Der Mord an der Familie Greiser / 1906

Bomst - Wiebelshof / Ausschnitt Messtischblatt 3860 - http://mapy.amzp.pl/tk25.cgi?23,48,60,80

Bomst – Wiebelshof / Ausschnitt Messtischblatt 3860 – http://mapy.amzp.pl/tk25.cgi?23,48,60,80

Nachstehend folgt in chronologischer Reihenfolge die Berichterstattung der Presse hinsichtlich der Ermittlungen zur Aufklärung der Ermordung der Familie Greiser aus Wiebelshof, welche sich über die Jahre 1906 bis 1907 erstreckte.

Letztlich wurde der ermittelte Täter zum Tode verurteilt

1906-04-03 Neutomischeler Kreisblatt

Der 74 Jahre (?) alte Viehfütterer Greiser, seine Frau und Tochter wurden am Sonntag früh mit durchschnittenem Halse in ihrer Wohnung vorgefunden. Die Tochter gab noch Lebenszeichen von sich und konnte mitteilen, daß Zigeuner die Schreckenstat verübt haben. Bald darauf verstarb auch sie. Gestern wurden acht Zigeuner verhaftet und ins hiesige Gefängnis (Unruhstadt)  eingeliefert.

1906-04-06 Neutomischeler Kreisblatt

Zu dem in der Nacht vom 31. März zum 1. April auf dem Vorwerk „Wiebelshof“ bei Bomst verübten Raubmord, über den wir bereits in letzter Nummer kurz berichtet haben, werden noch folgende Einzelheiten gemeldet:

Wiebelshof liegt mitten im Walde, so daß ein Fremder den Weg dorthin kaum finden kann. Es ist ein Nebenvorwerk, auf welchem etwa 30 Stück Vieh gehalten werden. Der Kutscher eines Schlempewagens entdeckte am Sonntag vormittag als erster die Tat. Der Anblick, der sich im bot, war entsetzlich. Der Kopf des ermordeten Viehfütterers Greiser hing aus dem Bett heraus und die Frau lag erschlagen im Bett. Die Kleidungsstücke lagen verstreut in der Stube.

Der Kutscher lief aus dem Hause, um die Tochter zu suchen, und fand sie hinter der Scheune liegend mit schweren Kopfwunden, aber noch lebend vor. Die Schwerverletzte fand Aufnahme im Krankenhaus zu Bomst, wo sie ihren schweren Verletzungen erlegen ist, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft traf sofort am Tatorte ein. Da Zigeuner sich hier in der Nähe aufhielten, wurde sofort nach ihnen gefahndet und mehrere von ihnen in Haft genommen. Doch zweifelt man daran, daß die Zigeuner die Tat begangen haben. In der Wohnung wurden von den untersuchenden Beamten größere Geldbeträge gefunden, doch werden etwa 500 Mark vermißt, die Greiser kurz vorher aus einem Viehverkauf erhalten hatte.

Die Tat scheint gegen Morgen verübt zu sein, da eine Futterkrippe schon gereinigt war, während sich in den andern noch Futterreste befanden. Eine Axt ohne Stiel und zwei Beile wurden aufgefunden und beschlagnahmt. Der 82 Jahre alte Viehfütterer Greiser war seit einem Jahre bettlägerig. Er hatte mit seiner 81 jährigen Frau vor kurzem noch die goldene Hochzeit gefeiert und war über 60 Jahre im Dienste. Die Arbeiten wurden von der etwa 44 Jahre alten Tochter ausgeführt.

Inzwischen wird gemeldet, daß die in Unruhstadt verhafteten Zigeuner wieder auf freiem Fuß gesetzt sind, da sich der Verdacht ihrer Täterschaft nicht bestätigt hat. Mit dem Tode der Tochter hat sich der Mund der einzigen Zeugin der schrecklichen Bluttat geschlossen. Tief erschüttert stehen die Bewohner von Bomst und Umgegend vor diesem furchbaren Verbrechen, dieser entmenschten Tat, der drei Menschenleben zum Opfer gefallen sind. Die Greisers waren brave, ehrenhafte Leute, die allgemein geachtet waren. Hoffentlich gelingt es den eifrigste betriebenen Nachforschungen sämtlicher dabei inbetracht kommender Organe, den oder die Täter ausfindig zu machen, damit das furchtbare Verbrechen seine Sühne erhalte.

