Geschichte des Grätzer Bieres – Teil 2. Monopolisierung, Export, Auflösung und Privatisierung

Grätzer Bier - Bildquelle : http://www.brauwesen-historisch.de/Polenverl1.html

Grätzer Bier – Bildquelle : http://www.brauwesen-historisch.de/Polenverl1.html

Hier finden sich die 3 weiteren Kapitel der sehr umfangreichen Ausarbeitung des Dr. Rodgers Prümer aus dem Jahre 1893 über die Geschichte des Grätzer Bieres. Ging es in der ersten Veröffentlichung noch um die Entstehung der Braukunst in der Stadt und den ältesten Nachrichten über diese, so wird hier nun die Blütezeit und die sich daran anschließende Auflösung bis hin zur Privatisierung beschrieben. Der Original Artikel ist zu finden unter http://www.archive.org/stream/zeitschriftderh05posegoog#page/n388/mode/2up

III. Die Monopolisierung des Grätzer Brauwesens in der Brauerinnung und die Ausbreitung des Grätzer Bieres über Großpolen im XVII. Jahrhundert

Das XVII. Jahrhundert war für das Grätzer Brauereiwesen die am meisten epochemachende Zeit. In der inneren Organisation entwickelte sich nämlich damals nicht nur die ausschließliche Berechtigung der Mitglieder der Brauzunft zum Bierbrauen, sondern auch die Beschränkung dieser Berechtigung auf eine Anzahl Familien, und Hand in Hand damit ging nach außen hin die Verbreitung des Grätzer Bieres als Exportbier über Großpolen.

In Bezug auf die Zunftorganisation wurde am 10. April 1660 ein neues Statut von der Grundherrschaft erlassen (1), wodurch die Bestimmungen von 1601 in den wesentlichsten Stücken geändert wurden, und zwar nach der Tendenz hin, den Familien, welche sich in jener Zeit gerade im Besitze der Mitgliedschaft der Zunft befanden, eine Art Monopol zum Bierbrauen zu verschaffen. Von fremden Gesellen nämlich, welche sich in Grätz als Bierbrauerniederlassen wollten, wurde nunmehr außer dem überall gebräuchlichen Nachweis der ehelichen Geburt und guten Führung, der Erlangung des Bürgerrechts und Ablegung eines Meisterstücks eine bare Zahlung von 50 Mark Silber an die Innungskasse verlangt, zu denen noch weitere 20 Markt Silber hinzukamen, wenn der Geselle nicht auf der Wanderschaft gewesen war. Da die für die damalige Zeit sehr hohe Summe vor der Aufnahme bar und ohne jegliche Stundung zu erlegen war, so konnte nur schwer ein fremder Geselle daran denken, in Grätz sich zum Meister zu machen.

Der Brunnen mit seinem hölzernem Aufbau heute – Eigenaufn.

