Das Schwarzwassertal – Reisebericht aus dem Jahr 1908

Sempolno Gasthof / AK Ausschnitt Sammlung Wojciech Szkudlarski

Nachstehender Reisebericht aus dem Jahr 1908 ist als Teilauszug – Kapitel 5 – entnommen aus dem im Jahr 1909 erschienenen „Führer durch das Westposener Wald- und Seengebiet“. Professor Karl Graeter beschreibt darin seine Wanderung mit seinem Reisegefährten Remus, welcher seine botanischen Kenntnisse einfließen ließ.

Der Autor verzichtete auf Quellenangaben. Leider sind daher einige Ausführungen nicht nachvollziehbar und nicht zu belegen, sodass die Ausführungen als persönliche Aussagen zu werten sind und nicht als historisches Material angesehen werden können.

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Hatte bisher das Wetter uns begünstigt, war die Luft kühl und recht geeignet für das Wandern gewesen, so strömte, als wir von Neutomischel aufbrachen, ein recht eindringlicher Regen vom Himmel hernieder. Da es aber warm war, konnte es sich nur um einen Gewitterregen handeln, und deshalb zogen wir unter dem Schutz unsrer Regenschirme getrost die mit Akazien und Eschen bepflanzte Chaussee dahin, die Neutomischel einerseits mit Tirschtiegel, anderseits mit Neustadt b. Pinne verbindet. Einer Kalksandsteinfabrik, die neben einem hohen Sandhügel auf der rechten Seite der Chaussee gelegen ist, statteten wir einen Besuch ab. Das Landschaftsbild war recht wechselvoll; auch hier dehnten sich weite Wiesen aus, die durch eingestreute Baumgruppen einen parkartigen Charakter erhielten. Wiederholt stieg die Chaussee an, da sie zwei Höhenrücken überschreitet. Zunächst begleitete uns ein hoher Kiefernwald, dann traten stattliche Fichten hinzu, rechts und links blieben die Häuser von Glinau und Scherlanke, zweier Hauländereien, liegen, bis wir endlich die so genannten „Eichen“, einen beliebten Ausflugsort der Neutomischler, erreichten.

Sempolno Muehle / AK-Ausschnitt Sammlung Kraft

Dieser eine Stunde von Neutomischel gelegene Platz ist ein wunderschöner Fleck auf Gottes Erde. Knorrige Eichen stehen neben mächtigen Buchen, dazu treten niedrigere Fichten, die aber gerade durch den Gegensatz der Färbung und Gestalt ihre Wirkung nicht verfehlen. Ein günstiger Zufall fügte es, daß von einem Feste, das am vorhergehenden Tage begangen worden war, eine Bude mit Tisch und Bänken stehen geblieben war. So konnten wir uns in ihr niederlassen, ungestört von dem Regen einen Imbiß einnehmen und uns an dem sehenswerten Bilde erfreuen.

Auf dem weiteren Wege wurde das Bild noch reicher an Abwechslung, da sich unter die Eichen, Buchen und Fichten noch Kiefern mengten, und ein dichtes Unterholz, sowie eine Menge von Blaubeerensträuchern den Boden bedeckte. Das Schweigen des Waldes unterbrachen der Kuckuck und der Baumpieper mit ihren Rufen, die Amsel schlug, die Holztaube gurrte, kurz, es war das schönste Freikonzert. So marschierten wir stundenlang durch den Buchwerder Forst, gelangten nach Sempolno und hielten in der Wirtschaft an der Chaussee unser Mittagsmahl, das aus einem wohlgelungenen Eierkuchen bestand. Unsre kulinarischen Gelüste müssen wir schon einzuschränken wissen, da die Leute hier auf einen Fremdenverkehr nicht eingerichtet sind. Dies wird aber anders werden, wenn wir erst einen „Westposener Wald- und Seenverein“ haben werden, wenn eine Wegebezeichnung eingeführt und Hunderte von Touristen diesen schönen Erdenwinkel durchstreifen werden. Doch dies ist noch Zukunftsmusik.

Dorfstrasse Lewitz; im Hintergrund die ehemalige evgl. Kirche / AK Sammlung Wojciech Szkudlarski

Als der Regen etwas nachließ und wir uns ausgeruht hatten, griffen wir aufs neue zum Wanderstab. Ein Fußpfad, der geradeüber von dem Gasthause von der Chaussee abbiegt, führte uns zu dem nördlichen Zuflusse des Schwarzwassers, das bei Sempolno auch den südlichen Arm dieses Flüßchens aufnimmt. Von Sempolno-Mühle steigt der Sandweg durch Kiefernschonung ziemlich steil empor, doch können wir einen festen für den Fußgänger bestimmten Pfad, der neben ihm hinläuft, benutzen. Entblößte Heide und junge Kiefern wechseln miteinander ab. Als wir auf dem Plateau angelangt waren, wurde der Wald kräftiger. Unermüdlich scholl der Finken Wechselgesang. Hin und wieder schob sich ein Getreidefeld in den Kiefernwald hinein, im Nord-Westen wurde der Aussichtsturm auf dem Stutberg (110 Meter) sichtbar, im Osten weidete sich unser Auge an dem frischen Grün des Schwarzwassertales, einzelne Gehöfte zeigten sich links. Bald nahm uns Wobschalls Gasthof auf, der noch zu Sawade gehört. Eine Kanne Familienkaffee, unschädlich der Gesundheit, wohltätig gegen den Durst, und eine Schnitte Landbrot stellten die ermatteten Lebensgeister wieder her.

Der nächste Teil des Weges, auf dem das langgestreckte Lewitz-Hauland links liegen blieb, verlief wieder eintönig: Kiefernwald, Getreidefelder, Wiesen. Der Weg stieg etwas an, auf beiden Seiten traten Höhenzüge auf, die die Wasserscheide zwischen dem Schwarzwasser und dem Kähmer Fließ bilden. Gleichsam um uns die Einförmigkeit des zweiten Teiles unserer Tagestour zu trösten, war das Ende um so schöner. Von der Höhe des Weges (101 Meter) geleitete uns eine wirklich prachtvolle Kastanienallee zu dem in einem Talkessel, besser in einem Zirkustal, gelegenen reichen Kirchdorfe Lewitz. Da zwei Gasthäuser am Orte sind, wegen des Bahnbaues der Strecke Birnbaum-Tirschtiegel (die Bahn war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eröffnet) auch eine Menge von Arbeitern hier untergebracht ist, brauchen wir um die Verpflegung keine Sorge zu haben. Im Gasthause „Zum Kronprinzen wurden auch alle unsere Forderungen in ausreichendem Maße erfüllt.

Der Weg der 5ten Etappe / Zusammenschnitt Messtischblaetter

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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt: 1) „Führer durch das Westposener Wald- und Seengebiet“ – Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz;