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Sontop – Früher und Heute – Teil 1 – Etwas Geschichte, das Dorf und seine Bewohner

Hier findet sich eine kurze geschichtliche Einleitung und Erinnerungen mit zahlreichen Bildern an den Gasthof Rausch, die Gaststätte Berthold und Ida Wittchen, die Bäckerei Rausch, die Finanzinstitute, die Mühlen, die Familie Steinke, die Schmiede Abraham, die Höfe Müller, Hoffmann und Schulz, die Schuhmacherfamilie Mai, eine Kurzgeschichte verfasst von Günter Fenske und einiges mehr.

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Sontop - 1941 - Ortsplan

Nach dem Heimatbuch von Herrn Arno Kraft „… und dazwischen Neutomischel“ war Sontop seit dem Mittelalter ein Vorwerk von Tomysl, dessen Bewohner polnische Landarbeiter waren.

Der damalige Besitzer Ludwig Szoldrski verkaufte das Land an deutsche Bauern und ließ sie hier ansiedeln. So entstand ein geschlossenes Dorf (Quelle: Heimatbuch –HB- S. 233) Die polnischen Landarbeiter wurden auf andere Besitzungen des Gutsherrn umgesiedelt.

Seitens des Grundherrn spielten dabei finanzielle Gründe eine Rolle. Zum einen war sein Schloss in Borowko bei Czempin durch eine Feuersbrunst zerstört und für den Wiederaufbau (1729-1739) benötigte er viel Geld. Zum anderen mussten von ihm hohe Summen für einen jahrelangen Gerichtsprozess, der gegen seinen Bruder wegen Gotteslästerung geführt wurde, aufgebracht werden.

Die deutschen Siedler kamen oft aus Glaubensgründen, denn Polen und Russland verhielten sich neutral der Reformation gegenüber. Auch wollten die deutschen Männer oft dem preußischen Drill des Militärs entgehen.

Nachdem das Land neu vermessen und parzelliert wurde, erhielt Sontop im Jahre 1736 das Grundprivileg von Ludwig zu Szoldry Szoldrski – Woyewode von Inowraclaw – General von Großpolen – Erbherr von Czempin und Tomysl etc. etc. (HB S. 228-232). In diesem Privileg war in 22 Punkten die Angaben über Landgröße der Siedler, der Bauplätze für Gasthof und Friedhof, Festlegung der Zinszahlungen und Naturalienabgaben zu Martini sowie zu leistenden Diensten an bzw. für den Grundherrn festgehalten worden.

Zu den Feierlichkeiten des 200. Geburtstages der Stadt Neutomischel im Jahr 1987 war auch das Original Privileg von Sontop in der zu diesem Anlass arrangierten Ausstellung zu sehen.

Die Siedlungen nach Holländerrecht mit evangelischen Bewohnern (die ersten Siedler auf dem Gebiet des damaligen Polens waren Holländer gewesen, woraus sich später für Siedler der Begriff Hauländer bildete), hatten von Beginn an eigene Schulen. In ihnen wurden neben Lesen, Schreiben und Rechnen auch Lesegottesdienste abgehalten und durch den Lehrer die Taufen vorgenommen.

So war es auch in Sontop; ab dem Jahr 1741 sind Aufzeichnungen des Dorflehrers über die von ihm vorgenommen Taufen bis zum November 1777 geführt worden. Dieses Taufbuch enthält die Namen von 855 Täuflingen; das heute noch erhaltene Original wird im Staatsarchiv in Posen verwahrt.

Dem Wunsch der evangelischen deutschsprachigen Siedler der Hauländergemeinden um Tomysl nach einer eigenen Kirche, kam der Grundherr durch Schenkung eines Grundstücks auf damaliges zu Glinau zugehörigen Gebiets nach. 1778 wurde das Kirchenprivileg erteilt und in den Jahren 1779 bis 1780 die Kirche gebaut. Das Dorf Sontop gehörte ab diesem Zeitpunkt zur Kirchengemeinde Neutomischel.

Nach und nach entstanden dann rund um die Kirche herum zahlreiche Gebäude und schlussendlich wurde die Stadt Neutomischel gegründet.

Erst im Jahr 1906 erhielt das Dorf Sontop die Zustimmung zur Errichtung einer eigenen evangelischen Kirche.

