Birnbaum – aus der Chronik, die Jahre 1701 – 1806 // 2ter Teil

Birnbaum – Partie am Markt / AK Kopie Sammlung Kraft

Einst schrieb Dr. Werner Reinhold: „Chroniken zu schreiben, in Archiven zu wühlen, ist Leidenschaft bei mir geworden, und ich freue mich, daß selbst hochstehende Geschichtsforscher mein Streben anerkennen. Was vorliegende Arbeit betrifft, so habe ich nur zu bemerken, daß es mir immer verdienstlicher erscheint, das zu sammeln, was noch vorhanden, als nichts zu thun, indem man sich damit entschuldigt, es seien zu wenige Quellen und Nachrichten vorhanden, und der Lücken zu viele.“

Er verfasste die „Chronik der Stadt und des Kreise Birnbaum oder Geschichte der Städte: Birnbaum, Schwerin, Zirke, Kähme, Blesen und der zu dem Kreise gehörigen Dörfer“; erschienen Birnbaum, 1843.

Dr. Reinhold schreibt, das sein Werk „nach sämmtlichen vorhandenen gedruckten und ungedruckten Quellen“ von ihm bearbeitet worden war.

Auszugsweise geben wir hier aus dem Originaltext einige Kapitel wieder, wie sie seinerzeit erschienen sind, Dr. Reinhold schrieb:

„Im April (1701) hat Unser Gnädiger Starosta eine Mals-Mühle zu Görschin (Gorzyn) angefangen zu bauen. Gott segne das Werk, und gebe Friede! Die Stricher Windmühle soll noch diesen Sommer zum Gehen kommen.“ Nun folgt von anderer Hand: Es hat Sie lassen bauen Ihro Gnaden Herr Balthasar Unruh Erbherr auf Striche.“

Im September desselben Jahren (1701) gingen durch Birnbaum zurück nach Sachsen alle diejenigen Regimenter, welche vor Riga bisher gestanden, und zwar „elend und bloß“. Während des Durchmarsches erstach hier ein Soldat einen seiner Cameraden, und entging der gerechten Strafe durch die Flucht. Die Leiche wurde nur „nach großer Vorbitte auf dem Kirchhofe beym Planken geleget“. Gott sei Dank daß wir in dieser Beziehung jetzt vernünftiger geworden sind. Nicht genug, daß der arme Schelm erstochen war, er sollte auch nicht einmal ehrlich und christlich begraben werden, eben weil er erstochen war, als ob er daran schuld, als ob es sein Wille gewesen! Unsere alten Vorfahren ergötzen uns oft geschichtlich durch dergleichen Sonderbarkeiten, – aber vielleicht zucken unsere Nachkommen nach hundert Jahren über uns ebenfalls die Achseln.

Das Jahr 1703 brachte gleich eine Schaudergeschichte. Ein Schneidergeselle zu Zirke ermordete seinen Meister nebst dessen schwangeren Frau und kranken Schwester im Schlafe. Derselbe wurde in 2 Tagen, am 3ten und 4ten Januar hingerichtet; nämlich

  • wurde ihm die Hand vor der Thür des Hauses, in welchen er den dreifachen Mord verübt, abgehauen,
  • wurde er bei allen Ecken der Gasse mit Zangen zerrissen,
  • wurde er auf dem Richtplatze von unten bis oben an gerädert.

„Das Ende des 1704ten Jahres war vor hiesiger dioeces. hauptsächlich vor unserer Stadt Birnbaum sehr unglücklich, zumahlen die Schweden nach erhaltener Schlacht bei Punitz wider den General Schulenburg, zu uns herunter kamen und die Winterquartiere einnahmen. Bey uns stund das Hochgräfl. Melinische Regiment aus Pommern, der Commandirende Oberstlieutnant war Carl Gustav v. Wolfrath. Ob sie nun zwar leydlich genug noch mit denen Leuten umgingen, so kam es doch den Bürgern blutschwer an; sie kamen zu uns den …ten Dezember und zog(en) nach Pommern Mense Junio (1705)

„Dieses Jahr (1705) ist der König in (von) Schweden Carolus XII. Dreymahl bey uns allhier in Birnbaum gewesen und hat en passant allemahl die Ehre dem Pfarrhause gegeben, darin einzukehren, wie der kommandirende Oberstlieutnant Wolfrath darin lag“. (Näheres unten im 3ten Abschnitt dieser Chronik. Hier stehe nur die Bemerkung, daß Carl XII. bei dem ehrwürdigen Pastor Mathäus Balde logirte.)

Im Monat März desselben Jahres (1705) ging der General Remischild durch Birnbaum nach Pommern, und brachte auf der Rückreise die Gräfin Piper nebst seiner eigenen Gemahlin mit sich, blieb eine Nacht hier und speisete des Abends auf dem hiesigen adeligen Hofe.

Vom Juni desselben Jahres (1705) an mußten, nachdem das Mellmische Regiment nach Pommern gezogen war, die Einwohner Birnbaums Tag für Tag Proviant bringen ins schwedische Lager des Generals Nemischild, welches zuerst in Meseritz, dann aber bei Benschen zu stehen kam.

Am 10ten Juni des Jahres 1706 (Donnerstag nach 1 Trinitat.) schlug der Blitz in den polnischen Glockenthurm, und beschädigte viele Leute welche gerade in der Kirche saßen. Durch Gottes Gnade gelang es, das Feuer bald wieder zu löschen, indem man oben die Spitze des Thurmes mit einem Seil herunter zog; auch kamen die beschädigten Personen alle davon, bis auf Einen, welcher, vom Blitz getroffen, zur Erde gefallen war.

Am 20ten Juni desselben Jahren (1706) erschlug der Blitz einen Birnbaumer Bürger, Meister Georg Hellmann, welcher gerade zu seiner Tochter nach dem Holländer gehen wollte, und sich wegen des Gewitters bei Merin unter eine Eiche gestellt hatte. An demselben Tage schlug es in die Stricher Windmühle, welche ein Jahr vorher erbaut worden war, und zündete dieselbe an. „Bald darauf erfolgten schreckliche Winde“.

Vorher am 12ten Mai desselben Jahres (1706) „war eine so erschreckliche Finsterniß an der Sonnen, daß man bey Menschengedenken dergleichen nicht gesehen. Man kunte die Sterne am Himmel erblicken, und war nicht anders als wie zur Nachtzeit. Es wärete diese Totalfinsterniß fast zwo Minuten, hoc anno (in diesem Jahre) sind auch bey uns sonsten sehr viel ostenta und prodigin coeli (Zeichen und Wunder am Himmel) gesehen worden. Gott wende alles Unglück ab“.

