Das Bauernhaus in der Provinz Posen

Blick über das Hauland – Aufn. GT

Julius Kohte, der durch die Provinz Posen reiste um unter anderem auch die Bestandsaufnahme der Kunstdenkmäler anzufertigen, hat mit diesem Artikel ein klein wenig Material über die Bauernhäuser gesammelt. Der Artikel streift unter anderem auch das Hauland – siehe den markierten Text.

Leider ist es uns nicht gelungen von den beschriebenen Windmühlen in Sontop noch Aufnahmen oder Zeichnungen zu finden. Wir würden uns freuen, wenn vielleicht seitens unserer Leser noch ein Foto eingereicht werden würde.

* * *

 Bei der Bereisung der Provinz Posen zum Zwecke der Inventarisation der Kunstdenkmäler hatte ich Gelegenheit, manche Beobachtungen anzustellen, welche nicht in unmittelbarem Zusammenhange mit meiner Aufgaben standen. Damals galt es, in erster Linie diejenigen Kirchenbauten aufzusuchen, die als Bauwerk oder durch ihre Ausstattung ein kunstgeschichtliches Interesse darboten. Daneben sammelte ich manche Nachrichten und Skizzen, die zur Kenntnis der ländlichen Bauweise der Provinz von Wert sein mochten. Ich nahm jedoch Anstand, diese Aufzeichnungen im Inventar der Kunstdenkmäler mitzuteilen, da ich mir bewusst sein musste, dass das gesammelte Material ein zu lückenhaftes war, um in einem statistischen Werke Platz zu finden, dass ich abseits der gewählten Reisewege gewiss noch vieles und vielleicht wichtigeres zur Ergänzung jener Studien hätte finden können. Zudem gehört der Gegenstand weniger in das Gebiet der Kunstgeschichte, als in das der Kulturgeschichte. Indessen dürfte der gesammelte Stoff vorläufig genügen, um einen Überblick über die Entwicklung des Bauernhauses in der Provinz Posen zu gewähren und der weiteren Forschung die Wege zu weisen.

Seidelsches Anwesen – Bild aus der Originalveröffentlichung

Seidelsches Anwesen – Aufnahme aus der Originalveröffentlichung

Was ich fand, gehörte überwiegend, wenn nicht ausschließlich, deutschen Niederlassungen an, die im Mittelalter und im 17. und 18. Jahrhundert angelegt worden waren. Der Stand der freien Bauern setzte sich bis zur neuesten Zeit aus den zugewanderten Deutschen zusammen, die von den Grundherren nach deutschem Recht angesiedelt wurden. Wenn auch ihre Lage unter den Übergriffen der Grundherren, besonders in den Zeiten, als das polnische Reich seiner Auflösung entgegen ging, sich verschlechterte, so waren sie doch immer noch günstiger gestellt, als die leibeigene Bevölkerung, die von den eingesessenen Polen gebildet wurde. Der Wohlstand, welcher die Vorbedingung ist zu einer behaglichen Gestaltung des eigenen Hauses, war in alter Zeit wohl nur bei der deutschen Landbevölkerung anzutreffen.

In  der Anlage der Ortschaften lassen sie zwei Arten unterscheiden. Die Besiedlungen des Mittelalters stellen eine geschlossene Dorfanlage dar; zu beiden Seiten einer breiten Straße reihen sich die Gehöfte an einander. Diese Art, die im Kolonialgebiete ostwärts der Elbe allgemein bekannt ist, findet sich in der Provinz Posen besonders in den westlichen, rein deutschen Grenzstrichen, während sich weiter östlich, wo die Dorfschaften gegenüber dem Großgrundbesitz zurücktreten, nur vereinzelt vorkommt. Von den Häusern und Gehöften der mittelalterlichen Besiedlungen ist aber nichts mehr erhalten, und in den Ortschaften des deutschen Sprachgebiete scheint die ursprüngliche Gestalt des Bauernhauses gänzlich ausgestorben zu sein. Was dem Forscher dort geboten wird, beschränkt sich auf Einzelheiten, wie Giebelkrönungen, die man aus alter Gewohnheit beibehielt. Weit reicher ist die Ausbeute, welche die Besiedlungen er letzten Jahrhundert gewähren.

