Die Verpachtung des auf den Straßen und Marktplätzen entstehenden Düngers 1835 – 1876 … oder

Der Stadtschreier - er verlass durch lauten Ausruf Bekanntmachungen - Bild: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Town_Crier,_Provincetown,_MA.jpg?uselang=de

Der Stadtschreier – er verlass durch lauten Ausruf Bekanntmachungen – Bild: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Town_Crier,_Provincetown,_MA.jpg?uselang=de

 „So wird aus Scheiße Geld „ Es war im Sommer vor 178 Jahren als am 06 Juli 1835 die Herrn Stadträthe erschienen waren und feststellten:  „bisher hat ein jeder wer Lust gehabt hat sich den Dünger an Jahr- und Wochenmarktstagen auf dem Markte und auf den Straßen in hiesiger Stadt zusammengerafft.

Es haben sich indes einige Bürger gemeldet, welche den Dünger pachten wollen, und da wir dadurch eine Einnahme zu unserer Kämmerei Kasse haben werden, so tragen wir dahin an:

Einen Termin zur Verpachtung des Düngers des baldigsten anzuberaumen, welcher durch lauten Ausruf bekannt zu machen ist !“

Wer die besagten „einige Bürger“ waren wurde leider nicht erwähnt, nur ab diesem Zeitpunkt wurde nach dem alten Sprichwort  „Aus Scheiße Geld machen“ auch in Neutomischel verfahren – oder hat der Ausspruch bzw. die Redewendung in dem „Düngerverkauf“ von Städten und Gemeinden sogar seinen Ursprung ?

Bekanntmachung

Auf den Antrag des Stadtraths hier wird zur Verpachtung des durch Abhaltung der Jahr- und Wochenmärkte auf den Marktplätzen und den Straßen hierselbst entstehenden Düngers auf drei hintereinander folgende Jahre als vom Jahr 1835 bis dahin 1838 ein Termin auf den 8ten Juli anberaumt, zu welchem Pachtlustige vorgeladen werden ihre Gebot abzugeben und hat der Meistbietende unter Vorbehalt höherer Genehmigung den Zuschlag zu gewärtigen.

Die Pachtbedingungen konnten im Magistrats-Bureau eingesehen werden; sie lauteten:

I. Die Verpachtung des durch Abhaltung der Jahr- und Wochenmärkte auf den Marktplätzen und auf den Straßen entstehenden Düngergeschäft auf drei hintereinander folgende Jahre nämlich von Johanni 1835 bis Johanni 1838

II. Der Pächter muß die Pacht vierteljährig pränumerando bei Vermeidung der Exekution zur hiesigen Kämmereikasse zahlen

III. Muß Pächter gleichen Tages nach dem abgehaltenen Jahr- oder Wochenmarkte für die Fortschaffung des Düngers sorgen, widrigenfalls 48 Stunden nach dem Markttage solcher auf seine Kosten fortgeschafft werden soll

IV. Pächter muß sämtliche etwa durch die Verpachtung entstehenden Kosten, sowie die Ausfertigung und Bestätigung des Pachtkontraktes allein tragen, und darf solche von der zu zahlenden Pacht nicht in Abzug bringen.

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Hiernächst wurde nun mit der Verpachtung vorgeschritten und wurden folgende Gebote abgeben:

  1. Gottlieb Mentzelxxxxx 1 Taler
  2. Friedrich Thomasx xxx 1 Taler 5 Silbergroschen
  3. Gottlieb Mentzelxxxxx 1 Taler 7 Silbergroschen 6 Pfennige
  4. Friedrich Thomasx xxx 1 Taler 10 Silbergroschen
  5. Gottlieb Mentzelxxxxx 1 Taler 12 Silbergroschen 6 Pfennige
  6. Christian Dekert xxxxx 1 Taler 15 Silbergroschen
  7. Gottlieb Mentzelxxxxx 1 Taler 20 Silbergroschen
  8. Friedrich Thomasx  xxx1 Taler 22 Silbergroschen
  9. Christian Dekertx xxxx 1 Taler 24 Silbergroschen
  10. Gottlieb Mentzelxxxxx 1 Taler 26 Silbergroschen
  11. Christian Dekertxx xxx 2 Taler
  12. Friedrich Thomasx xxx 2 Taler 5 Silbergroschen
  13. Gottlieb Huebnerx xxx 2 Taler 10 Silbergroschen
  14. Samuel Hirsekornxxxx 2 Taler 11 Silbergroschen
  15. Christian Dekertxx xxx 2 Taler 12 Silbergroschen
  16. Gottlieb Huebnerxxxxx 2 Taler 15 Silbergroschen
  17. Benjamin Schmidtxxxx 2 Taler 17 Silbergroschen 6 Pfennige

