Die Überreste des Schlosses von Opalenitza

Schlossruine Opalenica – Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zamek-Opalenica.jpg?uselang=de

Im Jahr 1864 sollte das Schloß zu Opalenitza, welches im Anfange oder der Mitte des XVIII. Jahrhundert wahrscheinlich an Stelle einer alten schon im Mittelalter bekannten Befestigung (1) erbaut wurde und nach dem Tode des letzten Besitzers der Herrschaften Grätz und Opalenitza, Adalbert Opalinski, zu verfallen anfing, eingerissen werden. Um die zu verhüten, schrieb am 1. August 1864 der Oberpräsident v. Horn der Königl. Regierung (2), er habe gehört, das Opalenskische Schloß solle abgebrochen und mit den aus dem Abbruch zu gewinnenden Baumaterialien ein Schafstall aufgeführt werden. Es wäre dies nicht nur ein großer Verlust für die Gegend in landwirtschaftlicher und historischer Hinsicht, sondern auch in sofern zu bedauern, als das Schloß solide und in prächtigem Stile erbaut, noch in stattlichen Resten erhalten sei, und vielleicht zu einem oder dem anderen öffentlichen Zwecke mit mäßigem Kostenaufwand erworben und wieder hergestellt werden könne. Der betreffende Baurat solle bei einer Bereisung des Buker Kreises das Schloß besichtigen und Bericht erstatten. Am 14. Oktober sandte der Baurat Koch den folgenden Bericht ein und erklärte sich gegen die etwaige andere Verwendung aber auch gegen den Abbruch der Baulichkeiten . . .

* * *

„Posen, den 11. Oktober 1864. Die Beschaffenheit der Schloß-Ruine zu Opalenitza betreffend. Zur Br. m. Verf. vom 11. August 1864. Nr. 1065/8 64 I.

In Verfolg der hohen Verfügung des Herrn Ober-Präsidenten vom 1. August er. habe ich vor kurzem Veranlassung genommen, das alte Opalenskische Schloß bei der Stadt Opalenitza einer genaueren Untersuchung zu unterwerden, und verfehlt nicht, über das Resultat derselben Folgendes ganz gehorsamst vorzutragen.

Zuerst bemerke ich, dass die vorhandenen Baulichkeiten nicht die Überreste, sondern nur der Anfang eines beabsichtigten größeren Baues sind, und allem Anschein nach haben die bereits ausgeführten Teile nicht einmal die besseren und eigentlichen Prunkräume, sondern nur untergeordnete Wohnräume aufnehmen sollen, da außer der Kapelle nur kleinere Räume in denselben enthalten, die Treppen und Korridore auch unbequem und schmal sind.

Handzeichnung zur Schlossruine - dem Original Artikel entnommen

Handzeichnung zur Schlossruine – dem Original Artikel entnommen

Es steht gegenwärtig ein Flügel von 76′ Länge, 50′ Tiefe, in der Vorderfront mit 7, in den Giebeln mit je 6 Fenstern nebeneinander ein zweiter auf den ersten vertikal stehender Flügel wird mit diesem durch einen bogenförmigen Bau verbunden, wie die nebenstehende Handzeichnung dartut. – Die Wand a-b ist nur roh und anscheinend nur vorübergehend vermauert, und ist das Mauerwerk bei a und b abgetrennt, um es später fortsetzen zu können.  –

Die ausgeführten Gebäude-Teile haben ein überwölbtes, nur wenig in der Erde liegendes Erdgeschoß, ohne Unterkellerung, da wegen des flachen Terrains Grundwasser zu befürchten war.

Dieses Erdgeschoß sollte allem Anschein nach die eigentlichen Wirtschaftsräume aufnehmen. Das Geschoß über demselben mit Balkendecken war höchstwahrscheinlich zu Wohnräumen für die Dienerschaft bestimmt, da die Etagenhöhe und die Fenster-Öffnungen verhältnismäßig gering sind. Einen großen Teil dieses Geschosses nimmt die auch durch das zweite Geschoß hindurch reichende Kapelle hier ein.  

