Bedingungen welche der Vergabe des Baues eines Kranken- und Gefangenenhauses in der Stadt Neutomischel im Jahre 1883 zu Grunde gelegt wurden

Das ehemalige Hospital und Gefängnisgebäude heute als Wohnhaus genutzt - Eigenaufn. 2011

Vor 129 Jahren – 1883 – liefen die Vorbereitungen für den Bau eines „neuen“ Kranken- und Gefangenenhauses ihrer Entscheidung entgegen. Leider haben wir die Bauzeichnungen nach denen letztlich die Errichtung erfolgte, nicht auffinden können; und es ist uns nicht gelungen zu finden, wo bis zur Fertigstellung dieses Neubaus diese Einrichtungen untergebracht waren.

In diesem Teil geht es noch um die Bedingungen, die an die Bauunternehmer seitens der Stadt Neutomischel gestellt wurden, um den Zuschlag des Bauauftrages zu erhalten. 5 Unternehmer haben ihr Gebot abgegeben, der Entscheid der Vergabe muss nun durch die Stadtverordneten-Versammlung getroffen werden.

Auf dem Bild links ist das Gebäude wie es heute aussieht zu sehen, es hat, nachdem es die eigentliche Bestimmung als Kranken- und Gefangenenhaus verlor, einige Umbauten erfahren und wird heute als Wohnhaus genutzt.

Die Bedingungen wurden wie folgt formuliert:

I. Im Allgemeinen

1. Die Vergabe erfolgt in Enterprise im Wege der Minuslicitation an den Mindestfordernden nach Maßgabe der Jacob’schen Zeichnung und des dazu gehörigen Anschlages incl. der Lieferung des Materials. Ausgeschlossen von der Vergabe der Titel X insgemein.

2. Das Material muss von bester Beschaffenheit sein und die Arbeit gut und dauerhaft ausgeführt werden. Der Unternehmer unterwirft sich dieserhalb des Urtheils der Baukommission, sowie er überhaupt verpflichtet ist, deren Anweisung Folge zu leisten.

3. Der Bau muss so gefördert werden, dass er noch in diesem Jahre unter Dach gebracht und bis 1. Mai 1884 fertig gestellt wird. Sollte der  Unternehmer dieser Verpflichtung nicht genügen, so ist die Baukommission berechtigt von ihm eine Konventionalstrafe von fünfhundert Mark von ihm zu fordern und sich dieser Betrag von der zu zahlenden Bausumme in Abzug zu bringen. Sollten nach Ansichten der Baukommission Witterungsverhältnisse es unmöglich machen den Bau in der angegebenen Zeit fertig zu stellen, so ist die Baukommission berechtigt die Fristen zu verlängern.

4. Sollten während des Baues seitens der Baukommission Änderungen gewünscht werden, die auf den Kostenpreis ohne Einfluss sind, so ist der Unternehmer verpflichtet solche auszuführen. Mehr- oder Minderarbeiten dürfen nur nach vorangegangener Vereinbarung mit der Baukommission zur Ausführung kommen, resp. stattfinden und erfolgt die Berechnung des Preises dafür nach Verhältnis der Übernahmesumme

5. Die Zuschlagserteilung wir der Stadtverordneten-Versammlung vorbehalten, bis diese erfolgt ist, bleiben die drei Mindestfordernden an ihre Gebote gebunden. Die Abtretung des Geschäfts an Dritte darf ohne Genehmigung der Baukommission nicht stattfinden.

6. Bei vorausgesetzter quicklicher und gewissenhafter Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen und anschlagsmäßiger Ausführung des Baues erfolgt die Zahlung der bedungenen Baugelder wie folgt:

  • a) wenn die Hälfte der diesjährig auszuführenden Arbeiten geliefert ist, drei Zehntel des Werths dieser Arbeiten
  • b) wenn das Gebäude unter Dach gebracht ist, wiederum drei Zehntel des Werths dieser Arbeiten und
  • c) nach Fertigstellung des Baues nochmals drei Zehntel des Werths dieser Arbeiten
  • d) den Rest nach erfolgter Abnahme des ganzen Baues, die innerhalb sechs Monate nach der Fertigstellung erfolgt sein muss. Als abgenommen wird der Bau erst dann betrachtet, wenn die Stadtverordneten-Versammlung der Baukommission Decharge geleistet hat.