Das Dorf Sontop war von Kiefernwäldern umschlossen und machte einen malerischen Eindruck. Die Gesamtfläche betrug 1.070,2 ha, wovon 7,18 M Grundsteuer zu entrichten waren.

(von diesen bekannten sich 564 zum deutschen und 60 zum polnischen Volkstum)

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1916 - Bahnhof Sontop - Ansichtskarte

Nach dem Bau der Märkisch-Posener Eisenbahn bekam Sontop auch einen Eisenbahnanschluss. Dieser lag mit seinem schmucken Bahnhofsgebäude etwa einen Kilometer vom Dorf entfernt.

Die in Sontop ansässigen Bauern befassten sich mit der Rinder-, Schweine- und Schafszucht. Auf ihren Feldern bauten sie Getreide, Kartoffeln, Gemüse, Weiden und Hopfen an, aber auch Raps, Leinsamen und Mohn. Neben der Landwirtschaft führten viele auch handwerkliche und gewerbliche Betriebe. Der schon erwähnte malerische Eindruck des Ortes wurde viele Jahrzehnte durch 5 Windmühlen noch unterstützt. Diese stellten jedoch nach und nach ihren Betrieb ein, nachdem die Dampfmühlen in den Städten ihnen ihre Rentabilität nahmen.

Sontop verfügte bis zum Ende des II. Weltkrieges über folgende öffentliche Gebäude, Gewerke und Dienstleister:

1 Kirche, 1 Pfarrhaus, 1 Friedhof, 1 Gemeindesaal, 1 Gemeindeschwesterstation, 2 Gaststätten (davon eine mit Saal), 1 Schneiderwerkstatt, 1 Schmiede, 1 Tischlerei, 1 Stellmacherei, 1 Poststelle, 1 Spar- und Darlehnskasse, 1 Schule, 1 Kindergarten, 1 Schützenhaus, 1 Ölmühle, 1 Spritzenhaus, 2 Windmühlen, 1 Hebamme, 2 Bäcker mit ihren Backstuben, 1 Fleischer mit seinem Laden, 2 Schuhmacher mit ihren Werkstätten

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Zu diesen Einrichtungen sind noch folgende Details in Erinnerung:

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1914 - Gasthof Karl Rausch - Postkartenausschnitt - Sammlung Arno Kraft

Gasthof Rausch mit Saal

Er stand am Krugplatz und befand sich seit Jahrzehnten in den Händen der Familie Rausch. Neben der Gastwirtschaft unterhielt die Familie auch eine Landwirtschaft mit Kühen und eine Anzahl schöner Pferde wurde gehalten.

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Tanzstunde - 1928 - jeweils von links obere Reihe: 1. ?, 2. ?, 3. Erna Heinrich, 4. ?, 5. ?, 6. Willi Schulz, 7. ?, untere Reihe: 1. ?, 2. ?, 3. ?, 4. ?, 5. Johanna Müller,6. ?, 7. Grete Fenske

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Tanzstunde - ca. 1929 - von links die jungen Frauen: 1. Elisabeth Wittchen, 2. ?, 3. Frau Gebauer, 4. Grete Fenske

Bei vielen Zusammenkünften und Festen wie Fassnacht, Kirmes, Sommer- und Winterfeiern, Maskenbälle, Erntedankfeiern, Sängerwettstreite und vielen Vereinstreffen, die hier stattgefunden haben, viele kamen auch aus der Umgebung zu Rausch, half bei der Bewirtung bei Bedarf auch die Verwandt- und Bekanntschaft an der Theke, in der Küche und an der Garderobe mit.

Es waren unter anderem Angehörige der Familien Mai, Winter und Fenske.

Besonders beliebt waren auch die Familienabende für jung und alt. Zu ihrem Anlass wurde von den Bauern reichlich Kuchen gebacken und dort für mildtätige Zwecke verkauft.

Im schönen Saal wurde natürlich das Tanzbein geschwungen, Tanzstunden erteilt und er wurde für Filmvorführungen genutzt. Als Kinder waren wir begeistert einen ersten Film mit bewegten Bildern und Ton vorgeführt zu bekommen.

Man kann sagen, dieses fand sich bestätigt in vielen Gesprächen mit ehemaligen Sontoper Bewohnern, dass ein reiches kulturelles Leben im Dorf zu verzeichnen war.