1906-04-10 Neutomischeler Kreisblatt

Am Donnerstag fand unter großer Beteiligung auf dem evangelischen Friedhof (zu Bomst) die Beerdigung der drei in Wiebelshof Ermordeten statt.

Auf Ermittelung des Täters hat der Erste Staatsanwalt in Meseritz eine Belohnung von 1000 Mk. ausgesetzt. – Den „Züll. Nachr.“ wird aus Unruhstadt mitgeteilt, daß in Karge ein Verwandter der ermordeten Familie, ein Arbeiter B., der einige Tage zuvor bei ihr auf Besuch war, in Untersuchungshaft genommen worden ist.

1906-04-18 Neutomischeler Kreisblatt

Der in Haft genommene Kitschmann ist aus der Haft wieder entlassen worden. Aus Berlin ist ein Kriminalbeamter hier eingetroffen und hat die Leitung der Nachforschungen in die Hand genommen.

1906-04-24 Neutomischeler Kreisblatt

Tausend Mark Belohnung werden demjenigen von der Königl. Staatsanwaltschaft in Meseritz zugesprochen, der den Täter nachweist, der die Eheleute Greiser und ihre Tochter am 1. April d. J. in Wiebelshof bei Bomst ermordet hat.

1906-04-27 Neutomischeler Kreisblatt

In der Greiser’schen Mordsache ist nach dem „Schw. Intbl.“ ein zweiter Kriminalbeamter hier eingetroffen, auch der Staatsanwalt weilte wieder hier.

Der Kutscher Piontek, welcher den Mord zuerst bemerkte, wurde verhaftet, mußte aber wieder entlassen werden.

1906-05-01 Neutomischeler Kreisblatt

Der Mörder der Geiser’schen Eheleute und deren Tochter ist noch immer nicht entdeckt.

Auch schwindet immer mehr die Hoffnung, des Täters habhaft zu werden. Das Sparkassenbuch ist in einem Bett eingenäht, aufgefunden worden. Das Publikum wird wiederholt und dringend gebeten, alles was auf diese Angelegenheit bezug hat, der Behörde mitzuteilen. Auch die anscheinend geringfügigsten Umstände können von großer Wichtigkeit sein.

1906-05-08 Neutomischeler Kreisblatt

Ueber den Mord an der Familie Greiser liegt noch immer ein undurchdringliches Dunkel, denn auch die zuletzt verbreitete Nachricht von der Verhaftung eines Sohnes der ermordeten Eheleute ist unzutreffend.

Außer dieser Freveltat sind in unserer Gegend in den letzten Jahren die Morde an folgenden Personen ungesühnt geblieben: Fleischer Franke in Bentschen, Fleischer Schulz in Topper, Forstgehilfe Rau in Bolewitz und Eigentümer Sperling in Wengielno

1906-05-25 Neutomischeler Kreisblatt

In der Greiser’schen Mordsache stellt jetzt die Staatsanwaltschaft Nachforschungen nach einem Radfahrer an, der am Sonntag, dem 1. April, früh 3/4 6 Uhr, auf der Chaussee Bomst-Unruhstadt gesehen worden ist und nach Unruhstadt zu fuhr. Dieser Radfahrer ist wahrscheinlich als Zeuge sehr wichtig und möge sich bei der nächsten Polizeibehörde melden. Ebenso wünschenswert sind genaue Angaben über seine Person, sein Aussehen usw. von solchen Leuten, die ihn damals gesehen haben.

