Weihnachtsbescheerung der Gutsleute in Wonsowo – 1898

Zwischenablage A sr Mit Veröffentlichung des Artikels ist noch wenig über die Lebensumstände in Wonsowo unter der Herrschaft derer von Hardt bekannt.

Vereinzelt wurde in einigen Veröffentlichungen erwähnt, dass den auf dem Gut Wonsowo tätigen Knechten, Mägden und Hausbedienten der von ihnen und ihren Familien benötigte Wohnraum zur Verfügung gestellt wurde. In Wonsowo soll es ebenfalls ein Kaufhaus gegeben haben in dem im Anschreibeverfahren die zum Leben notwendigen Güter erworben werden konnten.

Diese Einrichtungen, die die Wohltätigkeit der Herrschaft gegenüber ihrem Personal unterstrichen, klingen zwar im ersten Moment als sehr sozial und für die Zeit – 1898 – auch als fortschrittlich, es ist jedoch nicht zu vergessen, dass die Menschen dadurch, dass sie diese nutzten bzw. nutzen mussten auch tief in die Abhängigkeit ihres Arbeitgebers gerieten.

Deutlich kommt dieses in dem Satz „… daß die Arbeiter und Angestellten aber gleichsam selber ihres Glückes Schmied seien, wenn sie nur recht fleißig, willig und treu ihre Obliegenheiten erfüllten, da sie dann die Gutseinnahmen förderten und selber die Möglichkeit schafften und verbesserten, ihren Weihnachtstisch alljährlich immer reicher besetzt zu finden“ zum Ausdruck. Als ein weiteres Beispiel kann die Bemerkung „Die Vertheilung erfolgte familienweise und war bei Abmessung der Geschenke einmal das dienstliche Verhalten und zum andern das Bedürfniß in Rechnung gezogen worden“ betrachtet werden; wobei der letzte Teil dieses Satzes auch noch die Interpretation zulässt, dass die Einkommen für die geleistete Arbeit auf dem Gutshof nicht ausreichten um die Bedürfnisse einer Familie abzudecken, sondern die weihnachtlichen Gaben, die „nur aus lauter nützlichen Gebrauchsgegenständen für den Haushalt bestanden“ zum Überleben notwendig waren.

Aus den Gehaltslisten der Herrschaft Brody aus dem Jahr 1903 ist zu entnehmen, dass der Lohn eines Pferdeknechtes bei 110,00 Mark Jahreslohn lag. Ein „Weihnachtsgeschenk“ im Wert von 8-16 Mark, wie es in Wonsowo verteilt wurde, hatte somit annähernd dem Gegenwert eines Monatslohnes entsprochen.

Für die Kinder, die schon in sehr jungen Jahren bei den Arbeiten wie z. b. der Kartoffellese, dem Hopfenpflücken oder auch der Rübenernte eingesetzt wurden und deren Schulferien eigentlich unter der Bezeichnung Ernteferien in den Berichten dieser Zeit vor „nur“ 120 Jahren zu finden sind, die als unentbehrliche Arbeitskräfte galten,  muss eine Bescherung wie beschrieben, ein ihnen lange Zeit in Erinnerung bleibendes Ereignis gewesen sein.

Ob der Redakteur des Neutomischlers Kreisblattes O. Scheunemann, der diese Erzählung über die Bescherung der Gutsleute in Wonsowo veröffentlichte auch der derjenige war, der an diesem Ereignis teilgenommen hatte und davon berichtete, ist nicht bekannt.

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„Ich hatte Freitag, den 23. Dezember 1898 das angenehme Vergnügen der Weihnachtsbescheerung der hiesigen Dominialleute beiwohnen zu dürfen.

Schon seit dem halben Nachmittag hatte die gesammte Dorfjugend, wahrlich keine kleine Zahl, ich schätzte allein auf mehr als 250 Kinder, das Gutshaus umlagert gehalten und war nicht müde geworden für sie Interessantes von den regen Vorbereitungen im Gutshause durch Fenster und Thüren zu erhaschen.