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Gaststätte Wittchen

Gaststätte Berthold und Ida Wittchen

Sie war nördlich des Dorfes gelegen, an der Abzweigung der Straßen nach Rose und Dombrowo. In ihr wurden nicht nur Bier und ein Schnäpschen ausgeschenkt, in ihr wurde auch gesungen und es wurde Karten gespielt.

In einem separaten Raum, links vom Hauseingang gelegen, wurden durch die Tochter Dora Wittchen Kolonialwaren verkauft.

Darüber hinaus betrieb der Herr Berthold Wittchen als ausgebildeter Schneidermeister eine eigene Schneiderwerkstatt im Hause.

Die Bäckereien

Es gab die Bäckerei der Familie Poese, an der Straße nach Bukowiec gelegen und die Bäckerei der Familie Rausch, sie lag an der linken Dorfstraße, der späteren Schulstraße. Beide Bäckereien verkauften neben Brot und Brötchen noch Dinge des täglichen Bedarfs und Lebensmittel. Darüber hinaus lieferte Bäcker Rausch noch den Sauerteig an die Bauern, da diese zu früherer Zeit ihr Brot noch überwiegend selbst im eigenen Backofen buken.

An Kirchentagen mit Abendmahl, war es zum Brauch geworden in der großen Wohnstube des Bäckers Rausch bei Kaffee und Kuchen zusammen zu kommen. An diesen Treffen nahmen dann auch wieder Gäste aus den umliegenden Gemeinden wie z. B. Chichgora und Paprotsch teil, die zum Kirchspiel von Sontop zugehörig waren.

Das Finanzinstitute

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Sparbuch der ...

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... Johanna Schulz zu Satopy

In Sontop gab es dann auch eine Filiale der Spar- und Darlehnskasse aus Neutomischel.

Diese befand sich wiederum im Haus des Bäckers Rausch. Hier wurden Ein- und Auszahlungen von Sparguthaben vorgenommen; den Bewohnern von Sontop blieb somit die Fahrt zur Kreisstadt erspart.

Durch den rührigen Herrn Rausch wurden an bestimmten Tagen in einem Schuppen am Bahnhof in Sontop im Auftrag der Genossenschaftskasse auch landwirtschaftliche Geräte und Kunstdünger verkauft.

Die Mühlen

Links und rechts der Chaussee nach Bukowiec standen noch bis zum Jahr 1944 die Windmühlen des Besitzers Bruno Gebauer und der Familie Steinke, in ihnen ließen die Bauern ihr Korn mahlen.

Auch hatte Sontop von der Hintergasse links am Feldweg nach Alttomischel eine Ölmühle. Sie wurde zunächst durch die Familie Sender und später durch die Frau Martha Roth, einer Schwester des Herrn Sender, betrieben. Durch die Bauern des Ortes und der Umgebung wurden mittwochs und sonnabends die Erträge an Raps, Leinsamen und Mohn abgegeben, die dann zu Öl verarbeitet wurden.

Besonders beliebt war das Leinöl zu Pellkartoffeln und Quark, oder auch das Mohnöl für leckere Pfannkuchen und die berühmten Mohnklöße.

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Otto Steinke - Aufnahme ca. 1942 - Sontop No. 106 (jetzt Nowa Roza)

Herr Steinke aus Neu Rose, früher Hauland Sontop No. 106, weiß noch zu berichten, dass die Ernten mit Pferd und Wagen zur Ölmühle gefahren wurden. Bei der Ölmühle hatten sie dann als Jungen, die Pferde, die vor den Göpel gespannt waren, angetrieben, es war für sie ein besonderer Spaß gewesen.

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Karl, Horst +, Otto +, Frieda +, Steinke - von links nach rechts

Die Schmiede

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Die Schmiede Abraham - Von links nach rechts: 1. ?, 2. am Pferd Janek Schabratzki (Knecht bei Prüfer und Pietsch, 3. Schmiedegeselle Felix Koslowski, 4. Kurt Abraham, 5. Martha Abraham geborene Schade, 6. Rudolf Abraham – das Pferd gehörte der Familie Sender aus Sontop

Die Schmiede Abraham befand sich nördlich des Dorfes in der Dorfstraße No. 1. Die heute noch lebenden 4 Nachkommen der ehemaligen Schmiede Abraham, der älteste ist Herr Kurt Abraham – Jahrgang 1914 – wissen zu erzählen, dass der Stammvater der Familie Abraham bereits zum Jahr 1730 in Sontop ansässig gewesen ist.