Die geschlossene Dorfanlage wurde auch weiterhin beibehalten. Sie findet sich in den im 17. Jahrhundert angelegten Dörfern Ehrbardorf, Mariendorf, Follstein und Neuhöfen bei Filehne, wo die Gehöfte in unregelmäßiger Flucht in den breiten Dorfanger hineinschneiden, und die Grundstücke sich durch die Wiesen hindurch bis zu den Ufern der Netze hinabziehen. Die im ausgerodeten Walde angelegten Hauländereien des 17. und 18. Jahrhunderts geben dagegen die geschlossene Besiedlung auf und verbreiten sich mit zerstreuten Gehöften über das ganze Gebiet der Gemeinde. Landschaftlich gewähren die Hauländereien ein anmutiges Bild, namentlich diejenigen in der Gegend von Neutomischel. Dort wechselt ein Stück Wiese oder Wald mit Gärten, Äckern oder Hopfenpflanzungen; traulich heben sie die Strohdächer der Gehöfte aus ihrer Umgebung heraus; am Eingang jedes Gehöftes stehen Schatten spendend zwei Lindenbäume, während auf dem Feld hier und da ein kräftiger Eichbaum den Blick auf sich lenkt. Die Verbindung zwischen den einzelnen Gehöften stellt ein Netz von schmalen Fahr- und Fußwegen dar, in dem der Fremde sich nur schwer zurecht findet. Die zerstreute Bebauungsart der Hauländereien ist eine besondere Eigenart der bäuerlichen Ansiedlungen im Gebiete des ehemaligen polnischen Reiches; in gleicher Weise sehen wir aber auch in der Gegenwart bei der Aufteilung der Güter des Großgrundbesitzes die Zuzügler sich anbauen.

Holzbohlenwand – Aufn. GT

Aus welchen Teilen Deutschlands die „Hauländer“ kamen, darüber liegen sichere Nachrichten nirgends vor. Dem Grundherrn war ihre Heimat gleichgültig. Befragt man die Leute heutzutage, woher ihre Vorfahren zugewandert seien, so wissen sie gewöhnlich keine Antwort zu geben. Von wenigen Ausnahmen wie den katholischen Bambergern bei Posen abgesehen, sind sie evangelisch-lutherischer Konfession. In den Chroniken der Pfarrarchive, die zwar erst in neuerer Zeit abgefasst sind, doch gewiss mit Benutzung mündlicher oder schriftlicher Überlieferungen, wird mitunter erwähnt, dass die ersten Ansiedler aus den deutschen Nachbarländern, aus Pommern, Brandenburg oder Schlesien stammten. Eine Bestätigung gewinnen die Angaben durch einige von Erich Schmidt gefundenen Schriftstücke, in denen die Kurfürsten Johann Georg und Friedrich Wilhelm von Brandenburg sowie auch König Friedrich Wilhelm I. sich veranlasst sahen, Maßnahmen zu treffen gegen die überhand nehmende Auswanderung ihrer Untertanen nach Polen, namentlich aus der Neumark. Diese Schriftstücke lassen zugleich erkennen, dass die Auswanderung keine nur zeitweilige war, sondern Jahrhunderte hindurch dauerte. In den polnischerseits ausgestellten Schriftstücken heißen die Ansiedler „Oledry“ oder „Holländer“. Wie diese Bezeichnung entstanden ist, steht noch dahin, vielleicht bildete sie sich im Anschluss an die älteren holländischen Kolonien Deutschlands, vielleicht auch an die um die Mitte des 16. Jahrhunderts bewirkte Besetzung des Danziger Werders mit protestantischen, holländischen Flüchtlingen. Wirkliche Holländer wurden aber wohl nur selten nach Polen geführt, und die von E. Schmidt erwähnten Beispiele aus der Weichselniederung bei Schulitz mögen die einzigen ihrer Art geblieben sein. Manche Aufschlüsse über die Herkunft der Einwanderer werden sich aus der Mundart der heutigen Bevölkerung gewinnen lassen.