Um circa 5 1/2 Uhr öffneten sich die Pforten des Gutshauses und die gesammte Kinderschaar mit den sich inzwischen ebenfalls eingefundenen Knechten und Angestellten des Gutes nebst ihren Frauen drängte hinein, wo die Geschenke in dem mächtigen Saale des Hauses auf langen Tischen bereits gesondert für jede Familie aufgestellt waren und die Pfefferkuchen, Backwaaren, Aepfel und Nüsse in mächtigen Körben, Kisten und Kasten daneben prangten.

Bei der Menge der begehrlichen Schaar konnte dem Uneingeweihten wohl bange werden, wie dieselbe zu befriedigen sein würde, doch schwand die Sorge darüber bald bei dem Anblick der mit Geschenken überhäuften langen Tische und der Unmassen von Pfefferkuchen, Backwaaren, Aepfel und Nüsse. Auf Wunsch des Direktors der Herrschaft empfing ich die Eintretenden mit den Klängen von „Stille Nacht, Heilige Nacht“ und hierzu der Eindruck eines mächtigen schön dekorirten und in ungezählten Lichtern prangenden Christbaums wirkte in wirklich erhebender Weise und als der Herr Direktor nun eine kurze Ansprache hielt, worin er hervorhob, daß es dem Gutsherrn Herrn Rittmeister Willy von Hardt und ihm selbst die allergrößte Freude machte, ihren Arbeitern und Angehörigen auch eine Weihnachtsfreude zu machen, daß die Arbeiter und Angestellten aber gleichsam selber ihres Glückes Schmied seien, wenn sie nur recht fleißig, willig und treu ihre Obliegenheiten erfüllten, da sie dann die Gutseinnahmen förderten und selber die Möglichkeit schafften und verbesserten, ihren Weihnachtstisch alljährlich immer reicher besetzt zu finden. Als er darauf die Leute aufforderte ihren Dank durch ein kräftiges Hoch auf ihren Gutsherrn zu bekunden, stimmte Jung und Alt, Mann und Frau dreimal so mächtig ein, wie ich es stärker wohl kaum gehört habe.

Zwischenablage AaB SrNun ging es an die Vertheilung der Geschenke, die nur aus lauter nützlichen Gebrauchsgegenständen für den Haushalt der Empfangenden bestanden, da waren fertige ganze Anzüge, Mäntel, Jacken, Hemden, wollene und leinene, warme Untersachen jeglicher Art, Schuhe, Stiefel, Mützen, Schürzen, Bettdecken, wollene Decken, Strümpfe, Tuche und Stoffe zu Anzügen, Kleidern, Röcken etc. Leinwand in großen Masen außer den verschiedensten kleineren Sachen.

Die Vertheilung erfolgte familienweise und war bei Abmessung der Geschenke einmal das dienstliche Verhalten und zum andern das Bedürfniß in Rechnung gezogen worden. Der Werth der Geschenke an die 71 bedachten Familien schwankte zwischen 8-16 Mark. Nach dieser Vertheilung erfolgte die Austheilung der Pfefferkuchen, Backwaaren, Aepfel und Nüsse an sämmtlich Erschienene, was mit zu der schwierigsten Aufgabe des Abend gehörte, aber sicher und praktisch gelöst wurde.

Hiernach ging Alles befriedigt nach Haus.

Ich aber, der ich schon vielen Wohlthätigkeitsbescheerungen früher beigewohnt hatte und dabei durch unbefriedigte Mienen Vieler gestört worden war und auch hier ähnliches erwartet hatte, war höchlichst erstaunt, als ich vergeblich nach unzufriedenen Gesichtern mich umschaute.“

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Quelle:

  • Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel 1898/No. 101
  • Ansichts-/Grußkarten deren Ausschnitte aus Privatsammlung/-en