1912 – Eine letzte Erinnerung an die alte Sanduhr der evangelischen Kirche in Neutomischel

Sanduhren auf der Kanzel - Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kulturen_-_Bosebo_kyrka_7_Sanduhren_auf_der_Kanzel.jpg?uselang=de

Sanduhren auf der Kanzel – Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kulturen_-_Bosebo_kyrka_7_Sanduhren_auf_der_ Kanzel.jpg?uselang=de

Ab und an bedurften die Geistlichen der Ermahnung, dass sie ihre Predigten nicht zu sehr und zu weitschweifig in die Länge zogen. 1 Stunde Gottesdienst galt als ausreichend um der Kinder willen und um die Aufmerksamkeit der Gläubigen nicht zu verlieren. Um die Einhaltung der Gottesdienstzeiten zu wahren, war ein einfaches Mittel die Nutzung einer Sanduhr. Bei einer Kanzeluhr mit 4 Gläsern war der feine Inhalt des 1sten Glases nach 15 Minuten, der des 2ten nach einer 1/2 Stunde, der des 3ten nach 45 Minuten und letztlich der des 4ten Glases nach 1 Stunde durchgelaufen. Die Besucher, die die Uhr von ihrem Platz aus erkennen konnten, konnten am jeweiligen Stand auch den Fortgang des Gottesdienstes ablesen.

Noch 1857 scheint der Pastor zu Neutomischel die Länge seiner Predigten und des Gottesdienstes mit einer an der Kanzelbrüstung befestigten Kanzeluhr bemessen zu haben.

Wiedergegeben ist hier der Text eines Briefes des Evangelischen Pfarramtes, datiert – Neutomischel, am 25. Juli 1912, an das königliche Konsistorium der Povinz Posen zu Posen. Es wurde scheinbar auf eine Anfrage des Konsistoriums geantwortet, welches vermutete, dass ein vorhandenes wertvolles Kirchenutensil nicht angemessen verwahrt wurde.

Weder haben wir eine weitere Erwähnung, ausser in diesem Brief, zu diesem Kirchengeschenk des ehemaligen Landrates von Saher gefunden, noch die Sanduhr selbst – nebenstehendes Bild kann also nur als ein Beispiel des Aussehens gelten; ebenso ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels der Verbleib der erwähnten Kirchenchronik unbekannt.

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„Betr: Sanduhr – in Beantwortung des Schreibens vom 20. Juni 1912

Die früher hier in Gebrauch gewesene Sanduhr ist nicht ein Geschenk des Landrats Klappe sondern nach den Angaben der hiesigen Chronik ein Geschenk des Landrats von Saher. Sie trägt auch die Inschrift „Zum Andenken von dem königlichen Landrat von Saher zum Weissenstein. Neutomischel 1857“. Sie hat 4 Gläser, von denen eines zerbrochen ist, auch fehlt die Sandfüllung in den Gläsern fast gänzlich. Sie war früher an der Kanzelbrüstung angebracht, und es kann nicht mehr festgestellt werden, wann sie von dort entfernt worden ist. Jedenfalls ist das schon vor Jahrzehnten geschehen.

Wir glauben nicht, dass der Uhr ein hoher Wert beizumessen ist. Das Gestell ist nur versilbert, und da die Uhr aus dem Jahr 1857 stammt, ist auch ihr Alter kein sehr hohes und ihr einen besonderen Wert verleihendes.

Jedenfalls trifft die Angabe, dass sie hinter dem Altar unter altem Gerümpel sich befindet, nicht zu. Der Altar unserer Kirche steht frei und wird von allen Seiten von den Kirchenbesuchern umschritten, da hinter dem Altar sich ein sonntäglich viel benutzter Eingang befindet. Es kann also hinter dem Altar nicht altes Gerümpel und unter diesem die Sanduhr aufbewahrt werden.

Dagegen ist in der Hinterwand des gemauerten Altars eine verschließbare Tür angebracht, durch welche der Innenraum desselben abgeschlossen wird. In diesem Raum werden einige Leuchter und dazu gehörige Untersetzer aufbewahrt, die bei Aufbahrungen in der Kirche gebraucht werden. Ferner befinden sich dort die Liedertafelnummern und ein ca. 1 m langes Kniekissen, das bei Abendmahlsfeiern und Trauungen Verwendung findet. Unter diesen Sachen, die doch nicht als altes Gerümpel bezeichnet werden können, wird in einer Kiste die Sanduhr aufbewahrt.

Der Gemeinde-Kirchenrat
Reisel, Superintendent
Vorsitzender“

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Quelle: Staatsarchiv von Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/) – Bauten und Reparaturen an der evangelischen Kirche …