Kurzgefasste Chronik der Stadt Neutomischel 1888


Kurzgefasste Chronik der Stadt Neutomischel – Ein Gedenkblatt zur Jubiläumsfeier des Hundertjährigen Bestehens der Stadt“ zusammengestellt von Th.[eodore] Stroedicke Vorsteher der gehobenen Knabenschule. Neutomischel 1888. So lautet der volle Titel eines kleinen Büchleins welches wie schon der Titel sagt, zum 100-jährigen Bestehens der Stadt erschienen ist.

Die Chronik ist vollständig aus deutscher Sicht geschrieben;  polnische und Bewohner anderer Staatsangehörigkeiten der Stadt werden nicht erwähnt. 1885 hatte Neutomischel 1503 Bewohner – diese teilten sich in: 1097 Evangelische – hier kann man annehmen, dass sie ausnahmslos Deutsche waren, 223 Katholiken – schätzungsweise waren von diesen 200 Polen, und 183 Juden. Der Author nimmt als Gründungsjahr der Stadt das Privileg von Felix Szołdrski,  anstatt die 2 Jahre früher von dem polnischen König Stanislaw August Poniastowski erteilte Genehmigung zur Stadtgründung.

Die Abbildungen stammen aus dieser Chronik. Die digitale Version dieser Schrift ist unter Großpolnische Digitale Bibliothek zu finden.

Nachfolgend der dem Buch entnommene Text:

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Stadtansicht

Stadtansicht

Die Stadt Neutomischel, im Kreise Neutomischel des Posener Regierungsbezirkes der Provinz Posen gelegen, zählt ungefähr 1500 Einwohner. Der Ursprung der Stadt ist zurückzufuhren auf den Besitzer der Herrschaft Tomysl, den Starostensohn von Leczyc, Erbherrn der Herrschaft Tomysl und Erbherrn auf Czempin, Felix auf Szoldry-Szoldrski, der im Jahre 1755 die Herrschaft Tomysl übernommen hatte. Schon ein halbes Jahrhundert früher, etwa um das Jahr 1692, war die Hauländergemeinde Zinskowo auf dem Grund und Boden des Starosten von Gnesen, von Unruh, entstanden, und bald danach auch um das Stadtgebiet der heutigen Stadt Neutomischel herum die Hauländergemeinden Paprotsch, Glinau, Dorf Sontop, die Hauländergemeinde Scherlanke, Kozielaske und Neurose. Das Bewohnercontingent bildeten junge deutsche evangelische Einwanderer, welche durch die Rekrutenwerbungen im Brandenburgischen zur Auswanderung veranlasst worden waren. Der polnische Grundherr, dem die Einwanderer willkommen waren, wies ihnen in der Gegend des heutigen Neutomischel ein ungefähr eine Quadratmeile grosses Stück Land, welches damals aus Urwald und Sumpf bestand, zur Urbarmachung an. Da sie zu diesem Behufe die Wälder ausroden oder „aushauen“ mussten, so werden ihre Nachkommen noch heute ,,Hauländer“ und ihre Gemeinden „Hauländergemeinden“ genannt. Zu diesen Einwanderern kamen wahrscheinlich auch Leute aus Böhmen hinzu, mit dem Polen in früherer Zeit ja mehrfach in Berührung kam: dafür spricht einmal die Aehnlichkeit in der Hopfenculturmethode, sodann aber deuten besonders die Namen einzelner Ortschaften darauf hin, wie „Polnisch-deutsch-böhmisch“, ,,Zisker-Hauland“ u. a. m.

