Kleinstadtbilder aus Rakwitz und Grätz in den letzten Jahrzehnten des polnischen Reiches – 1735 bis 1782 – Teil 7 – Heimkehr und Tod

Grodzisk heute – Quelle: www.grodzisk.wlkp.pl

Und hier nun das Ende der Zusammenfassung der Flegelschen Chroniken. Mit diesen beiden letzten Kapiteln „Friede und Heimkehr am Abend des Lebens“ und „Schluß“  hat 1899 Dr. Tr. Stäsche seine umfangreiche  Arbeit beendet.

113 Jahre sind seit seiner Ausarbeitung vergangen, annähernd 260 Jahre liegen die geschilderten Ereignisse zurück, kaum jemand hat jemals von diesen Chroniken und deren Inhalt gehört und doch lesen sich die Schilderungen spannend als seien die Geschehnisse noch gar nicht so lange zurückliegend. Oder liegt die Spannung darin, dass sich die Geschichte in leicht abgewandelter Form an anderen Schauplätzen bis heute immer wiederholt ?

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Kirchenbuch Grätz 20 Mai 1799 – Ist auf dem Graezer Kirchhofe begraben worden der in der Stadt Graez gewesene Kaufmann Carl Ehrenfried … Flegel, welcher am 16ten März dieses Jah. abends um 10 Uhr an Stickhusten verstorben war; er hat sein Alter gebracht auf 70 Jahr

6. Friede und Heimkehr am Abend des Lebens

Erst 1775 ging die Zeit der Verbannung zu Ende. Auch der heutige Regierungsbezirk Posen war bei der zweiten Teilung Polens an Preußen gefallen und damit ein Wunsch Karl Ehrenfrieds in Erfüllung gegangen, den ihm vor 15 Jahren die Verzweiflung über die Rechtlosigkeit, der er sich preisgegeben sah, ausgepresst hatte. Am 7. Mai 1793 nahmen, wie auch Roehl berichtet, in der Jesuitenkirche zu Posen der preußische General von Möllendorff und der Freiherr von Danckelmann im Namen des Königs von Preußen die Huldigung entgegen. Flegel kehrte mit seinem Vetter Johann Samuel jedoch erst 1795 nach Grätz zurück (B16), nachdem der letztere das Familiengrundstück wieder erworben hatte. Das Haus, welches dem Amtmann Arndt zugesprochen worden war, hatte nach dessen Tode sein Bruder, der die Witwe geheiratet hatte, besessen. Als er später von Grätz verzog, kam es unter die Verwaltung des Magistrats. Die ganze Zeit hindurch bis zur Erbauung der evangelischen Kirche 1788 wurde in ihm der evangelische Gottesdienst abgehalten. Da aber weder die Brüder Arndt, noch der Magistrat etwas für die Unterhaltung des Hauses taten, geriet es bald in Verfall, bis es in den Besitz des jüngeren Flegels kam. Er kehrte mit seinem Vetter wahrscheinlich im Juli 1795 zurück. Wir lesen nämlich bei Roehl in dem von diesem angelegten Verzeichnis der kirchlichen Verschreibungen, das in demselben Bande wie die Chronik steht, unter Nummer 17: „Herr Flegel hat zur Miete zwei Kirchstellen unter dem 26. Juli 1795 angetreten und versprach 8 gute Gr. inklusive d. HE. Flegel sen., 1 Kirchstelle 6 Gr.“ Im Rechnungsbuch ist Michaelis 1795 Flegel jun. mit 6 guten Groschen, daneben Flegel sen., dieser aber ohne Beitrag aufgeführt. Im Verzeichnis vom Osterquartal 1796 stehen zwar beide Namen, aber ohne Beiträge.

Dass die Rückkehr der beiden Vettern erst 1795, nicht schon 1793, wie man erwarten möchte, erfolgt ist, ist wohl kein Zufall. Am 1. März 1795 war nämlich der General Kasimir von Radonski gestorben und darauf – Roehl gibt den 10. März an – im Grätzer Kloster beigesetzt worden. Er war aber der größte Feind der Familie Flegel gewesen; jetzt konnten Karl und Johann Samuel, nachdem er gestorben war, in die Heimat zurückkehren.