1906-06-06 Neutomischeler Kreisblatt

Einem Bericht des „Schw. Intbl.“ zufolge haben die beiden Kriminalbeamten, ein Posener und ein Berliner, welche in der Wiebelshofer Mordsache tätig waren, nicht den geringsten Anhalt über die Person des Mörders entdecken können. Besonders erschwert wurde die Untersuchung dadurch, daß die Mordtat sich in einem drei Kilometer von der Landstraße abseits gelegenen Hause zugetragen hat.

1906-10-30 Neutomischeler Kreisblatt

1000 Mark Belohnung. In der Ermittelungssache betr. Ermordung der Eheleute Greiser und deren Tochter in der Nähe von Unruhstadt wird nochmals darauf hingewiesen, daß hierbei eine besonders große silberne Spindeluhr mit stark gewölbtem Glase geraubt worden ist. Die Uhr war vorn zu öffnen; der kleine Zeiger war zur Hälfte abgebrochen, die Oeffnung zum Aufziehen befand sich auf dem Zifferblatt, das Werk war innen mit Arabesken verziert und mit der Jahreszahl 1797 oder 1779 versehen. Es ist eine Belohnung von 1000 Mark ausgesetzt. Benachrichtigungen an die Staatsanwaltschaft Meseritz oder das Polizeipräsidium Posen erbeten.

1907-02-19 Neutomischeler Kreisblatt

Mörder gefaßt. Der Arbeiter Johann Koschitzki aus Schloßvorwerk hat am Freitag eingestanden, mit dem Arbeiter Franz Porawski aus Bomst den Mord an der Greiser’schen Familie in Wiebelshof verübt zu haben. Nach dem Geständnis des Koschitzki hat sich der Vorgang in Wiebelshof wie folgt abgespielt.

In der Nacht vom 1. April 1906 begaben sich Koschitzki und der Arbeiter Porawski, die beide ein Zeit lang in Wiebelshof auf Arbeit waren, von Bomst nach Wiebelshof. Dort kamen sie kurz vor 2 Uhr nachts an. Da sie mit den örtlichen Verhältnissen auf dem Gute genau vertraut waren, gelang es ihnen, ohne die Greiser’schen Eheleute aus dem Schlafe zu stören, die Tochter zu wecken. Auf Grund ihres ungewöhnlichen Erscheinens führten sie an, sie wollten noch das Vieh füttern, das am nächsten Morgen forttransportiert werden sollte. Die Tochter, für die der Vorgang nichts Befremdendes zu haben schien, führte die beiden auf ihr Verlangen nach dem Stalle. Während Koschitzki mit ihr im Stalle verblieb und mit der Fütterung beschäftigt war, wußte sich Porawski unauffällig in das Schlafgemach der beiden Eheleute zu begeben. Mit einer Axt, deren Standort er kannte, erschlug er zunächst den Ehemann, alsdann die Ehefrau, die infolge ihrer Schwerhörigkeit von dem ganzen Mordvorgange nicht das Mindeste vernommen hatte. Inzwischen war auch die Tochter mit einem Eggenrechen von Koschitzki erschlagen worden. Die Leiche wurde am nächsten Morgen an der Rückseite des Stalles gefunden. Auf Grund der Aussage des Koschitzki wurde der Mörder Porawski alsbald verhaftet und in das Untersuchungsgefängniß in Meseritz überführt. Hier legte er, wie das Wollsteiner Tageblatt berichtet, freimütig ein volles Geständnis ab, das sich mit dem seines Mordkomplicen deckt.

1907-02-21 Volksstimme Magdeburg

Die Taten zweier Mörder

Der Arbeiter Koschitzki aus Neukramzig im Posenschen wurde vor kurzem verhaftet, weil er dort an dem Knecht Andrys einen Raubmord begangen habe. Diese Tage hat Koschitzki eingestanden.

Desgleichen hat er nunmehr auch eingestanden, die Familie Greiser in Wiebelshof in Gemeinschaft mit dem Arbeiter v. Kurawski ermordet zu haben.

