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Kleinstadtbilder aus Rakwitz und Grätz in den letzten Jahrzehnten des polnischen Reiches – 1735 bis 1782 – Teil 5 – Die Begründung des Grätzer Kirchspiels – die Vorarbeiten, die Pfarrerwahl und General Radonski

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Ausschnitt aus dem hoelzernen Fries ueber dem Eingang der ehem. evgl. Kirche zu Graetz – Arbeit von A. Bothe — Aufn. PM

Die zweite Teilung Polens, 1772, hatte stattgefunden. Der langgehegte Wunsch in Grätz eine evangelische Kirche zu errichten sollte umgesetzt werden. Neben den Befürwortern dieses Unterfangenens gab es allerdings auch Gegner. General Kasimir von Radonski, der Bevollmächtigte der Grätzer Güter soll einer von ihnen gewesen sein, dieses nachdem die Gemeinde sich gegen seine Wünsche widersetzte. Erwähnt muss aber auch werden, dass der evangelische Pfarrer aus Rackwitz Kuczewski, ihm wird ein „schlechter“ Charakter bescheinigt, nicht an den Gewaltätigkeiten, wenn auch nicht persönlich durch ihn verübt, unbeteiligt war. Als kleinstes Übel kann vermutlich Bestechung angesehen werden, eigentlich unvorstellbar, gipfelte der Hass der Gegener dann mit der Erteilung des Befehls zur Ermordung.

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4. Die Begründung des Grätzer Kirchspiels

a) die Vorarbeiten: Reise zum Fürsten Czartoryski und die Lokalkommission – 1775

In neue Kämpfe und Ungelegenheiten wurden die Evangelischen zu Grätz, besonders aber die Familie Flegel verwickelt, als die Gründung einer eigenen Kirche ins Werk gesetzt wurde, wobei sich besonders der Bevollmächtigte der Grätzer Güter, General Kasimir von Radonski als heftiger Gegner und Feind vor allem der Familie Flegel erwies.

Die Verfolgung der Dissidenten, also der Lutheraner und Reformierten, nahm mit der ersten Teilung Polens 1772 ein Ende. Auch in den heutigen Regierungsbezirk Posen, der damals noch nicht preußisch wurde, sowie in den Rest des polnischen Reiches kehrte unter dem Schutze der benachbarten Großmächte Ordnung ein, sodass sich die dissidentischen Gemeinden in Ruhe entwickeln konnten. Im Jahre 1775 wurde nach Lissa die großpolnische Synode einberufen, und um diese Zeit erwachte auch in Grätz, dessen evangelische Einwohner nach Rakwitz eingepfarrt waren, der Gedanke, eine eigene evangelische Kirche zu gründen. Über die Geschichte der wirklich erfolgten Gründung werden wir aus den beiden Flegelschen Chroniken, besonders der jüngeren, unterrichtet. Als nun Anfang September 1775 die Synode in Lissa zusammentrat, reisten auch aus dem westlichen Teile des heutigen Posener Regierungsbezirkes die geistlichen sowie die weltlichen Mitglieder der Synode dorthin und nahmen zum Teil ihren Weg über Grätz, wo sie im gastfreundlichen Flegelschen Hause willige Aufnahme fanden.

(Die Verhandlungen dieser Synode sind uns genau mitgeteilt in A.F. Büsching, Neueste Geschichte der Evangelischen beider Konfessionen im Königreiche Posen u.s.w. Halle 1784. Sie wurde Montag den 4. September in Gegenwart der Ritterschaft, Geistlichkeit und Gemeindedeputierten in der evangelisch-lutherischen Kirche zu Lissa früh 8 Uhr mit dem Gesange des Liedes aus dem Lissaer Gesangbuch Nr. 331: „O Jesu, einig wahres Haupt“ und einer feierlichen Rede des Pastors Längner aus Lissa vor dem Altar eröffnet. Unter den 29 Vollmachten der Stadt- und Gemeindedeputierten, welche am 4. September abgenommen und registriert wurden, steht an siebenter Stelle Rakwitz, an 25ter Grätz nebst einem Briefe. Außer Grätz hatten auch Kosterzewo (Rosterzewo?) und Obornik neben der Vollmacht noch einen Brief mitgeschickt.        Büsching a.a.O. S.17

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Der urspruengliche Fachwerkbau der evangel. Kirche zu Graetz – Quelle www.grodzisk.wlkp.pl

Ein Hauptgegenstand dieser Synode war die Errichtung eines Provinzial-Konsistoriums beider Konfessionen für Großpolen; aber die reformierte Geistlichkeit, welche den Absichten des Adels auf der Synode, besonders des Herrn von der Goltz misstraute, erschien nicht. Daher konnten für diesmal nur die lutherischen Mitglieder des Konsistoriums gewählt werden. Die jüngere Chronik spricht daher mit Unrecht davon (S.4), dass die reformierten Geistlichen 1775 zur Synode reisten. Es ist auch ungenau, wenn sie dort sagt, dass in Lissa auf der Synode 1775 das evangelische und reformierte Konsistorium gebildet wurde; vielmehr wurden nur die lutherischen Mitglieder desselben gewählt.            Büsching a.a.O.  S.8, 14 ff u. besond. S.49)

Der jüngere Chronist nennt die Herren von Brause, die Herren von Unruh, Lossow, Kalkreuth, die Geistlichen aus Birnbaum, Orzeszkowo, Obersitzko und Münche, verzichtet aber auf vollständige Aufzählung.