Die übrigen Lizitanten treten nunmehro von dem weiteren Bieten ab und es blieb hiernach der Benjamin Schmidt hierselbst mit dem höchstliegen Pachtgebote von zwei Talern siebenzehn Silbergroschen sechs Pfennige Meistbietender und wird nun über den Zuschlag befunden werden

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Markttag mit zahlreichen Fuhrwerken, an seinem Ende musste der Dünger beseitigt werden - Bild: Fam. Goldmann

Markttag mit zahlreichen Fuhrwerken, an seinem Ende musste der Dünger beseitigt werden – Bild: Fam. Goldmann

Und so ging es nun fort: 1844-1847 steigerten Johann Tepper, Dienegott Protsch, Carl Riediger, Gottlieb Huebner und Friedrich Fechner aus Glinau in 63 Geboten, 1847-1850 erfolgten 44 Gebote durch Dienegott Protsch und Gottlieb Hübner – Fleischermeister, 1850-1853 waren  es Carl Handtke, Carl Xenodochius, Heinrich Hartmann und wieder Gottlieb Huebner, die Ihre Gebote abgaben.

Die Kämmereikasse Neutomischel verzeichnete ab dem ersten Jahr der Verpachtung eine nunmehr kontinuierlich steigende Einnahme …

  • 1835 – 1838 – Pächter Benjamin Schmidt 2 Taler 17 Silbergroschen – 6 Pfennig
  • 1844 – 1847 – Pächter Gottlieb Huebnerx 5 Taler
  • 1847 – 1850 – Pächter Gottlieb Huebnerx 9 Taler 1 Silbergroschen
  • 1850 – 1853 – Pächter Gottlieb Huebnerx 6 Taler 1 Silbergroschen

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Mit der Vergabe für die Pachtzeit von 1853 – 1856 tritt eine veränderte Formulierung in Kraft. Nun findet sich, dass man die Versteigerung weniger für die „Erlangung einer Einnahme für die Communal-Casse als vielmehr für die Erreichung der möglichsten Reinlichkeit auf den Plätzen der Stadt“ anberaumen würde.

Hatten die Pächter bis dahin „nur“ ihren Dünger, für den sie ja bezahlten, von den Plätzen zu beseitigen, stellte die Stadt nun weitere Bedingungen an die Pacht:

… der Pächter ist nun verpflichtet den Alten und den Neuen Markt und soweit dass die Posener und Wollsteiner Straße den ersteren begrenzen, die Hälfte dieser Straßen nebst den Rinnsteinen in gehörigen reinlichen Zustande zu erhalten, insbesondere stets spätestens im Laufe des nächsten Vormittags nach jedem abgehaltenem Jahr- oder Wochenmarkt, und an jedem Sonnabend die Marktplätze gehörig abzufegen und den gesammelten Dünger sofort abfahren zu lassen. Das auf dem Steinpflaster wuchernde Gras, ist Pächter ebenfalls wegzuschaffen verpflichtet. Bei entstehendem Tauwetter muss Pächter die Rinnsteine seines Pachtreviers von Schnee und Eis räumen lassen, um dadurch dem sich sammelnden Wasser Abfluss zu verschaffen

Aber der „Dünger“ war wertvoll; auch diese zusätzlichen Auflagen schreckten die Interessierten an der zu vergebenen Pacht nicht ab.