Natursteinfundament – Aufn. GT

Es ist leicht verständlich, dass die Ankömmlinge, die den Wald niederschlugen und lichteten, um auf dem gewonnenen Gelände sich anzubauen, sich des Holzes zum Bau ihrer Gehöfte bedienten. Alle Bauten in den Hauländereien sind Blockholzbauten. Die Wände sind aus Hölzern aufgeschichtet, die sich an den Ecken überkämmen. In der älteren Zeit pflegen die Hölzer in kräftigen Abmessungen hergestellt, etwa 25 cm stark zu sein; später werden sie schwächer und dann wohl an den Ecken in die Nuthen eines Ständers eingelassen. Das Fundament ist aus einigen auf dem Felde aufgelesenen Findlingssteinen hergestellt. Das Dach ist mit Stroh gedeckt, der Dachstuhl auf die einfachste Weise hergerichtet. Jedes Sparrenpaar wird nach mittelalterlicher Art von einem Kehlbalken gehalten. Den Längsverband ersetzen die an den Enden schräg auf die Sparren genagelten Windrispen, deren meist nur zwei vorhanden und an zwei diagonal gegenüber gelegenen Ecken des Hauses angebracht sind. Oft fehlen aber ach diese, sodass die Sicherung des Daches gegen Längsverschiebungen allein durch die Latten der Strohbedeckung ausgeübt wird. Um den viereckigen Hof herum liegen das Wohnhaus, die Stallungen und die Scheune. Das Wohnhaus kehrt den Giebel nach der Straße. Es liegt immer getrennt von übrigen Baulichkeiten; nur manchmal wird der Pferdestall an einer Schmalseite angebaut. Die Scheune liegt stets so, dass der Bauer vom Feld oder von der Straße her in sie einfahren kann, ohne den Hof zu kreuzen. Neben der Scheune oder einem Stattgebäude befinden sich ein oder zwei bedeckte Schuppen zur Aufbewahrung der Wagen. An das Haus schließt sich der Garten. Am Rande desselben, gegen den Hof in, bequem vom Hause zugänglich, steht der Brunnen. Die leichte Ausführungsweise der Scheune und der Ställe gestattet es, nach Bedarf, etwa um den Hofraum zu vergrößern, sie vermittelst einiger untergelegter Rollen zu Verschieben.

Allgemeiner Typus – Aufn. aus der Originalveröffentlichung

Einen in der Provinz Posen allgemein verbreiteten Typus des Bauernhauses stellt Abbildung 1 dar. Der Eingang des Hauses befindet sich in der Mitte der Langseite. Die Haustür ist in einen oberen und einen unteren Flügel geteilt, sodass, wenn der untere geschlossen ist, man den oberen offen lassen kann, um auszublicken. Durch den flurartigen Vorraum, in welchem die Stiege zum Dachboden liegt, gelangt man in die im Mittelpunkt des Hauses gelegene Küche. Über ihren Wänden steigt, nach oben hin sich verjüngend, der Schornstein auf, der zugleich als Rauchfang dient. Um die Küche herum liegen die Stuben und Kammern. Dieser einfache urwüchsige Typus besitzt gewiss ein hohes Alter. Er findet sich bei Deutschen wie bei Polen; ihn zeigen die älteren evangelischen und katholischen Pfarrhäuser und noch die in der Gegenwart aus Lehmpatzen errichteten Häuser der Gutsarbeiter. Letztere Häuser, die nur einen kleinen Hof hinter sich haben, pflegen im Gegensatze zu denen der Bauerngehöfte gleichlaufend zur Straße gestellt zu sein.

Abbildung 2 gibt die Skizzen von drei Gehöften aus der Hauländergemeinde Alt-Borui  bei Neutomischel, aus denen sich erkennen lässt, wie verschieden und eigenartig die Hauländer-Gehöfte angelegt sind. Das um 1760 erbaute Gehöft des Heinrich Kutzner (Abbildung 2A) ist eines der größten der Gemeinde; außer dem dem Wohnhause angebauten Pferdestall besitzt es zwei Stallungen für Rindvieh und Schweine sowie einen Wagenschuppen und ein Scheune; der Hof ist länglich mit zwei Einfahrten an den Schmalseiten. Das etwas einfachere Kothsche Gehöft (Abbildung 2B) mag als Typus eines Gehöfts mittlerer Größe dienen. Eines der kleinsten ist das des Gustav Wolke (Abbildung 2C), welches nur ein Nebengebäude besitzt, das zur Hälfte als Stall für Kleinvieh, zur Hälfte als Scheune eingerichtet ist (abgesehen von einer neuen Erweiterung). Die Wohnhäuser dieser wie aller Gehöfte in Alt-Borui zeigen die in Abbildung 1 vorgeführte Anlage. Von Gehöften, deren Entstehungszeit bekannt ist, mögen aus der Gemeinde noch genannt sein das des August Heider von 1764, das des Wilhelm Freier von 1775, sowie das um 1827 errichtete des Karl Fischer. Die Erneuerungen, welche die Gehöfte erfahren haben, beschränken sich auf ein verhältnismäßig geringen Maß; irgendwelche schmücken Formen besitzen sie nicht.

