2016 – 463 Jahre Kirche zu Kranz

Die ehemalige evgl. Kirche zu Kranz, 1880 geweiht / Postkartenausschnitt

Die ehemalige evgl. Kirche zu Kranz, 1880 geweiht / Postkartenausschnitt

Heute vor 113 Jahren am 27. November 1903 berichtete die Neutomischeler Kreiszeitung über das 350-jährige Bestehen der evangelischen Kirche zu Kranz. Die Kirche ist inzwischen katholisch geweiht und trägt den Namen „Von der Verklärung des Herrn“ – „Kościół pw. Przemienienia Pańskiego“

“ Die evangelische Gemeinde Kranz im Kreise Meseritz, zur Diözese Karge-Neutomischel gehörend, feiert am 1. Adventsonntag (29. November des Jahres 1903) das Jubelfest ihres 350-jährigen Bestehens. Kranz gehörte zu den wenigen evangelischen Gemeinden der Provinz Posen, in denen trotz schwerer Verfolgung in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts das Evangelium ohne Unterbrechung hat verkündet werden dürfen.

Viele Evangelische der Umgegend in Posen und im Kreis Züllichau-Schwiebus haben darum durch Jahrzehnte hindurch, als ihr eigenes Kirchenwesen zerstört war, in Kranz geistlichen Trost gesucht, ihre Kinder taufen und ihre Ehen einsegnen lassen. Die Gemeinde Kranz verdankt diese Bewahrung nächst Gottes Gnade der Glaubenstreue ihrer Kirchenpatrone, der Herren von Dzembowski.

Denkmal der Kriegsgefallenen auf dem Kirchengelände / Bild EA

Denkmal der Kriegsgefallenen auf dem Kirchengelände / Bild EA

Kranz hat auch im vergangenen Jahrhundert den besonderen Segen gehabt, einen Patron in dem verstorbenen Kammerherrn von Tiedemann zu besitzen, durch dessen fromme Freigebigkeit es ihr möglich wurde, ein herrliches Gotteshaus und schönes Pfarrhaus zu bauen.

Am Sonnabend vor dem 1. Advent, abends 1/2 6 Uhr, wird eine Vorfeier mit einem Vortrag des Ortsgeistlichen über die Geschichte der Gemeinde Kranz stattfinden, am 1. Advent Festgottesdienst um 10 Uhr und um 1/2 6 Uhr abends eine Nachfeier mit einem Bericht über die evangelische Bewegung in Böhmen und einer Lichtbildervorführung aus dem Leben Luthers. Von einem gemeinsamen Festmahl hat die Gemeinde zu ihrem Bedauern um ihrer unzulänglichen Gasthofsverhältnisse willen absehen müssen.

Möge der Gemeinde das Fest gesegnet sein, und sie allzeit ihren alten Überlieferungen treu bleiben !

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 In dem Buch „Geschichte der evangelischen Parochien in der Provinz Posen“, verfaßt von Albert Werner, früher Pastor in Tremessen; überarbeitet von Johannes Steffani, Diakonns an der St. Petrikirche zu Posen. / Herausgegeben 1904, ist zur Entstehung der Kirche in Kranz folgendes geschrieben worden:

„Zu den evangelisch-lutherischen Gemeinden, welche sich in Großpolen schon zur Zeit der Reformation gebildet und seitdem ununterbrochen erhalten haben, gehört die Gemeinde in dem Dorfe Kranz bei Züllichau. Ihre Entstehung fällt nach den vorhandenen Urkunden in das Jahr 1553.

Begründer der Gemeinde und Erbauer einer evangelischen Kirche waren die Erbherren von Radlewicz-Kreski, welche dem augsburgischen Glaubensbekenntnisse angehörten. Im Jahre 1570 verkaufte diese Familie das Gut an George von Dziembowski, der es an seine Nachkommen vererbte.

