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Lebensumstände in Neutomischel und Umgegend – 1904

Blick in die Hinterstraße - Postkarte aus der Sammlung des Wojtek Szkudlarski [1]

Blick in die Hinterstraße – Postkarte aus der Sammlung des Wojtek Szkudlarski

Dieses ist der 2te Teil des durch den damaligen Kreisarzt Dr. Buddee erstellten Berichtes über die hygienischen Verhältnisse in der Stadt und Umgebung von Neutomischel im Jahr 1904. Im 1sten Teil [2] wurde ja berichtet, dass allein schon das Klima eine Hauptursache für die schlechten Gesundheitsverhältnisse war.

In diesem Teil geht man dann auch nochmals auf den eingangs erwähnten Umstand ein, dass die in den Häusern durch den hohen Grundwasserspiegel und die fehlenden Isolierungen in den Gebäuden bestehende Feuchtigkeit ungesund gewesen sei.

Lebensumstände, vermutlich aus bestehender großer Armut resultierend, die verhinderten das Häuser repariert wurden und einstürzten, oder dass eine nachträgliche Isolierung von Häusern vorgenommen werden konnte, sind in dem Bericht unberücksichtigt.

Das fehlende Wissen der Hygiene, denn diese rückte ja gerade erst in das Bewusstsein der Menschen, ebenso wie das Beispiel der Beschreibung des Lebens der Arbeitnehmer hat den Bewohnern der Stadt und des Haulandes in jener Zeit sicherlich aber mehr geschadet, als das attestierte „schädliche Klima“.

Und … diese Zustände wurden vor erst 109 Jahren beschrieben !

von einigen unserer Leser, war es das Leben der Eltern oder Großeltern, dass hier beschrieben wurde.

* * *

Der Allgemeine Charakter der menschlichen Wohnungen der beschrieben werden sollte, wurde von Dr. Buddee wie folgt kommentiert:

meist massive Häuser: in den Nebengassen finden sich auch noch Holzhäuser. Überall haben die Häuser unter der Bodenfeuchtigkeit zu leiden, sodaß das unterste Stockwerk fast durchweg keine gesunden Wohnräume abgibt. Neuere mit Isolierschicht und Hochparterre gebaute Häuser sind etwas besser dran. Baupolizeiliche Vorschriften von gesundheitlicher Bedeutung gab es hierzu nur die allgemeinen.

Dr. Buddee hielt es für wünschenswert, daß generell für alle Neubauten eine starke Isolierschicht vorgeschrieben und Erhöhung bzw. Auffüllung des Bauplatzes empfohlen werden würde.

Hinterstraße in Höhe der evgl.-Luth. Kirche und des Pfarrhauses, um 1895 - Bild Maennel Archiv [3]

Hinterstraße in Höhe der evgl.-Luth. Kirche und des Pfarrhauses, um 1895 – Bild Maennel Archiv

Vorgänge mit Bezug auf gesundheitswidrige Wohnungen, beschrieb der damalige Kreisarzt wie folgt:

Unter dem Punkt der Frage nach Massenwohnungen; Schlafstellen- und Kostgängerwesen findet sich in dem Bericht:

Den hygienischen Anforderungen einigermaßen entsprechend sind fast gar keine Schlafstellen. Die meisten sind sogar recht schlecht; entweder auf freiem Boden, zu eng, zu dunkel, im Sommer zu heiß, im Winter zu kalt, gegen Zug nicht geschützt.

Blick vom Neuen Markt in Richtung Friedhofgasse - deutlich erkennbar die "kleinen" Häuschen früherer Zeit - Bildausschnitt [4]

Blick vom Neuen Markt in Richtung Friedhofgasse – deutlich erkennbar die „kleinen“ Häuschen früherer Zeit, vor diesen von rechts nach links im Gefälle muss eine der Abwasserrinnen verlaufen sein – Bildausschnitt

Besonders schlecht sind die Schlafstellen der Gesellen pp. bei den Bäckern; sie bestehen z. T. aus dunklen, feuchten Kellergelassen, die noch zu allerhand anderen Zwecken – Aufbewahrung von Mehl, Gemüsen pp. – benutzt werden, z. T. aus dunklen, engen Räumen, die man nur als kleine Löcher bezeichnen kann.

Im Jahr 1904 als dieser Bericht verfasst worden war, also vor nur 109 Jahren, gab es in der Stadt selbst genauso wenig wie auf den Dörfern eine Kanalisation. Von Dr. Buddee wurden die damals herrschenden Zustände wie folgt „um“schrieben:

Die Art der Behandlung der unreinen Abgänge auf den Grundstücken in den Ortschaften ist dahingehend, dass diese auf die Dungstätten oder in die Abortgruben kommen. Es gibt hier zwar einen mit Saugevorrichtung versehenen Abfuhrwagen; derselbe wird aber zu wenig benutzt. Die Bestimmung, daß in anderen Wagen nur nachts Grubeninhalt fortgeschafft werden darf, wird ebenfalls sehr oft übertreten, was sich für die Bewohner sehr unangenehm bemerkbar macht.

Zu den Schmutzwasser – Leitungen, Rinnsteinen und den geschlossenen Kanälen stellte der Arzt dann folgendes fest:

Der das Haus von Otto Maennel in der Goldstraße durchbrechende Canal resp. Graben ist hochgradig verunreinigt. Die Dung- resp. Abortgruben entleeren z. T. ihre Jauche hinein, die Grabenwände sind zum Teil eingefallen, auch von den Häusern, Ställen etc. sind Steine und Putz hineingefallen. Der Zustand in dem eng verbauten Teil des Grabens zwischen Maennel und Knoll ist fürchterlich. Ebenfalls ist der zwischen Kupczyk und Gärtner verlaufende Graben stark verunreinigt. Beide Nachbarn sind z. T. schuld, doch ist der Graben, da er nicht gepflastert ist, schwer zu reinigen.

 Der alte "Neue Markt" - er gab Grund zur Beanstandung bzgl. des Ablaufs der Abwässer - Bild Stadtbibliothek Nowy Tomysl [5]

Der alte „Neue Markt“ – er gab Grund zur Beanstandung bzgl. des Ablaufs der Abwässer – Bild Stadtbibliothek Nowy Tomysl

Der Verbleib der Schmutzwässer wurde ebenfalls in Recht „anschaulicher“ Form beschrieben

Bezüglich der Straßenreinigung konnte jedoch auch eine erfreuliche Feststellung getroffen werden, denn es fand eine solche allwöchentlich statt; dieselbe ist im allgemeinen ergiebig und gut; sodaß die Stadt fast stets ein sauberes Aussehen hat. Die Reinigung wurde allerdings auch öffentlich versteigert [6]und für den gezahlten Betrag, der Straßendünger wurde seinerzeit noch voll recycelt, achteten die Käufer schon selbst darauf, dass sie die Abfuhr erledigten.  

Die Pflasterung, oder eigentlich das Fehlen derselben wurde wie folgt notiert: 

*** Fortsetzung folgt***

Quelle: Staatsarchiv Poznan – Stadtakten/Akta Miasta Nowy Tomysl 4385/0195 Ortsbesichtigung