C. Wolke – Abb. aus der Originalv.

B. Koth – Abb. aus der Originalveröffentlichung

A. Heinrich Kutzner – Abb. aus der Originalveröffentlichung

Als Beispiel eines auf einem eingebauten Grundstück errichteten Gehöftes ist das Seidelsche in Peterawe auf Tafel I und II wiedergegeben. Das auf dem rechten Ufer der Warthe am Wege von Obersitzko nach Wronke gelegene Dorf Peterawe wird bereits 1280, wo es zum ersten Male in den Urkunden erscheint (Cod. dipl. Maj. Pol. Nr. 493), als nach deutschem Recht angelegt, genannt. Über die weiteren Schicksale des Ortes wissen wir wenig. Nach einer Nachricht des Kirchenbuches wütete die Pest im Jahre 1659 in dem Dorfe, welches gewiss zuvor unter den Wirren des ersten und danach unter denen des zweiten schwedischen Krieges zu leiden hatte. Im 18. Jahrhundert fand jedenfalls eine Neubesiedlung statt. Nach den Angaben, die mir die Bauern im Orte machten, soll „Preußen“ die Heimat ihrer Vorfahren gewesen sein. Diese Überlieferung mag auf Wahrheit beruhen; nur wird man unter Preußen nicht die Provinz Ost- oder Westpreußen, sonder das Gebiet des altpreußischen Staates im Gegensatze zu Polen zu verstehen haben. Aus welcher Zeit die Anlage des Dorfes herrührt, ob noch aus dem Mittelalter oder erst aus dem 18. Jahrhundert, vermag ich nicht zu entscheiden. Die Dorfstraße ist etwa 100 m breit; im Osten nach Obersitzko zu ist sie schmaler; nach Westen hin verbreitert sie sich und teilt sich in die Wege nach Wronke und Klempitz. Auf dem Dorfanger steht das Kirchlein.

Nach einer jetzt im Provinzial-Museum in Posen aufbewahrten Urkunde hatte der Schmied Johann Seidel im Jahre 1715 einen „verwüsteten Bauerplatz und Gehöffte in dem Dorf Peterowe mit allen darzu belegenen und angewiesenen Gründen“ gekauft; am 30. Mai 1750 bestätigte in Graf Leo Raczynski, Kastellan von Santoch, Generalleutnant, Erbherr zu Obersitzko, in seinen Besitzverhältnissen; kurze Zeit zuvor, 1748, hatte Seidel sein Gehöft oder wenigstens sein Wohnhaus neu erbaut, wie die Jahreszahl am mittleren Deckenbalken der großen Wohnstube zu erkennen gibt.

Haus mit Eckhalle – Abb. aus der Originalv.

