Wurde je jemand aufmerksam auf das Taufbecken – das heutige Weihwasserbecken, das in der Kirchenvorhalle am Nordeingang der Herz-Jesu-Kirche am Chopinplatz steht?
„Die Inschriften auf dem Becken in deutscher Sprache haben mein Interesse geweckt. In meiner Geburtsstadt, in der ich auch aufwuchs – in Lauban in Niederschlesien – waren solche Inschriften keine Seltenheit. Noch heute kann man in den heute wieder polnischen Städten auf den Wänden einiger älterer Häuser ausgebleichte deutsche Inschriften finden. In alten Mietshäusern z. B. ist auf den Wasserhähnen die Aufschrift „kalt“ und „warm“ und auf alten Briefkästen noch das Wort „Briefe“ zu finden. Und noch ist auf Kanalisationsdeckeln die Inschrift „Stadt Lauban“ zu lesen. Aber hier bei uns in Neutomischel – mehr als 85 Jahre nachdem unsere Stadt wieder polnisch wurde, sind solche Inschriften eher selten. Es gibt (heute aber auch schon übermalt) noch eine, kaum sichtbare Aufschrift auf der Westwand des Hauses Nr. 11 am Alten Markt (Niepodleglosci) Platz.“ [siehe dort]
Die Übersetzung des Artikel aus dem polnischen wurde von Herrn Maennel zur Verfügung gestellt.
Denkmal der Liebe und Dankbarkeit
dem am 12ten Juli 1824
in einem Alter von 62 Jahren,
3 Monaten und 2 Tagen
verstorbenen wohlseligen und
Hochedlen Herrn
Carl Maennel
hiesigen Bürger und Kaufmann
von
Seiner Ehegattin Anna Rosina
geborene Kannewischer
und dessen 7 Kindern geweiht
Und auf der Rückseite ein Zitat aus dem Matthäus Evangelium Kap 28 Vers 1
Gehet hin und lehret alle Völker
und taufet sie im Namen des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes
Dieses „Denkmal“ hat von heute an zurückgerechnet ungefähr 180 Jahre überdauert. Es ist nicht bekannt wann genau es gestiftet wurde. Anna Rosina Maennel geborene Kannewischer verstarb 1845 und sehr wahrscheinlich erfolgte die Anfertigung und Aufstellung noch zu ihren Lebzeiten. Es konnte vermutlich diese lange Zeit überdauern, da es mehr als 100 kg wiegt, für einen einzelnen Mann ist es zu schwer um es zu bewegen. Der Kern ist ein Stein, dieser ist rundum mit Blech beschlagen;
die Abmessungen sind:
- Höhe 82 cm,
- Breite unten 60 cm,
- Breite oben 50 cm.
Ursprünglich war es das Taufbecken – ganze Generationen Protestanten erhielten in eben diesem Becken ihre Taufe.
Ein Fragment des Taufbeckens ist, vermutlich auf seinem ursprünglichen Standplatz, in der seinerzeit evangelischen Kirche zu Neutomischel noch auf einem alten Foto (unten rechts) aus dem Jahr 1930 erkennbar.
Ein Taufbecken aus dem Jahre 1867 ist auch noch in der Vorhalle der Kirche in Friedenhorst (Jastrzebsko Stare) zu finden, auch dort dient es heute als Weihwasserbecken.
Aber wer war Carl Maennel?
Der Name Maennel kommt in der Geschichte der Stadt Neutomischel bis zum Jahre 1945 vor. Carl Maennel (ca. 1762 geboren – 1824 verstorben) dem hier das Gedenken galt, war der Begründer einer einst berühmten und großen Familie.
Carl Maennel stammte aus Schönheide in Sachsen im Erzgebirge. Urban Maennel, ein Vorfahre von Carl Maennel, gilt als erster Siedler dieses Ortes, bereits im Jahre 1537 ist eine erste Erwähnung in alten Aufzeichnungen gefunden worden. Noch heute leben in Schönheide Maennel Nachfahren dieses Urban Maennel.
Zusammen mit seinem Bruder Johann Michael ist Carl Maennel ungefähr 1797 nach Neutomischel gekommen. In den Anfängen, so die Familiengeschichte, betrieb er hier einen Handel mit Löffeln; zuerst waren es Holz- später Blechlöffeln; etwas später kamen auch Nägeln und Handwerkzeug hinzu.