Überdies wurde noch der Besitz eines eigenen Hauses in Grätz verlangt, von welcher Forderung nur auf besondere Gnadenerweisung der Innung Abstand genommen wurde. Auch beschränkte man den Meldungstermin für neu Aufzunehmende nunmehr auf einen Tag im Jahre, nämlich den Michaelistag. Während für die Fremden das Eintrittsgeld sich in der Zeit von 1601 bis 1660  von 4 poln. Gulden auf 50 Mark Silber erhöhte hatte, blieb für Söhne von Mitgliedern der Grätzer Bierbrauerinnung der alte Tarif von 6 Groschen bestehen, ein Beweis, dass man die Innung nur für diese offen halten wollte. Selbst das in den anderen Zünften jener Zeit sehr erleichterte Hineinheiraten in die Zunft erschwerte dieses Statut; denn es verlangte von einem Gesellen, welcher eine Grätzer Meistertochter heiratete, immer noch eine Eintrittssumme von 25 Mark Silber und lies diese Ermäßigung überhaupt nur dann gelten, wenn der Kandidat der Sohn eines Bierbrauers aus einer anderen Stadt war. Aber selbst durch die angeführten strengen Aufnahmebestimmungen glaubten die Zunftgenossen gegen den Eintritt Fremder sich noch nicht genügend geschätzt zu haben. Etwa 25 Jahre nach Erlass des Statuts klagten sie bereits dem Grundherrn, dass durch die Aufnahmebedingungen für die ganze Brüderschaft ein merklicher Nachteil und beinahe der Untergang eines jeden von ihnen verursacht werde, da sich eine Anhäufung der Mitgliederzahl daraus ergeben habe. Der Grundherr ließ sich deshalb bereit finden, durch einige am 4. Oktober 1686 erlassen Zusatzbestimmungen (2) den Wünschen der Bierbrauer gerecht zu werden. Das Eintrittsgeld für einen Gesellen, der Meister werden wollte, wurde nunmehr auf 600 Gulden erhöht, wovon jedoch nur die Hälfte der Innungskasse, die andere aber der Herrschaft zufallen sollte. Auch der Besitz eines eigenen Hause wurde nunmehr als unerlässlich festgesetzt, da bei Verlust der Brüderschaft keiner in einem anderen als seinem eigenem Grundstücke Bier füllen und schenken durfte. Auch die Aufnahmegebühren für solche, welche in die Innung hineinheirateten, wurde auf das Vierfache, also auf 100 Mark Silber erhöht. Dagegen wurde die niedrige Gebühr von 6 Groschen für Meistersöhne beibehalten, allerdings aber jetzt auf diejenigen beschränkt, welche geboren waren, als der Vater schon das Meisterrecht besaß, während für die früher Geborenen das Vorrecht nicht weiter in Geltung gelassen wurde. Es ist nun freilich hierbei zu beachten, dass während des XVII. Jahrhunderts überhaupt die Zünfte danach strebten, durch Erschwerung der Eintrittsbedingungen andere als ihre Familienangehörigen von der Aufnahme auszuschließen, allein zu einer so schroffen Monopolisierung des Handwerks, wie die Brauer zu Grätz, dürfte es keine Zunft in Großpolen gebracht haben. In dem damals viel größeren Fraustadt wurde nach dem Statut von 1723 von den Brauern nur ein Aufnahmegeld von 20 Mark verlangt, und selbst in Posen forderten die vornehmsten Innungen nicht mehr als 100 Gulden Eintrittsgebühren.

Die ganze mit Glück durchgeführte Tendenz, Fremden den Eintritt in die Innung zu erschweren, wäre bedeutungslos gewesen, wenn nicht in Gemeinschaft mit derselben die Innung das zweite Ziel verfolgt hätte, nach und nach die Nichtinnungsmitglieder von dem Brauereibetrieb auszuschließen und sich ein Monopol für denselben zu verschaffen. Zunächst scheint demzufolge in der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts die Einrichtung der Halbbrüder abgeschafft worden zu sein; wenigstens sind solche in dem Statut von 1660 nicht mehr erwähnt. Dagegen war des damals nicht gelungen, die Bürgerschaft vollkommen von dem Betrieb der Brauerei auszuschließen; wenigstens hebt das Statut noch hervor, dass jeder Bürger, welcher ein eigenes Malzhaus besitze, dies benutzen dürfe; doch schein es sich hier nur um Hausbrau gehandelt zu haben, das das Malzverkaufen an andere und das Brauen für Fremde bei strenger Strafe verboten wurde. Auch durften die Bürger Brauknechte nicht höher besolden, als dieselben in den eigentlichen Brauereien besoldet wurden, um sie diesen nicht zu entziehen.Nur dem Schützenkönig wurde das Recht des Brauereibetriebes zum Verkauf altem Brauche zufolge noch gewahrt. Allein auch diese noch gebliebenen Rest der allgemeinen Braugerechtsame der Bürgerschaft wusste die Innung in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts zu beseitigen und ein direktes Verbot des Brauens in privaten Brauhäusern bei der Grundherrschaft durchzusetzen. In dem Zusatzstatut von 1686 heißt es ausdrücklich, dass kein Bürger, welcher mit der Innung keine Gemeinschaft habe, sich untersagen dürfe, sein eigenes Malzhaus zu besitzen. Diejenigen also, welche sich solche angekauft hätten und keine Mälzer seien, sollten sie sogleich an Innungsmitglieder verkaufen oder in andere Häuser verändern, bei Strafe der Konfiskation zu Gunsten der Grundherrschaft. Auch dem Schützenkönig entwand man seine Gerechtsame, indem man ihn anwies, sein Recht an denjenigen Mälzer zu verkaufen, welcher ihm an der Scheibe der nächste war. Wollte er dies nicht, so musste er sich gewisse Beschränkungen gefallen lassen.

