Das viel zu kurze Leben der Emma Pawel / 1891-1907

Kartenausschnitt mit der Strecke Rojewo - Neu Boruy / Messtischblatt 3763 - http://mapy.amzp.pl/tk25.cgi?23,48,60,80

Kartenausschnitt mit der Strecke Rojewo – Neu Boruy / Messtischblatt 3763 – http://mapy.amzp.pl/tk25.cgi?23,48,60,80

In den Jahren 1905 und auch 1907 war es noch üblich, dass Kinder in einem Alter von 14 Jahren bis zu mindestens 12 Stunden täglich arbeiten mussten.

Kinderarbeit galt als Segen für die Eltern und war finanziell unabdingbar. Angst um das Wohl und die Gesundheit von Kindern wurde gegen das ureigene Wohl zurückgestellt.

Auch Emma Pawel war ein Kind jener Jahre.

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Das Neutomischeler Kreisblatt berichtete in seiner Ausgabe vom 04. August 1905 über die Geschehnisse wie folgt:

„Aus Rojewo wird dem „Bomster Kreisblatt“ berichtet: Eine geradezu unterhörte Frechheit leistete sich ein Trupp Zigeuner, gegenüber der vierzehnjährigen Tochter eines hiesigen Eigentümers.

Das in Neuborui bedienstete Mädchen war vergangenen Sonntag (30. Juli 1905) bei den Eltern in Rojewo gewesen und hatte des starken Gewitters wegen erst am Montag früh gegen 3 Uhr den Rückweg nach Neuborui angetreten.

Der Sonnenaufgang am Montag, den 31. Juli 1905 war ca. 2 1/2 bis 3 Stunden nach Aufbruch des Mädchens aus dem Elternhause gewesen; sie hatte sich im Dunkeln auf die ca. 10 km lange Strecke durch das bis heute weitesgehenst unbewohnte Waldgebiet auf den Weg gemacht.

An einem Kreuzweg auf der Mitte zwischen Neuborui und Konkolewo begegneten dem Mädchen ca. 6 Zigeunerwagen. Eine Zigeunerin trat unter drohenden Gesten auf das Mädchen zu, welchem in der Angst und Verlegenheit die Sinne schwanden, sodaß es nun mit Leichtigkeit in einen Wagen gehoben und mitgenommen werden konnte.

Als das Mädchen wieder zur Besinnung gekommen war und seine Freilassung verlangte, wurde es zunächst geschlagen und ihm dann angedroht, daß es sofort niedergestoßen würde, sobald es einen Laut von sich gäbe oder einen Fluchtversuch mache. Dieses Drohungen wurden wiederholt, so oft die Truppe ein Dorf passierte, sodaß das geängstigte Mädchen sich zunächst in ihr Schicksal fügte und scheinbar beruhigte.

Als die Zigeuner abends in Wonsowo angekommen und sich, teils um zu stehlen, teils um zu fechten, in das Dorf zerstreut hatten, gelang es dem Mädchen in einem unbewachten Augenblick zu entkommen und in das nächstgelegene Gehöft zu fliehen, woselbst es erschöpft zusammenbrach.

Nachdem es sich erholt und von dem Geschehenen Mitteilung gemacht hatte, wurde es durch einen Wagen der Herrschaft Wonsowo den Eltern in Rojewo wieder zugeführt. Infolge der ausgestandenen Angst und Schrecken befand sich das bedauernswerte Mädchen in einem solchen Zustand, daß es in ärztliche Behandlung gegeben werden mußte.

Die Gendarmerie nahm die Verfolgung der Zigeuner auf, welche sich jedoch rechtzeitig aus dem Staube gemacht hatten.“

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War im Bericht im Jahre 1905 noch kein Name genannt worden, so wurde nur zwei Jahre später, am 30 Juli 1907 folgender Artikel veröffentlicht:

„Die 16 jährige Emma Pawel, die vor zwei Jahren von Zigeunern aus Waldhorst (Rojewo) entführt, ihnen aber in Wonsowo entflohen war, wurde kürzlich auf dem Wege zwischen einer Ziegelei bei Kottbus und der Stadt tot aufgefunden.

Sie war in der Ziegelei bedienstet und besorgte in der Stadt ihre Einkäufe, von wo sie nicht mehr zurückkehrte.

Da man bei ihrem Auffinden kein Geld bei ihr fand und alle Umstände darauf hinweisen, vermutet man Raubmord.“

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Emma Pawel

war am 29 Juni 1891 als Tochter des Eigentümer Ehepaares Johann Wilhelm Friedrich und Johanna Juliane (geb. Lüdke)  Pawel in Rojewo geboren worden.

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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt: Personenstandsunterlagen  Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/); Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – “Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel” 1905/1907