„1706. Septemb. Unverhofft und wider aller Menschen vermuthen ward friede gemacht zwischen Friderico Augusto dem Könige in Pohlen und Carolo XII. Reg Sueciae, nachdem die Schweden zuvor in Sachsen herinmarschiret waren, und hatten ein kleins Corps von etlichen 1.000 Mann unter dem General Marderfeld bei Calisch zurückgelassen. Augustus res gnirte die Crona, und da wir meinten, nun würde es einmahl im Lande besser werden, so war es fast noch schlimmer“. „Der Herbst in diesem zu Ende laufenden 1706ten Jahre war vor die arme Stadt Birnbaum sehr fatal. Denn nachdem der schwedische General Marderfeld von der Cron Polnisch – Sächs. und Moscowitischen Armee, bey welcher auch Calmugkische Tartaren waren, unter Commando des Königs Augusti bey Calisch tatliter geschlagen wurde, so entstund nicht allein eine schreckliche Furcht vor denen Tartaren, weil man vermeinte, sie würden gar zu uns herunterkommen, daß alle Leute mit ihren Sachen wieder von neuem flüchtig wurden, sondern es kam auch wirklich eine Parthey von Pohlen, so unsere Gegend herumb ganz unsicher machte, und nicht lange darauff 3 Fahnen, so unter Commando Liebomirskes stunden. Die drawten (drohten) mit der Plünderung und preßten aus den armen Städtchen fast 10.000. Fl. Ob man nun gleich verhoffte, es würden die Herren Schweden ein Mitleiden mit uns haben, so mußte Ihnen doch ihr contingeni von der ordinairen schatzung eben sowohl gegeben werden, als sonst (,) ohne daß wir eine revision erlangten.“

Ich wollte zwar anfänglich die alte Handschrit der Kirchenchronik, was Styl und Orthographie betrifft, verändert mittheilen, wie auch bisher geschehen; – allein ich glaube jetzt, besser zu thun, wenn ich die alte Handschrift ganz so wieder gebe, wie sie ist. Einmal nämlich ist es gewiß nur ein kümmerliches Verdienst, alte Schriften auf diese Weise zu modernisiren, und dieselben unserer jetzigen Schreibart anzupassen, indem dies ohne Mühe ein hoffnungsvoller Terianer sich eben so gut, wie der größte Gelehrte, erwerben kann. Dann aber ist noch sehr die Frage, ob dies ein wirkliches Verdienst ist. Ich glaube, diese Frage entschieden mit Nein beantworten zu müssen. Die alten Schriften charakterisiren auch durch ihren Styl ihre Zeit und jede Veränderung ist eine Ballhornisirung; – ja, es ist uns gar nicht mehr möglich, Ton und Farbe der Darstellung so wieder zugeben. Mit Recht haben deshalb tüchtige Männer in jüngster Zeit alte Schriften unverändert herausgegeben, wie Kosegarten und Böhme die alte Handschrift von Kantzows Pommerania, mit ungetheiltem Beifall aller Sachkenner; ich sage aller Sachkenner; es giebt leider! Allenthalben unberufene Kritiker, welche den Historiker, weil sie deutsch verstehen, tadeln zu können glauben. So wird es auch nicht an Leuten fehlen, welche meinen werden, es sei keine Kunst, eine alte Handschrift entweder selbst abzuschreiben, oder abschreiben zu lassen, und dem Drucker zu übergeben, und so könnte einjeder Chroniken schreiben. So unvernünftig eine solche Ansicht auch ist, so fühle ich mich doch veranlaßt, derselben kurz zu begegnen. Die hier mitgetheilte Kirchenchronik bildet nur einen Theil meines geschichtlichen Werkes. Was ich im Ganzen geleistet, darüber erwarte ich das Urtheil der Geschichtsforscher. Freilich giebt es wieder, so wie in Polen, so in Tirolen, und auch hier in Birnbaum, Leute, welche Geschichtskundige zu sein sich dünken, weil sie auf dem Gymnasium Beckers Weltgeschichte zur Hand gehabt haben; – allein der Historiker läßt die Herren reden, und hält ihnen die kleine Eitelkeit großmüthig zu gute, indem er ihnen nebenbei zu verstehen giebt, daß der Geschichtsforscher doch ein klein wenig mehr in diesem Fache bewandert ist, als ein Anderer. Muß er zwar oft im lieben Leben viel erdulden, und gewöhnlich desto mehr, je größer seine Kenntnisse sind, namentlich an Orten, wo er keine beamtete Collegen findet, welche ihn gegen so manche Unbill schützen könnten durch ihr Ansehen; – so ist er doch zufrieden in sich selbst, und das ist genug, ja, ist mehr, als diese Herren sich träumen lassen. Die Kirchenchronik fährt fort:

1707 März. In diesem Monat, da wir dachten, das Winterquartier überhoben zu sein, kam unvermuthet das Hornische Regiment, so vormals hinter Posen gestanden, aber von denen herunter kommenden Moskowitern gejaget würde, allhier zu stehen. Der Oberste lag in des Herrn Diaconi Hause. Sie hielten ziemlich aus, bis an Pfingsten und wären ohne Zweifel noch länger geblieben, wenn nicht die Moskowiter näher und näher herunter gekommen wären. Nachgehender Zeit haben wir hier immerdar an unsern Ort in Furcht und Zittern, wegen der Moskowiter stehen müssen; sonderlich, da man vernahm, daß Rawicz und Lissa von jenen war abgebrannt worden, und ob man gleich zur Zeit von ihnen nichts feindliches hatte erfahren dürfen, so kamen doch zu 3malen unterschiedene Billete vom Obersten Schulz, einem Moskowitischen General hierher, unter der größten Bedrohung der allerschärffsten Exekution, weil sie aber zu hoch und pro jeden fumo (Schornstein) 10, dann gar 20 Rthlr. preatendirten, so konnten wir selbige nicht bezahlen und daher kam die Furcht.

August (1707). Um diese Zeit fanden sich hier in unserer Gegend viel polnische Völker ein, so theils dem General Brand theils Smigelski, theils auch andern angehörten. Herr Smigelski und Brand waren raisonable und theilten unsern armen Ort in regard des Herrn Starosten libertationes aus, allein dagegen kamen 13 Fahnen von des Czerneckis Leuten, die plünderten anfangs unsere, über der Warte gelegenen Vorwerke alle mit einander, nachgehends kamen sie auch in unser Großdorf allhier an und hasten eben nicht am besten, zogen endlich weiter weg, nachdem ihnen die Stadt 1.200 Tympf, 4 Stücke Tuche, 4 Stücke Kramleinwand gegeben.

(Im vorigen Jahre (1706) find sich die Pest in Polen an. Der Anfang wurde gemacht in Kalisch; hernach breitet sie sich in diesem Jahre schon weiter und weiter und nahm Jaroszyn, Punitz etc. ein.)

1708 In diesem Jahre gingen die Kriegspressuren noch immer fort, doch gab Gott Gnade, daß es noch leidlich war, 1. weil man ohne Einquartirung lebte, 2. die Stadt ihre Contribution laut Revision nach Posen an die Schweden überliefern mußte.

Hierauf folgte ein Winter, der, bei Menschengedenken, nicht härter gewesen, wobei denn auch großer Schnee sich mit einfand. Als dieser verging, folgte ein großes Gewässer.

1709 (den 23ten Februar) geschah ein gräulicher Casus in unserer Stadt, nämlich Meister Martin Kierink, Bürger und Schneider, ein frommer und ehrlicher Mann, ward nebst seiner Ehefrau des Morgens im Bette todt gefunden mit blutigen Merkmalen eines vorhergegangenen Mordes; wer aber Thäter gewesen, hat man nicht können erfahren.

1709 Jun. In diesem Jahre kamen die Sachsen wieder in Polen nach Pfingsten und schlugen ihr erstes Lager bei Bomst auf.

August (1709). Kurz vor der Pest kam ein freches Weibsbild hier an, die hatte vornehmen Leuten aus Berlin, Leipzig, Stettin gewisse Briefe weggestohlen, gab vor, die Verstorbenen, davon in den Personalien gedacht worden, wären ihre Freunde gewesen und sonderlich wäre ein gewisser Doctor Medic. und Apotheker aus Hamburg ihr Bruder. Nachdem er nun gestorben, wie sie vorgab, wäre alles haereditate ihre, wußte auch Briefe zu produciren, die sie aber selbst geschrieben, daß sie nur kommen sollte und sollte alles abholen, wäre alles parat, allein es war erlogen. Endlich kam man hinter das Licht und sie schlich sich auf heimliche Art und Weise weg. Das Beste war, daß ihr Bubenstück noch in der Zeit ausbrach. Denn 1) hatte sie eine Leichenpredigt bestellt, die ihrem seligen Bruder, wie sie vorgab, dem vorgedachten Doctor aus Hamburg sollte allhier gehalten werden, wozu sie den Text nebst denen Personalien mußte herauszureichen, 2) so hatte sie durch ihre Aufschneiderei es so weit gebracht, daß eines gewissen Rathsherrn Sohn . . . . ? gar mit ihr hatte Sponsalia und Hochzeit machen wollen; wir Prediger waren auch schon auf einen gewissen Tag dazu invitirt. Gott aber gabs, daß es hernachmals unterweges blieb.

1709 den 28ten August. Kommt, leider Gottes, auch die Pest hier bei uns an. Der Ursprung war ganz ungewiß, einige sagten, ein Bauer von Obrzicko, der eine gewisse Magd aus unserm Großdorf heirathen wollte, der hätte sie hierher gebracht, nachdem er sich heimlich in die Stadt geschlichen. Andere gaben vor, es wäre eine polnische Schneiderfrau in Zirke gewesen, und von daher hätte sie verpestete Lumpen mitgebracht. Es sei nun wie wolle, so nahm doch die Pest ihren Anfang in eines gewissen Tuchmachermeisters Hildebrands Haus. Zuerst starb der polnische Hausmann drinnen, der sonst Feldläufer war gewesen, ganz plötzlich. Des Abends  kam er frisch und gesund vom Feld, des Morgens ward er todt gefunden, hierauf kam eine gewisse Frau, die man sonst Karges Tochter nannte, deren Mann abwesend war, in diesem Hause herunter, genaß eine gesunden Kindes, welches auch die Taufe noch erhielt, bald aber sterben mußte, worauf die Mutter des andern Tages folgte. Nach diesem legte sich der Wirth, die Wirthin, wie auch sämmtliche Kinder nieder, wurden krank und starben. Das malum conlagiosum (die ansteckende Krankheit) breitete sich hierauf bald in der ganzen Stadt dermaßen aus, daß man ganz deutlich spüren konnte, es sei nicht mehr richtig. Den 30ten August zogen darauf die besten und vermögensten Bürger aus bis auf etliche so drinnen blieben und auch sterben mußten. Sie schlugen ein Feldlager auf bei Merin, allein sie nahmen sich nicht in Acht, sondern schleppten sich nachdem noch bisweilen in die inficirte Stadt, holten sich aus denen Häusern bald dieß und jenes, so sie annoch vergessen hatten, und dadurch kam die Pest auch ins Lager, daß sie genöthigt wurden sich wieder zu zerstreuen, doch bewahrte Gott gleichfalls noch Merin und alle andere Vorwerke, daß sie nicht angesteckt wurden. Die Zahl derer Ausgezogenen waren 368 Seelen, wie sie aber einzogen, waren ihrer nicht mehr als 219 Personen so sich noch kümmerlich theils in den Mochodschiner Holländer, theils auf denen Vorwerken erhalten hatte.

In der Stadt sollen von denen Todtengräbern angegeben worden sein, die durch die Pest weggerissen, an der Zahl 1.600.

Das Dorf hielt sich noch 14 Tage, allein es kam die Pest hierauf noch herein und starben drinnen 294 Personen, nachdem noch übrig geblieben waren 106. Die gnädige Herrschaft machte sich auch von dannen auf, und zog nach Gorzyn, verbot dabei, daß man keinen Gottesdienst mehr in den Kirchen halten sollte, aus Beisorge, wenn die Leute im Gotthause zusammen kommen sollten, so würde das malum (das Uebel) noch mehr und mehr propagirt (verbreitet) werden welches man denn auch aus der klüglichen Erfahrung anderer Oerter hatte.

Nach diesem Weil kein Gottesdienst mehr in der Kirche gehalten werden sollte, zogen wir Prediger beide auch aus: 1. weil es der Herr so haben wollte, 2. erforderte es auch der damalige Zustand unserer Gemeine, die gnädige Herrschaft bedurfte eines Predigers an ihren Ort und waren auch noch dabei einige Ortschaften, die reine waren, die konnten doch nicht also gelassen werden. Darum wurde der Herr Diaconus, Herr Joh. Sommer beordert, sich da hinaus zuverfügen. Der Herr Pastor M. Mathäus Balde hatte damals eben die arende über die Vorwerke. Weil nun die ausgezogenen Bürger nebst denen Kirchen Kindern über die Warthe wohnhaftig auch eines Seelsorgers bedurften, so machte er sich auf die andere Seite hinaus und zog nach Radgosz; damit aber gleichwohl auch diejenigen, die in der Stadt und Großdorf bleiben und inficiret waren, nicht ohne Seelensorge gelassen werden möchten, so wurde der damalige Herr Cantor Johann Jacob Strombeck pro pestilentiario (Pestprediger) angenommen auf Befehl des gnädigen Herrn auch von uns ordiniret, und also der noch übrigen Gemeine vorgestellt. Er lebte aber nur 6 Wochen bei seinem Amte, so starb er nebst Frauen und Kindern an der Pest. Nachdem er verschieden, so mußte die ministerialia (geistlichen Verrichtungen) auf sich nehmen der Pastor, wiewohl er kam nicht in die Stadt, sondern predigte, trauete, taufte und admistrirte draußen auf dem Anger, bis man merkte, daß man sich getrauen durfte weiter zu gehen (;) alsdann erwählte man hierzu den Kirchenplatz.