In diesem Zustand des strengsten Monopols zu Gunsten der Innung befand sich das Grätzer Brauwesen ein und ein halbes Jahrhundert bis zur Beschränkung der Innungsrecht zu preußischer Zeit.

Deutlich aber zeigen auch die Statuten, dass die Innung diese wichtigen ihren Nahrungsstand sichernden, die Freiheiten der Bürgerschaft aber schmälernden Rechte nicht ohne schwere Opfer der Grundherrschaft gegenüber durchgesetzt hatte. Während 1601 von besonderen Abgaben der Innungsmitglieder an dieselbe noch nicht die Rede ist, wird 1660 bereits von einer Mühlenabgabe berichtet, welche im Jahre 1686 wesentlich erhöht wurde, und zwar auf 8 Fl. für jedes zu einem Gebräu nötige Malz und überdies für die Mühlpferde 1 Viertel Hafer und 6 Groschen bei einem jeden halben Gebräu (3). Allerdings werden diese Abgaben als Entgelt für die Benutzung der herrschaftlichen Malzmühle aufgeführt, indessen folgt doch aus der Höhe der Summe, dass in ihr zugleich eine Gewerbsabgabe enthalten war, was übrigens bei den späteren Ablösungsverhandlungen sowohl die Grundherrschaft wie die Innung ohne weiteres zugestand. In Verbindung mit dem Charakter der Abgabe stand die Zwangsbenutzung der herrschaftlichen Malzmühle durch die Grätzer Bierbrauer. Die Einfuhr fremden Malzes war verboten, widerrechtlich eingebrachtes verfiel mit Pferd und Wagen, und der Eigentümer hatte noch 30 Mark Strafe zu zahlen, von der 1/3 der Kirche, 1/3 der Grundherrschaft und 1/3 dem Magistrat der Stadt anheimfiel. Dass die Grundherrschaft seit 1686 auch die Hälfte des Eintrittsgeldes bei fremden Gesellen, welche in Grätz Meister werden wollten, bezog, ist schon erwähnt worden. Allerdings war ein solcher Fall wohl sehr selten, was man auch daraus erkennt, dass sie später bei der Ablösung auf eine Kapitalisierung dieses Einkommens gutwillig verzichtete. Ausdrücklich behielt sich die Grundherrschaft auch vor, musikalisch beanlagte Mitglieder der Innung, wenn sie wollte, unentgeltlich zum Musizieren zu sich bestellen zu dürfen.

Piwo Grodziskie – Bildquelle : http://www.brauwesen-historisch.de/Polenverl1.html

Mit dem Bier selbst scheint während des XVII. Jahrhunderts ebenfalls eine Veränderung vorgegangen zu sein. Man hörte wohl bald auf, zwei verschiedene Biere zu brauen; wenigstens wird später immer nur von einer Art Bier gesprochen. Es wurde dies aber nicht mehr, wie am Anfang des XVII. Jahrhunderts, aus reinem Weizenmalz hergestellt, sonder erhielt einen Zusatz von Gerste. Im Jahre 1660 wurden zu einem Gebräu 5 Scheffel Weizenmalz und 2 Scheffel Gerstenmalz verwendet, und sogar die Erlaubnis erteilt, wenn einmal der Weizen nicht geriete, nur aus Gerste zu brauen. Im Jahre 1686 war man von dem größeren Gerstenzusatz wieder abgekommen und braute zu 6 Scheffel Weizenmalz nur 1 Scheffel Gerstenmalz ein. Nach wie vor aber galten strenge Strafbestimmungen für Nachlässigkeit der Betrügereien bei der Brautätigkeit.