7. Für Alles, was als tadelhaft nicht abgenommen, wird keinerlei Vergütung geleistet und muss der Unternehmer Ersatz durch gute Arbeit und vorschriftsmäßiger Lieferung bewirken, falls die Baukommission nicht anordnet, dass sie auf seine Gefahr und Kosten anderweit bewirkt wird

8. Etwa eintretende Streitigkeiten zwischen der Baukommission und dem Unternehmer darüber, ob die Leistungen und Lieferungen nach dem Anschlage, der Zeichnung und den gestellten Bedingungen ausgeführt worden sind, entscheidet der von der Baukommission zu wählende Königliche Kreisbaubeamte. Die dadurch entstehenden Kosten trägt der unterliegende Theil

9. Die Abnahme des vollendeten Baues erfolgt, wenn dies die Baukommission verlangt, durch einen Königlichen Kreisbaubeamten, dessen Wahl der Baukommission zusteht. Die dadurch entstehenden Kosten trägt die Stadtcommune

10. Alle noch nöthig werdenden Zeichnungen Berechnungen hat sich der Übernehmer auf seine Kosten zu beschaffen und solche der Baukommission zur Genehmigung vorzulegen

11. Die Kontraktsstempel und Publikationskosten hat der Übernehmer allein zu tragen.

II. Im Speziellen

a) für die Maurerarbeiten: die zu verwendenden Mauersteine müssen I. Klasse gut gebrannt und derartig sein, dass der Bau als Rohbau ausgeführt werden kann. Der Baukommission bleibt vorbehalten, darüber zu entscheiden, ob dieser Verpflichtung genügt wurde. Um Luftventilation herzustellen, müssen besondere russische Rohre bis über das Dach hinaus angebracht werden.

b) für die Zimmerarbeiten: die zu verwendenden Hölzer müssen frei von Baumborke und möglichst trocken sein. Zu den Fußböden, Treppen und Trägern darf nur ganz trockenes kerniges Material genommen werden und die Bretter zu den Fußböden müssen möglichst astfrei sein, auch hier bleibt der Baumkommission vorbehalten darüber zu bestimmen, ob das zu verwendende Material gut und tadelfrei ist.

c) für die Tischlerarbeiten: das zu verwendende material muss gut, also trocken, kernig und möglichst astfrei und auch die Arbeit tadellos sein. Ob dieser Verpflichtung genügt wurde unterliegt dem Urtheil der Baukommission

d) für die Schlosserarbeiten: die anzubringenden Schlösser müssen eigens gemacht sein. Die Einsteckschlösser müssen mit gesägter Besatzung, die Kastenschlösser mit einer Mittelleiste versehen sein. Bei den Aufsatzbändern muss der Riegel auflaufen. Der Baukommission bleibt es überlassen zu bestimmen, wo Einsteckschlösser und wo Kastenschlösser genommen werden sollen.

Die Beschläge der Gefängnisthüren müssen denen der hiesigen Gerichtsgefängnisthüren ähnlich sein. Besondere Vergütung bezüglich dieser Änderungen wird nicht gewährt.

e) für die Dachdeckerarbeiten: die zu liefernden Dachsteine müssen gute Sorauer, oder diesen ähnliche Steine, sein. Vor der Lieferung müssen der Baudeputation Proben vorgelegt werden.

f) für die Anstreicherarbeiten: sämtliche Fenster und Fensterrahmen müssen vor dem Einsetzen mit heißem Öl grundiert werden, auch von außen. Nach erfolgter Abputzung des Gebäudes nochmals lackiert werden.

Vorgelesen und angenommen im Licitationstermin –  Neutomischel, den 17. September 1883.

Als Bauherren haben sich beworben: 

1. Herr August Schiller aus Neustadt b Pinne – würde für die Anschlagssumme annehmen

2. Herr  Jacob vermutlich Karl nach den Unterschriften  (Jacob wäre doppelt) aus Bentschen – 1/10 % unter dem Anschlag

3. Herr Kleemann aus Bentschen – 1/9 % unter dem Anschlag

4. Herr Eduard Richter – 1 % unter dem Anschlag

5. Herr Jacob – 2 % unter dem Anschlag

Weitere Gebote wurden nicht abgegeben, die Verhandlung deshalb geschlossen

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Quelle:

Archiwum Państwowe w Poznaniu – Fond: Akta miasta Nowy Tomyśl [Stadtakten]  http://szukajwarchiwach.pl/53/4385/0/1.4/68  [Die Nutzung und Unterhaltung des Grundstücks Neutomischel Nr. 44- Krankenhaus pp.]