Diese Gelegenheit benutzte nun Karl Flegel, um die Gründung einer evangelischen Gemeinde in Grätz bei der Synode bzw. dem dort zu gründenden Konsistorium anzuregen. Er legte, wie der jüngere Chronist sagt, durch Verabredung mit den Vorstehern des Konsistoriums den Grund zur Errichtung der Kirche.

In seinen Bestrebungen wurde er sogar von der Grundherrschaft unterstützt. Im Jahre 1775 starb die Familie der Opalinski, denen Grätz gehörte, mit ihrem letzten Spross, dem Woiwoden Woiciech (Adalbert) von Opalinski aus. Seine Witwe, eine geborene Gräfin Potocka, besaß mehrere Güter in Kleinpolen und trat die Grätzer Güter, mit denen sie sich nicht erst befassen wollte, dem Fürsten Adam Czartoryski durch Schenkungsurkunde ab. So kam Grätz 1775 an das Fürstenhaus der Czartoryski. Der Fürst hatte aber seinen Wohnsitz in Wolezyn in Lithauen und übertrug die Verwaltung der Grätzer Besitzungen einem Bevollmächtigten, dem General Radonski, der im Jahre 1775 nach Grätz kam und im dortigen Schlosse als Vertreter des Fürsten Wohnung nahm. Radonski hoffte von der Gründung einer evangelischen Kirche einen starken Zuzug von Protestanten nach Grätz, wie Karl Flegel, der ältere Chronist berichtet, und trieb daher diesen an, für das Unternehmen Stimmung zu machen. Flegel bereiste mit zwei anderen Gemeindemitgliedern die Hauländereien und suchte von ihnen die Zusage fester Beiträge zum Predigergehalt und zu den sonstigen Kosten zu gewinnen, die mit der Gründung des Kirchspiels verbunden wären. Seine Bemühungen waren im Ganzen von Erfolg begleitet; von den Hauländereien zeigte sich besonders das Zdroyer d. i. Schwarzhauland willig. Hingegen verhielten sich die Konkolewoer sehr ablehnend und versuchten sogar die übrigen Hauländereien zur Zurücknahme ihrer Zusagen zu bestimmen.

Die jüngere Chronik stellt den Hergang bei der Gründung etwas anders dar. Nach ihr ging die Anregung lediglich von Karl Flegel aus, und Radonski wird überhaupt nicht erwähnt. Wir müssen aber der älteren folgen, in welcher Karl Flegel seine eigenen Erinnerungen und Erlebnisse niedergeschrieben hat. Die ältere stimmt mit der jüngeren (B 4 und 6 vgl. A5) darin überein, dass auch sie die Bemühungen Karl Flegels für die Kirchenangelegenheit beim Konsistorium und der Synode erwähnt. Da Radonski nun später, wie wir bald sehen werden, eine sehr feindliche Haltung der evangelischen Gemeinde gegenüber einnahm, so ist es begreiflich, dass der jüngere Chronist Radonskis ursprüngliches wohlwollendes Verhalten überging. In der Erinnerung des späteren Geschlechtes lebte der General nur noch als Feind der Gemeinde und der Kirche fort.

Zur Begründung der neuen Kirchengemeinde gehörte der Konsens des Konsistoriums. Dieses musste nach den Beschlüssen der Synode von 1775 eine Lokalkommission in Grätz abhalten lassen, welche die Bedürfnisfrage, die Einpfarrung der anliegenden Ortschaften, die Aufbringung des Gehaltes zu prüfen, kurzum die grundlegenden Verhältnisse der zukünftigen Gemeinde zu regeln hatte. Sie fand im November statt.

Vorher war aber nach der jüngeren Chronik noch die Genehmigung der Grundherrschaft, der sogenannte Dominialkonsens, erforderlich, der vom Fürsten eingeholt werden musste. Dazu wurde eine Reise nach Wolczyn unternommen, der 30 Meilen hinter Warschau in Lithauen gelegenen Residenz des Fürsten Czartoryski. Die Teilnehmer an derselben waren Karl Flegel, der das ganze Unternehmen leitete, die Witwe Flegel, ihr Bruder, der Weißbäcker Samuel Kause und der Müller Schönfeld, sämtlich aus Grätz. Die Reise wurde auf eigene Kosten der Teilnehmer gemacht; das einspännige Gefährt stellten Karl Flegel und die Witwe; einige Mitglieder der Grätzer Gemeinde hatten jedoch freiwillig Beiträge gegeben. Die Reisenden fanden beim Fürsten eine sehr gnädige Aufnahme, wurden drei Tage hindurch bewirtet und erhielten bei der Abreise nicht nur den fürstlichen Konsens, sondern auch noch etwas Reisegeld. Dasselbe reichte indessen nur bis Warschau, wo sie die Güte einiger vornehmer Herren, wahrscheinlich Glaubensgenommen, welche Karl Flegel kannte, in Anspruch nehmen mussten. Diese schossen Flegel das Geld teils vor, teils schenkten sie es ihm (B5). Nach mehrwöchentlicher Abwesenheit und wohl auch mancherlei Entbehrungen und Mühseligkeiten kamen die Reisenden wieder glücklich in Grätz an (B6).