Das Seidelsche Grundstück befindet sich auf der Nordseite der Straße. An der Ostgrenze liegt ein 20 m breiter Garten. Das Gehöft ist von der Straße zurück gerückt, sodass vor dem Eingange ein von zwei Linden überschatteter Vorplatz und links daneben noch ein Gärtchen verbleibt. In den Vorplatz ist das Wohnhaus (Tafel I) mit einer unter dem vorderen Giebel angelegten offenen Halle hineingeschoben. Betritt man das Gehöft (Tafel II), so hat man zur Linken längs der Straße das Stallgebäude, welches im vorderen, dem Wohnhause zugewandten Teile des Pferdestall, weiterhin den Schweine- und den Geflügelstall enthält. An der gegenüber liegenden Nachbargrenze liegt der Stall für Kühe und Schaft, an der Feldseite die Scheune und neben ihr ein bedeckter Wagenschuppen, der zugleich als Durchfahrt dient. Alle Gebäude sind noch die ursprünglichen; sie sind aus Blockholz errichtet und mit Stroh gedeckt. Zur Beleuchtung der Ställe genügen einige Ausschnitte in den Balken, soweit nicht durch die Tür oder einige undichte Stellen bereits Licht einfällt. Das Wohnhaus ist von der Straße her durch eine Tür unter der Giebelhalle, vom Hofe durch eine Tür in der westlichen Langseite zu betreten. Beide Türen führen in den Flur des Hauses, aus dem man in die unter dem First gelegene Küche gelangt, die zwar einen den neuzeitlichen Anforderungen entsprechenden Umbau erfahren hat, aber nach den Angaben der Bewohner noch in der alten Gestalt sich wiederherstellen lässt. Die Wände der Küche und des Rauchfangs waren, wie sonst üblich, aus einem verstakten und mit Lehm bekleideten Fachwerk hergestellt. Vom Flure aus sind auch die beiden Wohnstuben zugänglich, die größere nach dem Hofe hin, die kleinere nach der Straße zu gelegen. Beide hatten ehemals eine in die Küche eingebaute Kaminfeuerung, wie man solche noch hier und da in ärmeren Häusern antrifft. An der Gartenseite liegen die Kammern; aus der mittleren kann man in den Garten treten. Im Flur liegt ein kleiner Bretterverschlag und die Treppe zum Dachboden. Der Dachstuhl ist in der früher beschriebenen, einfachen Weise hergestellt (Tafel II). Die Balken sind von unten sichtbar gelassen. Das Haus ist rund 15 m lang und 9 m breit; die Wohnräume haben eine lichte Höhe von nur 2,20m.

Einen besonderen Schmuck des Hauses bildet die Halle an der Vorderfront (Tafel I). Sie wird von fünf Pfosten getragen, die in schlichter Weise mit einem Sockel und einem Kopfgliede versehen und zwischen diesen nach oben hin verjüngt sind. Der Querschnitt der Pfosten misst 26 cm im Geviert. An ihrem oberen Ende greifen sie in einen Holm; durch zwei eingeblattete Kopfbänder und ein ausgeschnittenes Bohlstück sind sie zu je zweien im flachen Bogen verbunden. Auf dem genannten Holm liegen die Köpfe der obersten Balken der beiden Seitenwände des Hauses, diese mit der Halle verbindend. Der offene Raum, der zwischen dem Holme der Halle und dem über ihm gelegenen Dachbalken verbleibt, ist durch ein gesimsartig vortretendes Brett gefüllt. Die beiden Giebelwände sind mit Brettern verkleidet. Auf dem Holme der Halle ist in gefälligen Buchstaben eine zweizeilige Inschrift eingeschnitten, von der leider nur noch der biblische Spruch (Psalm 127) lesbar ist:

  • Wo der Herr nicht das Haus bauet,
  • So arbeiten umsonst die daran bauen.
  • Wo der Herr nicht die Städte behütet,
  • So wachet der Wächter umsonst.
  • Es is umsonst, dass ihr frühe aufstehet
  • Und hernach lange sitzet.

Der Schluss der Inschrift ist verwittert. Giebelschmuck hat keine der Baulichkeiten des Gehöfts.

Das Seidelsche Gehöf ist das einzige in Peterawe, welches die ursprüngliche Anlage und Gestalt noch bewahrt hat. Sonst sind die meisten Gebäude des Ortes durch Ziegelbauten ersetzt. Das hübsche, 1829 errichtete Grisersche Haus neben dem Pfarrhause brannte im Oktober 1897 nieder. Es war ein Blockholzbau, dessen offene Halle sich aber auf die eine Ecke der Front beschränkte, wie in dem in Abbildung 3 gegeben Typus. Ein ähnliches Haus von sehr einfacher Ausbildung steht noch jetzt dem Seidelschen gegenüber.

Blick über Boruy – AK aus der Sammlung Arno Kraft

Die Häuser von Peterawe leiten zu einer Gruppe von Bauten über, die sich auf dem rechten Ufer der Netze von Czarnikau bis Filehne erstreckt. Mehrere Beispiele von Häusern mit einer Halle unter dem vorderen Giebel finden sich in Follstein aus den Jahren 1739 und 1742, als eines der jüngsten ein Haus in Neuhöfen von 1836. Häuser mit einer Eckhalle an der Vorderfront finden sich in Runau, Putzig und Groß-Kotten, sowie am westlichen Ende der Gruppe in Ehrbardorf. Grade die besseren Häuser dieser Art stammen erst aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zum Unterschiede von dem aus Peterawe mitgeteilten Gehöfte ist zu bemerken, dass in den Dörfern bei Filehne das Einfahrtstor, damit der Bauer von der Halle aus auch den Hof überwachen kann, in die Flucht der Pfosten gelegt ist. Von den sinnigen Sprüchen der Häuser teile ich hier zwei mit:

  • Großer Gott durch Deine Güte.
  • Dieses Haus für Schad behüte.

