Diebstahl und Mord in Boruy – 1908 / Teil 1

Landschaft bei Nowa Boruja - Bild EA

Landschaft bei Nowa Boruja – Bild EA

Unmittelbar vor Weihnachten des Jahres 1908 wurde die Leiche der Julie Herke/Juliane Herkt in Neu Borui in ihrer Wohnung entdeckt.

Die Ermittlungen ergaben, dass die Aufgefundene ermordet worden war.

Das Verbrechen wurde in Zusammenhang mit einem 4 Wochen zuvor erfolgten Diebstahl gebracht. Schnell geriet die in der Nachbarschaft wohnende Minna/Ida Jaekel geborene Rau in Verdacht, die Verbrechen verübt zu haben. Im April 1909 wurde gegen Sie vor dem Schwurgericht in Meseritz der Prozess wegen Mord und Diebstahl eröffnet.

Der Polizeihund „Prinz“, dessen Gangart dem Hundeführer die richtige Spur aufzeigte, eine gekaufte Stola, ein ahnungsloser Ehemann, Ungeziefer, Petroleum, eine glühende auf das Kleid der später Ermordeten geworfene Kohle, ein brennender Zigarrenstummel welcher ihr in die Tasche gesteckt wurde, dieses als gedachter Schabernack, Gedanken der Angeklagten an Selbstmord und Aussagen von Mitgefangenen, spielten bei den Ermittlungen eine Rolle und führten schließlich zu einem Geständnis.

Letztlich hatten die Geschworenen das Urteil gegen die Angeklagte zu fällen.

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1908-12-22 Neuborui.

Am Sonntag mittag wurde die in einem Nebenhause des Eigentümers Baensch hierselbst wohnende, 50jährige Einwohnerin Julie Herke vollständig entblößt und teilweise verbrannt, auf den Dielen liegend, tot aufgefunden. Die Nachbarsleute, welche zuerst durch das Fenster die Tote bemerkten, meldeten den Vorfall dem Gendarmen Netzmann in Kirchplatz, welcher der Staatsanwaltschaft in Meseritz Anzeige erstattete. Der Toten ist erst vor ca. 4 Wochen ein Geldbetrag entwendet worden. Ob Mord oder Selbstmord vorliegt, dürfte erst die Untersuchung ergeben. Heute nachmittag wird die Obduktion der Leiche stattfinden.

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1908-12-24

Zu dem mysteriösen Tode der Einwohnerin Julie Herke ist noch zu melden, daß die Obduktion der Leiche, welche gestern in deren Wohnung stattfand, als sicher ergeben hat, daß nicht Selbstmord, sondern Mord und zwar durch gewaltsame Erstickung vorliegt. Der Verdacht der Täterschaft lenkt sich bald auf die Ehefrau Minna Jaekel von hier, welche mit der Ermordeten auf gespanntem Fuße lebte, weil sie von derselben des Diebstahls bezichtigt worden war.

Eine in der Wohnung der Jaekel gestern vorgenommene Haussuchung förderte eine nach Petroleum riechende Jacke, sowie ferner auf dem Hofe einen abgebrochenen Flaschenhals mit Patentverschluß zu Tage, dessen Bruchstelle genau zu der in der Stube der Ermordeten ohne Hals vorgefundenen Selterwasserflasche paßte, welche noch etwas Petroleum enthielt. Wie das Halsstück nach ihrem Hof gekommen sein kann, wußte die Jaekel nicht anzugeben. Wie die mit den teilweise absonderlichen Gewohnheiten der Ermordeten bekannten Personen sämtlich bekundeten, soll bei derselben niemals bei Lebzeiten Licht gebrannt haben.

Ferner wurden verschiedene neue Kleidungsstücke als eine weiße Pelzboa und eine rote Mädchen Mütze vorgefunden und beschlagnahmt, welche die Jaekel bereits im November gekauft hatte. Sie kann jedoch nicht nachweisen, woher sie das Geld dazu erhalten hat. Ihr damals in Frankfurt a. Oder auf Außenarbeit weilender Mann will ihr nach seiner eigenen Aussage s. Zt. noch kein Geld von dort aus gesandt haben. Er ist am letzten Sonnabend von Frankfurt zurückgekehrt und hat erst jetzt 120 Mk. erspartes Geld mit nach Hause gebracht. Bei dem Einkauf hat die Verkäuferin noch mehr Geld bei der Jaekel gesehen, auch hat sie noch verschiedene andere Sachen haben wollen, die ihr aber nicht zusagten und von deren Ankauf sie deshalb Abstand nahm.

Die Staatsanwaltschaft ordnete gestern die Ueberführung der Verdächtigen, welche die Mutter eines etwa 10 jährigen Mädchens und eines 11 Monate alten Säuglings ist, nach dem Neutomischeler Gerichtsgefängnis an.