Flegel reiste mit dem fürstlichen Konsens zum Konsistorium nach Lissa und bewirkte die Abhaltung der erforderlichen Lokalkommission, die in Grätz am 13. und 14. November 1775 stattfand.

Die ältere Chronik schweigt von jener Reise nach Wolczyn völlig, obwohl ihr Verfasser Karl Flegel an dieser selbst teilgenommen und sie sogar geleitet haben soll; sie erwähnt (A5) nur, dass um eine Lokalkommission gebeten, und diese auch abgehalten wurde. Es wird in ihr aber nirgends auch nur eine Andeutung auf die Reise gemacht. Indessen kann diese nicht erfunden sein. Der ältere Chronist schweigt auch sonst von Ereignissen, die der jüngere ausführlich berichtet, und die jenen doch angingen, gänzlich, so vom Tode Samuels 1766 und manchen Einzelheiten aus der Konföderationszeit, an denen er selber beteiligt war. In den Einzelheiten der Reise freilich scheint es, als ob der Bericht der jüngeren Chronik Widersprüche enthielte. Nach ihr soll Flegel nämlich dem Fürsten die Erlaubnisurkunde des Konsistoriums übergeben und dann den fürstlichen Konsens erhalten haben. Derselbe jüngere Chronist sagt aber kurz nachher (B6), dass nach der Lokalkommission, also auch nach der Reise vom Konsistorium die Erlaubnis zur Errichtung einer Kirche und einer Predigerwahl erfolgte.

(Die Grätzer Kirchenangelegenheiten sind wahrscheinlich schon auf der Synode vom 4.-9. September 1775 zur Sprache gekommen und im Konsistorium verhandelt worden. Der ältere Chronist sagt nämlich (S. 5 ob.), dass er sich sowohl bei dem Konsistorium als in „den Synoden“ (soll wohl heißen der Synode) alle Mühe gab, eine Kirche nach Grätz zu bekommen. Bei Büsching a.a.O wird zwar in den Verhandlungen der Synode Grätz nicht erwähnt. Er sagt jedoch (S.35), dass damals für 6 Gemeinden (Zirke, Sandberg bei Bojanowo, Reisen bei Lissa, Hammer im Kirchenkreis (Superintendentur) Unruhstadt, ferner auf die Güter eines Grafen Domski nach Masuren und endlich nach Posen und Schwersenz Lokalkommissionen wegen neu zu errichtender Kirchen beschlossen wurden. Dazu kamen jedoch noch andere, die erst von den Gemeinden beantragt waren, und über die das Konsistorium entscheiden sollte. Dazu gehörte wahrscheinlich Grätz. Zu dieser Lokalkommission schein also das Konsistorium erst nach der Synode die Erlaubnis gegeben zu haben)

Hier müssen jedoch zwei Konsense des Konsistoriums auseinander gehalten werden, nämlich derjenige zur Lokalkommission, den das Konsistorium schon vor der Reise ausgestellt hatte, und der auf Grund des befriedigenden Ausfalls der Lokalkommission von ihm ausgestellte Konsens zur Errichtung der Kirche und Vornahme der Predigerwahl.

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Ehemalige evgl. Kirche zu Graetz – geweiht 1905 – Aufn. PM

Für alle Lokalkommissionen im Unruhstädter Kirchenkreise, zu welchem Grätz gehörte, hatte die Synode zu Lissa als geistlichen Senior den Pastor Gottfried Nikisch, als weltlichen den Gutsbesitzer Sigmund von Lossow auf Tuchorze bei Wollstein ernannt. Sie nahmen auch wirklich als Kommissarien an der Lokalkommission zu Grätz am 13. und 14. November teil. Aus der Stadtgemeinde waren alle Mitglieder, aus der Landgemeinde nur Abgeordnete geladen worden, die ihre Stimmen im Namen der Gemeinden abgeben sollten. Die Verhandlungen sind nach den im Kirchenarchiv erhaltenen Akten bei Fischer S. 22 ff. abgedruckt und umfassen neun Punkte. Ihren wesentlichen Inhalt gibt auch die ältere Chronik (S.5) wieder. Als Vertreter des Fürsten waren der damalige Pächter einiger fürstlicher Güter bei Grätz Namens Neumann und der Oberst von Pirch erschienen, da Radonski selbst abwesend war. Sie geben (Punkt III) die Erklärung ab, dass der eigenhändige, schriftliche Konsens des Fürsten und dessen gerichtliche Ingrossation zur Stiftung des Gottesdienstes und Erbauung einer evangelischen Kirche in Grätz sicher erfolgen werde und zwar in Warschau. Sie erklärten auch, einen geräumigen Platz auf dem sogenannten neuen Ringe zu Grätz zum Bau einer neuen evangelischen Kirche und einer anderen ihm gerade gegenüber zur Erbauung eines Prediger- und Schulhauses nebst dazu gehörigen gelegenen Gärten auf immer und ewige Zeiten frei und zinslos zu schenken (IV). Zur „baldigen bequemen Errichtung des evangelischen Gottesdienstes (dieser war bis dahin im Flegelschen Hause abgehalten worden) ließ der Fürst sein herrschaftliches Schloss zu Grätz unentgeltlich durch seine Bevollmächtigten einräumen, auch die Zimmer zur Wohnung des Predigers daselbst hergeben (VI). Die Dörfer und Hauländereien im Umkreise von 1 ¼ Meilen um Grätz herum wurden in die neue Kirche eingepfarrt (VII).

b) Die Pfarrerwahl

Bisher war alles in Frieden verlaufen. Die neue Gemeinde bedurfte aber auch eines Pfarrers, und die Wahl desselben gab den Anlass zum heftigsten Streite mit dem General von Radonski, der von jetzt an der größte Feind der evangelischen Gemeinde und besonders der Familie Flegel ist. Um die neue Pfarrei bewarben sich nämlich drei Kandidaten, der Pastor Kuczewski zu Rakwitz, der Konrektor Calmann aus Bojanowo und der Kandidat der Theologie Reder aus Rakwitz, Hauslehrer bei dem Fürsten von Carolath in Schlesien. Radonski wünschte die Wahl Kuczewskis, der ihm nach Angabe der jüngeren Chronik (B22) für den Fall, dass er gewählt und von ihm bestätigt wurde, 50 Dukaten zugesichert hatte. Die Grätzer Gemeinde dagegen wollte Calmann haben und lehnte (B8) die Zahlung irgendeines Bestätigungsgeldes ab. Dies entsprach auch dem fürstlichen Konsens, nach welchem die Bestätigung des durch Mehrheit gewählten Pastors vom Patron „ohne alle Bezahlung und Abgaben … nach dem Willen des evangelischen Konsistorii erfolgen soll“.

(Der fürstliche Konsens, den Roehl abschriftlich seiner Kirchenchronik vorausgeschickt hat, ist zwar erst von 27. Januar 1776 zu Warschau datiert, aber den Entwurf desselben, namentlich die Bestimmung über die freie Pfarrerwahl und die unentgeltliche Bestätigung mag die Grätzer Gemeinde schon vorher gekannt haben. Vielleicht war die Sache schon bei der Lokalkommission zur Sprache gekommen; jedenfalls entsprach die unentgeltliche Bestätigung den Ansichten des Fürsten, der ja auch das Schloss unentgeltlich hergab.)

Kuczewski hätte es am liebsten gesehen, wenn die Gründung des Grätzer Kirchspiels überhaupt nicht zustande gekommen wäre, und bot, wie der jüngere Chronist im Anhange erzählt, dem General 100 Dukaten, wenn er die Gründung vereitelte. Zugleich stiftete er durch den Bäcker Riemer in Grätz, der ihm Spionendienste leistete, in der dortigen Gemeinde allerlei Unruhe und Unfrieden; die Streitigkeiten wurden so arg, dass der Kreissenior Nikisch aus Wollstein vom Konsistorium nach Grätz geschickt werden musste, um dieselben zu schlichten. Riemer wurde als der Schuldige erklärt. Der jüngere Flegel berichtet, dass er vor die versammelte Synode nach Lissa beschieden und dort als Ruhestörer verflucht wurde, und fügt mit leiser Andeutung auf das strafende Gottesgericht hinzu, dass Riemer (der Name Riemer (Johann Friedrich) wird in den Rechnungsberichten 1761 bis 1774 genannt. Vom Jahr 1775 an bis 1780 fehlen die Namensverzeichnisse gänzlich) noch in demselben Jahre starb, und dann die Zwistigkeiten aufhörten. Leider erfahren wir nicht darüber, welche Strafe den Pastor Kuczewski für seinen gemeinen Schacher und seine Simonie traf, der der eigentliche Ruhestörer war, und dem der törichte Riemer nur als Werkzeug diente.

Alle diese Wühlereien, die wir in das Jahr 1775 setzen müssen, brachten den Urhebern nicht den gewünschten Erfolg. Am 17. Dezember 1775 wurde im Grätzer Schlosse, dessen Saal für den Gottesdienst eingeräumt und hergerichtet worden war, vom Kreissenior Nikisch aus Wollstein der erste evangelische Gottesdienst mit Konfirmation gehalten. Acht Tage später begannen die Probepredigten. Am 24. Dezember heilt Kuczewski die seinige, am 25. und 26. Dezember Calmann aus Bojanowo, am Sylvester und am Neujahrstage Reder. Gewählt wurde Karl Jeremias Calmann. Auch jetzt noch suchte Radonski die Bestätigung der Wahl seitens des Konsistoriums zu verhindern, angeblich weil bei ihr die Landbevölkerung verkürzt wurde, sodass, wie es Roehl ausdrückt, ein Bürger 10 Stimmen und 10 Landwirte nur eine Stimme gehabt hätten; der wahre Grund aber war, dass er Kuczewski in die Stelle bringen wollte und jetzt um das Konfirmationsgeld kam. Er verzögerte die Bestätigung ein Vierteljahr lang, und erst am 25. April 1776 wurde Calmann in Karge vom Generalsenior Pastor Koppe in Anwesenheit des Pastors von Klastawe als Konseniors und des Pastors Kaulfus, Diakonus von Karge, ordiniert. Seine Einführung in Grätz fand am 30. Juni 1776 durch den Kreissenior Nickisch von Wollstein und den Pastor Haußmann aus Bomst statt.