1784. (Aus Putzig)

  • Allein auf Gott setz dein Vertrauen,
  • Auf Menschen Hilf sollst du nicht bauen
  • Gott ist allein, der Glauben hält,
  • Sonst ist kein Glaub mehr in der Welt.
  • Johann Gottlieb Ganske Bauherr,
  • Michael Muske Baumeister

Ann 1836 b. 25t. July (Aus Ehrbardorf)

Leider haben die Änderungen und Erneuerungen der Gegenwart empfindliche Lücken in den alten Bestand gerissen, ganz besonders in den wohlhabenden Dörfern gegenüber von Filehne, die noch vor wenigen Jahrzehnten dem Forscher eine überraschende Ausbeute dargeboten haben müssen.

Man möchte annehmen, dass die Ansiedler im Filehnischen hauptsächlich aus den benachbarten brandenburgisch-preußischen Gebieten herüber gekommen seien und von dort her das Hallenhaus übertragen hätten. In der Tat sind Bauernhäuser mit einer die vordere Giebelseite einnehmenden Halle in der Ukermark und der Neumark sowie in Mittelpommern vereinzelt vorhanden, nachdem sie vor wenigen Jahrzehnten noch in größerer Zahl dort anzutreffen waren. Andererseits besteht ein augenscheinlicher Zusammenhang zwischen den Hallenhäusern der Dörfer und denen der Städte. Wenn auch die Bedingungen, unter denen die „Lauben“ an den Märkten der ostdeutschen Städte entstanden, auf dem Lande nicht anzutreffen sind, so verraten doch sowohl die Hallen als auch die Grundrisse der eingebauten städtischen Häuser eine auffallende Verwandschaft mit den ländlichen Bauten. Die Laubenhäuser am Markte in Rakwitz haben das ursprüngliche Bild noch einigermaßen bewahrt. Von einem derselben, das inschriftlich 1669 errichtet wurde, besitzt das Provinzial-Museum in Posen ein von Herrn Dr. med Hensel angefertigtes Modell, welches alle baulichen Einzelheiten klar erkennen lässt. Einige Laubenhäuser stehen auch am Markt in Stenschewo. Eine Schmiede mit einer Halle unter dem Giebel sieht man in Krotoschin an der Straße nach Zduny. Vereinzelt finden sich derartige Vorhallenhäuser noch in manchen kleineren Städten der Provinz; sogar in der Hauptstadt kannte man sie noch bis vor wenigen Jahrzehnten.

Giebelkrönungen – Abb. aus der Originalveröffentlichung

Ein leicht herzustellender Schmuck der alten Bauernhäuser sowie der Stallgebäude und Scheunen sind die Giebelkrönungen. Die Strohbedeckung des Daches erhält an den Giebeln einen Abschluss durch zwei Bretter, die dem letzten Sparrenpaar aufgenagelt werden. Gern ließ man am Firste die Enden der Bretter übereinander hinaustragen und schnitt sie zu Figuren aus. Die einfachste Gestallt ergab sich, wenn man die Bretter in einer geometrischen Form, einem Kreise, einem Vieleck oder einem Lanzett, endigen ließ (Abbildung 4). Zahlreiche Beispiele dieser Art sah ich im Kreise Ostrowo auf dem Wege von Groß-Wysocko nach Olobok. In Osiek bei Jutroschin fand ich dieses Motiv in die Köpfe zweier Hennen umgewandelt, die sich zum Angriff gegen einander wenden, die Hälse lang ausgereckt (Abbildung 4c).