Die ehemalige evangelische Kirche

Die ehemalige evangelische Kirche

Bald machte sich bei den Einwanderern das Bedürfniss geltend, gottesdienstliche Zusammenkünfte zu halten. Da die Schulen zu Zinskowo, Paprotsch, Glinau und Scherlanke mit ihren „Lectores“ auch nicht mehr ausreichten, so wurde schliesslich der Wunsch rege, ein eigenes Kirchspiel zu errichten; denn der Gottesdienst für die Gemeinden musste jetzt in Wollstein, Rackwitz und Klastawa abgehalten werden. Auch für dieses Bedürfniss sorgte der polnische Grundherr in der humansten Weise, indem er den Hauländergemeinden gestattete, sich einen eigenen Prediger zu wählen, der am 2. Februar 1778 eingeführt wurde. Es war dies der Rektor Johann Christian Bräuning aus Tirschtiegel, welcher den Gottesdienst noch in der Schule zu Zinskowo abhielt. Da dies den Gemeinden jedoch für die Dauer nicht genügen konnte, so wandten sie sich abermals an den Erbherrn von Szoldrski, mit der Bitte, sich ein gemeinschaftliches Gotteshaus bauen zu dürfen. Nach Einholung der behördlichen Genehmigung gab der Erbherr diese Erlaubniss und verlieh den Gemeinden am 13. August 1778 das Kirchenprivilegium; ferner schenkte er ihnen auf Glinauer Territorium eine halbe Hufe Land zum Bauplatz der Kirche und als Dotation für die Kirchenbeamten, und verpflichtete sich, das Baumaterial herzugeben. Am 13. Februar 1779 gab das evangelische Consistorium von Gross-Polen die Genehmigung zum evangelischen Kirchenbau. Am 7. Mai desselben Jahres [1779] wurde bereits der Grundstein der Kirche gelegt und dieselbe noch im selben Jahre [Anm. es war tatsächlich im Folgejahr 1780] am einundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis eingeweiht. Da anfangs noch kein Thurm vorhanden war, so suchte der Erbherr in Warschau die Erlaubniss nach, einen Thurm zu bauen und auf dem Kirchplatze eine Stadt zu gründen. Durch den Bestätigungsbrief des Königs Stanislaus August von Polen vom 8. April 1786 wurde das Gesuch, eine Stadt zu gründen, genehmigt und freigegeben, „eine Stadt mit Gräben, Dämmen, Gewässern, Verteidigungswerken nach seinem Belieben zu umgeben und zu versehen, Bürger, Kaufleute und jeder Art Handwerker einzuführen, heranzuziehen, unterzubringen, Waaren jeder Art dorthin zu verfahren und zu verkaufen, welches also errichtete Städtchen für immerwährende Zeiten NeuTomysl heissen soll.“

In demselben Bestätigungsbriefe wird zugleich der Stadt das „teutonische Recht, welches das Magdeburgische heisst, nebst allen anderen Freiheiten und Vorzügen, deren die Kronstädte sich bedienen, allergnädigst verliehen, mit Aufhebung der polnischen und lithauischen Gesetze, welche dies teutonische, Magdeburger genannte, Recht antasten und verwirren könnten.“ Die Stadt soll lediglich dem Erbherrn angehören und von ihm abhängen. Zum Vortheil des Städtchens wird gestattet, Wochenmärkte an jedem Montag in der Woche, und jährlich 6 Jahrmärkte abzuhalten. – Damit endlich Bürger, Kaufleute und Handwerker gern nach der neuen Stadt übersiedeln, werden alle diejenigen, die sich daselbst niederlassen, von der Jurisdiction der Tribunal, Land und Grodgerichte in den zwischen ihnen selbst vorkommenden Processen über Grundstücke oder Vermögensrechte befreit und lediglich dem städtischen Gerichte und durch Appellation der Gerichtsbarkeit des Grundherrn übergeben.

Dies sind ungefähr die Hauptpunkte des Königlichen Bestätigungsbriefes.

Das ehemalige Rathaus

Das ehemalige Rathaus

Der Erbherr liess nun selbst die ersten Gebäude aufführen und verkaufte sie an ankommende Fremdlinge: als solche sind besonders zu nennen das jetzige Unger’sche und das Schäfer’sche Grundstück, beide am alten Markte, von denen jedoch das erste von seiner ursprünglichen Gestalt nichts mehr aufzuweisen hat, da an seine Stelle vor nicht allzu langer Zeit ein imposanter Neubau getreten ist. – Eines der ältesten Häuser ist ferner das am neuen Ringe gelegene Haus des Herrn Eduard Goldmann, wo in einem Zimmer an einem Deckbalken ein Name nebst Jahreszahl 177? eingeschnitten und vor Kurzem erst unter der Tünche entdeckt worden ist.