Dieses zweite Geschoß endlich, – mit hohen Fenster-Öffnungen ist besser ausgestattet, aber auch hier sind, wie bemerkt, die Räume verhältnismäßig klein.

Unmittelbar über dem zweiten Geschoß liegt das Dach in Mansarden-Form und abgewalmt, doch findet sich zwischen den Etagen, Balken und den Dachbalken noch ein mehrere Fuß hoher, toter Raum.

Das Gebäude ist von gebrannten Ziegeln, nicht der besten Qualität in Kalkmörtel mit starken Wänden erbaut und mit Biberschwänzen eingedeckt.

Die Balken und Sparrhölzer sind außerordentlich stark, doch ist die Dachkonstruktion ungeschickt und mit großer Holzverschwendung ausgeführt.

Die Zeit der Ausführung diese Gebäudes dürfte in den Anfang oder die Mitte des vorigen Jahrhundert fallen, und ist dasselbe in dem damals herrschenden französischem Zopfstil hergestellt, aber keineswegs in den besten Formen, sondern ziemlich roh, wie überhaupt die ganze Bauausführung von wenig Kunstfertigkeit der Handwerker zeigt. So haben auch die noch im Innern vorhandenen wenigen Dekorationen und Wandmalereien, namentlich an dem Plafond der Kapelle, fast gar keinen, oder mindestens sehr geringen künstlerischen Werth.

Nach dem Tode des letzten Besitzers der Herrschaft Grätz und Opalenitza, Adalbert von Opalinski, Im Jahre 1773, soll an dem Bau nichts weiter geschehen sein, und ist das Gebäude seit der Zeit nach und nach verfallen.

Meiner unmaßgeblichen Ansicht nach, ist auch dieser Teil des Gebäudes, welcher gegenwärtig steht, niemals ganz fertig und wohl nur vorübergehend, vielleicht nur während der Sommermonate bewohnt gewesen.

Nach der Sage soll in demselben die Königin Marie von Frankreich. Gemahlin Ludwig XV., Tochter des polnischen Königs Stanislaw Lescinsky geboren sein. Damals war aber das jetzt dort stehende Gebäude aller Wahrscheinlichkeit noch nicht so weit im Bau vorgeschritten, dass es bewohnt werden konnte.

Nach der mir von dem Probste zu Grätz gemachten Mittheilung soll vielmehr die Geburt in einem Gebäude des nahen Vorwerks, auch „Schloß“ genannt, erfolgt sein. – Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass auf der Stelle, wo gegenwärtig das Schloß steht, früher ein anderes größeres Gebäude stand, da sich ganz unfern die Rest eines alten Turmes, nach dem Steinverband zu urteilen, aus dem Mittelalter herrührend, befinden.

Was nun die gegenwärtige Beschaffenheit dieses alten Schloßes betrifft, so ist dieselbe äußerst mangelhaft.  Außer einigen Türfuttern, Rest von Fensterzargen, einigen halb verfallenen Kaminen, defekten Dielen pp. fehlt der innere Ausbau gänzlich.

Da gegenwärtig, und wahrscheinlich schon seit langer Zeit, jedermann freien Zutritt zu dem Innern des Gebäudes hatte, kann dies nicht Wunder nehmen. Wahrscheinlich hat ein Teil des Gebäudes, einmal als Wohnung für arme Leute gedient, da die Wände teilweise anscheinend über dem Kalkputz, ganz roh mit Lehmmörtel geputzt sind. Die Kapelle ist auch nach den Balkenlöchern zu urteilen, wenn auch vielleicht nur interimsweise, einmal durch eine Zwischendecke geteilt gewesen.

Am schlechtesten an dem Gebäude ist das Dach und teilweise der Dachverband. Es fehlen ganze Reihen der Dachziegel und hat Regen Schnee freien Eintritt. Daher ist es gekommen, dass auch die Balkenköpfe vielfach angefault sind.

