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Vor 120 Jahren – Unwetter über dem Hauland – Juli 1897

Ein Gewitter zieht auf / Bild GT [1]

Ein Gewitter zieht auf / Bild GT

Die Posener Zeitung meldete:

Bald nach Mittag hatten wir heute, am 21. Juli 1897 in Neutomischel ein außerordentlich schweres Gewitter. Blitz auf Blitz folgten sich, so daß einmal in einer Minute 8 Blitze und 8 außerordentlich heftige Donnerschläge gezählt werden konnten. Dazu fiel heftiger Regen, der in kurzer Zeit Alles unter Wasser setzte.

Das Gewitter welches über unserer Gegend in und um Neutomischel tobte, war wohl das stärkste, welches je erlebt wurde. Der das Gewitter begleitende Orkan hat Bäume im Durchmesser von einem halben Meter in Mannshöhe abgebrochen, unzählig viele ebenso starke ausgerissen, sodaß z. B. der Weg von Neutomischel nach Sontop erst mit Mühe fahrbar gemacht werden mußte. In Glinau ist ein Stall vom Erdboden rein weggefegt. In einer Breite von etwa 1 Kilometer und einer Länge von 4 Kilometern ist in den Ortschaften Paprotsch, Alttomischel und Kozielaski Alles vernichtet. An den Hopfenstangen hängen kahle Ranken, Blätter und Blüthen liegen am Boden, die Kartoffeln und Rüben zeigen keine Spur von Blättern mehr. Hafer, Erbsen und Gerste, welche vorzüglich standen, sehen aus, als ob sie mit einer schweren Walze niedergewalzt wären. Das ganze Gewitter dauerte noch nicht elf Minuten. In diesen elf Minuten erfolgten fast 80 Blitze und ebensoviel Schläge.

Im Kreisblatt Neutomischel wurde geschrieben:

Ein schweres Gewitter entlud sich Mittwoch (21. Juli 1897) Mittags bald nach 1 Uhr über unsere Gegend und verursachte fürchterliche Verheerungen. Durch die finsteren Wolken zuckten unaufhörlich Blitze und der Donner glich einem beständigen Geknatter. Während in der Stadt die großen Regenmassen nur wenig mit Hagel untermischt waren, hat letzterer in Neufeld, Sontop, Alttomischel und Paprotsch gehaust und auf den Feldern viel Schaden angerichtet.

Wolken ziehen über einem alten Hauländer Hof / Bild GT [2]

Wolken über einem alten Hauländer Hof / Bild GT

Leider ist auch wieder ein Menschenleben zu Grunde gegangen. Bei Anbruch des Gewitters hatten sich die Erntearbeiter des Gutsbesitzers Herrn Hermann Wolke an der Bahnhofstraße auf dessen Gehöft zurückgezogen. Die in den zwanziger Jahren stehende Ehefrau des Arbeiters Muck wollte aber noch ihre in der Nähe, am Birkenwäldchen, befindliche Wohnung aufsuchen, um nach der kranken Mutter und dem kleinen Kinde zu sehen. Als sie länger ausblieb, ging ihr der Ehemann nach und fand sie auf dem Wege vom Blitz erschlagen.

Johanna Wilhelmine Emma Muck geborene Rosenau, geboren 1868 zu Scherlanke, wurde am 21. Juli 1897 vom Blitz erschlagen. Ihre Tochter Ida Augusta Martha Muck war 1894 zur Welt gekommen.

In Kunik zündete der Blitz eine Scheune des Eigenthümers Rausch und äscherte sie ein.

Große Verwüstungen hat der Hagel und Sturm in einem Struck von Paprotsch, hinter dem Schützenhause angerichtet, wo viele Singvögel getötet, große Bäume und Telegraphenstangen umgerissen und die Feldfrüchte vernichtet sind. In vielen Häusern sind die Fensterscheiben zerschlagen und noch Donnerstag früh brachten Landleute die Hagelstücke zur Stadt.

Eigenthümer Gustav Rausch-Paprotsch ist schwer vom Hagelschlag heimgesucht, doch glücklicherweise zum Theil versichert. Derselbe bestätigt die ungewöhnliche Größe der Eisstücke, welche faustgroß herniedergingen. Ein Pappdach seines Gehöfts war im Augenblick durchgeschlagen, die Gras-, Klee und Kartoffelfelder sind wie abgemäht.

Herr Landrath von Daniels und Herr Distrikts Kommissarius Roll nahmen gestern nachmittag die verwüsteten Ländereien in Augenschein. Die meisten Landwirthe sind hier nicht versichert, da in unserer Gegend Hagelschäden zu den größten Seltenheiten gehören.

Aus Sontop erfolgte folgender Bericht:

Heute (Mittwoch 21. Juli 1897) wurden unsere gesegneten Fluren von einem furchtbaren Unwetter heimgesucht, wie es hier noch nicht erlebt worden ist. Nachmittags zwischen 1 und 2 Uhr zog ein Gewitter herauf, das von einem orkanartigen Sturm begleitet war.