Ferner bot er Baustellen aus und bestimmte dabei die regelmässige Anlage der Strassen und liess es sich angelegen sein, durch ein der Stadt geschenktes Privilegium den Einwanderern soviel wie möglich Schutz zu gewähren und sie zu vollberechtigten Bürgern seiner Stadt zu machen. Dasselbe datirt vom 18. Februar des Jahres 1788. Im Hinblick darauf kann denn auch nur dieser Tag des Jahres 1888, aber nicht, wie Einige wollen, mit Bezug auf die am 8. April des Jahres 1786 vom König von Polen dem Erbherrn von Szoldrski ertheilte Erlaubniss, eine Stadt zu gründen, der 8. April des Jahres 1886, als der Gedenktag des hundertjährigen Bestehens der Stadt gelten.

Genanntes Privilegium befindet sich in der Uebersetzung des George Wilhelm Behr, Orzeszkowo, vom 26. Januar des Jahres 1801 im Besitze der Stadt und mag seiner Wichtigkeit halber auch an dieser Stelle wörtlich Platz finden. Es lautet folgendermassen:
„Im Namen des Herrn, Amen!“


 

Der Text des Privilegs von Felix Szoldrski vom 18. Februar 1788

 

 


Felix Szoldrski Dziedzic Miasta Nowego Tomisla,“
„Felix Szoldrski, Erbherr der Stadt Neu Tomysl.“

Auf diese Weise entstand die heutige, wenn auch noch kleine Stadt Neutomischel, deren freundliche Lage und regelmässiges Aussehen jedem Besucher angenehm ins Auge fällt.

Was nun den Hopfenbau Neutomischels betrifft, durch den die Stadt sich bereits einen auch im Auslande geachteten Namen erworben hat, so steht fest, dass derselbe zuerst in dem südwestlich von Neutomischel gelegenen Cisker Haulande von den dort zur Hussitenzeit sesshaft gewordenen Böhmen betrieben worden ist: allmählich hat er sich erst auf die Neutomischeler Umgegend verbreitet, und zwar in dem Masse, wie die Urwälder durch die Hauländer mehr und mehr in Ackerland verwandelt wurden. So kam es, dass nach und nach der Hopfenbau und Hopfenhandel um Neutomischel sich zu entwickeln begann. Von besonderem Einfluss war hierbei das Jahr 1815, wo manche Leute aus der Neutomischeler Gegend anlässlich des Krieges andere Länder kennen gelernt und erfahren hatten, wie anderswo Hopfen gesucht und theuer bezahlt wurde; hierzu kam noch, dass auch auswärtige Händler sich für diesen „neuen Posenschen Hopfen“ interessirten. In der Handelswelt jedoch hatte der Neutomischler Hopfen bis zum Jahre 1837 noch keinen guten Ruf, weil der auswärtige Händler nur sein Interesse im Auge hatte: er kaufte ohne grosse Concurrenz den Neutomischeler Hopfen billig, liess ihn gut reinigen und verkaufte ihn mit Zusatz von baierschen oder böhmischen Hopfen als solchen.

Das ehemalige "Städtische Krankenhaus Neutomischel"

Das ehemalige „Städtische Krankenhaus Neutomischel“

Der Mann nun, der diese betrügerischen Manipulationen aufdeckte und den Neutomischler Hopfen auf den Weltmarkt brachte, sowie die vorzügliche Beschaffenheit desselben nachwies, war der im Jahre 1837 aus Posen nach Neutomischel gekommene Kaufmann Joseph Jacob Flatau, Er schonte weder Mühe noch Geldopfer, um die falschen Vorurtheile der Hauländer im Althergebrachten des Hopfenbaues zu beseitigen: durch Einführung von Hopfenfechsern aus dem Auslande hat er eine bessere und erträglichere Cultivirung der Pflanze ermöglicht, sodass, während bis 1837 jährlich ungefähr nur 500 Centner Hopfen gebaut wurden, zu Anfang der sechziger Jahre etwa 15000 – 20000 Centner bereits producirt wurden, eine Zahl, die gegenwärtig in Folge der noch intensiveren Cultur um ein Bedeutendes überstiegen wird. Durch Flatau’s Bemühung figurirte nun auf allen Industrieausstellungen, sowie auch auf der Pariser Weltausstellung der Neutomischler Hopfen, und erntete die ehrenvollsten Anerkennungen allerlei Art. In Anbetracht dieser Verdienste machte die Stadt Flatau laut Diplom vom 1. Mai 1858 zu ihrem Ehrenbürger; in gleicher Weise wurde sein Wirken auch staatlicherseits anerkannt durch seine Ernennung zum Commissionsrath am 22. Juni 1867. Er starb in Berlin am 28. Februar 1887, nachdem er die ihm auf verschiedenen Ausstellungen für Neutomischeler Hopfen verliehenen Anerkennungsmedaillen und Ehrenpreise, sowie einen grossen Theil von Schriften und Büchern, die sich auf den Hopfenbau beziehen, der Stadt testamentarisch vermacht hatte.

In ehrenvoller Weise mag hier ferner die Wirksamkeit des Herrn Professors Dr. Peters aus Posen, welcher, um unseren Hopfen namentlich den Brauereien gegenüber zur Geltung zu bringen, in Neutomische! wiederholt Hopfen-Ausstellungen veranstaltet hat, und des hiesigen Herrn Landrath Klapp, welcher zur Hebung der Hopfenkultur und des Hopfenhandels einen Hopfenbau-Verein gegründet und eine Hopfenhalle erbaut hat, Erwähnung finden.

Von besonderer Bedeutung für Neutomischel war das Jahr 1848: in diesem Jahre wurde nämlich der Sitz des Landrathsamtes nebst der Kreiskasse von Buk nach Neutomischel verlegt, die Folge davon, dass Bürger der Stadt Buk in diesem unruhvollen Jahre es gewagt hatten, preussisches in Buk damals einquartirtes Militär in der Nacht plötzlich zu überfallen und feindlich auf dasselbe einzudringen.

Bei dieser Gelegenheit mag auch der Schützengilde der Stadt Neutomischel gedacht werden, welche jedenfalls zu den ältesten Corporationen der Stadt zählt: wenigstens befindet sich im Besitz der Gilde die Uebersetzung eines ihr unterm 9. Juli 1789 vom Grafen von Szoldrski verliehenen Privilegiums, dessen Original jedoch leider nicht mehr zu ermitteln ist. Im Jahre 1848 war es nun die Schützengilde, welche im Verein mit den übrigen Mitbürgern angesichts der immer bedrohlicher werdenden Unruhen militärisch organisirt dem Staate ihre Dienste entgegenbrachte und so ihre Treue und Ergebenheit König und Vaterland gegenüber rühmlichst an den Tag legte. Durch Einrichtung von Wachen und Patrouillen suchte sie die öffentliche Sicherheit aufrecht zu erhalten, ja, sie rückte sogar aus, um der durch die Unruhen stark bedrängten Stadt Grätz zu Hilfe zu kommen.

