Der „Ziegenkrug“ war ein Gasthof, gelegen an der Kreuzung, von welcher z.B. der Weg nach Boruy, Bukowiec und Paprotsch abzweigte und es auch nach Albertoske führte. Direkt hinter der Wirtschaft erhob sich eine Anhöhe. In früherer Zeit soll dieser „Berg“ die Grenze der drei Herrschaften Tomysl im Norden, Grätz im Osten und Bentschen im Westen markiert haben. Später wurde auf ihr der Friedhof der Gemeinde Cicha Gora angelegt.
Das Schauerballade „Beim Ziegenkrug hinterm Berg …“, handelte von dem gruseligen Mord des Otto Hoffmann an seiner schwangeren Geliebten Martha Weber; sie beruhte auf einer wahren Begebenheit, welche sich im Jahr 1906 abspielte. In Zeitungsartikeln des Neutomischler Kreisblattes wurde ausführlich über den Mord, die Verhandlung und das verhängte Todesurteil berichtet.
Bei der Hausarbeit, beim Hopfenpflücken oder auch beim Federschleißen wurde die Moritat mit ihrer einfachen Melodie oft gesungen. Die Weitergabe des Textes erfolgte nur durch mündliche Überlieferung. Im Jahr 1984 schrieb Frau Anni Schiller geborene Hirt diesen, soweit sie ihn noch in Erinnerung hatte, auf; Herr Ernst Müller ergänzte diesen dann vor annähernd 25 Jahren um die ihm in Erinnerung gebliebene Melodie.
- Beim „Ziegenkrug“ hinterm Berg, da war ’ne große Schlacht, da hat der Otto Hoffmann sein Liebchen umgebracht
- Mit seinem Taschenmesser er ihr durch den Hals und ging alsdann von dannen als wüsst er nichts davon
- Doch schon bei Morgengrauen ging er zur Stadt hinein, geführet von zwei Gendarmen ins große Haus hinein
- Nach dreierhalben Stunden kam er vorm Richterplatz, doch was der Tod nun fordert, das bricht das Leben nicht
- Der Richter tat ihm fragen ob er’s gewesen wär,doch Hoffmann aber sagt ich weiß davon nichts mehr
- Der Richter frug ihm nochmals ob er’s gewesen war, doch Hoffmann kniete nieder und weinte bitterlich
- Dort musst er Hunger leiden bei Wasser und bei Brot, oh großer Gott im Himmel wie bitter ist der Tod
- Doch als er’s nicht erkannte führt man ihn wieder rein,mit einen alten Manne ins schwarze Loch hinein
- Doch nun der schlanke Jüngling erzählt dem alten Mann,dass ihm die Leute reden, dass er die Schuld getan
- Er wäre wohl gewesen wohl in derselben Nacht mit seiner Braut spazieren im Feld bei dunkler Nacht
- Er wäre wohl gewesen nicht weit von einer Heid und hat ihr noch gegeben zehn Küsse voller Freud
- Doch schon am dritten Tage führt man ihm an der Stell, wo er das schöne Mädchen sich nahm auf seiner Seel
- Er log ja immer wieder, ich weiß ja nichts davon, so ward er abgeführt zur Neutomischler Bahn
- Nach zweierhalben Stunden traf er in Meseritz ein, mit Ketten fest gebunden, ins große Zuchthaus rein
- Dann tags darauf so kam er im großen Richtersaal, da saß der Richter viele ’ne ganze große Schar
- Der Erste von den Richtern frug ihm nach sein Begehr, doch Hoffmann bat er möchte sein Vater käme her
- Die Bitte ward gewähret, sie schien den Herrn gering, den Vater ließ man holen, eh er die Straf empfing
- Doch bald gelang sein Vater vorm Schwurgerichte an, es tat den Richtern wehe wohl um den alten Mann
- Mein Sohn, so sprach der Vater, was hast du denn getan, ach Vater, liebster Vater ich hab nicht Schuld daran
- Mein Sohn die Leute sagen Du hast ja das getan, so lass die Lügen fahren und bring die Wahrheit an
- Ich bin es nicht gewesen ich weiß ja nichts davon, ich bin von dieser Mordtat ein ganz unschuldiger Mann