Die Dorfstrasse, im Hintergrund das Kirchengebäude / Postkartenausschnitt

Die Dorfstrasse, im Hintergrund das Kirchengebäude / Postkartenausschnitt

Als mit dem 17. Jahrhundert die Unterdrückung des lauteren Evangeliums in Polen begann, geriet auch die hiesige Gemeinde vielfach in Gefahr, ihr Gotteshaus zu verlieren. Zuerst verlangte 1637 der Propst des nahegelegenen Dorfes Kuschten unter dem Vorwande, daß die Kirche in Kranz früher eine katholische gewesen sei, von der Gemeinde Entrichtung des Decems und der Stolgebühren; er konnte aber seine Ansprüche vor dem Posener Gerichte ebenso wenig beweisen, wie die späteren Pröpste die ihrigen in den Jahren 1650 und 1665.

Darauf wurden die Erbherren Zbigniew und Boguslaw von Dziembowski im Jahre 1747 von einem Nachkommen der früheren Besitzer, Ignaz von Kreski, dessen Vater in Dresden zum katholischen Glauben übergetreten war, in einen langwierigen und sehr kostspieligen Prozeß verwickelt. Kreski behauptetet, Ansprüche an das Gut zu haben, und verlangte die Herausgabe der Ortskirche als einer ehemaligen katholischen an die Katholiken.

Obgleich die Erbherren im Jahre 1748 ihr Recht auf Gut und Kirche vor dem Reichstribunal zu Petrikau auf das klarste darlegten und das Gericht ihren Gegner nötigte, dasselbe in einem besonderen Dokument ausdrücklich anzuerkennen, so gab Kreski dennoch den Versuch, mit seinen Forderungen durchzudringen, nicht auf und brachte es endlich dahin, daß die Dziembowskische Familie im Jahre 1760 ihm 1.600 Fl. poln. (800 Mark) dafür zu zahlen verurteilt wurde, „daß ihre Vorfahren diese Sache nicht eher ordentlich ausgeführt hätten, weshalb Kreski diesen Prozeß hat führen müssen.“ Dieser Verurteilung folgten noch andere.

Kreski gewann allmählich das Reichstribunal gänzlich für sich, und die Dziembowskische Familie wurde wiederholentlich in große Geldstrafen genommen. Sie mußte u. a. 11.200 Fl. pl. (5.600 Mark) als Strafe dafür zahlen, daß sie eine angeblich ehemals den Katholiken gehörige Glocke und ein Marienbild, welche Gegenstände sich in der Kranzer Kirche befinden sollten und die man zur Begründung des Prozesses benutzen wollte, nicht mit nach Petrikau gebracht hatten. Im Ganzen betrugen die von der Dziembowskischen Familie gezahlten Geldstrafen über 30.000 Mark. Zuletzt erfolgte sogar im Jahr 1761 der Spruch, daß die Kirche in Kranz den Katholiken zu übergeben sei. Doch kam derselbe nicht zur Ausführung.

Die Angelegenheit machte in ganz Polen das größte Aufsehen und gelangte bis an den Reichstag. Die Umtriebe des Kreski hatten erst ein Ende, als derselbe, nachdem er in Petrikau feierlich beschworen, daß die Kirche in Kranz ursprünglich katholisch gewesen sei, vom Schlage gerührt, plötzlich die Sprache verlor und als das Reichsgesetz von 1768 den Evangelischen freie Religionsübung gewährte. Inzwischen hatten die Erbherren v. Dziembowski, um sich Ruhe zu verschaffen, 1761 in einem Vergleiche sich verbindlich gemacht, den Propst in Kuschten jährlich 800 Fl. poln. (400 Mark) zu entrichten, welche Summe 1781 auf 130 Fl. (65 Mark) ermäßigt wurde.