Der Ausschluss der Laien vom Brauereibetriebe und die Beschränkung desselben auf einige Familien, bei denen er von Vater auf Sohn überging, übte naturgemäß einen günstigen Einfluss auf die Vervollkommnung der Technik, und es dürfte keine zufälliges Zusammentreffen sein, dass aus der Zeit, in welcher die Innung den Alleinbetrieb ihres Handwerks durchsetzte, auch die ältesten Nachrichten darüber stammen, dass das Grätzer Bier ein beliebtes Exportbier für Großpolen geworden war.

Die älteste mir bekannte Urkunde, aus welcher hervorgeht, dass das Grätzer Bier die Grenzen seiner Heimat überschritten hat, stammt vom Jahr 1671 und befindet sich in dem Innungsbuche der Hutmacher von Fraustadt (4). Dieselbe lautet: „Anno 1761 den 6. Januarii. Ist bey E.E. und Lobl. Gewercke auch vor offener Laden einhellig beschlossen worden, dass kein Miester, welcher alhier wohnen thut, von einem alten Hutte zu färben nicht weniger nehmen soll zu Lohne als 12 gr. polnisch. Solte aber einer oder der ander betroffen werden, der weniger nehme und disem, wass alhier beschlossen ist worden, zuwieder lebte, der sol zur Straffe schuldig seyn eine Thonne Grätzer Bier.“ Außerdem wird von derselben Innung, allerdings nach einer nicht ganz verbürgten Nachricht gemeldet, dass sie in ihr Statut vom Jahre 1679 die Bestimmung aufgenommen habe: jeder neu aufzunehmende Meister solle ein Tonne voll Polnisch Grätzer Bier geben und eine gute Mahlzeit machen (5). Einige Jahre jünger ist die erste Nachricht über den Export des Grätzer Bieres nach der Stadt Posen. Aus dem Jahre 1694 ist nämlich eine Ausgaberechnung eines Posener Innungsältesten Bartholomeus Slpczynski, der wohl in einer Prozess-Sache mit einer staatlichen Kommission zu verhandeln hatte, erhalten (6), worin sich 4 Posten auf das Grätzer Bier beziehen, nämlich:

  • Für ein Maaß Grätzer Bier 7 Groschen
  • Zwei Maaß 14 Groschen
  • Den Trägern, welche das Grätzer Bier herführten 15 GroschenSeiner Gnaden dem Herrn Tzlewski für ein Faß Grätzer Bieres, welches er Seiner Gnaden dem Herrn Barczewski, derzeitigem Präsidenten der Kommission überbrachte 15 Gulden

Aus diesem Rechnungsauszug ergibt sich nun aber auch schon, dass das Grätzer Bier, da es zum Geschenk für Standespersonen verwandt wurde, für ein besonders gute Bier gehalten wurde, außerdem, dass es ein sehr teures Bier war, indem es nämlich mit 15 Gulden pro Faß bezahlt wurde, während zu derselben Zeit eine Tonne einheimischen Bieres in Posen nur 5-6 Gulden galt.

Schließlich dürfen wir zu den Nachrichten über den Export des Grätzer Bieres im 17. Jahrhundert noch den Beschluß rechnen, welchen die Magistratskollegien der Stadt Posen im Jahr 1712 gefasst haben, dass nämlich beide Bürgermeister der Stadt als Lohn für ihre Mühen und Arbeiten außer dem Fasse Grätzer Bier, das sie schon seit langer Zeit erhielten, halbjährlich 500 polnische Gulden aus der Kämmereikasse empfangen sollten. Auch aus dieser Notiz erkennt man, dass das Grätzer Bier damals ein vornehmes Getränk besonders der höheren Stände gewesen sein muss.

Schließlich sei noch angeführt, dass wir aus einer Urkunde des Jahre 1662 die Namen von 7 Grätzer Brauerfamilien aus dem XVII. Jahrhundert entnehmen können (7). In dem genannten Jahre waren nämlich die Ältesten der Brauerinnung: Thoms Walecki und Mathias Czurel und die Beisitzer Jacobus Parczewski, Johannes Veller, Thomas Voltynowicz, Petrus Socka und Albertus Ciasto.

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  • (1) Kgl. Staatsarchiv zu Posen: Grätz C. 2.
  • (2) Kgl. Staatsarchiv zu Posen: Grätz C. 3.
  • (3) Dieser Betrag wurde bis 1836 erhoben, von da bis zum Jahre 1862 dreißig Pfennig für jeden Zentner geschrotetes Malz, dazu musste der Brauer eigenes Gespann zum Betriebe der Mühle stellen. Erst seit dieser Zeit schafften sich die Brauer in Grätz eigene Malzschrotmühlen an. (Mitteilung des Herrn Brauereibesitzers Bähnisch zu Grätz.)
  • (4) Kgl. Staatsarchiv zu Posen: Dep. Fraustadt d. 304.
  • (5) Posener Provinzialblätter 1888 Nr. 5
  • (6) Kgl. Staatsarchiv zu Posen: Dep. der Stadt Posen. Register der Czopowe Vol. III. Die Rechnung ist in polnischer Sprache geschrieben, der Auszug ist in wörtlicher Übersetzung gegeben.Zeitschrift der Hist. Ges. für die Prov. Posen. Jahrg. VIII.
  • (7) Kgl. Staatsarchiv zu Posen: Dep. Fraustadt B. 156.

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IV. Das Grätzer Bier im XVIII. Jahrhundert. Statistisches über den Export nach der Stadt Posen. – Die Grätzer Brauerei und der Export zu Zeit der preußischen Besitznahme.

Im XVIII. Jahrhundert scheint in ganz Großpolen der Import auswärtiger Biere durch das Grätzer Bier fast vollkommen zurückgedrängt worden zu sein. Wenigstens ist es sicher, dass der Magistrat der Stadt Posen, welcher nach einem Privileg von 1646 das Recht zum Ausschank fremder Biere zum Besten der Stadtkasse erhalten hatte, im XVIII. Jahrhundert dieses Recht fast nur duch die Einfuhr des Grätzer Bieres ausübte. Dasselbe war bei dem Altaristenkollegium der Posener Pfarrkirche der Fall, welches ebenfalls das Recht hatte, in ihrem Psalteriegebäude alle von auswärts her eingeführten Biere auszuschenken, und dieses Recht nur auf das Grätzer Bier anwandte. Da die Rechnungsbücher der Stadt über die Einfuhr des Grätzer Bieres z. T. noch erhalten sind, so gestatten sie ein Schluss sowohl auf die Höhe der Einkünfte der Stadt aus dem Schankrecht, sowie auch auf die Menge des eingeführten Bieres. Die Stadt kaufte das Bier an Ort und Stelle in Grätz und bezahlte es dort in den Jahren 1737-39, wie aus den Rechnungen ersichtlich ist, mit 9-12 Fl. für das Faß, auf Transportkosten wurden noch etwa 3 Fl. gerechnet, und da das Bier an den städtischen Schänker im Rathskeller je nach dem Einkaufspreis mit 17 bis 21 Fl. abgegeben wurde, so entstand für die Stadt von jedem Faß ein Gewinn von 5-7 Fl. Diese Einnahme betrug beispielsweise aus der Periode vom 28. Oktober 1737 bis 4. Oktober 1738 die Summe von ca. 4.302 Fl. von dem Ausschank von 663 Faß (1). In den späteren Jahren scheint sich die Größe der Einfuhr und demnach auch die Höhe der Einnahme etwas verminder zu haben (2).

Über den Betrieb der Brauerei in Grätz selbst fehlen aus dieser Zeit alle Nachrichten. Erst aus dem Jahre 1793, als Grätz mit dem größtem Teile von Großpolen an Preußen fiel, erfahren wir wieder näheres über den Zustand der dortigen Brauverhältnisse.