- Doch auch nun jeder Richter trat dann zu ihnen näher,wie können die Leute sagen das er’s gewesen wär
- Ein jeder von den Richtern erhob die Hand und sprach er ist des Todes schuldig wie steht’s nun um die Sach
- Doch ihn kann keiner retten, auf Blut folgt wieder Blut, er hört sein Todesurteil mit Reue und mit Buß
- Dann Hoffmann wieder wandert mit Mut ins Zuchthaus rein, sein Vater fährt nach Hause verzagt und ganz allein
- Dann als die Stund gekommen als man ihn führt heraus, da wurd ihm angeboten der letzte Gnadenschmaus
- Ich danke, sprach der Hoffmann ihr Herren lieb und wert, holt mir noch mal mein Vater ’ne andere Lab mein Herz nicht begehrt
- Holt mir noch mal mein Vater, ich will ihm sagen doch, dass ich jetzt von ihm scheide und er soll leben noch
- Er soll mir auch vergeben, was ich ihm hab getan, in diesen Erdenleben ich hab nicht Schuld daran
- Ich bin es nicht gewesen, ich hab nicht Schuld daran, ich bin von dieser Mordtat ein ganz unschuldiger Mann
- Die Bitte ward gewähret, sie schien den Herrn gering,der Vater ward geholet als er zum Tode ging
- Er sah den Vater kommen, betrübt und Tränen schwer, ach Otto liebster Junge, wie schmerzt es mich so sehr
- Hat auch geneigt den Nacken das Haupt voll Zuversicht, doch was der Tod nun fordert, das bricht das Leben nicht
- So ist nun Otto Hoffmann sein Ende lang gemacht, ihr jungen Burschen nehmt in Zukunft Euch in acht
- Doch auch ihr jungen Mädchen, doch warn ich Euch in fern,lasst Euch nur nicht verführen von einem jungen Herrn
- Wenn ihr das Liedchen hört wird Euch wohl kalt bestimmt, doch denkt es gibt auch Burschen, die anders sind gesinnt.
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Die Zeitungsberichte:
Kreisblatt 18. Dezember 1906
Mord – Am Sonnabend früh durcheilte die Kunde von einem grauenvollen Mord unsere sonst so friedliche Gegend. Leider fand dies furchbare Gerücht mit seinen erschütternden Einzelheiten volle Bestätigung. In dem benachbarten Schichagora wurde in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend gegen 4 Uhr früh die 24jährige Schneiderin Martha Weber aus Albertoske etwa 50-60 Schritt vom Gehöft des Eigentümers Franke auf einem Saatfelde mit durchschnittenem Halse tot aufgefunden. Das bedauernswerte Mädchen, welches die einzige Tochter und Stütze seiner Eltern war, sagte am Freitag abend zu ihrer Mutter, daß sie von ihrem Liebhaber, dem Maurergesellen Otto Hoffmann aus Alttomischel-Abbau, bestellt wäre, und obwohl die besorgte Mutter sie bat, nicht mehr so spät auszugehen, entfernte sie sich und nahm ihren kleinen Hofhund mit. Als nun die Tochter um 3 Uhr nachts noch nicht in die elterliche Wohnung zurückgekehrt war, wurden die Eltern besorgt, und der Vater machte sich auf die Suche nach seinem Kinde. Nachdem er vergeblich eine Zeit lang allein gesucht hatte, hörte er mit einem Male das Bellen seines Hundes. Der Hund hätte während der ganzen Nacht neben der Leiche seiner ermordeten Herrin getreulich Wache gehalten, erst als ihm sein Herr zurief, kam das Tier aus der Richtung der Wirtschaft des Eigentümers Franke herbei. Der Vater vermutete nunmehr, daß seine Tochter dort wäre, da sie bekannt mit dieser Familie war. Als Weber sein Kind auch da nicht vorfand, bat er Franke, ihm doch behülflich zu sein, und so stellten beide Männer gemeinsam weitere Nachforschungen an, bis sie die Gesuchte als Leiche auffanden.

Das Gebäude des ehemaligen Gasthofes „Ziegenkruges“ 1977 – Quelle: … und dazwischen Neutomischel A. Kraft
Das Gesinde des Eigentümers Franke will etwa um die Zeit von 6-7 Uhr am Freitag abend ängstliche Rufe gehört haben wie: „Otto – Otto – laß doch – nicht doch !“ – Man vermutet daher, daß die unselige Tat schon in dieser Zeit begangen sein muß. Leider hat man diesen Rufen keine Bedeutung beigemessen, sonst hätte man der Bedrängten vielleicht noch rechtzeitig Hülfe bringen können.
Die Ermordete, welche sich in gesegneten Umständen befand, lag mit dem Gesicht auf der Erde, mit ausgestreckten Händen und Füßen. Die von den Polizei-Organen sofort in der Frühe des Sonnabends vorgenommenen Untersuchungen führten zu der Verhaftung des stark belasteten Maurergesellen Otto Hoffmann aus Alttomischel-Abbau.
Am Sonntag weilte der Erste Staatsanwalt aus Meseritz hier und stellte weitere Ermittelungen am Tatorte fest. Nachdem die Leiche nachmals an den Fundort gebracht war, wurden photographische Aufnahmen gemacht; der Verhaftete wurde bei der Leiche nochmals ins Verhör genommen, ein Geständnis war jedoch nicht zu erlangen. Er wurde aber gefesselt, und die Staatsanwaltschaft ordnete seine Ueberführung nach dem hiesigen Gerichtsgefängnis an, während die Leiche zwecks gerichtlicher Sezierung nach der Leichenhalle des Krankenhauses gebracht wurde.
Als verdächtige Merkmale kommen noch in Betracht, daß Blutspuren an den Hosen, Händen und an dem Messer des Hoffmann gefunden worden sind, auch fand man an einem seiner Finger eine kleine Wunde. Er soll angegeben haben, daß das Blut von einem Schweine herrühre, das er geschlachtet habe, während er sich die Wunde beim Holzzerkleinern zugezogen haben will.
Hoffmann war am Freitagabend in unserer Stadt, und hat in einem hiesigen Zigarrengeschäft Zigarren und eine Postkarte gekauft und sandte letztere gleich an die Adresse der Ermordeten. Die Karte ist laut Poststempel zwischen 8-12 Uhr auf dem hiesigen Postamt aufgegeben worden. Um 8 Uhr hat sich der Angeschuldigte bei einem hiesigen Barbier die Haare schneiden und rasieren lassen. Immerhin liegt noch zwischen der Zeit des Mordes und dem hiesigen Aufenthalt des H. Zeit genug, um von dem Tatort bis hierher per Rad, welches er benutzte, zu gelangen.
Den Eltern des ermordeten Mädchens sowohl als auch dem Vater des mutmaßlichen Mörders, welche sich bisher eines unbescholtenen Rufes erfreuten, bringt man allseitig die wärmste Teilnahme entgegen.
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Kreisblatt 21. Dezember 1906
Die gerichtliche Sektion der Leiche der ermordeten Martha Weber, welche am Dienstag nachmittag stattfand, stellte fest, daß fast der ganze Hals bis auf die Wirbelsäule durchschnitten war. Anscheinend ist zu dem Mord kein allzu scharfes Messer benutzt worden, denn man konnte aus der Beschaffenheit der Wunde ersehen, daß mehrere Male angesetzt worden war. Ferner war ein Fingerglied ganz abgeschnitten, während ein anderer Finger eine weitere Schnittwunde aufwies. An den
Händen befanden sich blutunterlaufene Stellen, welche wohl auf einen vorher stattgefundenen Kampf zwischen dem Mörder und seinem Opfer schließen lassen. Auch an einem Auge war eine gleiche blutunterlaufene Stelle zu bemerken. Das Kind, welches die Ermordete unter ihrem Herzen trug, war 6-7 Monate alt und männlichen Geschlechts.
Der mutmaßliche Mörder Hoffmann sollte schon am Mittwoch nachmittag nach Meseritz transportiert waren, und man war mit ihm bereits auf dem Wege nach der Bahn, als durch eine Depesche der Staatsanwaltschaft zu Meseritz die Ueberführung vorläufig aufgeschoben wurde, sie wir wahrscheinlich in einigen Tagen stattfinden. Hoffmann beteuert nach wie vor seine Unschuld, er erscheint vollständig gebrochen unter der Wucht der auf ihm lastenden schweren Anklage.
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Kreisblatt 24. Dezember 1906
Der des Mordes an der Schneiderin Martha Weber dringend verdächtigte Otto Hoffmann hat am Sonnabend seine grausige Tag eingestanden. Nachdem man den Mörder in der Frühe dieses Tages noch einmal nach dem Ziegenkrug transportiert und während des ganzen Tage sich bemüht hatte, ihn zum Geständnis zu bringen, gelang es erst gegen 7 Uhr abends dem Herrn Lehrer Kittner aus Schichagora, der ihm in Güte zuredete von ihm das Bekenntnis zu erlangen, daß er den Mord begangen habe.
Hoffmann hat seinem Opfer den ersten Schnitt auf der Landstraße beigebracht, und als das bedauernswerte Mädchen noch mit der schweren Verletzung etwa 40-50 Schritt vor ihm flüchtete, dann noch den zweiten tödlichen Schnitt auf dem Ackerland versetzt. Wie wir hören, soll auch noch ein anderer junger Mann aus Konkolewo als Verdächtiger verhaftet gewesen sein, sodaß es als ein Glück zu bezeichnen ist, daß man nunmehr den wirklichen Täter durch sein eigenes Geständnis ermitteln konnte. Die Ueberführung Hoffmanns nach Meseritz, wo vor dem Schwurgericht seine Aburteilung erfolgen wird, fand bereits heute vormittag durch die Herren Wachtmeister Schütz und Stadtwachtmeister Schubert statt. Die Leiche der ermordeten Martha Weber wurde am vergangenen Donnerstag unter Teilnahme vieler Leidtragenden auf dem Friedhof ihrer Heimatgemeinde zur letzten Ruhe bestattet.
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Kreisblatt 24. Dezember 1906
Am Freitag, den 14. Dezember, nachmittags etwa 1/2 7 Uhr, ist in Schichagora unweit des Ziegenkruges die 24 jährige Martha Weber aus Albertoske ermordet worden. Der Maurer Otto Hoffmann aus Alttomischel ist der Tat dringend verdächtig. Er ist an dem Tage nachmittags nach 5 Uhr zu Rad von Alttomischel her nach Neutomischel zu gefahren, hat sich in Neutomischel aber erst gegen 8 Uhr abends gezeigt. Vielleicht hat er für Hin- und Rückfahrt die Chaussee nach Kirchplatz benutzt.
Alle Personen, welche am 14. Dezember nachmittags zwischen 5 und 3/4 8 Uhr einen verdächtigen Mann zwischen Neutomischel und Schichagora oder auf der Chaussee nach Kirchplatz gesehen haben, wollen dies sofort den Herren Oberwachtmeister Flügge oder Wachtmeister Schütz zu Neutomischel oder mir melden.
Meseritz, den 20. Dezember 1906 – Der Erste Staatsanwalt.
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Kreisblatt 01. Januar 1907
Der wegen Mordes an der Schneiderin Martha Weber am vergangenen Montag nach Meseritz überführte Maurergeselle Otto Hoffmann aus Alttomischel-Abbau leugnet seit dem 1. Feiertag die von ihm bereits am Sonnabend vor Weihnachten eingestandene grausige Tag. Infolgedessen haben neue Zeugenvernehmungen stattgefunden.
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Kreisblatt 11. Januar 1907
Die Verhandlung gegen den des Mordes an der Schneiderin Marta Weber angeklagten Maurergesellen Otto Hoffmann soll, wie wir hören, am 17. und 18. Januar vor dem Schwurgericht in Meseritz stattfinden.
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Kreisblatt 22. Januar 1907
Der Mordprozeß gegen den Maurergesellen Otto Hoffmann aus Alttomischel-Abbau vor dem Meseritzer Schwurgericht.
Am vergangenen Donnerstag und Freitag hatte sich der des Mordes angeklagte Maurergeselle Otto Hoffmann vor dem oben genannten Gericht zu verantworten. Die traurige Vorgeschichte dieser schweren Anklage ist unsern Lesern durch frühere Bericht in diesem Blatt bekannt, so daß wir heute darauf nicht näher einzugehen brauchen.