1710 gegen das heilige Osterfest in der Charwoche machten sich wieder die Ausgezogenen in die Stadt in ihre Häuser, nachdem sie selbige gut hatten säubern und reinigen lassen, der Gottesdienst ward auch zum ersten mal das Osterfest in der Kirchen wieder celebriret, allein nachdem sich wieder ein casus contagiosus (Ansteckungsfall) ereignete, so mußte man sich draußen auf dem Kirchplatze kümmerlich bergen und seine Andacht sowohl Sonntags als Wochentags halten bis zum Advent. Indessen breckelte sichs mit der Staupe fast den ganzen Sommer auch saßen die Leute nicht anders als wenn sie täglich wieder laufen wollten. Gott aber erhielt doch noch die Stadt durch seine Gnade.

1711 Januar. Bald nach dem sogenannten heiligen drei Königsfeste ging eine Execution vor sich, mit einer armen Sünderin von Mokritz, des Hohmes daselbst gewesene Tochter. Diese hatte heimlich mit einem gewissen Mühlischen zugehalten, und da sie nachmals ein Kind gebar, wollte sie’s auch heimlich gehalten wissen. Zu diesem Ende erwürgte sie das Kinder, und begrub es heimlich in den Kuhstall unter der Krippe. Gottes allsehendes Auge aber offenbarte diese böse That, und überantwortete sie der Hand der Gerechtigkeit. Die Strafe war die decollation so ihr auf Vorbitte wiederfuhr. Sie bereitete sich wohl zum Tode und erlitt mit getrostem Muthe den Schlag.

28ten August (1711) ersoff George Jacob der Homen von Radegosz allhier auf der Warthe, nachdem er in der Stadt sich vollgesoffen hatte, und in der Trunkenheit auf einen kleinen Kahn nach Hause fahren wollte.

August (1711). Gegen den Anfang dieses Monats ging der sächsische und moskowitische Mark aus Pohlen nach Pommern. Erst kamen die Sachsen und theilten sich halb durch die Stadt und halb durch die Vorwerke, alle nach Schwerin und Blesen zugehend, nachgehends aber kamen die Moscowiter aus 6 Regimentern bestehend, alle auf die Vorwerke.

1711 Dieses Jahr hat der moscowitische Marck continuiret nach Pommern. Die Meisten sind durch Birnbaum durchgegangen, und haben der guten Stadt viel Jammer und Herzeleid angelegt.

Junius. Gegen diesem Monden zu bauten sich die Moscowiter die Trifften, und nahmen alle Kähne hinweg, den Proviant zu Wasser nach Pommern zu bringen. Die Stadt mußte 5 Schock Holz, 100 Klaftern Stricke, eine Leine für 60 Rthlr., auch Pech und allerhand andere Materialien zum Schiffgeräth dazu geben, wie nichts weniger Aexte etc. Wie sie nun fertig werden, daß sie mit denen Trifften fahren konnten, so war das ärgste, daß keine Manns-Person in der Stadt sicher war. Es war nicht genug, daß ihnen die Stadt 38 Mann mußte liefern, sondern wenn sie vorbei kamen gefahren, so platzten sie noch dazu in die Stadt, nahmen alle Manns-Personen die sie antrafen mit Gewalt auf die Kähne mit, und plünderten alles, was sie antrafen, das währete ziemlich bis ins andere Jahr.

1712 Juni, Juli und August. In diesen 3 Monaten ging das fast in ganz Europa gewöhnliche Viehsterben auch an diesem Orte an; es war so vehement, daß in der Stadt, Dorfe und Schlosse nicht über 30 Stück mehr übrig blieben.

Am 13ten September kam das Unglück auf den höchsten Grad, denn außerdem, daß die arme Stadt mit vielen Moskowitern angefüllt lag die ihr sehr beschwerlich fielen wegen des Magazins, so strafte der liebe Gott das gute Birnbaum noch mit einer erschrecklichen Feuersbrunst, in welcher auf 146 Häuser darauf gingen. Das Feuer kam aus des Morgens an einem Diensttage zwischen 2 und 3 Uhre am Markte aus einem Hause, welches man Olszewskes nennte. Herr Klippel aber hatte es gekauft, durch was für Verwahrlosung kann man eigentlich nicht wissen; ob die Soldaten es angesteckt, oder ob durch Verwahrlosung Herrn Klippels Mägde, welche Dienstag vorher in diesem Hause Feuer gehabt und Tonnen gewaschen haben, es geschehen; kommt auf eine Inquisition an. Es blieben nicht mehr als 8 Häuser an der Brücke gegen dem Dorfe und die Töpfergasse gegen Bielsko übrig, das andere Alles, Ring, Neustadt, Rathaus und unterschiedliche Gassen gingen in Feuer auf.

1713 Bald bei dem Anfang des Jahres kam die Czaarin nebst dem Czarowicz aus Pommern hier an, und gingen wieder in ihr Land. Sie blieben 2 Nächte allhier stehen. Die Czaarin nebst den Frauenzimmern, worunter die Fürstin Galliczynin war, die Stunden auf dem Schlosse. Der Czarowicz aber bei den Herrn Doctore und was die Pfarr- und Schulhäuser anbelangt, die wurden auch nicht verschonet.

1713 den 16ten Novemb. Ward in Muchodczyn eine gewisse Frauens-Person Namens Margarethe Schabbelin von dem damaligen Schulzen Sebastian Piltzen der Hexerei beschuldigt. Die Ursache nahm er daher; sagte seine Kinder wären ihm vor einiger Zeit alle mit einander verlahmt. Er hätte aber einen besessenen Kerlen katholischer Religion der sich damals in der Stadt aufhielt gefragt, wer es gethan, darauf ihm dieser vorgedachte Margarethe Schabbelin genannt, und weil er denn nun ebenfalls auf keine andere, als auf Sie Präsumtion machte, so bleibe er dabei, und nehmen sie auf sein Gewissen. Sie wäre eine Hexe.

Wir Prediger redeten dem Kerlen Anfangs scharf ins Gewissen, und erwiesen ihm die Nichtigkeit derer documenten. Es steckte sich aber hinter dem damaligen Erbherrn, einen jungen Herrn v. Kalkreuth und brachte es so weit, daß sie nicht nur allein wurde eingezogen, sondern auch geschwemmet. Nun steckten wir Prediger uns wohl hinter die Gerichten, die aus der Stadt Birnbaum wurden herausgeholet, und erwiesen Ihnen, sie sollten sich weder mit der Schwemme noch mit der Tortur übereilen, denn solche Mittel wären nicht probat, sonderlich, wo keine andre Documente vorhanden waren, als wie sonst bisher, es wollte aber der Teufel dennoch sein Spiel haben, und brachte es so weit, daß es zur Schwemme kam. Als sie nun soll geschwommen haben, so bekam ihr Adversarius Gift, und brachte es bei der Herrschaft so weit, daß sie auch mußte gemartert werden. Wir Prediger schrieben diesfalls und predigten auch zugleich dawider; es wollte aber nichts helfen.

2 mal waren unsere Gerichten aus der Stadt dabei, als sie lorquiret wurde, bekannte aber nichts, damit wollten sie nichts mehr zu schaffen haben. Der Herr des Orts Carl v. Kalkreuth aber wollte nicht ablassen, sondern ließ die pohlnischen Gerichte aus Cham, einem Städtchen, eine Meile weges von Birnbaum abholen und ließ sie noch einmal lorquiren. Als sie aber auch da nichts bekennen wollte, so hat er sie auf einen Kreuzweg führen und noch einmal aufs ärgste martern lassen.

Ob Sie nuns was vor Marter mag bekennet haben oder nicht, hat man recht sicherlich nicht können erfahren, indessen kam die Post den 29sten November morgens in die Stadt herein, das Weib wäre in der Tonne todt; wie es sei eigentlich zugegangen, obs natürlich oder violento modo (auf eine gewaltthätige Weise) das können wir nicht wissen, im übrigen ist es memoratu dignum (merkwürdig).

1714 In diesem Jahre wurde der Thurm der evangelischen Kirche schon wandelbar daher mußte man wieder auf eine Reparation bedacht sein. Der Meister, der die Mühe auf sich nahm hieß Meister Jakob Herzog, war gebürtig aus Mähren, ein Katholike, hielt sich aber damals in Posen auf. Seine Arbeit bestund darinnen, daß er erstens angeben mußte wie das Fundament am Thurme zu repariren, 2) wie man den Thurm, der sich weit von der Kirchen hatte abgewandt, mit der Kirche wieder vereinigen sollte, und endlich mußte er 3) das unterste Dach neu decken; die obersten aber nur ausbessern. Es kostet der Kirche die Arbeit mit Zwecken und Blechen, Schindeln und Fließen 120 Thlr. Dem Meister alleine wurde nur pro labore gegeben 60 Thlr. und 2 Tonnen Bier. Um diese Zeit gefiel es Ihro Großmächtige Gnaden dem Herrn Starosten, den Stern auf den Thurm vergülden zu lassen. Er spendierte darauf 2 Ducaten. Der Thurmdecker bekam aber vor Abnehmen und Aufsetzen 4 ½ Thaler und ½ Tonnen Bier.

1715 Dieses Jahr ging noch ziemlicher maaßen wegen der Kriegestrouble mit, allein gegen das Ende desselben fand sich alles Unglück wieder mit Haufen, denn circa finem (gegen das Ende) Novembers kamen die Moskowiter wieder von neuem bei uns angestochen und wollten ihren Marsch durchs Brandenburgische denen Alliirten zu Hülfe nach Stralsund nehmen, weil aber der Winter nunmehr vor der Thür, so brauchte man ihrer nicht mehr an gedachtem Orte und schickte ihnen dannenhero contra ordre. Nun war das eben damals das Schlimmste, daß wie die Ordere einlief, sie schon in unserer Gegend eingerückt waren, und also wußten sie nicht, wo sie sich sollten alsbald hinwenden, der Winter war nunmehr vor der Thüre; müde waren sie auch von ihrem Marsch, dahero blieben sie uns auf 3 Wochen bald liegen auf den Hals, ehe und bevor sich die Armee ein wenig zu moviren begunte, ja, obgleich die Armee, so wie man vorgab aus 30.000 Mann bestund, sich von unseren Gränzen ein wenig weiter hinauf gegen Preußen hatte gezogen, so blieb doch immer der Feldmarschall Czeremetoff annoch bei uns liegen, und wartete auf dem König Augustum, der den 28ten Dezember von Guben nach Meseritz kam und weiter nach Posen avancirte, um also gewisse Ordre von ihm zu empfangen, wohin er eigentlich die Armee zum Winterquartier hinführen sollte. Hierzu kam noch ein neues Unglück: Des Feldmarschalls Gemahlin hatte, weil sie Hochschwanger war zurückbleiben, und also in Lithauen die Zeit ihrer Entbindung auswarten müssen. Nachdem Sie nun mit einem jungen Prinzen entbunden worden war, machte sie sich auf, in Willens ihren Herrn nach Pommern zu folgen, und diesen ihren Prinzen im Beisein Königl. Majestät sowohl von Preußen als Dänemark taufen zu lassen, und diese kam nun retour mit ihrem Hofstaat auf uns zu und blieb auch eine hübsche Zeit bei uns liegen aber auf unsere Unkosten.

1717 Gleich zu Anfang dieses Jahres kamen etliche Regimenter, welche so lang im Mecklenburgischen gelegen hatten wieder zurück nach Polen, und blieben liegen bis zu der Erndte.

In diesem Jahre war das was ungewöhnliches daß sich die Störche auf unsern Anger und Pasternack zu stark versammelten. Sie waren manchmal etliche 100 beisammen, und ließen sich nicht irren wenn gleich die Leute Ihnen auf den Hals kamen. Es war nicht anders als wenn sie immerdar ein Colloqium (Zwiegespräch) hielten, und mit einander worüber deliberirten, welches denn etliche Zeit nach einander gewährt.

Den 6. August wurde ein Weib in Skrzydlewo im Bette liegend vom Donner erschlagen. Das Mädchen so bei ihr lag dermaßen von dem Knall erschreckt, daß sie bei einer Stunde lag, ehe sie sich besinnen konnte, endlich ermunterte sie sich doch kam davon.

Um diese Zeit kam der Rest von denen Moskowitischen Truppen aus Mecklenburg zurück und den 18ten August stund der General Adam Heyde v. Weyde bei uns.

1718 Endlich ging der letzte Rest von denen Moskowitern die so lange in Schwerin gestanden und auf die aus Dänemark angekommenen Matrosen gewartet hatten eben den Charfreitag hier durch wieder zurücke in Ihr Land. Der General hieß Matuscheck.

1719 war ein schrecklicher Mißwachs zur Zeit der Erndte, dahero folgte hernach eine ungemeine Theuerung. Das Viertel Korn galt 10 Tympfle. Der Weitzen war im gleichen Preiss, das Viertel Gerste zu 8 Fl. Schilger das Viertel Erbsen 12 Fl. Schilger das Viertel Hafer 4 Fl. Schilger. Es war großes Elend unter denen armen Leuten, doch starb Niemand vor Hunger. Das Korn wurde bis von Thoren herunter geholet aus den Szkuten, die aus Klein Polen waren angekommen.

1720 den 30ten Decbr. dieses Jahres passirte noch allhier ein merkwürdiger Casus in der Kollnoer Mühle mit der Müllern, Namens … ? Diese Frau ward krank und fiel zuletzt in solche Ohnmacht, daß alle Leute sie vor Todt schon hielten, sie wurde gewaschen wie ein Todter, es wurde ihr auch ausgeläutet, und nachdem man sie in den Sarg hineingelegt um sie zu begraben, allein zu ihrem Glücke ermunterte sie sich wieder, nachdem sie 24 Stunden vor todt gelegen. Kam wieder auf und lebte nun recht gesund.