Nach anfänglichen Schlosserarbeiten entstand später die Schmiede, in der die Pferde der Bauern des Dorfes und dessen umliegenden Ortschaften mit Hufen beschlagen wurden; auch so mancher Ochse, der für die Feldarbeit eingesetzt wurde, erhielt dort seine Eisen.

Neben der Anfertigung und Reparatur von den verschiedensten Ackergeräten und Wagengestellen wurden auch Schmiedearbeiten an Gebäuden, wie z. B. der Kirche in Sontop, durchgeführt. Darüber hinaus gab es dann noch die Herstellung von Jagdgewehren, unter anderen auch die mit denen die Schützengilde ihre Wettstreite ausführten.

Drei Söhne der Familie Abraham lernten Schmied, einer Fleischer in der Metzgerei Leske in Sontop. Der älteste Sohn Kurt diente von 1935 – 1937 beim polnischen 25. Ulanen Regiment als Beschlagschmied.

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Aufnahme vom 19. Mai 1937 - Beschlagschmiede des 25. Ulanen Regiments in Prusana / Polen heute Weißrussland - in der Mitte Kurt Abraham

An der heutigen Ul. Polna 15, der Landstraße von Sontop, lag das Grundstück von Berthold Müller, das nach Überlieferung durch die Vorfahren bereits bei der Dorfbesiedlung im Jahre 1736 durch die Familie Müller bewirtschaftet worden war und später in deren Besitz übergegangen war. Der Sohn Paul Müller, geboren 1903, übte neben seinen vom Vater übernommenen bäuerlichen Pflichten das Amt des Organisten in der Kirche aus. Die Sontoper witzelten darüber: „Am Sonntag ist er Organist und Montag fährt er wieder Mist.“

1929 - Im Hof bei Kantor Müller - in der Mitte Berthold und Martha, rechts Paul und Frieda Müller - Organist und Chorleiter [13]

1929 - Im Hof bei Kantor Müller - in der Mitte Berthold und Martha, rechts Paul und Frieda Müller - Organist und Chorleiter

Paul Müller leitete auch den Gesangverein. Unseres Wissen gehörten diesem an: Frieda Bresch, Klara und Otto Mai, Anna Rausch geb. Schlecht, Gerda Rausch geb. Schlecht und Johanna Müller geborene Schulz.

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Juni 2009 - auf dem Hof der Familie Tkacz

Der Hof der Familie Paul Müller übernahm nach dem Krieg das Dienstmädchen Gertrud – verheiratete Kotzek, die im Juni 2009 von uns besucht wurde um die Grüße von Brigitte und Inge Müller zu überbringen.

Nördlich der rechten Dorfstraße, unweit der Schmiede, lag der Bauernhof von Irma und Freimut Hoffman, deren Sohn Wilfried, heute in Tostedt Krs. Harburg wohnend, verschiedene Fotos aus Sontop zur Verfügung stellte. Unter diesen findet sich auch das des Posaunenchors, in dem sein Vater Freimut mitwirkte.

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Diese Aufnahme zeigt Irma und Freimut Hoffmann neben der Kutsche, die Oma väterlicherseits - Hulda Hoffmann ist beim Hühnerfüttern zu sehen. Der Opa Paul Hoffmann verstarb bereits zu Kriegsbeginn 1939 auf tragische Weise an seinen schweren Verletzungen

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Schuhmachermeister Mai

An der Hintergasse, sie war wo die Straße nach Alt Tomischel abzweigt, befand sich der Hof der Familie Klara und Otto Mai. Der Großvater Mai war Beschäftigter der Bahn auf dem Bahnhof Sontop. Sein Sohn Otto errichtete als geprüfter Meister eine Schuhmacherwerkstatt mit Gesellenausbildung.

Zum Grundstück gehörten auch zwei Strecken Land, auf denen Roggen und Kartoffeln angebaut worden waren.

In der Schuhmacherwerkstatt nahm natürlich die Reparatur von Schuhen, Stiefeln und Pantoffeln den größten Raum ein. Für die Neuanfertigung von Stiefeln und Schuhen bezog die Familie Mai die Materialien von einem jüdischen Geschäft Max aus Neutomischel. Es lag in der Goldstraße; sein Zugang war oft nur über den Hintereingang aufgrund der einsetzenden Boykottierung jüdischer Geschäfte, erreichbar. Nötige Stepparbeiten und die Anfertigung von Schäften wurden von der Firma Joachim in Neutomischel ausgeführt, die Endfertigung dann jedoch wieder in der Werkstatt Mai in Sontop vorgenommen.