Der Beweggrund des Mörders war, wie bereits allgemein bekannt ist, daß er die ermordete Marta Weber geschwängert hatte, also vor der Wahl stand, entweder sie zu heiraten oder die Unterhaltskosten für das Kind zu zahlen. Mit der Weber hat der Verurteilte im Jahre 1905 längere Zeit verkehrt, das Verhältnis wurde aber allmählich kühler, ohne daß eine Spannung eintrat. Im Laufe des Jahres 1906 schlief es ganz ein, weil Hoffmann mittlerweile ein Liebesverhältnis mit einem anderen Mädchen angeknüpft hatte, das, allem Anschein nach, von ihm ernster aufgefaßt wurde und vielleicht zur Heirat geführt hätte, wenn seine Zügellosigkeit ihm nicht einen unverlöschbaren Strich durch die Rechnung gemacht hätte.
Hoffmann hatte sich für den Mordtag eine genaue Zeiteinteilung zurecht gemacht, denn der Zeuge Janotte aus Wonsowo-Abbau, bei dem Hoffmann am 14. Dezember arbeitete, bekundete, daß er es nach Schluß der Arbeit gegen 5 Uhr nachmittags mit der Abfahrt auf dem Rade sehr eilig hatte, obwohl er nach seiner eigenen Angabe sich in Neutomischel bloß rasieren und die Haare schneiden lassen wollte, der Weg dorthin aber nur 9,6 km beträgt und selbst bei schlechtem Wege für einen Radfahrer in höchstens einer Stunde zurückzulegen ist. Berücksichtigt man, daß Hoffmann von Janotte in Wonsowo Abbau etwa um 3/4 5 Uhr abgefahren ist, was als zweifellos festgestellt wurde, so mußte er spätestens um 6 Uhr in Neutomischel sein, selbst wenn, das behauptete er nämlich, der schlechte Weg ihn gezwungen hätte, ein Stück zu laufen. Da er nun nicht, wie er angibt, Aufenthalt gehabt und zwischen 1/2 7 Uhr und 7 Uhr, sondern erst um 3/4 8 Uhr in Neutomischel angelangt ist, so ergibt sich ein Zeitraum von fast 2 Stunden, über dessen Ausnutzung der Angeklagte nicht das Geringste angeben konnte. Unmittelbar vor der Mordstelle nach haben ihn Zeugen gesehen, die wenige Minuten nachher auch die Marta Weber mit dem Hund trafen. Das war zwischen 6 und1/2 7 Uhr.
Die Zeugenvernehmung am Donnerstag, die bis 9 Uhr abends dauerte, förderte sonst nichts wesentlich neues zu Tage. Der Angeklagte bestritt während der ganzen Verhandlung die ihm zur Last gelegte Tat. Sein früheres, vor dem Untersuchungsrichter und mehreren Zeugen abgelegte umfassendes Geständnis, das er später in der hiesigen Gefängniszelle Mitgefangenen gegenüber wiederholte, widerrief er vollständig. Er will durch den Genuß von vielen ihm gereichten geistigen Getränken und durch vieles Zureden dazu veranlaßt worden sein. Durch die Verhandlung wurde aber erwiesen, daß Hoffmann vor seiner Vernehmung im „Ziegenkrug“, wo er die Tat eingestand, nicht viel Alkohol genossen hatte. Den Mitgefangenen, die als Zeugen vernommen wurden, hatte er gesagt, es sei besser, daß er die Tat jetzt eingestanden habe, denn später hätte er sich vielleicht im Rausch selbst einmal verraten. Auf alle Widersprüche, in die er sich verwickelte und die ihm der Vorsitzende vorhielt, hatte er stets eine Ausrede zur Hand oder er wollte sich nicht mehr genau erinnern.
Während der Anwesenheit und der Vernehmung seiner Verwandten weinte der Angeklagte bitterlich, seine Antworten aber klangen sicher und klar, indes waren die Ermahnungen des Vorsitzenden, die Wahrheit zu bekennen, vergeblich. Nachdem die Zeugenvernehmung beendet war, kamen die Sachverständigen zum Wort.