Auch auf dem Alten Markt wurden zahlreiche Pferdefuhrwerke abgestellt, und es galt im nachhinein den entstandenen Dünger zu beseitigen - AK aus Sammlung des Wojtek Szkudlarski

Auch auf dem Alten Markt wurden zahlreiche Pferdefuhrwerke abgestellt, und es galt im nachhinein den entstandenen Dünger zu beseitigen – AK aus Sammlung des Wojtek Szkudlarski

1853-1856 waren es Michael Bonn, Franz Palitzki, Gottlieb Hübner, Ferdinand Unger die boten;, nach 14 Geboten ging der Zuschlag an Ferdinand Unger, Gastwirth für 6 Taler, 7 Silbergroschen, 6 Pfennige

1856-1859 waren es Kaufmann C. J. Dampmann, Apotheker Eduard Weiss, Färbermeister Samuel Hakus, Sattlermeister Adolph Thiele, Färbermeister Gottlieb Krönert; der Zuschlag ging an letzteren, den Färbermeister Gottlieb Krönert für 16 Taler, 20 Silbergroschen

1859-1862 es war nun noch die Ergänzung der Stadt vorgenommen worden, dass der Pächter bei trockenem Wetter „… zur Verhütung der Belästigung des Publicums durch Staub, die zu fegenden Straßen vorher gehörig mit Wasser zu sprengen“ habe. Für diese Pachtzeit boten die Färbermeister Kroenert und Hakus, ersterer erhielt den Zuschlag für  5 Taler 20 Silbergroschen.

Die Stadt war nun vermutlich „sauberer“ als vorher, bei Weiterführung der Aufstellung zeichnet sich jedoch ein „herber“ Einnahmeverlust für die Stadtkasse ab:

  • 1835 – 1838 – Pächter Benjamin Schmidt 02 Taler 17 Silbergroschen – 6 Pfennig
  • 1844 – 1847 – Pächter Gottlieb Huebnerx 05 Taler
  • 1847 – 1850 – Pächter Gottlieb Huebnerx 09 Taler 1 Silbergroschen
  • 1850 – 1853 – Pächter Gottlieb Huebnerx 06 Taler 1 Silbergroschen
  • 1853 – 1856 – Pächter Ferdinand Ungerx o 6 Taler 7 Silbergroschen 6 Pfennige
  • 1856 – 1859 – Pächter Gottlieb Kroenert 16 Taler 20 Silbergroschen
  • 1859 – 1862 – Pächter Gottlieb Kroenert 05 Taler 20 Silbergroschen
  • 1862 – 1865 – Pächter Gottlieb Kroenert 04 Taler 15 Silbergroschen

Dieser „Einnahmeverlust“  wäre eine Erklärung dafür, dass nun wiederum die Pachtmodalitäten geändert wurden. Die Pachtzeit wurde auf 2 Jahre reduziert und das „Pachtgebiet“ wurde gesplittet.

Für den Zeitraum 1866 – 1868 stellte sich das Angebot an Interessierte seitens der Stadt wie folgt dar:

  • a) die östliche Hälfte des Alten oder Kirchenmarktes
  • b) die westliche Hälfte desselben
  • c) die nordöstliche Hälfte des Neuen Marktes, bei welcher die quer durchschneidende Hauptstraße die Grenze bildet
  • d) die andere südwestliche Hälfte des Neuen Marktes

Zur Versteigerung fanden sich ein: Fleischermeister Peter Weinert, Productenhändler Heinrich Scheibe, Tischlermeister Wilhelm Richter, die Frau Färbermeister Kroenert im Auftrage ihres Ehemannes und das Fräulein Clara Hakus im Auftrage ihres Vater

Die Stadt vergab die Pachten an den Meistbietenden wie folgt:

  • a) Tischlermeister Wilhelm Richter für 21 Silbergroschen, der diesen ersteigerten Anteil jedoch umgehend an den Färbermeister Hakus abtratt
  • b) Fräulein Färbermeister Hakus für 2 Taler und 8 Silbergroschen
  • c) Frau Färbermeister Kroenert für 1 Taler und 5 Silbergroschen
  • d) Frau Färbermeister Kroenert für 2 Taler und 15 Silbergroschen

Der Ertrag für die nunmehr auf 2 Jahre vergebene Pacht belief sich nun für die Stadt  finanziell auf 5 Taler und 59 Silbergroschen.