Der älteste Sohn Arno Mai erlernte ebenfalls das Schuhmacherhandwerk und arbeitete im elterlichen Betrieb mit, 1939 waren in ihm noch drei Gesellen beschäftigt. Die Tochter Heidel war Angestellte im Rathaus und der Sohn Burkhard arbeitete auf der Post in Neutomischel. Die letztgenannten erinnerten sich, dass sie als Kinder nur vom Vater angefertigte Schuhe getragen zu haben.

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1931/1932 - Goldene Hochzeit der Großeltern mütterlicherseits Giese und Linke (Bahnhofstraße links in Sontop) - dieses Bild wurde von den Enkeln, den Geschwistern Burkhart und Heidel Mai, verh. Laabs zur Verfügung gestellt

Gleich in der Nähe der Schuhmacherwerkstatt Mai, war der Schuhmacher Bläsing ansässig, er ging jedoch nur kurze Zeit diesem Beruf nach.

An der ehemaligen linken Dorfstraße lag die Fleischerei Leske. Sie lieferte für die Dorfbevölkerung die schmackhaftesten Koch-, Brüh-, Grütz- und Semmelwürste. Die Fleischerei stellte auch schon Würstchen maschinell her.

Die Schlachtung von Schweinen wurde überwiegend im Sommer vorgenommen, der Winter war die Zeit für die Hausschlachtungen bei den Bauern. Jede Woche am Donnerstag wurden die gemästeten Schweine zum Markt nach Neutomischel verkauft.

Herr Horst Abraham lernte bei der Fleischerei Leske das Fleischerhandwerk und arbeitete bis zu seiner Einberufung in diesem Betrieb.

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Die Poststelle geführt durch Hr. Müller - dem Postmüller

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Hulda Müller geb. Abraham und Reinhold Müller - zum 70zigsten Geburtstag des Großvaters - 1929

Im Haus No. 14 in der Dorfstraße, der jetzigen Kirchstraße, war die Poststelle eingerichtet. Sie wurde durch Herrn Reinhold Müller und später durch seine Tochter Johanna Schulz bis zum Januar 1945 geführt; unterbrochen wurde dieses in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, da hatte der polnische Bürger Herr Nowak die Interessen der Post wahrgenommen.

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts bekleidete mein Großvater Reinhold Müller, noch bevor die Kirche in Sontop fertig gestellt war, das Küsteramt des Ortes. Es hatte seinerzeit auch noch keine Pfarrwohnung gegeben, und so hatte Pfarrer Konrad Goede noch im Haus meiner Großeltern gewohnt.

Hier kam es im Jahr 1905 zu einer heiteren Episode zwischen Küster, Pfarrer, einem polnischen Kutscher und einem Familienvater aus Wonsowo. Die Geschichte wurde vom Nachbarn Richard Fenske aufgeschrieben und seinerzeit im Posener Diakonissenkalender veröffentlicht. Die Niederschrift wurde von Herrn Günter Fenske, dem Sohn des Verfassers 1999 zur Verfügung gestellt.

„Erlebnis eines evangelischen Pfarrers in der Posener Heimat vor ca. 90 Jahren“  Von Richard Fenske, geb. 1892 – gest. 1974

Als erster Pfarrer in der damals neu gegründeten Kirchengemeinde Sontop amtierte Herr Pastor Goede. Da die Gemeinde in den ersten Jahren der Gründung weder Kirche noch Pfarrhaus besaß, wohnte Pastor Goede, noch unverheiratet, bei Familie Müller, den Nachbarn meiner Eltern. Das Zimmer lag in einem schönen Bohlenhaus an der Dorfstraße, vor dem Hause stand eine große Kastanie.

In einer Vorfrühlingsnacht rollte ein Pferdegespann von Norden kommend auf der Dorfstraße heran, das Zimmerlicht an dem Fenster von Pastor Goede war dem Kutscher ein Rettungsanker.