Das Gebäude der Post

Das Gebäude der Post

Was die Entwickelung der postalischen Verhältnisse in Neutomischel betrifft, so bietet sich da manches Interessante dar: drum mögen die wichtigsten Daten hierüber an dieser Stelle ebenfalls Erwähnung finden: Vor dem Jahre 1840 hatte die Stadt überhaupt keine besondere Postverwaltung, vielmehr wurde der Brief und Gepäckverkehr von Tirschtiegel, Grätz, Bentschen und Neustadt aus durch besondere Boten vermittelt, bis die Stadt am 1. April 1840 eine eigene Postverwaltung und zwar unter der Leitung des Apothekenbesitzers Herrn Weiss, erhielt. Von jetzt ab ging viermal wöchentlich eine Botenpost nach Grätz, die seit dem I. Januar 1841 durch eine viermal wöchentlich ebenda cursirende Fahrpost ersetzt wurde. Nachdem bereits im Mai 1870 die neue Märkisch-Posener Eisenbahn, die auch Neutomischel als Station bekam, dem Verkehr übergeben worden war, wurde am 1. Januar 1881 das Postamt, das bisher ein solches III. Klasse gewesen war, anlässlich des sich von Jahr zu Jahr steigernden Verkehrs, in ein Postamt II. Klasse umgewandelt. Dasselbe verblieb in den bisher innegehabten, dem Brauereibesitzer Herrn H. Pflaum gehörigen Räumen nur noch bis zum 1. Oct. 1884, und siedelte nunmehr in das dem Kaufmann Herrn N[athanael] Maennel gehörige, lediglich für Postzwecke gebaute, architektonisch schöne bekannte Haus an der Bahnhofstrasse über.

Dass beispielsweise der Depeschenverkehr auf hiesigem Postamte in den letzten Jahren nicht unbedeutend gewesen ist, kann man daraus ersehen, dass z. B. in dem Jahre 1882 allein über 8500 Depeschen aufgegeben und angekommen sind.

Erwähnenswerth dürfte auch sein, dass im Jahre 1877 seitens der Stadt eine neue Thurmuhr angeschafft wurde, deren Preis 815 Mark betrug.

Eine noch grössere Ausgabe verursachte der Stadt das folgende Jahr 1878: für den Preis von 1935 Mark wurde der städtische Friedhof um ein Bedeutendes vergrössert und mit einer neuen Umfriedigung versehen.

Epoche machend war jedoch das Jahr 1879: die Stadt liess in diesem Jahre für den Kostenpreis von 58 540 Mark auf dem neuen Markte ein Rathhaus aufführen, das einmal durch seine freie Lage, sowie besonders durch seine gefällige Form jedem Beschauer imponirt, und dem man mit Recht die Bezeichnung eines Monumentalbaues zukommen lassen kann. In demselben befinden sich die bisher miethweise beschafften Localitäten des Magistrats, sowie die des in demselben Jahre in Neutomischel eingerichteten zwei Richtern unterstellten Königlichen Amtsgerichts, während bis dahin in unserem Städtchen, und zwar vom damaligen Kreisgericht zu Grätz aus, nur Gerichtstage abgehalten worden waren.

In einem Theile des Erdgeschosses sind ausserdem auch die Mannschaften des Königlichen Bezirkskommandos, welches am 1. Januar 1868 hierorts neu eingerichtet worden war, untergebracht.

Zur Verschönerung der Stadt und zur Herstellung einer bequemeren Communikation hat besonders auch die Zeit vom Jahre 1880 bis 1882 beigetragen, in der verschiedene Pflasterarbeiten für ungefähr 1000 Mark fertiggestellt wurden. Dazu kam ferner noch, dass am 13. Juni 1881 sich ein Verschönerungsverein bildete, der es sich zunächst angelegen sein lässt, bequeme, aus Granitplatten bestehende Bürgersteige herzustellen, sodann aber auch für Anpflanzung von guten Bäumen und Sträuchern Sorge tragen wird. Durch seine Wirksamkeit ist bereits der grösste Theil der Häuser mit Trottoirplatten versehen; der betreffende Hausbesitzer hat, wofern er Mitglied des Vereins ist, nur die Hälfte des Kostenpreises zu tragen, während die andere Hälfte die Vereinskasse bestreitet.

Aber auch in anderer Beziehung war das Jahr 1879 ein denkwürdiges: dies Jahr war so überaus reich an Bränden, von denen die meisten, wie sich später herausgestellt hat, angelegt waren. Fast keine Woche verging, wo die Bewohner nicht durch Feuerlärm in ihrer nächtlichen Ruhe gestört wurden. Die Lage wurde schliesslich so kritisch, dass man, um entweder dem Brandstifter auf die Spur zu kommen, oder doch wenigstens bei einem etwaigen Brande schnell Hilfe leisten zu können, Nachtwachen bildete und Patrouillen abschickte, wozu sich Leute sowohl aus den Bürgern, wie aus dem Beamtenstande gern bereit erklärten, und wobei trotz der ernsten Lage manche ergötzliche Scene vorgekommen sein soll.