Am 22 September 1801 verheiratete er sich als Witwer, seine erste Ehefrau und 3 von 4 Kindern aus dieser Ehe waren verstorben, zum zweiten Mal in Neutomischel mit der Bäckerstochter Anna Rosina Kannewischer.
Er hatte vermutlich nicht immer leichtes Leben. Zweimal verlor die Familie bei den großen Stadtbränden der Stadt in den Jahren 1803 und 1816 sein Haus und konnte sich und seine Familie nur knapp vor dem Tod bewahren.
Aus der 2ten Ehe stammten acht Kinder – zwei Söhne und sechs Töchter. Eine der Töchter verstarb schon im Kindesalter. Sein ältester Sohn Johann Heinrich wurde ein Schön- und Schwarzfärber in Bentschen [Zbaszyn], wo er auch als Bürger ansässig wurde. Der jüngere Sohn Johann Alexander (geboren 1813 verstorben 1863) wählte den Beruf des Windmüllers; er war Eigentümer einer Windmühle an der Straße zu Alt Tomysl. 1848 errichtete er die 2te Dampfmühle des Großherzogtums Posen (Großpolen) – eben in Neutomischel. Er betätigte sich außerdem als Kauf- und Handelsmann in der Stadt.
Um 1835 war Alexander Mitbegründer der Alt-Lutherischen Gemeinde. Zu Beginn, die Anhänger dieser Glaubensgemeinde , da diese noch verboten war wurden noch verfolgt, fanden die Zusammenkünfte im Haus des Alexander Maennel statt. Nachdem später die Anerkennung dieser Glaubensgemeinde erfolgte wurde in Neutomischel eine Alt-Lutherische Kirche errichtet. Bis Mitte der 70iger Jahre stand diese noch in der Langestraße (ulica Dluga).
Alexander verheiratete sich mit Johanna Wilhelmine Ottilie Sperling. Aus dieser Ehe stammen 11 Kinder, 5 sind Söhne, der älteste Sohn verstarb durch einen Unfall sehr früh.
Der Sohn Nathanael unterhielt einen Laden an der Ecke Alten Markt und Goldstasse [heute Chopin Platz – und Mickiewicz Strasse]. Er war so vermögend, dass er 1883 das Postgebäude in der Bahnhofstrasse [Pilsudski Strasse] errichten ließ, es wird heute noch genutzt. Einer seiner Söhne – Otto Wilhelm hatte später eine Gärtnerei, sie war dort wo heute die Grünanlage an der Musiala Strasse ist.
Der Sohn Carl Daniel, errichtete eine Dampfmühle in Grünberg / Schlesien. Er verheiratete sich mit der Tochter des Stadtratsvorsitzenden aus Neutomischel, der Ida Margarethe Emilie Toeffling. Sie gründete später aus dem Erbe ihres Vaters eine Stiftung für die ärmsten Einwohner Neutomischels.
Der Sohn Friedrich Adolph Maennel übernahm die Dampfmühle. Er erlebte, dass die Mühle in den Jahren 1886 und 1889 niederbrannte.
Der letzte Sohn Johann Alexander gründete 1883 das Drahtgeflechtwerk; eine Fabrik für Drahtzäune, Sprungfedermatratzen. Ihm gehörte auch ein Laden, dieser befand sich an der Stelle des heutigen Durchgangs neben dem Kino.
Die drei Brüder Nathanael, Adolph und Alexander Maennel haben am 11. September 1895 an der Enthüllungsfeier des Ehrendenkmals der Gefallenen der Kämpfe von 1866 und 1870/71 teilgenommen. Die Zeremonie fand auf dem Alten Markt [Chopin Platz] statt.
Die Dampfmühle stand noch bis 1996 noch auf der Rückseite des Neuen Platzes (Niepodleglosci Platz). Auf alten Postkarten ist sie die Wohngebäude überragend zu erkennen und ihr noch höherer Schornstein gehörte zur Stadtansicht.
1945 verließ die Familie Maennel nach 148 Jahren, sowie auch andere deutsche Familien, Neutomischel.
Bis heute lebt Herr Dieter Maennel in Kassel, er wurde noch in Neutomischel geboren und ist der Ur-Ur-Enkel des Carl Maennel, des Urahnen der großen Neutomischler Familie. Er war so freundlich und öffnete für mich sein Familienarchiv, sodass dieser Beitrag verfasst werden konnte.