Er hielt unter der großen Kastanie; Pastor Goede noch an seinem Schreibtisch sitzend, öffnete das Fenster, da stammeln im Worte, deutsch und polnisch entgegen. In der Meinung, dass alles seine Richtigkeit hat, antwortet er dem Kutscher nur kurz tak, tak (ja, ja). Nun ging es in Eile an das Fertigmachen zu einer Wagenfahrt.

Zur Hilfe weckte Pastor Goede noch seinen Hauswirt, Papa Müller, welcher das Küsteramt der Kirchengemeinde betreute. Letzterer holte den Abendmahlswein aus dem kleinen Keller in dem Bohlenhaus. Pastor Goede hatte seinen Pelz in der darüber liegenden Kammer hängen. Beim Anziehen des Pelzes machte auch er noch einen ungewollten Besuch in den Keller, deren Folgen er erst am folgenden Tage, an gewissen Körperteilen zu spüren bekam.

Papa Müller hatte vergessen, die Falltür des Kriechkellers zu schließen.

Reisefertig nahm Papa Müller die vertraute Petroleumlampe vom Tisch und begleitete Pastor Goede bis zur Haustüre.

Die Fahrt begann in Nordrichtung aus Sontop heraus. Kaum ein Stückchen des Weges im angrenzenden Wald fragt der Kutscher kurz seinen Fahrgast „ob richtig?“. Pastor Goede in seinen Pelz gehüllt, dachte gerade nach, was er der kranken Frau alles sagen werde, antwortete dem Kutscher wieder kurz tak, tak.

Weiter trabten die Pferde, der Wagen rollte, Feld und Wald wechselten rechts und links des Weges einander ab. Ab und zu auch mal ein Gehöft an der Straße.

Nach der Abwechslungsfahrt ging es nun wieder in ein geschlossenes, großes Waldgebiet. Nach Verlassen dieses Waldes bereitete sich vor dem Gefährt rechts und links des Weges, eine große Feldflur aus. Auch fing der Morgen schon an zu grauen.

Da erblickte Pastor Goede vorne rechts des Weges einen großen Schatten und erkannte beim Näherkommen den Kirchturm der Nachbargemeinde Kuschlin Da wackelte auch der Kutscher mit Kopf und Ohren und merkte, welchen Irrweg er gefahren ist.

Er fuhr hinein in das Dorf und bog gleich links ab, die Straße in Westrichtung nach Wonsowo. Dort wartete schon vergeblich ein Hausvater, oder erst gar werdender Familienvater vor der Türe auf die Hilfe. Er vernahm in der Ferne Hufegeklapper und Wagenrollen aus ganz entgegenkommender Richtung. Der Wagen fuhr vor, Pastor Goede zog gleich den Pelz auf dem Wagen aus; der erblickte der Wartende eine Mannesperson als Fahrgast und schreit den Kutscher erregt an: „Mensch, was hast Du gebracht; du sollst doch nicht den Doktor, sondern die Hebamme bringen.“

Da antwortete der Fahrgast dem Hausvater „und ich bin der Pastor von Sontop“.

Ein Rededuell zwischen den beiden Männern beschwichtigte Pastor Goede, indem er den durcheinander geratenen Kutscher zu verstehen gab, auf dem kürzesten Wege nach Sontop zurück zu fahren. Dort frühmorgens wieder angekommen, fuhr Pastor Goede gleich mit zur damaligen Bezirkshebamme, genannt Tante Degen, welche gerade dabei war, sich die Morgensuppe zuzubereiten. Tante Degen machte sich wagenfertig und nahm nun den recht vorgewärmten Wagensitz ein. Bei Tageshelle ging es auf kürzestem Wege zurück nach Wonsowo.

Noch heute sehe ich als damals 13-jähriger, am Nachmittag des folgenden Tages, Pastor Goede mit meinem Vater am Nachbarzaun stehen, wo ersterer sein Nachterlebnis berichtete. Auch konnten wir damals im folgenden Jahr, dieses Erlebnis im Posener Diakonissenkalender lesen.

Für den heute nicht mehr ortskundigen Leser dieser Kurzgeschichte: die Entfernung von Sontop nach Kuschlin beträgt ca. 12 km – mit einer Fahrtzeit von ca. 1 Stunde, der eine Nacht dauernde Umweg muss erheblich gewesen sein.

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Hopfenernte - von links: Reinhold Müller, 2. ?, 3. Hulda Müller, 4. ?, 5. Johanna Müller, 6. Meta Müller geb. Pflaum, 7. ?