Dies der bauliche Zustand des Gebäudes. Eine Wiederherstellung desselben würde sehr kostbar werden und würde das Gebäude bei der eigentümlichen Anlage doch immer nicht recht nutzbar herzustellen sein.

Hierzu kommt noch die Lage in ziemlich feuchtem Wiesen-Terrain, so dass der Aufenthalt hier gewiss nicht sehr gesund sein dürfte. Ich wüsste daher keine Verwendbarkeit zu einem besonderem Zwecke in Vorschlag zu bringen.

Dagegen ist es nicht zu leugnen, dass dieses alte Gebäude der Landschaft zur Zierde gereicht, und würde ich es auch beklagen, wenn es ganz abgebrochen werden sollte.

Daran ist aber wahrscheinlich so bald nicht zu denken, da die Abbruchskosten mit dem Werte des gewonnenen Materials kaum in Verhältnis stehen würden.

Ohnehin sind die Mauerziegel überhaupt nicht sehr gut.

Meiner Ansicht nach wird das Gebäude übrigens noch mehr der Gegend zur Zierde gereichen, wenn es mehr Ruine geworden ist und den modernen Anblick, den es gewährt, verloren hat.

Immerhin möchte ich aber ganz gehorsamst anheim geben, den Besitzer des Gebäudes zu veranlassen, von einem Abbruch desselben abzusehen und vielmehr dafür zu sorgen, dass es verschlossen wird, damit nicht, wie es gegenwärtig der Fall ist, Unberufene freien Eintritt und Gelegenheit haben, das wenig, was nicht unbedingt festsitzt, zu entwenden. Ohnehin bietet dieses große offenstehende Gebäude Schlupfwinkel für das sich herumtreibende Gesindel.

gez. Koch.

Für die Richtigkeit der Abschrift gez. Lange.

An die Königliche Regierung, Abtheilung des Innern, hier.“

Daraufhin erfolgte am 25. Oktober die Antwort des Ober-Präsidenten: Es sei von einer Erwerbung des Schloßes abzusehen. Dagegen erscheine es wünschenswert, auf die möglichste Konservierung und Verschönerung der noch vorhandenen Gebäudeteile (etwa durch den Anbau von Schlingpflanzen) Bedacht zu nehmen, und gleichzeitig auf eine bessere Beaufsichtigung derselben hinzuwirken, damit das Schloß, welches auch in seiner gegenwärtigen Beschaffenheit noch eine Zierde der dortigen Gegend bilde, nicht durch die Elemente und durch die unbefugten Eingriffe der Umwohnenden völlig der Zerstörung Preis gegeben oder als ein Schlupfwinkel  für Landstreicher und andere verdächtige oder gefährliche Individuen benutzt werde.

Aber trotz dieser Verfügung des Ober-Präsidenten geschah leider nichts, das Gebäude verfiel mehr und mehr und wurde Anfang der 70er Jahre abgebrochen. Auf dem Schloßlande, welches gegenwärtig dem Rittergutsbesitzer Beyme gehört, werden jetzt Feldfrüchte gebaut (Die letzten Notizen verdanke ich der  Liebenswürdigkeit des Herrn Bürgermeisters Thorzewski in Opalenitza.)

Fußnoten:

  • (1)  H. Wuttke, Städtebuch der Provinz Posen S. 381,
  • (2) St. Archiv Posen. Akta betr. historische Denkmale des Großherzogtums Posen. Ober-Präsidial Registratur. Archive Nr. 16. Archivalische Akten 9.

* * *

  •  Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zamek-Opalenica.jpg?uselang=de
  • Text-Quelle: Historische Monatsblätter für die Provinz Posen – Jahrgang III -Posen, Januar 1902 – Nr. 1 – veröffentlicht über die Großpolnische Digitale Bibliothek: http://www.wbc.poznan.pl/dlibra