Die alte Brauerinnung bestand noch mit allen ihren monopolisierenden Rechten (3). Die Anzahl der wirklich brauenden Mitglieder betrug damals 40, das Eintrittsgeld für Brauerlöhne war etwas erhöht worden und zwar auf 2 Thlr. 18 Gr., das für Fremde war immer noch auf der früheren unerschwinglichen Höhe geblieben. Nichtinnungsmitglieder waren vom Brauereibetrieb vollkommen ausgeschlossen. Doch auch unter den Mitgliedern selbst war eine gegenseitige Konkurrenz zur Unmöglichkeit gemacht, indem das sogenannte Reihebrauen eingeführt war. Nur einmal in der Woche wurde nämlich gebraut, und hierzu traten immer 2 Brauer „en compagnie“ zusammen, gewöhnlich wurden hierbei jedesmal 56 Tonnen Bier hergestellt. Über dieses Reihebrauen wurde im Publikum sehr g3eklagt, da man, wenn das Bier schlecht geriet, nirgends besseres bekommen konnte. Die preußische Regierung scheute den Eingriff in die Privatrechte der Brauer und schaffte das Reihebrauen nicht ab, suchte aber durch Herabsetzung der Preistaxe für schlecht geratenes Bier sowie durch Verkaufsverbote für gesundheitsschädliches das Publikum zu schützen. Das Wasser für den Brauereibetrieb wurde fast nur dem alten Brunnen auf dem Markte entnommen, da man dem Wasser desselben die ausschließliche Kraft zuschrieb, dem Biere den spezifischen Geschmack zu verleihen. Über den Umfang des Brauereibetriebes wurde festgestellt, dass im letzten Jahre vor der Besitznahme 3.192 Tonnen zu 36 Garniec gebraut und 1.596 Viertel Weizenmalz verarbeitet worden waren. Die grundherrschaftlichen Einnahmen von den Brauern beliefen sich auf etwa 1.000 Thlr. jährlich und überstiegen den dritten Teil aller Einnahmen, welche die Herrschaft von der Stadt überhaupt bezog. Die gleichzeitigen Berichte stimmen darin überein, die Bierfabrikation für den hauptsächlichen Nahrungszweig der Bürgerschaft der Stadt Grätz anzusehen (4).

Den Organisatoren der für die Krone Preußen neu gewonnenen Provinz fiel die bedeutsame Stellung des Grätzer Bieres unter den Genussmitteln des Landes auf, und es ist von Interesse, dass sie die Beliebtheit desselben benutzten, um für die Kämmereikassen in den bedeutenderen Städten der Provinz eine ständige Einnahme zu erzielen. Durch öffentliche Lizitation wurde nämlich an den die höchste Jahresquote Bietenden das Recht des Alleinverkaufs bzw. Ausschanks des Grätzer Bieres vergeben, und die Einnahme fiel den städtischen Kassen anheim. So wurde in Kosten das Recht des Grätzer Bierausschanks im Jahre 1793 für 6 Thr. 8 Gr., 1796 für 7 Thr. 8 Gr. vergeben, in dem bedeutenderen Fraustadt brachte es  im Jahre 1793 eine Pachtsumme von 37 Thr. 8 Groschen, in dem folgenden Jahre 40 Thr. In Posen wurde mit dem Ausschankrecht zugleich der Rathskeller verpachtet, außerdem hatte der Pächter das Recht, von jedem, der sonst Grätzer Bier in der Stadt schenkte, 12 Groschen für die Tonne zu beziehen. Die Lizitation ergab hierfür im Jahr 1795 eine jährliche Pacht von 550 Thr. Die Höhe der Summe ist daher erklärlich, dass auf eine jährliche Einfuhr von weit über 1.000 Tonnen gerechnet wurde. Bei einer neuen Verpachtung im Jahre 1798 wurden sogar 785 Thr. geboten: doch hat der Pächter im Jahre 1800 um Herabsetzung der Pacht und Freilassung aus dem Kontrakt gebeten und wies nach, dass vom 1. Mai 1798 bis zum 8. März 1800 nur 576 1/2 Tonnen Grätzer Bier eingebracht worden seien.

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  • (1) Kgl. Staatsarchiv zu Posen: Dep. der Stadt Posen. Register der Czopowe Vol. IV.
  • (2) Nach Ehrenberg, Zur Geschichte der geistigen Getränke etc. in Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen I S. 498 betrug diese Einnahme für 1750 – 3.206 Gulden, 1780 – 1.101 Gld., 1789 – 91 jährlich 2.215 Gulden.
  • (3) Aus der Geschichte des Grätzer Bieres nach 1793 hat Ehrenberg a.a.O. aus den Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Posen einige Mitteilungen gemacht, ferner Mendelsohn in der Festschrift zum fünfzigjähren Jubiläum des Naturwissenschaftlichen Vereins der Provinz Posen, Posen 1887 S. 198-201. Außer dem dort benutzten Material sind im Texte noch die Akten des Generaldirektoriums im Geh. Staatsarchiv zu Berlin über Grätz zur Ergänzung herangezogen worden.
  • (4) Holsche, Geographie und Statistik von West-, Süd- und Neuostpreußen (1804) II. S. 271.

V. Die Grätzer Bierbrauerei in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts. Auflösung der Innungsrechte, Ablösung der grundherrlichen Einnahmen, Gründung der privaten Brauereien.

Aktie der Bierbrauerei, datiert 1923 – Bildquelle: http://www.historicstockmarket.com/market/zjednoczone-browary-grodziskie-1000-p-9290.html?language=ch

Erst im Anfange unseres Jahrhunderts begann die Befehdung der Monopolrechte der Brauerzunft, welche zwei Jahrhunderte lang die Herstellung des Grätzer Bieres allein übernommen hatte, welcher freilich aber auch das Verdienst nicht abzustreiten ist, dass sie da Bier zu einem im ganzen Lande beliebten Exportbier gemacht hatte. Als nach der Zeit der Kriegswirren Grätz wieder an Preußen fiel, versuchte man in der Bürgerschaft das Gesetz über die Gewerbesteuer und Gewerbefreiheit von 1810 auch auf den Brauereibetrieb anzuwenden, und im Jahr 1823 traten mehrere Bürger außerhalb der Innung zusammen und fingen an, ebenfalls Grätzer Bier zu fabrizieren. Unterstützt wurde dies dadurch, dass man den alten Brunnen, aus dem die Innungsbrauer das Wasser entnahmen, als städtisches Eigentum betrachtete, und die neuen Brauer sich ebenfalls zur Entnahme des Wassers aus demselben für berechtigt hielten. In dem Prozess, welcher sich hierüber entspann, wurde durch Urteil des Oberappellationsgerichts zu Posen vom 11. August 1826 in dritter Instanz entschieden, dass zwar der Brunnen städtische Eigentum sei, dass aber durch das Gesetz von 1810 die ausschließliche Brauberechtigung der Grätzer Bierbrauerinnung nicht aufgehoben sei (1). In Folge hiervon trat die Innung wieder in ihre alten Monopolrechte ein. Dies änderte sich erst mit dem Erlass des Gesetzes vom 13. Mai 1833 wegen Aufhebung der ausschließlichen Gewerbeberechtigungen in den Städten der Provinz Posen, durch welches das ausschließliche Recht der Zunft ohne Zweifel hinwegfiel. Hierauf bildete sich sogleich eine „neue Brauerinnung„, von welcher sich im November 1837 Carl Bähnisch abzweigte und in Gesellschaft des Bürgers Wilhelm Klose eine besondere Brauerei errichtete. Die „neue Brauerinnung“ pachtete ein früher dem Bernhardinerkloster gehöriges und auf dessen Gehöfte liegendes Brauhaus für 205 Thr. jährlich, konnte aber die Pacht wegen der Konkurrenz des Bähnisch kaum aufbringen, da dieser, wie sie in einem Remissiongesuch ausführte, „die Brauerei so stark exercierte, dass wir in Posen fast gar keinen Absatz mehr finden“ (2). In Folge dessen kündigte die Innung im Jahre 1839 die Pacht des Klosterbrauhauses und löste sich im Lauf der Zeit ebenso wie die alte Brauerinnung, da die Zunftorganisation bedeutungslos geworden war, auf. Seitdem wird die Brauerei zu Grätz nur noch in privaten Brauereien getrieben, die aber sämtlich noch bis in die vierziger Jahre ihr Wasser aus dem alten Brunnen auf dem Markte entnahmen. Nach den letzten im Staatsarchiv befindlichen Berichten (3) aus den Jahren 1843 und 1844 bestanden damals 2 Brauereien, welche mit starkem Betriebe arbeiteten. Im Oktober 1843 wurde eine dritte Brauerei eröffnet, welche aber nicht, wie die anderen, Bier aus Weizenmalz, sondern aus Gerstenmalz herstellt, und auch das Wasser nicht mehr aus dem alten Brunnen entnahm, sondern das Brauhaus im Gasthofe auf dem neuen Markte nebst dem dortigen Brunnen pachtete. Doch gewöhnte sich die Bewohnerschaft der Stadt nicht recht an das Gerstenbier, auch fand ein Export desselben nach auswärts nicht statt, sodass der Betrieb wieder eingestellt wurde.