Der Kreisarzt Dr. Buddee führte in etwa einstündiger recht überzeugender Rede seine Wahrnehmungen an den Wunden des Angeklagten und an denen der ermordeten Marta Weber den Geschworenen klar vor Augen, zum Teil seine Ausführungen durch eine präparierte Hand des Opfers und durch Kreidezeichnungen an der Tafel demonstrierend. Diesen Erklärungen folgte der Angeklagte mit sichtlichem Interesse.
Der aus Berlin vorgeladene Gerichtschemiker bestätigte danach, daß sich an dem von dem Angeklagten bei seinem seinerzeitigen Geständnis als Mordinstrument selbst bezeichneten Messer auf dem Hornbeschlag, an der Klinge sowie am Gelenk und in der Messerscheide Menschenblut befunden hätte. Auch am linken Rockärmelfutter und in der rechten Hosentasche, in welche Hoffmann jedenfalls das Messer steckte, waren Menschenblutspuren vorhanden. Die Hose, die der Angeklagte an dem Tage des Mordes angehabt hatte, wies verschiedene Stellen von Menschen- und Tierblut auf. Der Angeklagte will jedoch das Vorhandensein dieser ersteren Blutflecke auf Nasenbluten zurückführen, woran er nach Aussage des Arztes auch wohl leiden könnte.
Unter dem Druck der immer schwerer wiegenden Zeugenaussagen schien die Widerstandskraft des immer noch Leugnenden zu unterliegen, er weinte fast ununterbrochen. Hierdurch veranlaßt, hat Staatsanwalt Dr. Sieber den Vorsitzenden, dem Angeklagten nochmals Gelegenheit zu einem Geständnis zu geben. Ruhig und gelassen erklärte dagegen Hoffmann, er habe den Mord nicht begangen. Gegen Mittag begann der Staatsanwalt seine Ausführungen, indem er den Geschworenen nochmals das Verhandlungsergebnis im Zusammenhange vorführte und schließlich zu der Schlußfolgerung kam, daß nur der Angeklagte der Mörder sein könne, und zwar habe er die Tat mit Ueberlegung vollführt. Der Verteidiger, Justizrate Urbach, jedenfalls selbst von der Schuld des Angeklagten überzeugt, beschränkte sich nur darauf, für seinen Klienten mildernde Umstände herauszuholen und versuchte Totschlag nachzuweisen. Hierauf zogen sich die Geschworenen zurück. Nach einer etwa 20 Minuten währenden Beratung verkündete der Obmann, daß die Geschworenen mit mehr als sieben Stimmen den Angeklagten Hoffmann des Mordes schuldig befunden haben. Während der Gerichtshof im Beratungszimmer weilte, herrschte im Saale drückende Stille. Das vom Vorsitzenden nach Wiedereintritt verkündete Urteil lautete auf Todesstrafe. Gegen diesen Urteilsspruch legte Hoffmann noch am selben Tage Berufung ein, jedoch wird dieser nur stattgegeben werden, wenn, was wohl kaum der Fall sein dürfte, ein Formfehler während der Verhandlung begangen wurde. Ist das nicht der Fall, so wird der Einspruch verworfen und das Urteil wird rechtskräftig.
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Kreisblatt 15. März 1907
Die Revision des Mörders Hoffmann verworfen.
Das Reichsgericht bestätigte das Todesurteil des Schwurgerichts Meseritz, das am 18. Januar gegen den vierundzwanzigjährigen Maurer Otto Hoffmann aus Alttomischel-Abbau, der seine Geliebte, die Eigentümertochter Weber ermordet hatte, ausgesprochen wurde.
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Kreisblatt 16. Juli 1907
Bekanntmachung
Der Maurer und Arbeiter Otto Hoffmann aus Alttomischel, der durch rechtskräftiges Urteil des Schwurgerichts zu Meseritz vom 18. Januar 1907 wegen Mordes, begangen zu Schichagora an der ledigen Martha Weber aus Albertoske, zum Tode verurteilt worden ist, ist heute früh im hiesigen Gefängnis enthauptet worden.
Meseritz, den 13. Juli 1907 – Der Erste Staatsanwalt
Quelle: Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel Jahrgang 1906/1907