V. Kurawski ist sofort verhaftet worden und hat die Tat ebenfalls eingestanden. Beide haben sich nachts gegen 2 Uhr in die Greiser’schen Wirtschaft begeben und die Tochter geweckt unter dem Vorgeben, das Vieh, das am andern Morgen verladen werden sollte, noch füttern zu wollen. Fräulein Greiser ging mit den beiden nach dem Stall, von wo sich von Kurawski unauffällig nach der Schlafstube der Greiser’schen Eheleute entfernte. Diese lagen im tiefsten Schafe und wurden währenddesssen von Kurawski mit einer Axt erschlagen. Inzwischen tötete Koschitzki im Stalle die Tochter, indem er ihr mit einem Rechen den Schädel einschlug. Dem Koschitzki werden noch weitere Mordtaten zur Last gelegt.

1907-02-22 Neutomischeler Kreisblatt

Mit der Ergreifung der Mörder des Greiser’schen Ehepaares ist die Bevölkerung der Umgegend des Tatortes von einem schweren Druck befreit worden; waren doch außer einigen Zigeunern, die sich zufällig in der Gegend befanden und deren Unschuld sich bald herausstellte, auch mehrere andere Leute in schweren Verdacht gekommen, die Mordtat begangen zu haben. Besonders bemerkenswert und von einiger kriminal-psychologischer Bedeutung ist die Tatsache, daß Koschitzki, als zur Klärung des Mordes Beamte der Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft in Bomst anwesend waren, Koschitzki diese selbst nach Wiebelshof fuhr und seine „Vermutungen“ bezüglich der Täterschaft den Beamten gegenüber wiederholt Ausdruck gab.

1907-02-25 Lübecker Volksbote

Ein dreifacher Raubmord, der im April vorigen Jahres in dem märkischen Dorfe Wiebelshof bei Züllichau verübt worden ist, hat jetzt endlich seine Aufklärung gefunden.

Vor einiger Zeit wurde der Arbeiter Johann Kosicki in Bomst unter dem dringenden Verdacht verhaftet, vor anderthalb Jahren den Knecht Andries aus dem Schloßvorwerk bei Bomst ermordet zu haben, was der Verhaftete auch eingestand. Die Staatsanwaltschaft stellte nunmehr fest, daß der Mörder sich im Frühjahr 1906 auch in der Gegend von Züllichau aufgehalten hatte. Es wurde ihm auf den Kopf zugesagt, daß  er damals das Greiser’sche Ehepaar und deren Tochter in Wiebelshof ermordete. Kosicki legte denn auch nach anfänglichem Leugnen eine Geständnis ab. Der vierfache Mörder, der sich zurzeit im Untersuchungsgefängnis in Meseritz befindet, war damals als Aushilfsarbeiter bei Greiser beschäftigt gewesen.

1907-04-16 Neutomischeler Kreisblatt

Am ersten Tage der mit dem 15. April begonnenen Schwurgerichtsperiode hat die Verhandlung gegen den Knecht Koschitzki aus Schloßvorwerk bei Bomst wegen Ermordung des Knechtes Andrys zu Neukramzig, begangen am 2. Juli 1905, stattgefunden. Die Verhandlung gegen Koschitzki und seine Mittäter wegen des dreifachen Greiser’schen Mordes wird das Schwurgericht erst im Juli beschäftigen. Die nach Koschitzkis Verhaftung aufgetauchten Gerüchte, er habe außer den vier erwähnten Morden noch andere auf dem Gewissen, entbehren jeder Grundlage. Besonders bestimmt war behauptet worden, daß Koschitzki vor etwa 12 Jahren den Fleischermeister Franke in Bentschen erschossen hätte. Nachforschungen haben aber ergeben, daß Koschitzki zur Zeit des Mordes Soldat war, als Täter also nicht in Frage kommen kann. – Bei der Verhandlung vor dem Schwurgericht hat Koschitzki eingeräumt, seinen Mitknecht Andrys im Streit erschlagen und den Körper in einer nahen Kalkgrube verscharrt zu haben. Die Geschworenen sprachen ihn des Todschlags schuldig, worauf der Angeklagte zu 10 Jahren 6 Monaten Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt wurde.

