Der Blutegelhandel in Rakwitz

Medizinischer Blutegel – Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Medizinischer_Blutegel

Dieser Artikel wurde veröffentlicht in den Monatsblättern für Heimatkunde – „Aus dem Posener Lande“ – 6. Jahrgang, Heft 8, erschienen im August 1911

Herausgegeben von Stadtbibiothekar Professor Dr. Georg Minde-Pouet in Bromberg / Verlegt von Oskar Eulitz‘ Verlag in Lissa i. P.

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Je geringer Handel und Wandel der Provinz Posen in den ersten Jahrzehnten nach der preußischen Wiederbesitznahme entwickelt waren, um so größere Aufmerksamkeit schenkte man selbst unbedeutenden Ansätzen des wirtschaftlichen Lebens. Daraus erklärt es sich, dass in den monatlichen Immediatzeitungsberichten der Posener Regierung ziemlich häufig eines eigenartigen Erwerbszweiges im Kreise Bomst Erwähnung geschieht, des Blutegelhandels, der in Rakwitz seinen Mittelpunkt fand. Er kam 1824 in Aufnahme. Man war bei der nahrungslosen Zeit auf diese Hilfsquelle verfallen und betrieb mit den zuckergefütterten Tieren einen schwunghaften Absatz nach den westlichen Provinzen und Hamburg, von wo die Ware zum größten Teil nach England und Amerika weiter befördert wurde, namentlich als die Preise sehr erheblich stiegen, an Ort und Stelle gezüchtet. Im Oktober wird berichtet, dass mehr als dreißig verarmte, beschäftigungslose Leute auf solche Weise ihr Brot fanden, und dass in diesem einen Jahr mehr als eine Million Stück aufgekauft seien.

1825 dehnte sich das Geschäft bedeutend aus, sodass mehrere hundert Menschen im Dienst der Sache gestanden haben sollen. Das Tausend wurde beim Einkauf mit 2 R. bis 2 R 15 Sgr. bezahlt; nach einigen Jahren war der Preis auf 20 R. emporgeschnellt. Hamburger Händler hatten bereits in mehreren Orten Niederlagen errichtet, aus denen sie ihre heimischen Teiche fortan mit dem nötigen Vorrat versahen, und die Spekulation ging soweit, dass ganze Brüche zum ausschließlichen Fang der Tiere gepachtet wurden. 1827 wird nur vermerkt, es sei ein nicht unbeträchtlicher Geldverkehr herbeigeführt, 1828 wird als ungünstiges Jahr bezeichnet. Dann erfahren wir erst wieder 1837, dass man die Einfuhr auf annähernd 4 Millionen schätzte, wovon nur ein geringer Teil in den Rakwitzer Teichen verblieb. Beschäftigt waren 12 Händler mit 44 Gehilfen, 50 Fänger und Wäschern. Der Geldumsatz betrug 50 000 R., wovon ein bedeutender Prozentsatz als Reingewinn gebucht werden konnte. 1838 trat ein kleiner Rückgang ein bei 40-45 000 R. Umsatz und gegen 3 800 000 Stück Ausfuhr, die 1839 auf 1 300 000 sank, doch wurden 50 R. heraus rechnete, in den sich 3 Groß-, 10 Kleinhändler, 38 Gehilfen und 26 Fänger teilen mussten.

1841 waren 2 Groß- und 12 Kleinhändler mit 115 Gehilfen und Fängern tätig und erzielten 21 000 R. Reingewinn. Es wurden 2 100 000 Stück verschickt, 2 ½ Millionen eingeführt; 1 Million hatte am Orte überwintert. 1842 erhöhte man den Bestand durch Import auf ca. 3 550 000, wovon 3 200 000 zu 46 R. à Tausend weggingen und 16 R. Überschuss brachten, der in die Taschen von 3 Groß- und 4 Kleinhändlern floss. Das folgende Jahr verlief unter schlechten Konjunkturen. Nur 5 Händler setzten bei 2 Millionen Einfuhr etwa 1 200 000 Stück ab. Unsere letzte Nachricht, über 1846, besagt, dass von fast 3 Millionen der importierten Stück 1 800 000 die Weiterreise nach dem Elbhafen antraten und dort 48-50 R. à Tausend brachten.

Es handelt sich ganz vorwiegend um einen Zwischenhandel, dessen Ertrag der Provinz Posen zu gute kam, dessen Bedeutung später mit dem Wandel der medizinischen Praxis aber allerdings erlöschen musste.

Privatdozent Dr. Manfred Laubert, Breslau