(Die Synode zu Lissa hatten den Pastor Koppe aus Unruhstadt zum Generalsenior d.i. Generalsuperintendenten gewählt. Unter ihm standen zwei Konsenioren, die gleichfalls auf der Lissaer Synode gewählt waren. Der eine von Ihnen, Pastor Wirth aus Klastawe, hatte den Birnbaumer, Meseritzer und Unruhstädter Kreis, also auch Grätz unter sich, der andere die übrigen Kreise oder Superintendenturen: Lissa, Posen, Fraustadt und Bojanowo.                                                    S. Büsching a.a.O. S.15 u. 35.)

Die Zeit dieser Ereignisse ist nach den oben erwähnten Angaben des zweiten Rechnungsbuches festgesetzt, während Roehl und der jüngere Flegel z. T. ganz andere Daten angeben. Der letztere ist in der Zeitbestimmung überhaupt nicht zuverlässig, da er ja nur nach den Erinnerungen seiner Zeitgenossen schriebe, die zufolge der langen Zeit, welche seit den Ereignissen verflossen, verwischt und unsicher waren. Daraus erklärt sich auch die irrtümliche Angabe, dass der Kirchensaal im Schloss mit der Christnacht, die Calmann hielt, 1776 eingeweiht wurde. Hierbei ist Tag und Jahr falsch. Aber auch Roehls Angabe in seiner Chronik S.8, der auch Fischer in seinen Gedenkblättern, Grätz, 1863, S.27 gefolgt ist, dass die Wahl Calmanns am 24. Dezember 1775 stattgefunden habe, kann nicht richtig sein. Denn er selber gibt an, dass vorher drei Kandidaten gepredigt haben, und nennt dieselben Namen wie das Rechnungsbuch. Das letztere fügt aber noch die Daten der Probepredigten hinzu, von denen die letzte erst am 1. Januar 1776 gehalten wurde, und setzt die beiden Predigten Calmann auf den 25. und 26. Dezember 1775, nicht aber auf den 24. Dezember. Roehl weiß auch nicht, dass Calmann in Bojanowo nur Konrektor, nicht Rektor war, während der Schreiber der Notizen im Rechnungsbuche ganz genau alle näheren Umstände bei der Wahl, sogar ob die Predigt mit oder ohne Konfirmation gehalten wurde, sowie die persönlichen Verhältnisse der Kandidaten, von denen Reder Hauslehrer beim Fürsten Carolath war, angibt. Endlich sagt auch der ältere Flegel (A5), der doch selbsterlebte Ereignisse erzählt und darum glaubwürdiger als Roehl ist, dass zur Wahl geschritten wurde, nachdem vorher drei Kandidaten gepredigt hatten. Folglich kann dieselbe unmöglich am 24. Dezember stattgefunden haben, wie Roehl behauptet. Wahrscheinlich verwechselt dieser damit den 25. Dezember, an dem Calmann seine erste Predigt hielt, die auch für seine spätere Wahl entscheidend wurde. Wir dürfen es wohl auch bei dem ganzen Wahlstreite nicht als einen bloßen Zufall ansehen, dass Kuczewski nur eine, die beiden anderen Kandidaten dagegen je zwei Predigten hielten; denn die jüngere Chronik (S.8ob) nennt den Rakwitzer Pastor eine „sehr mittelmäßigen Prediger und von schlechtem Charakter“ und auch die ältere Chronik (S.5) hebt hervor, dass die Vorbereitungen zur Gründung des Grätzer Kirchspiels friedlich verliefen, „außer, dass Kuczewski viele Verdrießlichkeiten verursachte, indem selbiger schon damals vorgab, er wäre Pastor in Grätz und hätte von dem Herrn General Versicherungen.“ So kamen ernstlich wohl nur Calmann und Reder bei der Gemeinde in Betracht, die daher auch zweimal predigten, und die Predigt Kuczewskis wurde nur angenommen, um der gesetzlichen Form zu genügen; dass er nicht gewählt wurde, stand bei dem größten Teil der Gemeinde, bei dem er missliebig war, wohl von vornherein fest.

