Attentat auf den Schauspieler A. Paul – 1885

Albert Paul (von Jan Vilímek, 1890) - Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Paul

Albert Paul (von Jan Vilímek, 1890) – Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Paul

„Berliner Blättern wird aus Posen, 10. d. (10.März 1885) geschrieben:

Heute früh 4 Uhr wurde zwischen Station Neutomischel und Eichenhorst der Märkisch Posener Eisenbahn auf den Schauspieler A. Paul vom „Thalia Theater“ in Hamburg (früher vom „Residenztheater“ in Berlin) im Koupee des von Berlin kommenden Kurierzuges ein Attentat verübt, dessen Zusammenhang bis jetzt noch in Dunkel gehüllt ist.

Im Halbschlaf gewahrte Hr. Paul, der im Koupee zweiter Klasse allein fuhr, während der Fahrt, daß die Thür des Koupee’s geöffnet wurde, worauf ihm bald ein Schuß in’s Gesicht gefeuert wurde. Das Opfer des Attentates hatte noch so viel Besinnung, an der Nothleine zu ziehen, worauf der Zug sofort zum stehen gebracht wurde. Paul wurde von dem Fahrpersonal, über und über mit Blut bedeckt, vorgefunden, während von dem Attentäter keine Spur vorhanden war.

Der Ueberfallene wurde mit demselben Zuge nach Posen gebracht, wo die ihn behandelnden Aerzte seinen Zustand für lebensgefährlich erachten. Die Kriminalpolizei ist in vollster Thätigkeit, um das über diesem Attentat lagernde Dunkel zu klären. Paul war für ein Gastspiel beim Deutschen Theater in Moskau engagirt.“

Quelle: Liechtensteiner Volksblatt – Obligatorische Organ für alle Publikationen – Vaduz, Freitag, den 28. März 1885 – Liechtensteinische Landesbibliothek – http://www.eliechtensteinensia.li/Zeitungen/

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Albert Paul wurde im Jahre 1856 in Berlin, als Sohn des Redakteurs der „Gartenlaube“ Dr. Albert Fränkel geboren. Er trat am Leipziger Stadttheater und am Meininger Hoftheater auf ehe er sich reisenden Schauspielergesellschaften anschloss, die ihn z. B. an Bühnen in Passau, Amberg und Straubing führten. Bei Engagements in Rostock und Stralsund etablierte er sich als Charakterspieler in Liebhaberrollen und sogar als Komiker. 1877 kam er an das Nationaltheater in Berlin. Von dort verpflichtete er sich 1879 an das Stadttheater in Mainz. Er folgte einem Ruf nach Prag, und ging, nachdem ein Engagement in Wien nicht zustande gekommen war, nach Berlin, wo er im September 1879 am Residenztheater auftrat. Drei Jahre später, im Jahr 1881, wechselte er an das kaiserlich russische Hoftheater in St. Petersburg, von dort, an das neu gegründete Deutsche Theater in Moskau. Ab 1883 trat er am Thalia Theater in Hamburg auf. Von dort wechselte er 1885, er blieb bis ins Jahr 1888, an das großherzogliche Hoftheater in Karlsruhe. 1887 wurde er an die Dresdner Hofbühne berufen.1899 beendeten „unerquickliche künstlerische Verhältnisse“ sein dortiges Engagement. Nach einigen Gastspielen, vermutlich an den unterschiedlichsten Schauspielhäusern, kam er 1901 wieder an das Thalia Theater in Hamburg.

Seine Biographie wurde abgeschlossen mit: „Vielfache Gastspiele in Deutschland und Rußland haben seinen Namen und seine Kunst allüberall bekannt gemacht. Auch schriftstellerische Tätigkeit und mannigfache Lebensschicksale, von welch letzteren besonders ein schweres Mordattentat hervorzuheben ist welches nie aufgeklärt wurde, wohl aber auf eine nihilistische Verwechslung zurückzuführen sein dürfte, deren Opfer Paul auf einer Reise nach Rußland geworden, gaben seinem bewegten, an Erfolgen reichen Leben ein interessantes Gepräge.“

Quelle: Ludwig Eisenberg – „Ludwig Eisenberg’s große biographisches Lexikon der deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert“, Leipzig, 1903 – Seite 752 – BSB Bayerische StaatsBibliothek / MDZ Münchener DigitalisierungsZentrum Digitale Bibliothek – http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00067974/image_768