Obwohl im Hause Postmüller keine Landwirtschaft betrieben wurde, um diese kümmerten sich die Schwiegereltern Schulz – 1ster Bauernhof rechts vom Bahnhof aus gesehen, so waren doch die Familienangehörigen, wie so viele im Ort, auch mit der Hopfenernte beschäftigt.

Nach dem I. Weltkrieg und dem wiedererstandenen Polen suchten sich die älteren Geschwister meiner Mutter Johanna Ihre Zukunft in Berlin. Bruder Erich Müller war in der Stadtverwaltung beschäftigt und verlor seinen Posten, die Schwester Else Müller legte in Posen das Lehrerinnen Examen ab, bekam aber keine Anstellung als Lehrerin und folgte ihrem Bruder in den zwanziger Jahren nach Berlin.

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Im Jahr 1994 besuchten mein Mann und ich zum ersten Mal Sontop. Frau Jadwig Werner (links) übernahm seinerzeit das Dolmetschen zwischen der heugien Bewohnerin und uns

Das erste Haus rechts vom Bahnhof aus gesehen war der Bauernhof von Ferdinand und Selma Schulz. Er von Scherlanke nach Sontop kommend, hatte auf dem dortigen Prüfer Hof eingeheiratet. Das Wohnhaus mit Anbau war zwar nicht besonders groß, jedoch bildete der ganze Besitz mit den Stallungen für Pferde, Schweine und anderes Vieh und mit den Scheunen einen großen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Ackernutzfläche war von Anbeginn an groß, und wurde immer wieder durch weiteren Zukauf vergrößert. Der besondere Stolz der Familie war die gelungene Pferdezucht von schwarzen Hannoveranern; jedoch zum Leidwesen der Enkel wurden diese auch auf dem Markt verkauft.

Alle vier Söhne, geboren in den Jahren von 1907 bis 1912 in Sontop, hatten besondere Aufgaben auf dem Hof in der Erledigung und Verantwortung zugeteilt bekommen; aber – nur einer konnte den Hof mal übernehmen.

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Links Flora Wilhelm - der elterliche Hof Wilhelm - seinerzeit linke Dorfstraße in Sontop - Aufn. ca. 1928

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Selma u. Ferdinand Schulz

Da der älteste Sohn Gerhard bereits 1938 die jüngste Tochter des Gastwirts Wittchen namens Hilda geheiratet hatte und mit ihr in Opalenitza die Bahnhofs-Gastwirtschaft führte, sollte der zweitgeborene Sohn Willi später den Hof übernehmen. Er fühlte sich zum Landwirt berufen und mit seiner 1941 geheirateten Frau Flora einer geborenen Wilhelm, die ebenfalls von einem Bauernhof stammte und somit mit den bäuerlichen Arbeiten wohl vertraut war, waren gute Bedingungen für die Weiterführung des Hofes geschaffen. Der dritte Sohn Herrmann war auch schon seit dem Jahr 1937 mit der Johanna geborene Müller, der jüngsten Tochter des Reinhold Müller (genannt Postmüller) verheiratet. Er arbeitete zunächst im Sägewerk Roy in Glinau, einem Teil Glinaus, der später zu der Stadt Neutomischel gehörte und begann ab 1939 seine Laufbahn bei der Eisenbahn auf dem Bahnhof in Posen.  Der letzte und jüngste Sohn Arnold machte seine Ausbildung beim Fleischer Korn in Neutomischel. Er heiratete 1939 die verwitwete Frau Herta Zithier, einer geborenen Fenske. Beide verzogen nach Neustadt, Pinne und betrieben dort ein Fleischergeschäft.

Ferdinand Schulz, meinem Großvater, oblag auch das Amt, mit seinen schwarzen Rappen den Leichenwagen mit den Särgen der Verstorbenen zum Friedhof zu geleiten. Alle Männer der Familie waren im schon erwähnten Sontoper Posaunenchor aktiv; Gerhard Schulz war zudem auch dessen Leiter. Sie spielten zu allen feierlichen Anlässen und auch zum Tanz auf.