Sehr verbreitet, wenn auch nicht in dem Maße, wie in anderen Teilen Norddeutschlands, sind die nach außen gekehrten Pferdeköpfe. Ein Beispiel von recht unbefangener Zeichnung skizzierte ich in Zabno-Hauland bei Moschin (Abbildung 4d). Andere Beispiel nenne ich aus Bauchwitz, Neuhöfen, Groß-Kostten, Klein-Tworsewitz bei Riesen und Obora bei Gnesen. Oftmals ist das Motiv bis zur Unkenntlichkeit entstellt, so an dem aus Peterawe mitgeteilten, nicht ungefälligen, so schwer zu deutenden Beispiele (Abbildung 4e). Man hat in den Pferde- und Hahnenköpfen alte Sinnbilder erkennen wollen. Andere Köpfe sind offenbar nichts weiter als heitere Darstellungen aus dem Tierleben. Beispiele dieser Art sind die erwähnten Hennen aus Osiek, sowie die beiden hinter einander herlaufenden Gänse von einem Stallgebäude in Wulke bei Storchnest (Abbildung 4f).

Ein anderes Ziermotiv ergab sich, wenn man darauf verzichtete, die Brettenden frei in die Luft ragen zu lassen, dafür aber dem Firste ein senkrechtes Brettstück vorheftete und dasselbe ausschnitt. Ich begegnete diesem Motive in den Kreisen Fraustadt, Meseritz und Schwerin. Meist ist das dritte Brett zu einem Kreise ausgeschnitten (Abbildung 4g). Reichere Formen, einen Stern, eine Blume, oder einen Vogel, findet man weiterhin in der Neumark. Ein nach oben und unten in ornamentaler Weise gefällig endendes Brett teile ich aus dem dich an Fraustadt grenzenden Dofre Niederpritschen mit (Abbildung 4h). An einer Scheune der Posener Vorstadt in Kosten hatte man dem dritten Brett die Gestalt einer breiten stilisierten Blume gegeben (Abbildung 4i); als ich später dort nochmals vorüberkam, hatte die Scheune unterdessen einen Neubau Platz gemacht. Die beiden zuletzt gegebenen Beispiele lassen in ihrer zierlichen Durchbildung, die sich scharf von der Urwüchsigkeit der anderen abhebt, unschwer den städtischen Einfluss erkennen.

Die Verzierung der Giebel findet sich nicht nur bei Strohdächern, sondern, obgleich seltener, auch bei anderen Deckungsarten, so an den mit Schindel gedeckten Windmühlen bei Sontop östlich von Neutomischel. Im Übrigen scheinen, wie die aufgezählten Beispiele ergeben, die einzelnen Formen sich nebeneinander über die Provinz zu verbreiten, ohne dass man irgendwelche Grenzen ziehen könnte.

Ein Anderer Gegenstand, der die Lust zum Schmücken wach rief, war der Hofeingang. Jedes Gehöft hat zwei neben einander gelegene Eingänge, einen schmalen für Fußgänger und einen breiten für Wagen. Jenen überdeckte man zuweilen mit einem Riegelholze, gab den beiden Ständern eine schlichte freie Endigung und setzte zwischen dem Riegel und den Ständern zwei Kopfstücke ein, die man gemeinsam mit dem Riegel flachbogenförmig ausschnitt. Das in Abbildung 5 dargestellte Beispiel ist in Swierczyn bei Storchnest aufgenommen. Ähnliche Beispiele finden sich westwärts in dem Städtchen Schwetzkau.

Thorbogen – Abb. aus der Originalveröffentlichung

Die hier gegebenen Mitteilungen deuten die Aufgabe mehr an, als dass sie eine Lösung derselben brächten. Eine solche würde zunächst eine erschöpfende Feststellung des gesamten Materials erfordern, d.h. die Ermittlung des noch vorhandenen Bestandes an alten Gehöften und Häusern, sowie die zeichnerische und photographische Aufnahme der wichtigsten Bauanlagen und ihrer Einzelheiten. Zur Ergänzung dieser technischen Arbeiten würde aber auch die Durchforschung der erhaltenen Archivalien gehören, um die Geschichte der Besiedlung erkennen zu lassen. Auf solchen Grundlagen erst wird ein zuverlässiges Bild der Anlagen und des Entwicklungsganges des Bauernhauses im Posener Lande und seines Zusammenhangs mit den Häusern der altdeutschen Landesteile zu gewinnen sein. Es gilt aber, die gestellte Aufgabe bald in Angriff zu nehmen, da jede Verzögerung weitere Verluste an dem bereits so schwer geschädigten alten Bestande bringt.

* * *

Quelle: