Die früheren Geschäftsräume des Amtsgerichts, welche in dem Rathause in Grätz untergebracht waren, genügten den wachsenden Ansprüchen in keiner Weise mehr.
Für den notwendigen Neubau stellte die Stadt Grätz unentgeltlich einen Bauplatz zur Verfügung, der bereits eine Anzahl öffentlicher Gebäude, wie Kirche, Schule und Kreisständehaus trug und mit dem vorhandenen, dem Justizfiskus gehörigen Gefängnisgebäude in Verbindung gebracht werden konnte.
Das Gebäude ist, wie der Lageplan erkennen läßt (Abb.2), an einer Straßenecke der Promenade errichtet; zwischen den Gefängnisgrundstück und dem Amtsgerichtsgebäude liegen Beamtengärten und das Wohnhaus für den zweiten Richter.
- Im Untergeschoß des neuen Geschäftsgebäudes sind die Wohnung für den Gerichtsdiener, Wirtschaftsräume und Räume für Zwecke des Gerichts untergebracht.
- Im Erdgeschoß (Abb. 4) befinden sich die Kasse mit Tresorraum, das Grundbuchamt, drei Richterzimmer mit den zugehörigen Gerichtsschreibereien, Räume für Staatsanwalt, Amtsanwalt und Publikum.
- Das Obergeschoß (Abb. 3) nimmt den Schöffen- und Strafkammersitzungssaal, ferner die Räume für die Strafgerichtsbarkeit im südlichen Seitenflügel auf.
- Die mit besonderem Treppenaufgang versehene Wohnung für den aufsichtführenden Richter liegt im östlichen Seitenflügel.
- Im Dachgeschoß ist eine Schreiberstube eingebaut.
Die Geschoßhöhen betragen im Untergeschoß 2,80 m, beim Schöffensaale 6 m, sonst 4,30 m, die Amtsrichterdienstwohnung ist niedriger gehalten.
Die Architektur des Gebäudes zeigt einfache Formen der deutschen Renaissance (Abb. 1).
Sämtliche Werkstücke der Straßenfronten sind aus Warthauer Sandstein hergestellt. Die Ansichtsflächen haben einen rauhen Putzbewurf unter Verwendung von Förderstedter Kalk erhalten.
Die Dächer sind mit roten Biberschwänzen als Kronendach, der Turm ist mit Kupfer eingedeckt.
Der innere Ausbau erfolgte in einfacher, aber zweckentsprechender Weise. Das Untergeschoß sowie die Flure des Erdgeschosses, die Kassen- und Grundbuchräume sind massiv überdeckt; dasselbe gilt von der Eingangshalle und vom Haupttreppenhaus, welche Gewölbe in Monierbauweise erhalten haben. Die Erwärmung der Räume erfolgt durch Kachelöfen, im Sitzungssaal durch eiserne Mantelöfen. Die Beleuchtung der Flure und Geschäftsräume wird durch das städtische Elektrizitätswerk bewirkt. Der Wasserversorgung des Gebäudes dient ein auf dem Boden befindlicher Behälter, der durch eine Saug- und Druckpumpe mit Handbetrieb gefüllt wird.
Die Kosten des Gebäudes trägt die Stadt Grätz, welche dem Justizfiskus den Bau mietweise überläßt. Sie betragen ausschließlich der Kosten für die Bauleitung und die innere Einrichtung rd. 196.000 Mark. Hiervon entfallen auf das Geschäftsgebäude 181.400 Mark und auf die Nebenanlagen 14.600 Mark. Ein Kubikmeter umbauten Raumes stellt sich für das Geschäftsgebäude auf rd. 16,50 Mark. Die Bauleitungskosten belaufen sich auf rd. 16.500 Mark die Kosten der inneren Einrichtung auf 10.600 Mark. Der Bau wurde im April 1904 begonnen und ist im Dezember 1905 der Justizverwaltung übergeben worden.
Der Vorentwurf wurde im Ministerium der öffentlichen Arbeiten unter Leitung des Geheimen Oberbaurate Saal ausgearbeitet. Die Ausführung erfolgt durch den Lokalbaubeamten Baurat Hauptner in Posen unter Aufsicht der bautechnischen Mitglieder der Königlichen Regierung, des Regierungs- und Baurate Weber und später des Baurats Hudemann. Für die örtliche Bauleitung war dem Lokalbaubeamten der Architekt Barilla beigegeben.
Quelle: Text und Bilder – Zentralblatt der Bauverwaltung No. 70 / 1906 – Seite 443-444 – Zentral- und Ladesbibliothek Berlin – http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2008/3992/2