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Mosaik Jesus Christus darstellend ueber dem Eingang – Aufn PM

Es scheint, als ob Kuczewski schon auf der ersten Synode zu Lissa im September 1775 seine Ansprüche auf Grätz geltend machte. Am 7. September nämlich wurden in der Sitzung der Synode „die besonderen Gravamina und Desideria“ des Pastors von Rakwitz dem Konsistorium zur Untersuchung überlassen und demselben eine Lokalkommission zu ernennen anheimgestellt,  bei welcher sich der Pastor zu melden hätte. So Büsching a.a.O. S.27. Wir erfahren aber aus den Synodalakten nichts darüber, welches diese Beschwerden und Wünsche des Pastors waren. Es ist aber wahrscheinlich, dass sie sich auf die Gründung der Grätzer Kirche bezogen, besonders da die Lokalkommission genannt wird. Es mag diejenige vom 13. und 14. November gewesen sein. Damit stimmt die schon erwähnte Bemerkung der älteren Chronik (S.5), wonach der Pastor Kuczewski zur Zeit dieser Lokalkommission Schwierigkeiten machte, „indem er vorgab, er wäre Pastor in Grätz und hätte von dem Herrn General Versicherungen.“

5. Radonski als Feind der Evangelischen zu Grätz

a) Die Gemeinde vom Schloss vertrieben

Radonski schrieb den Ausfall der Pfarrwahl nicht mit Unrecht der Tätigkeit und dem Einflusse Karl Flegel zu, den er von da an mit seinem Hasse und seiner Rache verfolgte. Die Bestätigung der Wahl, die er als Vertreter des Fürsten zu vollziehen hatte, verweigert er natürlich, obwohl er das nach dem fürstlichen Konsens gar nicht durfte. Er stellte jetzt Flegel die Bedingung, dass er seinen Forderungen an Stadt und Hof entsagte; als das nichts fruchtete, was er wohl auch vorausgesehen hatte, erklärte er, dass Flegel erst das Bürgerrecht erwerben müsse, wenn die Vokation des Pfarrers bestätigt werden sollte, wahrscheinlich, weil sonst Flegels Unterschrift unter der Vokation ungültig wäre; als nun Flegel sich um das Bürgerrecht bewarb, verbot Radonski dem Magistrat, es ihm zu bewilligen, wenn Flegel nicht vorher auf seine Forderungen verzichtete, und erklärte bei dieser Gelegenheit, er wolle diesen überhaupt nicht in der Stadt leiden. Flegels Namen unter der Vokation strich er aus und trat nach einigen Tagen seinerseits mit angeblichen Forderungen des Hofes und der Stadt an diesen hervor (A6ob.).

Tatsächlich verhinderte der General die Bestätigung der Pfarrerwahl ein Vierteljahr lang, sodass, wie wir gesehen haben, Calmann erst am 25. April 1776 in Karge vom Generalsenior Pastor Koppe ordiniert und am 30. Juni desselben Jahres vom Kreissenior Pastor Nikisch aus Wollstein in Grätz eingeführt wurde. Aber alle Einwendungen gegen die Wahl, die nach Roehls Angabe nicht nur von General, sonder auch von vielen Bürgern erhoben wurden, blieben ohne Erfolg. Der ältere Chronist erwähnt sogar, dass ein in Bezug auf die Pfarrerwahl vom General an eine Synode gerichtetes Verlangen unerfüllt blieb, und der General darauf das Privileg der Gemeinde verlangte (A6). Danach scheint es, als ob der General von der Synode verlangt habe, die Wahl für ungültig zu erklären. Da nun die Wahl Calmanns erst um die Wende des Jahres 1775 zu 1776 stattfand, so kann nicht die Septembersynode zu Lissa, sondern diejenige von 25. und 26. Januar 1776 gemeint sein. auf der ersten Synode waren nämlich schon am 8. September einige Mitglieder wegen dringender Geschäfte abgereist, daher wurde die Synode am 25. und 26. Januar des folgenden Jahres 1776 fortgesetzt. Auf dieser Synode mögen Radonskis Forderungen abgewiesen worden sein. Büsching, der sonst sehr eingehend über beide Synoden und alle vorgetragenen Beschwerden berichtet, erwähnt hiervon nichts. Um den Belästigungen und Schwierigkeiten, welche der General verursachte, ein Ende zu machen, wandte sich Karl Flegel, wie er selber sagt, brieflich an den Fürsten, doch ohne Erfolg. Denn Radonski reiste nach Warschau, wo er wohl mit dem Fürsten sprach, und nach seiner Rückkehr dauerte die Feindseligkeit gegen die Evangelischen fort und nahm sogar zu. Man sprach von einer Kommission und drohte, der Gemeinde das Schloss, in welchem der evangelische Gottesdienst abgehalten wurde, wegzunehmen. Vorläufig blieb es jedoch nur bei den Drohungen, der offene Angriff des Generals fand erst im Sommer 1777 statt.

Die ältere Chronik ist hier in der Zeitbestimmung unklar. Nach ihr (S.6) müsste man den Beginn der offenen Feindseligkeiten unmittelbar nach der Januarsynode 1776 setzen, während er tatsächlich erst im Juli 1777, also anderthalb Jahr später erfolgt. Dieser Widerspruch ist nicht anders zu erklären, als dass den Chronisten hier sein Gedächtnis getäuscht hat.