1907-07-08 Neutomischeler Kreisblatt

Vor dem hiesigen (Meseritz) begann am Donnerstag (04. Juli 1907) die Verhandlung in dem Raubmordprozeß gegen den Knecht Johann Kosicki, sowie den Arbeiter Franz Porawski aus Schloßvorwerk bei Bomst. Die Angeklagten waren beschuldigt, am 1. April 1906 in Wiebelshof das im Greisenalter stehende Ehepaar Greiser, sowie deren 43 jährige Tochter Luise gemeinschaftlich ermordet und beraubt zu haben.

Der Angeklagte Kosicki, der den für verschwunden gehaltenen Mitknecht Andrys zu Neukramzig am 2. Juli 1905 erschlagen hatte, erklärt auf die Frage des Vorsitzenden, ob er sich des Mordes schuldig bekenne: Aber nur an der Luise Greiser, die andern habe ich nicht angerichtet.

Vors.: Nun schildern Sie uns ausführlich den ganzen Hergang. – Angekl. Kosicki: Es war am 31. März, abends gegen 11 Uhr, als ich dem Angeklagten Porawski in der sogenannten „Aepfelallee“ begegnete. P. machte nun dem K. den Vorschlag, sich mit nach dem 2 1/2 Kilometer entfernten Wiebelshof zu geben, um die Luise Greiser aufzusuchen, deren Eltern zu berauben und damit nichts herauskomme, alle drei zu erschlagen. In der Nacht zogen dann die beiden nach dem Hause hin, nachdem sie sich noch mit Stöcken bewaffnet hatten, um den Hund abzuwehren. Nachts 2 Uhr langten sie vor dem Greiser’schen Hause an. Dann schlichen sich die beiden an das Haus heran und klopften an das Fenster der Luise. Diese erwachte und fragte, was los sei. Die beiden Angeklagten haben ihr geantwortet, sie wollten das Vieh, welches am andern Morgen verkauft werden wollte, füttern und putzen. Der ebenfalls aufgewachte Vater gebot aber der Luise, sich wieder zu Bett zu legen. Die beiden Angeklagten schlugen nun, wie Kosicki weiter berichtet, einen anderen Wege ein, um das Mädchen aus dem Hause zu locken. Sie riefen dreimal laut den Namen eines ebenfalls auf dem Vorwerke arbeitenden Knechtes, Lehmann, der im Greiser’schen Hause sehr gut bekannt war. Das Mädchen ließ sich wirklich betören und kam aus dem Hause heraus. Porawski sei auf sie losgegangen. Als das Mädchen aber schrie, ließ er von ihm ab. Das Mädchen suchte nun im Garten umher, wo sie den Lehmann vermutete. Porawski habe nun den Kosicki aufgefordert, er solle die beiden alten Leute totschlagen, während er selbst das Mädchen antraf, mit dem er sich in ein Gespräch einließ. Inzwischen sei Porawski in das Haus gegangen und habe dort die beiden Eheleute ermordet. Dann sei er herausgekommen und habe dem Kosicki ein Zeichen gegeben, die Luise Greiser niederzuschlagen. Er habe ihr darauf mit seinem Stocke ein paar Hiebe auf den Hinterkopf gegeben, so daß sie lautlos zu Boden fiel.

Es wird dann der zweite Angeklagte Franz Porawski vernommen, der im Gegensatz zu Kosicki noch unbescholten ist. Er erklärte auf Befragen, er sei unschuldig. Alles, was Kosicki gesagt habe, seien gemeine Lügen. Er sei bei dem Morden nicht beteiligt. Auf Befragen des Vorsitzenden gibt er an, daß er die Luise Greiser am Abend vor dem Morde getroffen habe. Er sei aber dann nach Hause gegangen und habe dort die ganze Nacht geschlafen, bis er früh geweckt wurde. Er sei nicht mit dem Kosicki fortgewesen. – Kosicki: Jawohl, er war mit mir dabei und hat alles getan, was ich erzählt habe. – Porawski bestreitet wiederum erregt jede Schuld. Damit ist die Vernehmung der beiden Angeklagten beendet.