Aktie der Bierbrauerei, datiert 1923 – Bildquelle: http://www.historicstockmarket.com/market/zjednoczone-browary-grodziskie-1000-p-9290.html?language=ch

Endlich sei noch erwähnt, dass mit der Einführung der Gewerbefreiheit auch eine Ablösung der der Grundherrschaft zustehenden Gerechtsame von der Brauerei erfolgte. Von der Amortisationsrente von 1.200 Thr., welche der Magistrat insgesamt für die Ablösung aller einzelnen der Grundherrschaft zustehenden Einnahmen zu zahlen hatte, waren die Brauer nach dem Resolut der Posener Regierung vom 4. November 1841 mit einer Quote von 37 Thr. 22 Sgr. 3 Pf. in Ansatz gebracht (4). Allerdings gewährte dieses Ablösungsgeschäft den Brauern von Grätz keine materielle Erleichterung, denn da der Magistrat die Ablösungssumme nur durch erhöhte kommunale Steuern aufzubringen vermochte, so wurde ihm gestattet, nicht nur einen Zuschlag von 33 1/3 Prozent auf die Mahl- und Schlachtsteuern sondern auch einen ebensolchen von 100 % auf die Braumalzsteuer (2 Mk. für den zentner) zu legen. Dieser Zuschlag wurde auch mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde weiter erhoben, als die Amortisation beendet war, und da die Brauer außerdem noch an die Stadt eine mit dem Zuschlage gleich hohe Steuer für die Benutzung des oben erwähnten städtischen Brunnens zu zahlen hatten, so fühlten sie sich außerordentlich belastet (5). Indessen führten ihre Klagen und Eingaben nicht zu dem Ziele, dass der Zuschlag der Braumalzsteuer abgeschafft oder auch nur ermäßigt wurde, während die Wassersteuer von denjenigen Brauern gespart wurde, welche sich eigene Brunnen anlegten. Im Jahre 1876 spendeten bereits zwei solche Privatbrunnen Waser, welches sich ebenso geeignet  für die Herstellung des Grätzer Bieres erwies, als das aus dem städtischen Brunnen. Jetzt hat die Entnahme von Wasser aus dem Stadtbrunnen völlig aufgehört, da sämtliche Grätzer Brauereien ihre eigenen Brunnen besitzen.

In den letzten Jahrzehnten begann das Grätzer Bier bekanntlich auch die engeren Grenzen der Heimatprovinz zu überschreiten und ist jetzt ein beliebtes Exportbier auch für fremde Länder geworden. Der Erfolg war eine außerordentliche Steigerung des Brauereibetriebes in Grätz selbst, wie die folgenden Zahlen beweisen:

Es betrug die staatliche Braumalzsteuer bzw. der mit dieser in gleicher Höhe gezahlte Kommunalzuschlag

  • im Jahre 1763 für . . .74.300 Kilo . . . .2.972 Mk.
  • im Jahre 1873 für . .218.600 Kilo. . . . 8.744 Mk.
  • im Jahre 1883 für . .729.050 Kilo . . .29.162 Mk.
  • im Jahre 1892 für . .819.300 Kilo. . . 32.772 Mk.

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  • (1) Staatsarchiv zu Posen: Grätz C. 18.19.
  • (2) Staatsarchiv zu Posen: Grätz C. 30.
  • (3) Staatsarchiv zu Posen: Grätz C. 74a.
  • (4) Staatsarchiv zu Posen: Grätz c. 20.
  • (5) Drucksachen des Hauses der Abgeordneten. 13. Legislaturperiode. 1 Session 1877 Nr. 149.

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