Heute hat mit einem aus Berlin schon gestern gegen Abend eingetroffenen Spürhunde nochmals ein Untersuchungstermin am Tatorte stattgefunden. Der Hund wurde durch seinen Führer nach dem Hause der Ermordeten gebracht, während die Jaekel in ihre Wohnung geführt wurde und vorher gar nicht mit dem Tier in Berührung kam. Als der Spürhund in der Wohnung der Ermordeten die Betten und den Fußboden berochen hatte, ging er stracks hinaus, durch eine Schonung hindurch, über Feld und Garten in den Hof der Jaekel. Dort berührte er Stalltüren und schließlich begehrte er Einlaß in das Jaekel’sche Haus, welches geschlossen war. Als man ihm öffnete, lief er nach der Stube und machte gerade an dem Orte halt, wo die Jacke gelegen hatte, welche bei der gestrigen Haussuchung beschlagnahmt worden war. Nachdem er hier eine Zeit lang schnüffelnd verweilt, blieb er vor der auf einem Stuhle sitzenden Frau Jaekel stehen. Dieselbe leugnet bis jetzt beharrlich, die Tat begangen zu haben. Sie wurde zunächst in das Neutomischeler Gerichtsgefängnis zurückgebracht und von dort aus mit dem 11 Uhr Zuge nach Meseritz transportiert.

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1908-01-12 Neuborui.

Gestern früh wurde die wegen des Mordes an der Einwohnerin Julie Herke in Verdacht stehende und in Meseritz in Untersuchungshaft befindliche Frau Ida Jaekel von dort nach hier überführt, um nochmals an Ort und Stelle durch den Untersuchungsrichter Dr. Steinert aus Meseritz verhört zu werden. Dabei hat sie eingestanden, daß sie das Geld der Herke etwa 4 Wochen vor dem Morde entwendet hat. Dagegen bestritt sie nach wie vor, den Mord begangen zu haben. Zu ihrer Entlastung gab sie an, daß ein Knecht (Ignatz Przybyla), der im vergangenen Sommer bei dem Eigenthümer Baengsch bedienstet war, an demselben Abend, an dem der Mord ausgeführt sein muß, zu ihr kam, um in ihrem Hause zu nächtigen. Sie verweigerte ihm das, gab ihm 5 Pfg. und schickte ihn zu der Herke.

Nach einer nochmaligen gründlichen Durchsuchung der Wohnung der Ermordeten wurde in der Stube ein kieferner Ast mit Haaren und abgeschabter Haut, sowie ein Fingernagel, an welchem ebenfalls ein Stück Haut saß, gefunden und beschlagnahmt. Außerdem wurden, nachdem der Schnee vor der Tür entfernt war, einige abgerissene Knöpfe gefunden und ebenfalls beschlagnahmt. Nachdem die Jaekel nachmals nach ihrer eigenen Wohnung geführt worden war, wurde sie mit dem 11 Uhr Abendzuge nach Meseritz zurückgeschafft.

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Suche nach dem Aufenthalt des Ignatz Przybyla - Kreisblatt Ausschnitt1908

Suche nach dem Aufenthalt des Ignatz Przybyla – Kreisblatt Ausschnitt1908

1909-03-05

Bekanntmachung

In der Strafsache gegen Jaekel wegen Mordes ist es von größter Bedeutung, festzustellen, ob der Arbeiter Ignatz Przybyla, welcher bis zum Mai 1908 bei dem Eigenthümer Wilhelm Bänsch in Neu Borui als Knecht gedient hat, um den 20. Dezember 1908 herum irgendwo in der dortigen Gegend und der weiteren Umgebung gesehen worden ist. Przybyla ist am 15. Juli 1861 in Alt-Dombrowo, Kreis Bomst, geboren, 1,57 m groß, von mittlerer Gestalt, hat ein rundes, rasiertes Gesicht, dunkelblondes Haar mit Glatze, graublaue Augen, unvollständige Zähne und Narben an der rechten Backe. Er dürfte bettelnd im Lande umherziehen.

Ich ersuche alle Personen, die Przybyla in der letzten Zeit gesehen haben, oder über seinen Aufenthalt irgendetwas angeben können, dringend, sich bei der nächsten Polizeibehörde zu melden oder zu den hiesigen Akten 2 J. 1150.08 zweckdienliche Mitteilungen zu machen.

Meseritz, den 3. März 1909. Der Untersuchungsrichter

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1909-04-20

Die Verhandlungen vor dem Schwurgericht in Meseritz wurden angesetzt für Montag, dem 26., und Dienstag, dem 27. April 1909 gegen die Eigentümerfrau Minna Jäkel aus Neu-Borui wegen Mordes und Diebstahls

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Quellen: Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – “Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel” 1908/1909 Artikel-Auszüge