Jedenfalls sind infolge dieser Brände viele neue und in grossartigerem Massstabe aufgeführte Häuser in der Stadt entstanden.

Am 1. October 1881 entstand in Neutomischel eine höhere Töchterschule, an der ausser der Vorsteherin noch 2 geprüfte Lehrerinnen den Unterricht ertheilen, während bis dahin durch eine geprüfte Lehrerin (Fräul. Landmann) nur ein kleinerer Privatzirkel für Unterricht in den Lehrfächern höherer Töchterschulen eingerichtet worden war. Die Schule hat das Ziel, ihre Zöglinge bis zur 1. Klasse der höheren Töchterschulen vorzubereiten, was dieselbe auch, so lange sie besteht, im vollsten Masse und zur höchsten Befriedigung der Interessenten erreicht hat.

Ferner wurde einem längst fühlbaren Bedürfnisse abgeholfen, als am 1. Juli 1882 auch eine höhere Knabenschule entstand, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, in drei aufeinander folgenden Klassen, die Schüler bis zur Tertia einer höheren Lehranstalt vorzubereiten: auch diese Anstalt kann bereits auf namhafte Erfolge zurückblicken; hier unterrichtet ausser dem akademisch gebildeten Leiter der Anstalt noch ein Elementarlehrer.

Beide Schulen werden unterhalten durch die den betreffenden Vereinen angehörenden Mitglieder, wobei jedoch die Stadt in anerkennenswerther Weise bei etwa vorkommendem Deficit eintritt.

Im Jahre 1883 wurde für den Preis von 11 100 Mark das bequem und zweckdienlich eingerichtete Kranken- und Gefangenhaus erbaut, nachdem das städtische Grundstück, welches bis dahin diesen Zwecken gedient hatte, in Privatbesitz übergegangen war. Das neue Haus dient zur Hälfte als Krankenhaus und enthält im Parterreraume 4 und oben 2 schön und genau nach sanitären Gesichtspunkten eingerichtete Krankenzimmer, sowie die Wohnung des Wärters; die andere Hälfte enthält 3 auf einen Corridor ausmündende Gefängnisszellen, von denen eine zu gleicher Zeit auch als Militärarrestlocal dient.

Auch ist im vorigen Jahre bereits ein Fonds angesammelt worden, der es ermöglichen soll, in Neutomischel eine Diakonissinnenstation für 2 Diakonissinnen einzurichten: die Verhandlungen sind bereits im Gange, sodass wahrscheinlich noch in diesem Jahre diese Angelegenheit sich realisirt haben wird.

Bis zum Jahre 1882 hatte die Stadt noch die Verpflichtung, der Herrschaft Alttomische! die Hälfte des Jahrmarktstandgeldes zu zahlen: dieselbe wurde in diesem Jahre abgelöst durch eine einmalige Zahlung von 4500 Mark an Herrn von Poncet, den jetzigen Besitzer. Gegenwärtig hat die Stadt die Einziehung dieses Standgeldes für jährlich 1295 Mark verpachtet.

Zur Verschönerung der Stadt hat ferner nicht unwesentlich beigetragen, dass während der Jahre 1886 und 1887 der neue Marktplatz neu gepflastert und der alte Marktplatz vollständig umgepflastert wurde: hierzu war eine Summe von 25 000 Mark nöthig, deren Zinsen annähernd gedeckt werden durch das im vorigen Jahre eingerichtete Wochenmarktstandgeld: die jährliche Pachtsumme dafür beträgt augenblicklich 700 Mark. Wenn schon der Stadt in den letzten Jahren recht erhebliche Geldausgaben erwuchsen, so ist die Finanzlage der selben trotzdem keine ungünstige: zur näheren Erläuterung möge folgende Uebersicht dienen:

Die gesammten Communal Schulden betragen 80 000 Mark, die, beiläufig gesagt, in nunmehr 28 Jahren durch Amortisation gedeckt sein werden. Die Stadt hat dafür jährlich 4920 Mark an Zinsen aufzubringen, hat aber eine Einnahme von 4400 Mark, wozu das Gericht allein 2000 Mark für Miethe beisteuert, so dass die Kämmereikasse jährlich noch ungefähr 500 Mark aufzubringen hat.