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Der Hof Ferdinand Schulz - Das Wohnhaus

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Der Hof Ferdinand Schulz - Stallungen und Scheune

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Der Hof Ferdinand Schulz - die Rückansicht

1946 übersiedelten Selma und Ferdinand Schulz nach Güsten in Sachsen-Anhalt. Ihr Sohn Hermann war dorthin als Stellwerksmeister des Bahnhofs dienstverpflichtet, somit war zumindest ein kleiner Teil der Familie wieder beieinander.

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30.08.2009 - Besuch bei Frau Berger in Sontop - von links: Erika Schulz, Ellen Eberwein geb. Schulz, Hans-Dieter Schulz, Renata Wittchen aus Neutomischel, Frau Berger, Harry Siegesmund

Vom Bauernhof Schulz steht heute, 2010 nur noch das Wohnhaus. In ihm wohnt die heute 80zig jährige Frau Berger. Bei unserem Besuch zum 100-jährigen Kirchenjubiläum in Sontop, machten wir auch einen Besuch bei ihr und wurden herzlich empfangen.

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1994 - von links: Frau Jadwiga Werner, Ellen Eberwein geb. Schulz, Fora Schulz geborene Wilhelm

Die ehemaligen Sontoper Familien Mai, heute in Berlin, Schulz, Fürstenwalde. und Eberwein, heute in Magdeburg unterhalten auch noch mit Frau Jadwiga Werner aus Glupon Krs. Neutomischel, sie hatte vor dem letzten Krieg als Dienstmädchen auf dem Hof von Ferdinand Schulz gearbeitet, einen guten Kontakt. Sie feierte im September 2009 ihren 90zigsten Geburtstag, wozu wir ihr persönlich herzlichst gratulierten.

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13. März 1940 - Hochwasser in Sontop

Als ein besonderes Ereignis ist das Hochwasser, ausgelöst durch die Schneeschmelze, vom 13. März 1940 verzeichnet. Der Krugplatz, an ihm befand sich die Gastwirtschaft Rausch, und von ihm zweigten die Straßen nach Neutomischel und Bukowiec ab, stand vollständig unter Wasser. Kurt Gebauer nutzte bei dieser Gelegenheit einen Schweinetrog als Fortbewegungsmittel

Die Dorfjugend in Sontop war denn wie auch woanders wo auch schon mal für den ein oder anderen Streich gut. Erich Müller (mein Onkel) geboren 1894 als ältester Sohn von Reinhold und Hulda Müller, geborene Abraham, erzählte von folgendem (etwa vor dem I. Weltkrieg): Er und noch einige Jungen aus Sontop zerlegten eines Tages einen Leiterwagen und beförderten die Einzelteile auf das Dach der Schule. Dort setzten sie den Wagen wieder zusammen. Am nächsten Tag staunten die Sontoper nicht schlecht, als der Wagen auf dem Dach entdeckt wurde und wie er wohl dorthin gekommen sei. An einem anderen Tag hissten sie auch schon mal die Fahne ohne jeden Anlass am Schulgebäude. Nicht überliefert ist hierzu aber jeweils, welches Strafmaß für die Taten verhängt worden war.

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ca. 1925 Ausflug der Jugend

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etwa 1932-1935 Ausflug der Jugend

Als ein beliebtes Ausflugsziel von Sontopern galten die Glinauer Berge. Im Sommer 1933 unternahmen die Familien Müller und Pflaum und andere aus Sontop und Paprotsch eine Wanderung zu einem besonderen Baum, der 1932 von Unbekannten angezündet worden war. Diese Tat hatte Unverständnis bei allen Bewohnern der Gegend ausgelöst.

An dem Baum war ein Schild in polnischer und deutscher Sprache mit der Aufschrift: „Gott strafe die ruchlose Bubenhand, die mich am 26.10.1932 hat angebrannt. Voll Abscheu steht solch niedere Kreatur vor Gottes Schöpfung der Natur“

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1933 - Ausflug zu dem "besonderen Baum"

Und zum Schluss seien hier nun noch die seit vielen Jahren stattfindenden „Heimattreffen“ des Kreises Neutomischel erwähnt zu denen auch die ehemaligen „Sontoper“ Einwohner gehören.

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Neutomischler evgl. Heimattreffen - oben links: Reinhold Behr, rechts davor Elisabeth Behr geb. Wittchen, in der Mitte: Renate Bohlen geb. Wittchen, unten in der Mitte: Günter Fenske (im grauen Anzug), rechts daneben Dora Hoffmann geb. Wittchen