1721 den 1sten März zur Nachtglocke 11 war eben Sonnabend vor Invocavit geschah ein solches erschreckliches Himmelszeichen hier in unserer Gegend dergleichen noch niemals so entsetzlich mag gesehen worden sein. Der Anfang ließ sich allbereits spüren Glocke 8 Uhr des Abends, denn da ward es so lichte am Himmel, nicht anders, als wenn der Mond so pflegte zu scheinen, und war doch gleichwohl kein Mond mehr vorhanden, denn er war um 8 Uhr schon untergegangen. Hierauf fanden sich gewiße lichte Strahlen die gingen auf Nord-Ost und zogen sich gegen Westen, und nahmen fast mit ihren Umschweif und Glanz den ganzen Theil von Mitternacht bis Abend ein. Sie spielten aber mit solchen mannigfaltigen Farben, daß sich ein jedweder der es sahe nicht genugsam zu verwundern wußte, weil er dergl. seltsame couleures (Farben) noch nie gesehen. Endlich brach es aus, was aus dergleichen ungewöhnlichem Lichte werden wollte, denn nach 11 Uhr zu Mitternacht praesentirte sich zu aller spectatorum (Zuschauer) Schrecken eine große und erschreckliche Feuerkugel, die stand bis nach 1 Uhr mit solchem Entsetzen, daß alle, die sie gesehen, die Haut geschauert, und sich nicht anders eingebildet haben, als würde der Tag des Herrn kommen. Das Centrum von diesem sogenannten Feuerballen soll wie ein großer runder Tisch sein anzusehen gewesen, voller Feuer, nicht anders als wenn man durch ein so großes rundes Ofenloch in einen recht hellen und feurigen Brennofen, da nichts als lauter Feuer zu sehen, einen Blick hereiner thäte, das grauerlichste davon hat darin bestanden, daß aus dem Centro lauter Feuerstrahlen und Funken um und um herausgeschossen und fast den halben Theil von Norden nach Westen mit Flammen angefüllt, die dann zuletzt, wenn sie vergangen, einen recht dampfenden Rauch von sich gegeben, der auf die Erde gegangen. Es ist hier auf der Erden davon so licht gewesen, daß man gar füglich hätte von solcher resplendescenz (Wiederschein) Geld auf der Gaßen zählen können. Gegen 3 Uhr des Morgens ist darnach dergleichen Phaenomen (Himmelszeichen) verschwunden, und ist die Nacht geworden wie gewöhnlich. Von der Zeit an hat man dergleichen Nordscheine fast alle Jahr in folgenden Zeiten bemerkt, und ist nicht ein Jahr gewesen, da nicht zum wenigsten etliche mahle darinnen wären etliche observirt worden.

Den 14ten August hujus anni wurde ein Weibsbild mit Namen … ? decolliret (enthauptet). Sie hatte Anfangs bei dem Schwarzfärber M. Paul Thielen gedient vor Magd und hatte ihm etwas entwendet. Hierauf wurde sie davor ausgepeischet und mußte die Stadt verschwören. Sie kam aber demungeachtet noch 2mal wieder und bestahl ihm. Darüber wurde sie von Landsberg abgeholet, eingezogen und decolliret. Es waren noch mehr peccala (Verbrechen) die dazu kommen, und außer den Meineid und Diebstahl hat sie auch wollen anstecken das Haus des Schwarzfärbers, hat auch gehuret. Sie bekannte aber alles ohne Tortur und ging auch recht fröhlich und getrost zum Tode hin.

Eben um diese Zeit kaufte der Herr Staroste Bielsko, damit er eine Walkmühle möchte daselbst aufbauen können. Es ist nachgehender Zeit wegen dieses Gutes halber ein großer Prozeß entstanden, bis endlich die Sache auf dem Tribunal per decretum 1736 ist ausgesprochen worden.

1722 im Monat Juni und zwar den 3ten huj. kam die Walkmühle, welche Ihro Gnaden der Herr Starost bei Bielsko hatte erbauen lassen zum vollkommenen Stande und fing zum ersten Male an zu arbeiten. Gott lasse sie zum Aufnehmen unserer Stadt gedeihen!

Eodem die (an demselben Tage) schlug das Wetter einen Hütsjungen auf dem Feld zu Altgörzig todt.

1723 In diesem Jahr war das Getreide so wohlfeil, daß ein Viertel Korn zu 24 gr. Schillinger auf denen pohlnischen Märkten, das Viertel Gerste 18 gr. und das Viertel Haafer 12 gr. Schillinger galt.

1724 Der gnädige Herr verkaufte in diesem Jahre die Starostei Obornik und bezahlte Schulden.

1725 den 16ten März hora 9 anie meridiane (früh 9 Uhr) wurde unser gnädiger Herr der hoch und Wohlgeb. Herr Boguslaus v. Unruh Erbherr von Birnbaum vom Schlage gerührt in der Kirchen, da er eben freiwillig war von sich hereingegangen zu keinem Gottesdienste (denn denselben Tag ward eben kein Gottesdienst nicht celebrirt) sondern nur eine Disposition zu machen wegen derer Stellen halber, die da sollten verkaufet werden. Er ward bald todt herausgetragen auf den Hof und starb nicht lange darnach um 12 Uhr. Gott sei seiner Seele gnädig.

1727 den 2ten Oktober erschlug der Kirchenwächter im Zorn seinen Sohn. Zwar auf der Stelle bald blieb Er nicht todt, sondern er lebte noch eine kleine Zeit. Wie ihn aber eine starke Ohnmacht befiel, so war nichts bei der Hand wodurch man ihn erwecken kunte und also blieb er weg. Der Vater war ein geborner Schwede mit Namen Andreas Fisch echappirte.

1728 fingen die Sprengel (Heuschrecken) aus der Niederlausitz in den Glogauschen sich her zu begeben, und thaten bis an Karge heran großen Schaden, doch kamen sie noch nicht auf die pohlnische Gränze.