Zu den Vermögensobjecten der Stadt gehört noch die „Kutznerstiftung“, ein Capital von 24 000 Mark, dessen Zinsen zur Deckung der Armenlasten zu verwenden sind.

Nach Massgabe der Bestimmungen der neuen Gewerbeordnung sind im vorigen Jahre auch die 7 Innungen der Stadt mit neuen Statuten versehen worden, es sind dies folgende:

  1. die Fleischer,
  2. die Schneider, Kürschner und Mützenmacher,
  3. die Bäcker und Conditoren,
  4. die Tischler, Böttcher, Stellmacher, Drechsler und Glaser,
  5. die Schuhmacher und Pantoffelmacher,
  6. die Schmiede, Schlosser, Büchsenmacher, Nagel- und Kupferschmiede, Klempner, Töpfer, Maler, Sattler, Uhrmacher und Buchbinder.
  7. die Müller

Als eine Schöpfung der letzten Jahre ist ferner zu erwähnen die freiwillige Feuerwehr, ein Verein, der von Liebe zur Sache und von höchstem Pflichtgefühl beseelt, ausserdem ausgerüstet mit allen auf dem Gebiete des Feuerlöschwesens nothwendigen Geräthschaften unter der tüchtigen Leitung seines bewährten Brandwarts schon bei so manchem Brande thätig war und durch sein Eingreifen sich namhafte Verdienste erworben hat.

In diesem Jahre 1888 wird die Einwohnerzahl der Stadt sich auch um ungefähr 3 – 400 Seelen erhöhen, da die Incommunalisirung eines Theiles der „Hintergasse“ und der sogenannten „Buttermilchgasse“, der bis dahin zu Glinau gehört hat, jedenfalls binnen Kurzem zur Ausführung kommen wird.

Zum Schlusse mögen noch die Namen derjenigen Männer hier Platz finden, unter deren Leitung die Stadt von ihren Anfängen an bis auf ihren heutigen zu den besten Hoffnungen berechtigenden Standpunkt gelangt ist.

Da es trotz der eifrigsten Nachforschungen nicht möglich war, Actenstücke aufzufinden, aus denen die Amtsdauer der ersten Bürgermeister (Consulen) ganz genau hätte ermittelt werden können, so sei bemerkt, dass die Richtigkeit der Jahreszahlen etwa bis zum Jahre 1811 hiermit nicht als unbedingt, sondern nur als annähernd richtig betrachtet werden kann.

Die Namen der Bürgermeister sind folgende :

  1. Johann Martin Längner (-1790)?,
  2. Johann Heinrich Jose (-1792)?,
  3. Georg Friedrich Hartmann (1811 – 1832),
  4. Roestel i. V. (1832 – 1833),
  5. Kant (1833 – 1837),
  6. v. Unruh (1837 – 1843),
  7. Katerla (1843 – 18. August 1851),
  8. Fischer (18. August 1851 – 28. September 1866),
  9. Thiemann (28. September 1866 – 24. Juli 1875),
  10. Roll i. V. (1. Juli 1874 – 30. April 1877),
  11. Witte, Carl, (vom 30. April 1877).

Endlich mag hier noch kurz angedeutet werden, dass, nachdem in Folge des Gesetzes vom 6. Juni 1887 der bisherige Kreis Buk, zu welchem die Stadt Neutomischel bisher gehörte, in die zwei Kreise Neutomischel und Grätz getheilt worden, die Stadt Neutomischel vom 1. Oktober 1887 ab Kreisstadt geworden ist.