Der Schaden, den derselbe angerichtet hat, ist schwer zu beschreiben. Starke Bäumen wurden entwurzelt, Kiefern im Durchmesser von 20-30 cm mitten durchgebrochen. An einer Stelle an der Straße nach Neutomischel liegen 15 starke Pappeln und mehrere Erlen. Die alten Kirschbäume sind wie von der Erde verschwunden.

Bis heute hat das Dach allen Unwettern getrotzt / Bild GT [3]

Bis heute hat das Dach allen Unwettern getrotzt / Bild GT

Schrecklicher noch als der Sturm war der ihn begleitende Hagel. Hagelstücke in der Größe von Hühner- und Gänseeiern haben einen sehr großen Schaden angerichtet. Wie traurig sehen unsere schönen Hopfenplantagen aus. Kein Blatt, kein Zweig ist mehr zu sehen – nur leere Stangen ragen in die Luft, wie Bäume, die von Raupen abgefressen sind. Einige Felder, Gerste, die fast reif waren, sind total vernichtet; kein Körnchen ist zu finden. Bohnen, Hafer, Kartoffeln und Lupinen die in dem Hagelstriche wuchsen, sind vollständig verloren. Der Schaden ist recht groß und der fleißige Landmann sieht einer traurigen Ernte entgegen, zumal die Hoffnung alles – den Hopfen eingeschlossen – vernichtet ist.

 Aus Neustadt bei Pinne lauteten die Meldungen:

In der zweiten Nachmittagsstunde entstand gestern (21. Juli 1897) im Süden unseres Ortes ein Gewitter, das gegen 2 Uhr mit orkanartigem Sturm anbrach.

Aus den Wolken groß es wie mit Kannen. Das Unwetter brachte auch viel Schlossen von der Größe großer Taubeneier mit sich. In den Ortschaften Witomischel, Gr. Lipke, Neufeld, Chraplewo, Chmielinko, Pakoslaw sind die meisten Fensterscheiben vom Hagel zerstört worden. Hühner, die nicht rasch genug Schutz finden konnten, wurden von den Hagelkörnern erschlagen. Viele Bäume wurden umgebrochen, die schönen Früchte größtentheils abgeschlagen. Die Getreidemandeln wurden umgeworfen und die Eisstücke schlugen die Körner aus, daß man selbige um die Mandeln zusammen scharren konnte. Der noch stehende Roggen ist fast ganz seiner Körner beraubt. Die fast reifen Gerstenfelder sind vollständig vernichtet, auch die übrigen nach wachsenden Feldfrüchte sind zerstört worden. Kindern und Erwachsenen, die im freien keinen Schutz fanden, wurden von den Eisstücken Flecke und Beulen geschlagen.

Wie groß der angerichtete Schaden ist, läßt sich noch nicht berechnen. Eine halbe Stunde nach dem Unwetter sah man noch Schlossen handhoch an verschiedenen Stellen liegen. Die Ernte wird durch den wiederkehrenden Regen sehr erschwert; so daß

Beeindruckender Wolkenhimmel / Bild GT [4]

Beeindruckender Wolkenhimmel / Bild GT

bis jetzt sehr wenig Roggen eingebracht worden ist.

Nur ungefähr einen Monat später, Ende August des Jahres folgte dann nachstehende Meldung:

Eine höchst seltene interessante Naturerscheinung ist bei einigen Feldfrüchten und Bäumen, welche durch Hagelschlag, Sturm und Regen in hiesiger Umgegend am 21. Juli beschädigt worden sind, eingetreten.

Die Obstbäume, Kastanien und Fliedersträuche, sowie Hopfen und Bohnen stehen im vollen Blüthenflor. Beim Hopfen haben die vom Hagel nicht beschädigten Triebe vollständig ausgebildete Dolden, während der größte Theil im Blüthenschmuck prangt. Ein Sträußchen mit allerhand Frühjahrsblüthen überreichte uns heute der Eigenthümer Chr. Joachim aus Paprotsch.

Leider wird diese Erscheinung zur Folge haben, daß die Blüthe zum nächsten Frühjahr ausfallen und den Obstertrag schmälern wird.

Ende September des Jahres fanden die Berichte ihren Abschluss mit nachstehender Mitteilung:

Für die durch das Unwetter im Juli d. Js. schwer heimgesuchten Landleute unseres Kreises hat der Kreisausschuß zu Beihülfen 500 Mark bewilligt, auch sind dem Kreisausschuß von einem Mitgliede 50 Mark zur Verfügung gestellt. Indem wir die bei unserer Expedition eingegangenen Gaben im Betrage von 115 Mark 64 Pf. ebenfalls der genannten Kreisbehörde übermitteln, sagen wir den Gebern herzlichen Dank

Dieser alte Baum ist im Sturm gefallen / Bild GT [5]

Dieser alte Baum ist im Sturm gefallen / Bild GT

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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt: Personenstandsunterlagen  Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/); Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – “Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel” 1897 und Posener Zeitung 1897