1729 den 17ten August kamen auch die Sprengel hierher zu uns mit hellen Haufen. Sie waren wie eine Wolkenbrucht und fielen alle mit einander auf die Gerste, weil das Korn war allbereits Gottlob eingeerndtet worden. Doch wir ließen sie sitzen, und wollten uns nicht mit ihnen jagen, dahero kam es, daß sie auch nicht gar zu großen Schaden thaten. In unserer Nachbarschaft zu Schwiebsen, Meseriteschen Kreis und auch in unserer Gegend haben sie alles glatt abgefressen, und ist in Prittisch gar nicht, in Striche aber Blutwenig erhalten worden. Im Gubenschen, Croßnischen und schlesischen Lande haben sie nun schon 2 Jahre nach einander gewüthet, und das macht der garstige Bruth den sie des Winters über zurücke ließen auch sogar in der Erden sich Nester machen wie mich deucht, daß solchen zu dämpfen kein besser Mittel, als Brühheiß Wasser, welches man auf dem Felde in Kesseln nicht weit von ihren Nestern kocht, und sie damit verbrüht. Man hat bishero sie insgemein mit großen Geschrei, Drommeln und Klingen derer Becken, wenn sie sind angekommen, von denen Feldern vertreiben wollen, aber man hat bemerkt, daß sie nur giftiger und hitziger worden sind, und wenn sie nachher wieder auf das Getreide gefallen sind, haben sie desto größerer Schaden gethan. Viele unter denen Heuschrecken waren wie die kleinen Vögel so groß, haben 4 Fliegel, welche inwendig sehr artig mit lineamenten gezeichnet waren, ein Maul wie ein Verkel so spitzig nebst 4 weißen Spitzen oder Stacheln die aus ihrem Munde rageten, und statt derer Zähne sein sollten. Gott bewahre uns ferner vor solche Fressers!

1730 In diesem Jahre continuirten die Sprenkel eben so wie voriges Jahr, doch war das dabei ein großes Wunder, daß das Getreide nicht aufschlug, sondern galt das Viertel Korn 1 fl. 15 gr. das Viertel Gerste 4 Schostack.

1731 post Festum Paschatos in diesen Jahren wurde die sogenannte alte Kirchstube auf dem Schlosse eingerissen und wurden neue apartementen daraus gemacht.

1732 trat unser gnädigster Herr Oberste, Herr Xtoph v. Unruh die Regierung der Stadt Birnbaum an, welche er, nachdem die gnädige Mamma ihre etliche Jahre geführte administration deponiret, vor baares Geld an sich gekaufet hatte und nahm alle Onera und Schulden auf sich, und damit kam der Disput zu Ende wegen Aufbauung und Reparirung der katholischen Kirche, weil er sich mit Macht des jus Patronatus vindicirite, und also auch Anstalt dazu machte, daß die Kirche ausgebessert wurde.

1732 starb unser gewesener König Friedrich Augustus und von der Zeit an ward es recht schlimm im Lande, weil sich die Pohlen wegen eines neuen Königs nicht vertragen kunten.

1734 vagirten di malionienten, die Augusto 3 dem neu erwählten Könige zuwider waren und hielten die Parthei Stanislaus, ziemlich in den Lande herum und kamen auch 2 mal hierher nach Birnbaum und erpreßten etliche 100 # (Ducaten) und wollten mich fangen; allein der Herr mein Gott verbarg mich vor ihren Augen, daß ich sicher blieb.

1735 mußte zu Steurung der Hurerey und Ehebruch Dom. Rogate auf Befehl des Herrn Obersten ein Edict publiciret werden, daß von dato an weder Huhrer noch Ehebrecher sollten verschont, sondern die Hurerei sollte mit Staupenschlag und der Ehebruch mit Kopf und Schwertschlag gestrafet werden. Tempus docebit, (die Zeit wird’s lehren) ob dem nachgekommen waren wird.

1736 In diesem Jahre war es auf der Straße sehr unsicher, sintemal gegen Pfingsten ein Jude nicht weit von Culm erschlagen wurde, und nach Johannis mußte auch ein Bürger aus der Stadt mit Namen Jacob Frey, zwischen Milostowo und Linde herhalten, da er eben von einem pohlnischen Bauer, den er zum Wegweiser mitgenommen hatte und Compagnon, erdrosselt worden.

Gleich darauf im Julie kam hernach ein solch groß Gewässer; welches dem anno 1698 nicht viel nehmen wird, alle Ställe und Hintergebäude in der Stadt wurden eingerissen, und ging das Wasser über und über. Keinen Planken noch Zaun sah man mehr, und war nicht anders als wie eine Zerstörung anzusehen. Die Vorderhäuser an der Brücke waren voll Wasser, bis an Vogelbergs Hause und kunte niemand drinnen wohnen, alle Brücken gingen weg, und daß Wasser kam bis bald an meine (des Prediger) Planken Ecke, nur daß noch ein kleine Spatium war trocken zu Fuße zu gehen; bei den Herrn Diacono wäre es, wenn es noch einen Tag gewachsen hätte, gewiß schon an der Ecke zum See zu in die Kammer getreten, denn der halbe Hoff bei ihm stund voll Wasser, in dem Großdorfe waren 4 Häuser hinter den Spittel voll Wasser, also mußten die Leute ausziehen, doch war dieses Wasser darin ärger und schädlicher als das erste 1698, weil ersteres in Martio (im Monat März) ankam, und also weder Wiesen noch Saat kunte schädlich sein auf dem Stadtfelde aber dieses nahm Wiesen und Getreide weg, und also kunten die armen Stadtleute nichts von den allen nutzen.

In allen Färbereien in der Stadt(,) deren 3 waren (,) stand alles voller Wasser, auch war kein Keller mehr in der Stadt fast anzutreffen, da nicht alles voll Wasser war, viel Brandmauern (,) Kachelofen und Feuermäuern fielen ein. Suma es war ein groß Elend allenthalten. Ob nun gleich dieß große Wasser im Oktober etwas abnahm, so währete es doch nicht lange, sondern kam wieder und währete hernach den ganzen Winter durch bis Martius (Monat März) daher kam auch die große Theuerung und Hungersnoth da das Viertel Korn zu 8 fl. Schilger und das Viertel Gerste zu 6 fl. galt, welches vor die armen Leute ein groß Elend war, zumal da die Nahrung ohnedem bei denen Tuchmachern sehr in gecadance (Verfall) gerieth.

Den 30ten September hora 10 vesperi (10 Uhr früh) starb unsere alte Fr. Starostin Ludovica Constantiariny geborene Zychlinskin im 68ten Jahre ihres Lebens nachdem Sie von anno 1732 die Güter allbereits cediret hatte und hatte bisher von Ihren gewissen Wittwengelder zehren müssen.

1738 den 17ten Januar kam der Sohn des Hohmens auf dem Berge bei Ihro Gnaden dem Herrn Wladislaw sich aufhaltend zu mir und bestellte das Begräbnis vor seinem Vater, wie es um und um kam, mußte ich den 19ten noch herauskommen und mußte ihm berichten. Die Ursache war: Er hatte die Schwarzenoth bekommen und damit lag er anders nicht, als wenn er mit dem Tode rang. Der gnädige Herr war damals gleich zugegen, und hatte noch niemals einen Menschen sterben gesehen, bildete sich ein, das wäre schon die Todesangst, befiehlt darnach dem Sohne, er soll nur schon zu mir laufen, und das Begräbniß bei Zeiten bestellen, aber siehe, er lebet noch, und solch ein Casus ist mir auch bald im Anfang meines Ministerii (geistlichen Amtes) begenet, mit einer Schneiderin aus der Stadt, wie auch mit der Colnoer Müllerin, welche allbereits in den Sarg gelegt worden war, und war ihr auch ordentlich ausgeläutet worden, nach dennoch recolligirte sie sich und lebt noch bis diese Stunde, also hat man mit denen Begräbnissen nicht zu eilen.