Für 1869 -1871 wurde die Pacht für a) und b) wiederum an Färbermeister Hakus für 6 Taler und 15 Silbergroschen und die für c) und d) an Färbermeister Kroenert für 24 Taler und 15 Silbergroschen vergeben. An der Versteigerung hatten teilgenommen Bäckermeister Carl Sperling, Färbermeister Samuel Hakus, Färbermeister Gottlieb Kroenert, Müllermeister Christoph Rausch, Maurermeister Wilhelm Lutz, Gasthofbesitzer Franz Palitzki, Bäckermeister Alexander Kannewischer, Müllermeister Samuel Arlt, Müllermeister Samuel Bincke, im Nachgang Pauline Scheibe, Kaufleute Friedländer

Ähnlich verhielt es sich für die Jahre 1872 – 1874, a) und b) gingen an Färbermeister Hakus für 10 Taler und 15 Silbergroschen und c) und d) an Färbermeister Kroenert für 15 Taler nachdem sich die weitere Interessierte Gasthofbesitzer Palitzki aus der Versteigerung zurückgezogen hatte

  • 1835 – 1838 – Pächter Benjamin Schmidtxxxx 02 Taler 17 Silbergroschen – 6 Pfennig
  • 1844 – 1847 – Pächter Gottlieb Huebnerxxxxx 05 Taler
  • 1847 – 1850 – Pächter Gottlieb Huebnerxxxxx 09 Taler 1 Silbergroschen
  • 1850 – 1853 – Pächter Gottlieb Huebnerxxxxx 06 Taler 1 Silbergroschen
  • 1853 – 1856 – Pächter Ferdinand Ungerxxxxx o6 Taler 7 Silbergroschen 6 Pfennige
  • 1856 – 1859 – Pächter Gottlieb Kroenertxxxxx 16 Taler 20 Silbergroschen
  • 1859 – 1862 – Pächter Gottlieb Kroenertxxxxx 05 Taler 20 Silbergroschen
  • 1862 – 1865 – Pächter Gottlieb Kroenertxxxxx 04 Taler 15 Silbergroschen
  • 1866 – 1868 – Pächter Hakus und Kroenertx x 05 Taler 59 Silbergroschen
  • 1869 – 1871 – Pächter Hakus und Kroenert xx 30 Taler 30 Silbergroschen
  • 1872 – 1874 – Pächter Hakus und Kroenertx x 25 Taler 15 Silbergroschen
Eine aus Lehm errichtete Fachwerkwand - Bild: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lehm_ausfachung.jpg

Eine aus Lehm errichtete Fachwerkwand – Bild: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lehm_ausfachung.jpg

Hatte man vorher für 6 Pachtjahre eine Einnahme von annähernd 10 Taler gehabt, so war diese nun auf mehr als 60 Taler gesteigert worden.

Aber nicht Alles verlief positiv. Das war zum Beispiel der Winter 1874/1875. Der Pachtinhaber Färbermeister Kroenert sah sich gezwungen mit der Bitte um Pachtermäßigung an die Commune heranzutreten, da  „… durch den fortwährenden Schnee, welcher bis jetzt dort liegen blieb“ er „jedoch behindert“ war „ von der Nutzung des Düngers Gebrauch zu machen. Dazu kommt noch, dass, da nun der Schnee getaut ist, derselbe Markt voll Wasser steht und noch nicht voraus gesehen werden kann, wann dieser üble Umstand ein besserer werden wird, da es für das Wasser hier keinen Abfluss gibt und es lediglich eintrocknen muss …“  Mal davon abgesehen, dass es besser ist sich den Zustand des Neuen Marktes nach dieser Beschreibung nicht näher vorzustellen, fand sich, dass die Stadt veranlasste die volle Bezahlung des Pachtbetrages zu verlangen.

Im Jahr 1876 war es der „Hoffmann“ durch den sich der Pächter Färbermeister Kroenert gezwungen sah eine Beschwerde an den Stadtrath einzureichen. Der „Hoffmann“ hatte sich „erlaubt“ das sich „auf dem Markt befindliche Stroh und Heu zu sammeln und fort nach seiner Behausung zu nehmen“. Färbermeister Kroenert verlangte Schadensersatz, da es schon mehrfach vorgekommen war und auch Bestrafung.

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Pferdedung und -mist fand als Dünger bei Gärtnern Verwendung; dieser sowie auch Kuhdung und anderer Mist wurde aber auch getrocknet und dann als Heizmaterial verwendet, er galt als raucharm. Eine weitere Verwendung lag in der Beimischung von diesem zu Baulehm.

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Der Artikel wurde zusammengestellt anhand von Akten, welche im Staatsarchiv in Poznan verwahrt werden – hier http://szukajwarchiwach.pl/53/4385.0072 Verpachtung ….