Im weiteren Verlaufe wurde festgestellt, daß der Angeklagte Porawski, obgleich er verheiratet war, noch mit anderen Frauen und Mädchen verkehrte. Er muß auch zugeben, daß er mit der Luise Greiser Umgang hatte, wenn auch nicht in der allerletzten Zeit. Es wurde dann in die Vernehmung der 50 Zeugen eingetreten.

Der Pferdeknecht Piontyseck kam als erster nach der Mordtat in das Greiser’sche Haus. Er bekundet: Die Greiser’schen Eheleute waren schon völlig tot. Die Luise Greiser stöhnte noch leise. – Zeuge Rittergutspächter Jesse gibt an, daß Porawski sieben bis acht Jahre bei ihm beschäftigt war, Kosicki aber erst kurze Zeit. Es sei unter den Leuten bekannt gewesen, daß die Greiser’schen Eheleute Geld im Hause hatten. Porawski sei in der ersten Zeit ein guter Arbeiter gewesen. In den letzten Monaten sei er aber recht niederträchtig gewesen und habe den Zeugen in der unverschämtesten Weise belogen. Dem Kosicki kann der Zeuge nichts Böses nachsagen. Er würde ihn eines Mordes nicht für fähig halten. Vors.: Er hat Ihnen als erstem ein Geständnis abgelegt? – Zeuge: Ja, ich sagt zu ihm: Wenn Sie die Courage gehabt haben, einen Mord zu verüben, dann müsse Sie auch den Mut haben, die Tat einzugestehen, Sie erleichtern dann nur Ihr Gewissen. Er fing dann an zu weinen und gestand alles ein. – Staatsanwalt: Sie sollen einmal gesagt haben: Wenn ich einmal ermordet werde, dann sperrt nur den Porawski ein; dem Menschen traue ich alles zu. – Zeuge: Ja, das habe ich gesagt. – Staatsanw.: Wie benahm sich P., als er die Kunde von dem Morde vernahm?.- Zeuge: Als ich ihm davon erzählte, wurde er leichenblaß und sagte kein Wort. Er schüttelte nur mit dem Kopfe. – Staatsanwalt: Welcher von den beiden Angeklagten ist wohl der intelligentere? Wem können Sie wohl die Fassung des Mordplanes zutrauen? – Zeuge: Ich halte den Porawski für den intelligenteren. – Darauf erstattete Sachverständiger Medizinalrat Dr. Brinkmann (Wollstein) sein Gutachten über die Sektion der drei Leichen.

Der Zeuge Schaepe, gegen welchen zur Zeit die Voruntersuchung wegen Beteiligung an dem Morde eingeleitet worden war, wird sein Zusammensein mit Porawski ebenso geschildert, wie es Kosicki schon vorher getan hat. Er behauptete, nicht mit nach Wiebelshof gewesen zu sein, um dort Wache zu stehen. Vereidigt wird dieser Zeuge nicht, da er immer noch der Mittäterschaft verdächtig erscheint. Die Auseinandersetzung einer Klage Schaepes und Porawskis gegen den Knecht Piontysek nahm darauf längere Zeit in Anspruch. Piontysek hatte erzählt, die beiden Kläger seien an dem Morde beteiligt, er hätte dies von Kosicki gehört. Vor dem Schiedsmann leistete er Abbitte, worauf ein Vergleich zu stande kam.

