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Kritische Stimmen zum „deutschen“ Treiben – 1911

Glier's Hotel - Bild: Lwówek na dawnej pocztówce [1]

Glier’s Hotel – Bild: Lwówek na dawnej pocztówce

Am 21. Juli 1911 in der No. 58 berichtete das Neutomischler Kreisblatt über ein „deutsches Verbrüderungsfest“ welches am Sonntag, dem 16. Juli 1911 in Neustadt bei Pinne stattgefunden hatte. Es war ein Bericht, wie viele andere auch …

Dieses Fest wurde in einem Leserbrief, welcher in der Ausgabe vom 25. Juli 1911, jedoch unter anderen Gesichtspunkten dargestellt.

Diese kritische Zuschrift ist einige der wenigen, die abgedruckt wurden. Leider ist nicht erwähnt, wer der Einsender – „von beachtenswerter Seite“ – gewesen war.

 

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1911-07-21 Der Beitrag:

Ein echtes deutsches Verbrüderungsfest feierte der hiesige Männergesangsverein „Concordia“ am vergangenen Sonntag.Nachmittag 2 Uhr begann der Ausmarsch der Sänger vom evangelischen Schulhause aus. Voran schritt die Bomster Musikkapelle unter der bewährten Kapellmeister, Herrn Müller. Dann folgten die Damen des gemischten Chores der evangelischen Gemeinde; daran schloß sich der Zug der Sänger. Nach einem Umzuge durch die Hauptstraßen der Stadt gelangte man auf den Turnplatz. Hier erfreute die Kapelle die Gäste durch ihre schöne Spielweise. Der Gesangsverein „Concordia“ und der gemischte Chor wetteiferten um die Gunst der Anwesenden.Besonders wurden die Lachmuskeln angeregt durch eine amerikanische Versteigerung.

Herr Kantor Tamke hielt hierauf eine Festrede. Unter anderem führte er etwa folgendes aus: „Die Gesangsvereine, meine verehrten Gäste, haben versucht, zu singen. Es singt die Mutter an der Wiege des Kinde. Es singt das Kind in der Schule, das Brautpaar am Traualtar. Unser Verein hat es sich zur Aufgabe gestellt, Volkslieder zu singen. Unser Kaiser ist es, der das Volkslied gepflegt wissen will. Er hat ein Volksliederbuch herausgeben lassen, um die Einigkeit im Volksliede zu bewahren. Wir Sänger sind ihm deshalb zu heißem Danke verpflichtet. Wir deutschen Sänger wollen für die Liebe, die er uns dadurch erwiesen hat, auf keinen Fall hinter seiner zurückstehen. Wir wollen ihn lieben und ehren, ihm die Treue bis zum letzten Atemzuge halten. Unsere Treue zu Kaiser und Reich wollen wir erneuern, indem wir in den Ruf einstimmen: Unser allergnädigster Kaiser, König und Herr, er lebe Hoch! Hoch! Hoch!“

Hierauf spielte die Kapelle unser Nationallied.

Trotz des kühlen Wetters herrschte doch Freude und Fröhlichkeit und nur allzufrüh erfolgte der Aufbruch für das junge Volk, welches sich beim Tanze vergnügt hatte. Abends 10 Uhr marschierte man ein. Leider sollte dieses schöne Fest dadurch einen jähen Abbruch erleiden, daß es dem jüngeren Volke nicht mehr vergönnt sein sollte, dem Tanze zu huldigen.

 

1911-07-25 Der Leserbrief:

Von beachtenswerter Seite wird uns folgendes geschrieben:Der Artikel in Ihrer Nummer 56, (war No. 58), betreffend das echte deutsche Verbrüderungsfest des Männer-Gesang-Vereins Concordia, welcher tendenziös wirken soll, kann nicht unberichtigt bleiben.Zunächst ist von einem Verbrüderungsfest nichts wahrgenommen worden. An dem Vergnügen haben sich ausschließlich nur die wenigen Mitglieder des Vereins beteiligt.

Die meisten deutschen Beamten, Lehrer und besseren Bürger der Stadt und Umgebung haben sich von dem Feste überhaupt fern gehalten. Die jüdischen Einwohner haben sich mit Ausnahme von einer Familie infolge von Taktlosigkeiten ihnen gegenüber bei dem vorjährigen Sommervergnügen des Vereins gar nicht beteiligt.

Infolge des kalten Wetters ist auf dem Festplatze dem Alkoholgenusse stark zugesprochen worden.

Dieses so schöne Fest erlitt nicht, wie behauptet, sondern dadurch einen jähen Abbruch, daß nach dem Einmarsch in Glier’s Hotel ein Mitglied des Vereins eine Bürgers- und Beamtenfrau der besseren Gesellschaft im öffentlichen Lokale in taktlosester Weise beleidigte und sich schleunigst aus dem Lokale entfernen mußte, weil er sonst von den Anwesenden wegen dieses ungehörigen Benehmens gezüchtigt worden wäre.

Derartige sich immer wiederholende unerfreuliche Vorgänge innerhalb des Vereins sind nur geeignet, dem schon auf sehr schwachen Füßen stehenden Deutschtum hierorts zu schaden und es vor den Augen der übrigen Mitbürger, bei welchen solche Sachen nicht vorkommen, lächerlich zu machen.

Da allen Einwohnern der Stadt und Umgebung, für die der Artikel vielleicht von Interesse sein kann, die bedauerlichen Vorgänge bei dem Vergnügen bekannt sind, so hätte der Artikel deshalb im Interesse des Friedens und Ansehens des Deutschtums lieber gar nicht geschrieben werden sollen.

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Quellen, soweit nicht direkt im Text oder in Bildbeschreibungen angegeben: Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – “Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel” 1911-07-21/25