Radonski richtete seinen Angriff zunächst auf das fürstliche Privileg, das er vernichten wollte, um damit die ganze Gemeinde zu verderben. Dasselbe ist am 27. Januar 1776 ausgestellt, befand sich von April 1776 bis Mai 1777 in den Händen des Generalleutnants und evangelischen Generalseniors von Großpolen v.d. Goltz, der es in dieser Zeit mit nach Warschau genommen und dort mit dem Landesstempel hatte versehen lassen, damit es nachher, wie die ältere Chronik sagt, ingrossiert, d. h.  in die Akten eines Grodgerichts eingetragen werden konnte, weil es nur auf solche Weise rechtliche Gültigkeit erlangte. Dies Privilegium verlangte nun der General vom Kirchenrate unter dem Vorwande, dass er sehen wolle, ob es Flecken habe. Bekam er es in die Hände, so hing der weitere Bestand der Gemeinde lediglich von ihm ab. Der Kirchenrath wandte vor, dass es Flegel habe und nicht eher herausgeben wolle, als bis ihm gewisse Auslagen seiner Familie für die Gemeinde erstattet wären, dass aber die Gemeinde jetzt kein Geld habe. Nun gab der General, dem alles an dem Privilegium gelegen war, dem Kirchenrat 11 Dukaten und verlangte dasselbe. Aber Flegel war gerade nicht zu Hause, und so wandte der Kirchenrat ein, dass Flegel das Privileg wohl beim Konsistorium in Lissa gelassen habe und es holen wolle; er fügte aber hinzu, der Herr General werde es in zwei Tagen erhalten. Am 3. Juli 1777 ließ es Flegel in Kosten im Grod eintragen, und am 5. Juli wurde es samt den 11 Dukaten in Abwesenheit Flegels, der in dieser Zeit verreist war, dem General mit der Anzeige übergeben, dass der Kirchenrat wegen der Auslagen sich mit der Familie Flegel geeinigt habe. Jetzt half es dem General nichts mehr, wenn er das Privileg auch vernichtete; es war in Kosten gerichtlich eingetragen. Aber die Evangelischen hatten darum noch lange keine Ruhe vor ihm. Zunächst trat er mit allerlei angeblichen Forderungen der Herrschaft und der Stadt an die Familie Flegel hervor, obwohl dieselben leicht durch Quittungen und sonstige Belege widerlegt wurden (A7), dann aber holte er zu einem heimtückischen Hiebe auf die Ehre Flegels aus. Am 6. Juli 1777 nämlich, als nach dem Gottesdienst ein Teil der Gemeinde vor dem Schlosse stand und unter ihnen sich die Mitglieder des Kirchenrats befanden, kam Radonski auf diese, das Privileg in der Hand, zu und rief: „Hier habt Ihr Euer so lange herumgelaufenes Privilegium, ich habe nicht wenig Mühe gehabt, solches aus den Händen eines boshaftigen Menschen zurückzubekommen, welches vor etliche hundert Gulden unter den Juden versetzt gewesen. Euer Gottesdienst ist aus; macht, was Ihr wollt!“ Somit wurde Flegel beschuldigt, die Urkunde versetzt zu haben, der Gemeinde aber der weitere Gebrauch des Schlosses zu ihren Gottesdienst entzogen, trotzdem sie vom Fürsten die Erlaubnis erhalten hatte, und diese in der Lokalkommission erneuert worden war. Alle Bitten waren vergebens; Sonnabend, den 12 Juli 1777 mussten die Schlüssel an den General abgeliefert werden (A7).

Aber seine Absicht, die Gemeinde zu zerstören, erreichte er doch nicht. Sonntag, den 13. Juli, also eine Woche später, wurde der Gottesdienst in einer Stube des Flegelschen Hauses abgehalten, später aber der Oberstock des Hauses zum ordentlichen Gottesdienst eingeräumt. Die Familie Flegel bewies jetzt wieder ihre Opferwilligkeit. In ihrem Hause auf der Posener Straße, das 1762 erbaut und 100 Fuß lang und 36 Fuß tief war und nicht mit dem jetzigen, kleineren verwechselt werden darf, das erst Johann Samuel Flegel gebaut hat (B S.10u.21), wurde der obere Stock umgebaut und zur Kirche eingerichtet. Die gute Wohnstube an dem einen Ende diente als Sakristei, der Saal und der dahinterliegende Getreideboden nach Wegnahme der Querwände als Kirche. Bände, Altar, Kanzel u.s.w. wurden aus dem Schlosse geholt und hier aufgestellt.

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Ausschnitt des hoelzernen Frieses ueber dem Eingang – Bilder aus dem Leben von Jesus Christus darstellend

So war die Kirche gerettet; aber ein Menschenleben fiel der Rachsucht des Generals zum Opfer. Die Pfarrfrau, Frau Pastor Calmann, eine Tochter der Witwe Flegel, nahm sich die ihrer Familie zugefügte Ehrenkränkung, dass Karl Flegel das Privileg unter die Juden versetzt haben sollte, so zu Herzen, dass sie in eine schwere Krankheit fiel und am 22. Juli starb (vgl. das jüng. Rechnungsbuch Mich. 1814).

b) Gewalttätigkeiten Radonskis

Der General scheute, um seinen Rachedurst zu stillen, auch nicht vor roher Gewalt zurück. Nach der jüngeren Chronik war Karl Flegel auf einen solchen Ausbruch ungezähmter Leidenschaftlichkeit vorbereitet. Sie erzählt, dass er am 3. Juli mit dem Kirchenrate auf mehrfach wiederholten Befehl Radonskis vor ihm erschien, aber sich zur Vorsicht mit geladenen Terzerolen versehen hatte. Diese Nachricht wiederspricht zwar der älteren Chronik, nach welcher Flegel in jener Zeit überhaupt nicht nach Grätz kann, aber sie beweist, wessen sich die Flegelsche Partei vom General versah. Dagegen berichten beide Chroniken zwei Beispiele roher Gewalttätigkeit Radonskis, zu welchen er sich durch Beschwerden veranlasst fühlte, die man über ihn beim Fürsten angebracht hatte. Im Einzelnen gehen dabei die Berichte sehr auseinander.