Zeuge Lis, ein Rechtskonsulent aus Bomst, bekundet, daß Porawski ihm gegenüber geäußert habe, er wolle später nach Wiebelshof ziehen, aber so lange die Luise noch da wäre, tue er dies nicht. Auf die Frage des Untersuchungsrichters Förster, ob dem Angeklagten auf dem Wege nach Wiebelshof jemand begegnet sei, erklärt Kosicki, einen Mann mit blanker Zwinge gesehen zu haben. Dies wird auch vom Steueraufseher Ladwig bestätigt, welcher um 1 Uhr nachts die Brennerei zu revidieren hatte. Ladwig hat ganz deutlich zwei Männer erregt sprechen hören, die, als sie ihn gewahr wurden, ihre Unterhaltung im Flüsteron weiter führten. Verstehen konnte er nichts, da sie polnisch sprachen. Vom Schwiegervater des Porawski wird die schon von seiner Ehefrau gemacht Aussage bestätigt, daß P. früh, als er geweckt wurde, im Bette an der Tür lag. Die weiteren Aussagen der Frauen der beiden Angeklagten sind nicht von Belang.

Nachdem die Zeugenaussagen zu Ende geführt waren, wurden die den Geschworenen vorzulegenden Fragen festgestellt. Staatsanwalt Dr. Siebert führte die Anklagerede. Er schenkt Kosickis Aussagen vollen Glauben, doch könne allein auf das Geständnis eines Mörders hin Porawski nicht verurteilt werden. Die für P. ins Gewicht fallende Belastung sei die Begegnung mit dem Steueraufseher; es müssen zwei Personen an dem Morde beteiligt gewesen sein. Kosickis Aussagen ist auch schon deshalb Glauben zu schenken, weil er sich nie widersprochen oder verwickelt hat, ein Mann von so geringer Geistesbildung wie Kosicki wäre dessen nicht fähig. Warum verteidigte sich P. bei einer so schweren Anklage nicht mehr, er antwortete fast nur immer mit den Worten: Ich weiß es nicht. Am Ende seiner Rede beantragte Dr. Siebert beide Angeklagte des Mordes schuldig zu sprechen.

K’s Verteidiger stellte darauf diesen nur als den Verführten hin, seine ganze Handlungsweise stand unter der suggestiven Gewalt des P. Er beantragte, den K. nur wegen Raubes und tödlicher Körperverletzung zu verurteilen. – Der Verteidiger des P. erklärte das Geständnis des K. einfach als nicht glaubwürdig. Einem Mann, der schon einen Totschlag verübt, könne man doch unmöglich Glauben schenken. Kosicki wolle damit nur ein milderes Urteil für sich erzwingen. Der Verteidiger des P. versuchte alles zu Gunsten seines Klienten zu erklären, er beantragte seine Freisprechung. Staatsanwalt Greffrath äußerte hierauf: Ein so raffinierter Mann wie P. sei ihm in seiner über 20 jährigen Praxis wohl noch nicht vorgekommen, beide wären nach seiner Ueberzeugung wegen Mordes zu verurteilen.

Kosicki bestätigt daraufhin nochmals seine Aussage. Porawski aber erklärt: Ich gebe es nicht zu, weil ich es nicht war. 1 1/2 Stunde nahm die Beratung der Geschworenen in Anspruch, ihr Urteil war: Kosicki ist des Mordes in 3 Fällen und der Unterschlagung schuldig. Porawski aber ist unschuldig.

Während vom Gerichtshof die Strafe festgestellt wurde, drohte die Frau des Kosicki diesem, sein 4 jähriges Söhnchen aber streckt ihm freudig sein Händchen entgegen. Bei diesem Anblick fing K. bitterlich an zu weinen. Die Strafe des Gerichtshofes lautet für Kosicki auf Todesstrafe wegen dreifachen Mordes und auf drei Monate Gefängnis wegen Unterschlagung. Porawski aber wurde freigesprochen und sofort aus der Haft entlassen.

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Am 17. Dezember 1907 um 8:00 Uhr morgens wurde der am 05. Juli 1907 zum Tode verurteilte Pferdeknecht Johann Kosicki (Koschitzki) auf dem Hof des Gerichtsgefängnisses zu Meseritz durch den Scharfrichter Schwietz mit dem Handbeil enthauptet.

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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt: Personenstandsunterlagen  Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/); Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – “Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel” 1906/1907