Flegel starb wahrscheinlich im Jahre 1800 (Anm. der Autoren: 16 Mai 1799 war der Todestag); denn in diesem Jahre trug Roehl unter Nummer 17 an der schon erwähnten Stelle hinter Flegel den Postmeister Dyke und den Erbpächter Petschke von Vorwerk Zdroj als Inhaber der Mietstellen ein. Mit derselben helleren Tinte nun, mit welcher der diese Notiz schrieb, hat er den Namen Flegel sen. durchgestrichen und dahinter vermerkt: gestorben. Das Rechnungsbuch nennt Flegel sen. und jun. zum letzte Male im Bericht über das Osterquartal 1796 und erwähnt den älteren von da an überhaupt nicht mehr, den jüngeren erst Michaelis 1808, wo er Flegel Kommissar heißt. Da die Sterberegister aus jener Zeit fehlen, so lässt sich aus ihnen das Todesjahr nicht nachweisen. Nach den angeführten Daten fällt es in den Zeitraum von 1796-1800. Sein Geburtsjahr lässt sich gleichfalls nicht nachweisen. Er war wahrscheinlich niemals verheiratet, wenigstens findet sich in den Chroniken nirgends eine Andeutung davon.

 

Schluss

Kirchenbuch Grätz – 1848 am sechsten -6- April früh um acht -8- Uhr Samuel Flegel 83 Jahre, 5 Monate, 3 Tage, Oeconomie Commissarius und Posthalter

Sein Vetter Johann Samuel hat ihn um ein halbes Jahrhundert überlebt. Er war in südpreußischer Zeit Katasterbeamter (1796-1806); im Jahre 1796 führt ihn das Kirchenbuch als Königlichen Kommissarius Oeconomiae Fraustadiensis auf. Am 31. Mai d. Js. schenkte ihm seine Gattin Dorothea Elisabeth geb. Lichtenberg ein Söhnchen, dem der Vater die Namen Friedrich August (Anm. der Autoren: geb. 31 Mai 1796 und verstorben 26 Nov. 1799 in Grätz, nicht erwähnt wurde Carl Wilhelm Eduard geb. 02 Sep. 1798 und verstorben am 25 Aug. 1799 in Grätz) beilegte, wahrscheinlich aus alter Anhänglichkeit an das sächsisch-polnische Königshaus. Unter den sieben Taufzeugen werden auch die verwitwete Frau Oberst Marianna Elisabeth von Mojaczewska, geb. von Kottwitz aus Kranz, und der Oberst Johann Stanislaw von Mojaczewski aus Borowo, ein schon früher erwähnter Freund der Familie Flegel, genannt.

Im Jahre 1811 zog Johann Samuel wegen der politischen Verhältnisse, wie er sich S. 16 ausdrückt, nach Stargard in Pommern, kehrte aber 1815 im Sommer wieder nach Grätz zurück, wo ihn das Rechnungsbuch im Michaelisbericht 1815 zum ersten Male wieder aufführt. Er erreichte das hohe Alter von 83 Jahren 5 Monaten und drei Tagen und starb an Altersschwäche am 6. April 1848 als Oekonomiekommissar und Posthalter zu Grätz. Die letzten 16 Lebensjahre verbrachte er als Witwer. Am 29. April 1832 war seine zweite Gattin Johanna Maria Elisabeth, geb. Zeidler, gestorben. er hinterließ keinen Sohn, sondern nur eine Tochter (Anm. der Autoren: es gab 2 Töchter – Friederika Dorotha Augusta Flegel geb. 1800 war eine später verehelichte Vittinghoff; Dorothea Amalie Ottilie Flegel geb. um 1804 hatte einen etwas für jene Zeit ungewöhnlichen Lebenslauf, einmal wurde sie 1825 bei der Geburt des Wilhelm Gottlieb Gustav Flegel (Vater Gottlieb Tepper) erwähnt, dann wieder 1829 bei der Geburt des Julius Christian Gotthilf Flegel (Vater Christian Gotthilf Bernhardini) und ein weiteres Mal  1833 bei Ihrer Eheschliessung mit Adolph Leberecht Lierse; aus dieser Verbindung stammte vermutlich Ottilie Augusta Emma Lierse, die als Pflegetochter der Vittinghoff’schen Eheleute genannt wurde. Unter Umständen gab es noch männliche, den Namen Flegel tragende Nachkommen ?) . Der erwähnte Friedrich August muss früh gestorben sein. (Der Besitzer des Weinberges bei Grätz, Herr Steyff, der, wie mehrere ältere Grätzer, den jüngeren Chronisten noch persönlich gekannt hat, weiß von einem Sohne Johann Samuel nichts, hat aber noch die Tochter gekannt). Mit Johann Samuels Tode starb die Familie Flegel in männlicher Linie aus. Die Flegelsche Familiengruft auf dem evangelischen Kirchhofe zu Doktorowo, auf der die evangelische Gemeinde zu Grätz seit 200 Jahren und wohl noch länger ihre Toten bestattet, birgt die Gebeine der letzten Mitglieder der Familie, welche für ihren Glauben so viel gelitten und sich um die evangelische Kirche zu Grätz so hohe Verdienste erworben hat.