Das Schwesternhaus in Wonsowo – 1904

Das Schwesternhaus in Wonsowo - Ansichtskarte aus der Sammlung des A. Kraft

Das Schwesternhaus in Wonsowo – Ansichtskarte aus der Sammlung des A. Kraft

Mit der Veröffentlichung des Artikels „Weihnachtsbescheerung der Gutsleute in Wonsowo “ aus dem Jahr 1898 hatten wir schon etwas für die Lebensumstände in Wonsowo veröffentlicht. Ein weiterer Artikel, der die Wohltätigkeit der Herrschaft unterstreicht ist der nachfolgende über die Einweihung eines Pflegeheims für Sieche und Kranke. Desweiteren war in selben Gebäude ein Kindergarten oder behalten wir besser den Ausdruck eine „Kleinkinderbewahranstalt“ bei, der als „Erziehungsanstalt zur Treue gegen die Eltern, Lehrer und die Gutsherrschaft und in allererster Linie gegen Gott“ angesehen wurde, für noch nicht schulpflichtige Kinder, eingerichtet worden.

Wiederum ist aber auch hierzu die Frage zu stellen, ob diese Einrichtung die Menschen nicht noch tiefer in die Abhängigkeit des Arbeitgebers brachten? Außer Frage steht, dass es für die Arbeiter jener Zeit eine soziale und humanitäre Einrichtung darstellte. Nicht geschrieben wurde, wie hoch die Kosten der Nutzung derselben war und wie diese verrechnet wurden.

Einerseits gewann der Gutsbetrieb die vormals im Haushalt tätigen Frauen als weitere für die Unterhaltung des Anwesens so wichtige Arbeitskräfte, da die Pflege von Angehörigen, sowie auch die Beaufsichtigung der Kinder in die Hände Dritter abgegeben werden konnten; andererseits, wieviel blieb nach Abzug der Kosten an Einkommen in den Familien?  Verblieb überhaupt ein Bareinkommen ? Oder hatten die Familien zwar ein Auskommen, konnten aber keine Ersparnisse erwirtschaften um aus dem Kreislauf der Abhängigkeit ihrer Herrschaft auszubrechen ?

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Am 2. Juli 1904, mittags 1 Uhr, fand auf dem Hauptgute der Herrschaft Wonsowo die Einweihung des Schwesternhauses statt. An derselben nahmen Teil außer der Familie des Stifters und seiner Gemahlin (von Hardt), den Gutsleuten und sämtlichen Beamten der Herrschaft, der Oberhofmeister Ihrer Majestät der Kaiserin, Exzellenz Frhr. von Mirbach nebst Gemahlin, Herr Regierungs-Präsident Krahmer, Herr Major von Tiedemann-Seeheim, Herr Landrat von Daniels, Herr Generalsuperintendent Hesekiel mit Gemahlinnen, die Oberin und der Pastor des Diakonissenhauses zu Posen u. a. m.

Die Errichtung des Schwesternhauses entspricht einem langgehegten Wunsch des Stifters und der Stifterin und soll als Zufluchtsstätte für Sieche und solche Kranke dienen, die zu Hause der nötigen Pflege entbehren. Verbunden damit ist eine Kleinkinderbewahranstalt, die unter Aufsicht einer Kindergärtnerin steht, zu der alle noch nicht schulpflichtigen Kinder Zutritt haben sollen. Diese Idee ist auf das schönste und praktischste verwirklicht worden.

Das große zweistöckige, im Schweizerstiel erbaute Haus liegt mitten in einem freundlichen Garten, der einen Spielplatz für Kinder unter dem Schatten herrlicher Linden birgt. Die innere Einrichtung übertrifft alle Erwartungen und ist ein Muster der Vollkommenheit. Im unteren Stockwerk befindet sich ein Kinderspeisesaal nebst daran angrenzendem Spielsaal, sinnreich ausgestattet, das Auge eine jeden Beschauers fesselnd. Für die Kleinsten ist ein hübsches Zimmer als Schlafraum eingerichtet, dem sich Bade- und Waschwanne anschließen.

In den höher gelegenen Räumen befinden sich außer den Wohnräumen für die Schwestern, luftige saalartige Räume für Sieche und Kranke.

Auch eine vorzüglich eingerichtete Hausapotheke fehlt nicht.

Die Einweihungsfreier selbst gestaltete sich zu einer sehr erhebenden. Herr Generalsuperintendent Hesekiel sprach von dem Zweck und den Zielen des Schwesternhauses, das eine Erziehungsanstalt zur Treue gegen die Eltern, Lehrer und die Gutsherrschaft und in allererster Linie gegen Gott werden solle, ebenso wie die ganze Stiftung ein Dankeswerk für die den Stiftern bisher von Gott erwiesene Treue darstelle.

Herr Landrat von Daniels sprach in zündenden Worten den Dank der Gemeinde und des Kreises den Stiftern aus und gab seiner Freude Ausdruck, in wie schöner beispielanregender Weise hier den Intentionen unseres Herrscherhauses gefolgt worden wäre. Herr Regierungs-Präsident Krahmer brachte im Anschluß daran ein Hoch auf unseren Kaiser, den Förderer und Schirmherrn aller Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen aus. Nachdem der Probst noch dem dank seiner katholischen Gemeindemitglieder in beredten Worten Ausdruck gegeben hatte, schloß die schöne Feier mit einem Rundgang durch die Räume des Hauses.

In dem Saal und den angrenzenden Zimmern des gegenüberliegenden Vereinshauses waren Erfrischungen jeglicher Art für die Gutsleute und Beamten der Herrschaft bereit gestellt, während die Gäste ein fröhliches Mahl in den herrlichen Räumen des Schlosses bis zum Abgang des Extrazuges vereinte.

Quelle:

  • Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel 1904/07 No. 54