Zunächst handelt es sich um eine zweite Reise Flegels zum Fürsten, die vor dem 28. Juli 1877 stattfand, wie die ältere Chronik bezeugt, deren Zeit sich aber nicht genauer bestimmen lässt. Eingehender berichtet über diese Reise nur die jüngere Quelle, freilich zum Teil in Widerspruch mit der älteren. Die letztere erwähnt nur, dass die Witwe Flegel am 28. Juli 1777 verhaftet wurde, weil sie ihren Vetter, d. i. Karl Flegel, nach Warschau geschickt habe, erwähnt aber diese Reise sonst nicht, Auch die jüngere Chronik gibt diesen Grund der Verhaftung an, bemerkt aber, dass die Witwe ihren Vetter zum zweiten Male nach Warschau geschickt habe. Die wievielte Reise Flegel damals zum Fürsten machte, ergibt sich aus der älteren Chronik erst nach Vergleichung mit der jüngeren. Aus dieser erfahren wir auch, dass Flegel die Reise mit der Witwe und ihrem Bruder Samuel Kause machte, um dem Fürsten Beschwerden der Gemeinde über den General vorzutragen. Sie erhielten von diesem ein Schreiben, in welchem er den General aufforderte, sich nicht mehr in die Kirchenangelegenheiten zu mischen.

Mit dieser Reise bringt die jüngere Chronik ein Ereignis in Verbindung, das die ältere zwar auch berichtet, aber völlig von der Reise Flegels trennt. Beide erzählen nämlich von einem Hauländer Schultz, der auch zum Fürsten reiste und ihm Beschwerden über den General vortrug und der nach seiner Rückkehr auf öffentlichem Markte in Grätz auf Radonskis Befehl misshandelt wurde. Im Einzelnen weichen aber beide Chroniken voneinander ab. Nach der jüngeren war Schultz aus Schwarzhauland bei Grätz, sollte dem Fürsten die Beschwerden der Landgemeinden vortragen und machte die Reise mit Flegel gemeinschaftlich. Nach der älteren Chronik schickte früher einmal, d. i. längere Zeit vor dem 28. Juli 1777, „eine Hauländergemeinde“ ein paar Abgeordnete, darunter Schultz. Sie fanden beim Fürsten eine gnädige Aufnahme, äußerten aber ihre Furcht vor der Rache des Generals, der Fürst versicherte ihnen auf sein Ehrenwort, dass ihnen nichts Böses wiederfahren sollte. Trotzdem ließ der General den Hauländer Schultz, der, wie die ältere Chronik hervorhebt, ein evangelischer Glaubensgenosse war, nach seiner Rückkehr festnehmen, öffentlich auf dem Markte mit Ruten auf den entblößten Körper blutig peitschen und wurde nur durch die Vorstellungen des anwesenden Arztes abgehalten, diese Züchtigung an den beiden folgenden Tagen wiederholen zu lassen. Nach dem jüngeren Berichterstatter fand die Züchtigung wirklich an drei auf einander folgenden Tagen statt, und der Hauländer starb an ihren Folgen. Die ältere Chronik verdient aber als die zuverlässigere vor der jüngeren, welche aus der dichtenden mündlichen Überlieferung schöpft, den unbedingten Vorzug.

Diese Strafe drohte nach Angabe der jüngeren Quelle der General jedem an, der sich unterstände, noch einmal über ihn Beschwerde zu führen. Flegel musste auf seiner Hut sein. Er hielt sich verborgen, mied Grätz teilweise gänzlich, forderte aber die Kirchenangelegenheiten nach wie vor. Da der General ihn selber nicht in seine Gewalt bekam, so sättigte er seine Rache an der Witwe Flegel.

Eines Tages – es war der 28. Juli 1877 – wurde diese vor den Bürgermeister Bochinski gerufen, der ihr eröffnete, dass er vom General Befehl habe, sie in die Kamurke auf dem Markte (das schon erwähnte Polizeigefängnis) einsperren zu lassen, weil sie ihren Vetter nach Warschau geschickt habe. Sie wurde sofort von den bereitstehenden Polizeidienern und Nachwächtern ergriffen, über den Markt geschleppt und eingeschlossen. Es entstand ein Auflauf, unter den Anwesenden herrschte tiefe Bestürzung über eine solche Gewalttat; der Probst von Konarski nahm sich der Sache an und erreichte durch seine Vorstellungen beim General, dass die Frau nach einigen Stunden wieder entlassen wurde. Schrecken und Aufregung hatten sie aber so mitgenommen, dass sie in eine schwere, mehrwöchentliche Krankheit fiel und nie mehr vollständig wieder hergestellt wurde.