Um den May in diesem Jahre kam der Prozeß mit denen Hasen wegen Bielsko halber zum Ende, und wurde unserer Herrschaft ganz und gar übergeben.

Den Sonnabend vor Rogate war der 10te May fing es recht erst bei uns zu frieren, und des Tages am Morgen fiel so ein Schnee als wenn es Fastnacht wäre gewesen.

1764 wurde der Herr Graf v. Poniatowski durch Unterstützung Rußlands zum König von Pohlen erwählt, und das sächsische Haus ausgeschlossen. Dieser neue Regent besaß alle Eigenschaften eines guten und weisen Fürsten nur fehlte es ihm an Macht dieselbe gehörig zum Besten des Landes anzuwenden.

Anno 1789 fing sich der in dem Geschäfte ewig merkwürdige Reichstag an; worauf man an einer ganz neuen Verfassung von Pohlen arbeitete, sich von Rußland los riß und mit Preußen alliirte.

Bei der neuen Regulierung der Abgaben mußten die Edelleute den 10ten von ihrer Erndte und Propination abgeben und die Geistlichen von allen christlichen Confessionen ebenfalls den 10ten von den fixen Einkünften, die nicht voll 2.000 fl. betrugen, wer aber über 2.000 fl. fix Einkünfte hatte, mußte 20 Procent geben.

1791 den 6ten May wurde die neue Constitution in Warschau publicirt und vom König und den mehresten Reichstaggliedern beschworen, diese große Revolution wurde ohne alles Blutvergießen ausgeführt und gereicht der pohlnischen Nation zum unsterblichen Ruhm.

1791 den 28ten April vorher wurden alle Königl. Städte zu freien Städten erhoben und erhielten adliche Rechte

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Anno 1763 starb der Herr Reichsgraf Christoph v. Unruh Erbherr auf Birnbaum in Dresden. Sein Bruder Herr Peter v. Unruh nebst seinem Sohn den Kammerjunker Boguslaw v. Unruh waren von ihm zu Erbfolge von der Herrschaft Birnbaum bestimmt. Dieser letztere vermählte sich 1675 mit der ältesten Fräulein Tochter des Herrn Generals von Bojanowski, Erbherrn auf Bojanowo etc. Er zeugte mit ihr 4 Söhne und 2 Töchter.

Anno 1779 starb dieser Herr an der Brustwassersucht im 38ten Jahre seines Alters. Seine hinterlassene Frau Gemahlin heirathete 1780 den Herrn von Milencki aus dem Hammerischen Hause, reformirter Confession, dieser kaufte von dem Herrn Carl v. Unruh Rozbitek.

Birnbaum kam nun unter Vormundschaft. Die Vormünder waren Sr. Excellenz der Herr Starost v. Unruh, Erbherr auf Karge etc. und der Herr Land Kammerrath Carl v. Unruh, ehemaliger Erbherr von Rozbitek.

Die beiden ältesten Herren Söhne des verstorbenen Erbherrn von Birnbaum: Peter Stefan und Boguslaw wurden in Warschau erzogen. Die beiden jüngsten gingen in Preußische Dienste.

Gewisse Irrungen, die in der Familie entstanden, waren Ursache, daß die beiden ältesten aus ihrer schönen Laufbahn herausgerißen worden und 1785 nach Hause kamen. Es wurden verschiedene Anstalten gemacht, daß sie Birnbaum übernehmen sollten, allein da man nicht Gelder negociren konnte, um den Herrn Peter v. Unruh seinen Vorschuß, welcher an 40.000 Rthlr. betrug, auszuzahlen, so mußte dieses Project aufgegeben werden.

Nun ward beschlossen Birnbaum zu verkaufen

Anno 1790 verkauften die Erben die Herrschaft Birnbaum an ihren Pflegevater den Hochwohlgeb. Herrn Carl v. Mielecki Königl. Pohlnischen Kammerherrn für 160.000 Rthl. Nachdem die Unruhsche Familie diese Herrschaft an 200 Jahre besessen hatte.

1789 heirathete der älteste Sohn aus dem Birnbaumer Hause, Peter Stefan v. Unruh die jüngste Fräulein Tochter aus dem Hause Bronikowski auf Chlastawe und Guschi und hatte die Vorwerker Radegosz Mokritz, und Caplin in Pachtung.

1786 heirathete der 2te Sohn aus diesem Hause Herr Boguslaw v. Unruh eines Advocaten Tochter in Posen des Herrn Jasinski älteste Tochter, und kaufte 1790 das Dorf Roszbitek.

1790 heirathete der 3te Sohn August von Unruh die älteste Fräulein Tochter 2ter Ehe aus dem Hause Tzemnowski auf Powdowe und kaufte 1791 das Dorf Poppen bei Lissa.

1790 heirathete der 4te Sohn Christoph v. Unruh eine gewiße Fräulein von Bornstaedt in Schlesien.

1790 heirathete die älteste Fräulein aus dem Birnbaumer Hause Friederike v. Unruh den Grafen v. Bronikowski, Erbherrn auf Chlastawe und Guschi.

Herr v. Milecki verkaufte die Herrschaft Birnbaum, von welcher er 6 Jahre hindurch Besitzer gewesen an den Herrn Landrath v. Stentsch aus Schlesien; welcher jedoch dieselbe vor Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts dem Staatsminister Freyherrn v. Stein käuflich überließ.

Am Ende des Jahres 1816 wurde die Herrschaft Birnbaum ein Königliches Domainen-Amt. Der bisherige Besitzer, der Herr Minister v. Stein erhielt dagegen andere Güter in Westphalen.

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1789 brach in Frankreich die gewaltige Revolution aus, welche ganz Europa erschütterte.

1793 Im Anfange dieses Jahres wurde Großpolen von dem Könige von Preußen in Besitz genommen, und nunmehr Südpreußen genannt.

1806 den 25. Novbr. rückten die Französischen Truppen unter dem Kaiser Napoleon allhier ein. Südpreußen mußte beim Frieden der 1807 in Tilsit war geschlossen worden, zurückgegeben werden und bekam den Namen Herzogthum Warschau und zum Regenten den König von Sachsen. In dem Letztern, mit den Franzosen unter dem Kaiser Napoleon in den Jahren 1813, 1814 und 1815 geführtem Kriege, wurden jene überwunden – und die Folge davon war unter andern diese, daß ein Theil von dem ehemaligen Südpreußen und nachherigen Herzogthum Warschau, unter dem Namen: „Großherzogthum Posen“ an Preußen abgetreten, und von ihnen in Besitz genommen wurde.

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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt: Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) –