Die Kutzner-Stiftung – 1872 – Die Stadt Neu Tomysl erbt ein Vermögen

Auch August Kutzner war einst Besitzer des Gasthofes an der Ecke Alter Markt/Posener Strasse (Ausschnitt AK Sammlung Wojciech Szkudlarski)

Die deputierten Gerichtspersonen in Bromberg hatten sich am 7 Juli des Jahres 1872 in die Wohnung der Wittwe Rechtsanwalt Froehner, Anna Mathilda geb. Kutzner, zwecks Aufnahme ihres Testamentes begeben.

Seitens der Beamten wurde ihr die vollständige Dispositionsfähigkeit zuerkannt.

Frau Rechtsanwalt Froehner erklärte, dass es ihr freier und ernster Wille sei, ihr Testament zu errichten. Gleichzeitig gab sie zu Protokoll, dass sie hinsichtlich der Disposition über ihr Vermögen durch Nichts eingeschränkt sei.

Es wurde festgehalten, dass sie weder Eltern noch Kinder habe.


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Ein Vorbehalt, welcher von Beginn an durch Anna Froehner geborene Kutzner bei der Testamentsniederlegung gemacht wurde, lautete:

„Ich behalte mir übrigens das Recht vor dies mein Testament durch Nachträge zu ergänzen und sollen dieselben, wenn sie in meinem Nachlasse gefunden werden und eigenhändig von mir ge- und unterschrieben sind mit diesem Testament gleiche Kraft haben.“

Anhand der im Staatsarchiv in Poznan eingesehenen Unterlagen lauteten die letztlichen Verfügungen wie folgt:

2) Die Stadt Bromberg soll Sechstausend Thaler erhalten und soll verpflichtet sein, aus den Zinsen meine und meines Mannes Grab hierselbst zu unterhalten, und den Rest der Zinsen zu wohlthätigen Zwecken für Alte und Kranke Leute zu verwenden, und der Stadtverordneten -Versammlung über die Verwendung Rechnung zu legen, deren thätiges Mitglied mein Mann gewesen ist. Diese Stiftung soll den Namen „Froehner-Stiftung“ führen.

3) Die hiesige Loge (Janus) soll Sechstausend Thaler und die Meseritzer Loge soll auch Sechstausend Thaler erhalten.
Ich bemerke dabei, daß diese beiden Logen zu dem System der Loge zu den Drei Weltkugeln in Berlin gehören.
Diese beiden Stiftungen sollen auch den Namen „Froehner-Stiftung“ führen.

Bei der erwähnten Loge zu den Drei Weltkugeln handelte es sich um die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ , sie gilt als die älteste Freimaurer-Großloge in Deutschland. Sie wurde am 13. September 1740 in Berlin gegründet.

4) Es soll ferner die Wittwe des Doctor Wallis, Emilie, geborene Froehner zu Berlin, eine Schwester meines Mannes, Fünftausend Thaler erhalten

5) Ferner soll die Wittwe des Justiz-Raths Schultz-Voelcker zu Bromberg Fünftausend Thaler erhalten.

6) Es soll ferner der Bruder meines verstorbenen Vaters, Gottlieb Kutzner, Brauermeister zu Trebschen bei Züllichau Zweitausend Thaler erhalten, jedoch nur in dem Falle, wenn er mich überlebt.

7) Es leben, von meiner Seite, viele Verwandte, die ich jetzt nicht ihren Namen und Wohnort nach bezeichnen kann. Diese Verwandten sollen zusammen Fünftausend Thaler erhalten, jedoch soll dies Legat nicht auf entferntere Verwandte gehen, als auf die Kinder der Geschwister meiner verstorbenen Eltern.

Am 25. Juli 1872 nutzte Anna Froehner den von ihr gemachten Vorbehalt, dass von ihr geschriebene und unterschriebene testamentarische Verfügungen, welche man unter ihren hinterlassenen Papiere vorfinden würde, und welche dieselbe Gültigkeit haben sollten, wie das Testament selbst. Sie erklärte die Bestimmung unter Punkt 7) betreffend dem Legat von 5.000 Th. an ihre Verwandten väter- und mütterlicherseits für aufgehoben.

8) Jeder der Dienstboten, welcher sich zur Zeit meines Todes in meinen Diensten, eine Damen als Gesellschafterin oder Pflegerin befindet, so soll dieselbe Tausend Thaler erhalte.

9) Wenn sich zur Zeit meinesTodes in meinen Diensten eine Dame als Gesellschafterin oder Pflegerin befindet, so soll dieselbe Tausend Thaler erhalten

Durch den Testamentsvollstrecker waren späterhin zu Punkt 8) und 9) ein Kutscher und eine Köchin sowie als Pflegerin das Fräulein Gretchen Schultz-Voelker als im Haushalt lebend benannt worden.

10) In diesem Punkt war verfügt worden, dass alle Restkapitalien, welche nach Abzug der unter 1) bis 9) aufgeführten Summen übrig bleiben würden, sowie das gesamte Inventar, die Wirtschaftseinrichtungen, der Schmuck, Wäsche und Kleidungsstücke an die Kinder des Nachlassverwalters Herrmann Mandel in Breslau gehen sollten. Dieses unter dem Aspekt des Andenkens an sie und ihren Mann, da der Vater Herrmann Mandel als wohlhabender Mann galt.

Ausgespart hatten wir den Punkt 1) hierin war verfügt worden:

„Meine Geburtsstadt Neutomysl soll nach meinem Tode achttausend Thaler erhalten, dafür aber auch verpflichtet sein, aus den Zinsen den Wilhelm und Beate Roesler’schen Eheleuten zu Neutomysl, die bei meinen Eltern den Gutsbesitzer Kutzner’schen Eheleuten, länger als zwanzig Jahre in Dienst gestanden haben, jährlich sechszig Thaler zu zahlen und zwar, falls einer der Roesler’schen Eheleute sterben sollte, ganz, also die vollen sechszig Thaler an den überlebenden Ehegatten.

Ferner soll die Stadt Neutomysl verpflichtet sein, die dort befindlichen Gräber meiner Eltern, der Kutzner’schen Eheleute zu unterhalten, namentlich das um die Gräber befindliche Gitter reparieren und resp. erneuern zu lassen“

Das Kapital der Achttausend Thaler soll aber nicht angegriffen werden, sondern den Namen „Kutzner’sche Stiftung“ führen. Der Ueberschuß an Zinsen soll namentlich für alte arbeitsunfähige und kranke Leute verwandt werden.

Am 24. August 1872 ergänzte Anna Froehner Ihre Verfügung nochmals:

“ Ich habe in meinem Testament festgesetzt, daß mehrere Kommunen und Logen, sowie Legatare Kapitalien aus meinem Nachlaß erhalten sollen. Da nun ein großer Theil meines Vermögens aus Hypothekenforderungen besteht und dies Hypotheken behufs Auszahlung der festgesetzten Erbsummen gekündigt werden müßten, so kann bei mehreren Hypothekenschuldnern der Fall eintreten, daß sie das Kapital anderweitig sich nicht beschaffen können.

Es ist aber nicht meine Wille diesen Hypothekenschuldnern ohne Noth, lediglich zur Realisierung meines Nachlasses lästig zu fallen, um so mehr, als viele derselben noch von meinem seligen Vater die Kapitalien erhalten haben und prompte Zinszahler gewesen sind.

Ich setze deshalb fest, daß die im Testament eingesetzten Erben nicht berechtigt sein sollen, die ihnen vermachten Kapitalien in baarem Geld zu verlangen, daß vielmehr mein Testamentsvollstrecker befugt sein soll, anstatt des baaren Geldes den Erben auch nach seiner Wahl Hypothekenforderungen auf ihren Antheil zu überweisen und zwar zum vollen Namenswerth derselben und daß die Erbberechtigten nicht berechtigt sein sollen, hiergegen Einspruch erheben zu dürfen, sondern mit der Vertheilung der Hypotheken seitens des Testamentsvollstreckers sich zufrieden geben müssen.“

So wurde denn auch verfahren; es fand sich:

Der unterzeichnete Magistrat bekennt hierdurch auf das der Stadt Neutomischel von der am 29. August 1872 zu Bromberg verstorbenen verwittweten Frau Rechtsanwalt Froehner Anna geb. Kutzer vermachte Legat von

Achttausend Thalern

durch den ernannten Testamentsvollstrecker Herrn Direktor Herrmann Mandel zu Breslau nachstehende Hypothekendokumente und Zinsen, Werthpapiere und baar nach Abzug der Stempelgelder als

 

richtig erhalten zu haben, worüber quittiert – Neutomischel, den 24ten Januar 1873 Der Magistrat

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Anna Mathilda Kutzner

war am 12. Juli 1841 als Tochter des Guts- und Gasthofbesitzers Johann Carl August Kutzner (verstorben 1866 in Neu Tomysl) und dessen Ehefrau Anna Rosina Dorothea geborene Tepper (verstorben 1859 zu Hammer-Vorwerk) zur Welt gekommen. Sie war das einzige nachgelassene Kind ihrer Eltern.

Am 28. Juni 1863 hatte sie die Ehe mit dem 16 Jahre älteren Königlichen Rechtsanwalt und Notar Theodor Franz Adalbert Froehner, seinerzeit noch in Meseritz ansässig, in Tirschtiegel geschlossen. Er war der jüngste Sohn des verstr. Königlichen-Geheimen-Regierungsrathes Herrn Ferdinand Froehner zu Berlin und dessen Ehefrau Caroline geborenw Rochow gewesen.

Die Ehe des Paares war kinderlos geblieben.

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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt: Personenstandsunterlagen Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl; Stadtakten Akta Miasta Nowy Tomysl – 4385-13 Legate