Blick zum Kirchturm / Aufnahme EA

Blick zum Kirchturm / Aufnahme EA

An Stelle der wegen Baufälligkeit abgetragenen Kirche erhielt die Gemeinde, nachdem sie eine Zeitlang im Schulhause zu Kranz ihre Gottesdienst gehalten, ein schönes, in gothischem Stile erbautes Gotteshaus. Es wurde für 36.000 Mark von dem Kirchenpatron Erich von Tiedemann auf Kranz ganz aus eigenen Mitteln erbaut und ihr geschenkt. Am 6. August 1880 empfing es durch General-Superintendenten D. Wiesmann aus Münster, dem Onkel des Patrons, die Weihe, nach welcher der General-Superintendent D. Geß aus Posen die erste Predigt hielt. Im Jahre 1882 wurde für 12.000 Mark ein neues Pfarrhaus erbaut.

Zu der Parochie gehören die durchaus von Evangelischen bewohnten Dörfer Kranz und Brausendorf mit 568 bzw. 192 Seelen. Die Kirche in Brausendorf ist, nachdem eine ältere abgebrochen worden, am 13. August 1786 durch den Senior Nikisch aus Wollstein geweiht worden. Diese alte Gemeinde hatte früher eigene Prediger (Thomas in „Altes und Neues“ S. 104 nennt Brinnius und Crusius), wurde 1712 Filial von Kranz und steht auch unter dem Patronate des Dominiums Kranz. Ursprünglich gehörten auch die Dörfer Schmarse, Keltschen, Wallmersdorf, Oppelwitz und Kl. Dammer hierher, sie kamen infolge der schlesischen Kriege an Preußen, und es wurde für sie nach ihrer Verbindung mit Schlesien in Schmarse eine eigene Pfarrer gegründet. Nachdem der Patron die Kirche zu Brausendorf völlig hatte erneuern lassen und auch neue Glocken und eine neue Orgel beschafft waren, wurde die Kirche am 20. Dezember 1891 durch den Generalsuperintenden D. Hesekiel feierlich eröffnet.“

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Die Pfarrer waren:

  1. Jakob Tammendorf, 1553 im Amte
  2. Matthias Dietrich
  3. Andreas Fechner
  4. Georg Rißmann
  5. Martin Seidel, lebte 1612
  6. Daniel Weißkopf
  7. Michael Andrae, 1635 berufen
  8. Christoph Albinus oder Weiß, aus Freistadt in Schlesien, wurde 1648 von Christian v. Dziembowski hierher berufen und ging 1652 nach Bomst
  9. David Hirsekorn, starb 1687
  10. Johann Fendler, aus Krügersdorf in der Mark gebürtig, 1688 hierher berufen, starb, nachdem er viele Bedrückungen erlitten, im Jahre 1724. Fendler hat das jetzt noch vorhandene Kirchenbuch eingerichtet.
  11. Paul Christoph Fendler, des vorigen Sohn, 1724 berufen, starb 1754
  12. Johann Christian Fendler, des vorigen Sohn, 1754 berufen, starb 1786, 56 Jahre alt
  13. Christian Gottlieb Herzog, aus Seidenberg in der Lausitz, 1781 als Pfarrsubstitut hierher berufen, starb nach 50 jähriger Amtsführung am 12. September 1831, 78 Jahre alt
  14. Robert Adolf Rohrmann, geb. 1805 zu Fraustadt, erhielt 1832 die Berufung und wurde 1840 Pfarrer in Hammer-Boruy
  15. Johann Karl Samuel Hemmerling, aus Zettitz bei Krossen, trat 1840 sein Amt an und starb am 1. Juli 1880, 74 Jahre alt
  16. Otto Gründler, vorher Dom-Hülfsprediger in Berlin, trat 1881 in das hiesige Amt, wurde Pfarrer zu Crommernau bei Hirschber i. Schl.
  17. Julius Renner, vorher Diakonus an der Petrikirche zu Posen, wurde 1888 zum Pfarrer berufen

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Quellen, soweit nicht direkt im Text oder in Bildbeschreibungen angegeben: Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – 1.) „Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel” 1903 November; 2.) Geschichte der evangelischen Parochien in der Provinz Posen. verfaßt von Albert Werner, früher Pastor in Tremessen; überarbeitet von Johannes Steffani, Diakonns an der St. Petrikirche zu Posen. / Herausgegeben 1904