, J. und H. Friedländer, Josef Guttkind, Meyer Josephsohn, Wilhelm Peikert, Friedrich Pflaum, Hermann Richter.
Nebenbei bemerkt, notierte der Neutomischler Hopfen im Oktober 1895 je Zentner I. Klasse 85-88 Taler, II. Klasse 70-75 Taler.
Standesamtliche Nachrichten
Am 6. 9. 1901 gestorben der Bezirksfeldwebel a. D. Robert Seiler, 56 Jahre alt. Gestorben: Ausgedinger Valentin Kierztan, 87 Jahre alt, zu Witomischel.
Geboren ein Sohn dem Eigentümer Wilhelm Gebauer zu Paprotsch, dem Eigentümer Ferdinand Seide zu Glinau. Robert Seiler geboren in Gosciejewo, wo sein Vater Lehrer war. (Die Familie leitete ihren Ursprung von der Schweizer Grenze her, Nachkommen leben u. a. in Bad Nenndorf und Wolfenbüttel; ein Bruder von Robert S. besaß den Ernsthof in Posen.)
Am 29. Oktober 1895 verehelicht: Handelsmann Emil Albin Otto Leciejewicz mit Emilie Wanda Seiler, beide aus Neutomischel. Geboren: Eine Tochter: dem Eigentümer Ferd. Siegesmund in Altomischel, dem Eigentümer August Schulz in Scherlanke. (Die Familie Leciejewicz leitete ihren Ursprung von dem Dorf Leciejewo in Ostpolen her, noch weiter in alten Zeiten zurück berichtete die Familienüberlieferung, sie wären einmal aus Serbien eingewandert. Nachkommen in Warschau, Breslau und Bremen.)
A) Anzeigen
Adolf Enderich aus Fraustadt bittet um Beachtung: Er ist vom 14. bis 16. September 1901 im Garten des Herrn Gärtner für photographische Aufnahmen anwesend.
Die Eisenhandlung Lippmann verkauft emaillierte Wannen, Dezimalwaagen, eiserne Gewichte, Roststäbe und Ofentüren. Der Bahnspediteur Goldmann versteigert 4 Faß russ. Sardinen und Bratheringe.
Drogerie Otto Thomas: Plüß-Stauffer-Kitt, mit Gold- und Silbermedaillen prämiiert.
Alexander Maennel liefert Cement, die Tonne zu 6,00 Mark und verkauft Insektenvertilgungsmittel „Hodurek’s Mortein“. Bietet auch Kaffee an, das Pfund 60 Pfennige, gebrannt 80 Pf. Salomon Levy verkauft „hochfeinen Dominial-Saatroggen“. Otto Scheumann betreibt eine Druckerei, druckt das Kreis-Blatt und liefert Stempel, Kuverts und Servietten, auch Kontrollbücher für den Schweinetransport.
Ernst Tepper Nachf. liefert Rattentod, das Paket zu 50 Pf. Im Niedbalschen Saale veranstalten die Norddeutschen Sänger am 11. 9. 1901 eine Soiree. Es bleibt zu erwähnen, daß auch Frauen mit ihren Töchtern das Concert anstandslos besuchen können, da die Norddeutschen Sänger stets in ihren Vorträgen den guten Sitten Rechnung tragen!
Am 15. 9. nachmittags großes Konzert im Garten des Schützenhauses, dazu lädt ein W. Schmidt.
Am selben Tage nachmittags 2 Uhr Provinzial-Lehrerversammlung, die Kapelle des 50. Infanterie-Regiments in Rawitsch, Dirigent Kapellmeister Lesnau, ist verpflichtet.
Am 2. Oktober findet eine Hopfenprämiierung im Niedbalschen Saale statt.
Während die Familie des Eigentümers Wilhelm Tepper in Zinskowo beim Hopfenpflücken war, schlich ein Dieb in die Wohnung und entwendete aus der Kommode zwei Taschenuhren.
B. Sonstiges
Anläßlich des 500jährigen Jubiläums von Opalenitza waren der Erzbischof v. Stablewski, der Weihbischof Dr. Likowski und Tausende aus den Städten und Dörfern der Umgegend erschienen. Abends stellten sich sämtliche deutschen und polnischen Vereine auf dem Marktplatz auf, woselbst der Ober-Steuerkontrolleur Racah, zugleich Vorsitzender des Landwehr-Vereins, eine Ansprache an die Versammelten hielt, die in einem Kaiserhoch endete. Eine zweite Ansprache in polnischer Sprache hielt der hiesige Vikar. Hierauf erfolgte ein Fackelzug durch die festlich geschmückten Straßen, während die Bürger aufs prächtigste illuminiert hatten.
Eine vielköpfige Familie hieß Janotte, die Vorfahren waren nach dem Edikt von Nantes aus Frankreich zugewandert. Sie wurden nach Beinamen unterschieden, so z. B. „Bruns-Janotte“, weil auf dem weitläufigen Anwesen ansässig, das ehemals der Familie Bruns gehört hatte, war ein Ausspann gewesen. Die „Bruns-Janotten“ war bekannt, sie holte Osterwasser unter strengem Schweigen und nach bestimmten Zeremonien, und die Leute holten das angeblich heilkräftige Wasser von ihr. Sie konnte auch die Rose besprechen; ein solcher Spruch ist überliefert.