Dieser Text und die Bilder sind ein Auszug aus dem autobiografischen Erinnerungsbuch von Edelgard Ehrt geborene Xenodochius – „FräuleinX“
Edition Ehrt Kleinmachnow 2013, ISBN 978-3-00-042138-9″
Hier nochmals Vielen Dank an die Familie Ehrt, dass wir dieses Kapitel der Erinnerungen hier veröffentlichen dürfen !
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Langsam beginnen sich die Wolken am Himmel zu färben. Sie verlieren dabei mehr und mehr ihre graue Farbe und gehen über in ein gelblich rotes Leuchten. Damit ist ganz gewiss angedeutet, dass bald die Sonne den Tag begrüßt. Sie vertreibt mit ihrem Licht das Dunkel der Nacht. Dort, erste Strahlen brechen sich am Horizont Bahn! Nur noch Augenblicke, dann verklären tausendfache Strahlen den Anblick des großen Himmelsballes.
Doch ehe ich diesen ganz erblicke, vergeht noch etwas Zeit – und das ist gut so.
Ich weile am Rande eines Waldes, dessen Rauschen und ewiges Singen mein Herz erfüllt von der Sehnsucht zu lauschen, lange zu lauschen. Ich möchte hören, möchte Herz und Sinne öffnen beim Raunen seiner Äste und Zweige, die da Unvergessliches wissen von Liebe und Freud, aber auch von Leid und harter Zeit.
Ich wende mich um und mit geheimnisvoller Kraft zieht es mich in die Tiefe des Waldes. Hier finde ich einen unbeschreiblich schönen Platz! Mich umgibt das üppige, taufrische Grün des Sommermorgens, das glitzernde Leuchten der sich bahnbrechenden Sonnenstrahlen. Dicht neben mir entdecke ich zarte Waldblumen noch schlummernd benetzt vom Morgentau, darauf wartend, von der Sonnenwärme nachgerufen zu werden! Da fesselt etwas Neues meinen Blick! In tiefer Abgeschiedenheit und Stille schimmert das Wasser eines Waldsees durch Sträucher, Unterholz und Bäume. Diese neue Entdeckung zieht mich in den Bann, so dass ich meinen Blicken folge und das Seeufer erreiche. Viel Grün spiegelt sich im Wasser wider, für das Blau des Himmels bleibt wenig übrig. Zu groß und zu verzweigt säumen sie das Ufer und als ein leichter Wind aufkommt, nehme ich über und neben mir wieder Raunen, Säuseln, Wispern wahr und es ergreift mich eine unbestimmte, ungestillte Neugier, was wohl diese Bäume mit erlebt und mit angesehen haben? Wieder nehme ich Platz unter einer knorrigen, alten Erle, die sich wie altersschwach krumm gebeugt dem Wasser zuneigt. Ich schließe meine Augen fest und atme tief, Wald – und Wasserduft empfindend. Nun sehe ich Bilder an mir vorüberziehen und mir ist, als ob sich die uralte, zerzauste Erle noch tiefer zu mir neigt und sich ihr Knarren, ihr Rauschen zu Worten formt. Ich lausche angestrengt und gespannt, wovon sie zu erzählen weiß, zu erzählen nämlich vom Bruckhof.
An einem sonnigen Junitag des Jahres 1992 betraten mein Bruder Kurt Xenodochius, und ich – zwei Ururenkel des Bruckhofes – sowie meine Söhne Rainer und Heiko das ehemalige Rund dieses Anwesens.
Geblieben ist vom einstigen Bruckhof nur ein romantisch anmutendes Fleckchen Erde mit lebendigen Zeugen der Natur. Die Bilder aus Kindertagen erwachen.
Wir orientieren uns zuerst am Waldsee (Teich), der zum Hofareal gehörte und der, von üppig und wild wucherndem Strauchwerk umwachsen, nur von dem entdeckt wird, der von seiner Existenz weiß. Zielstrebig weisen uns Büsche und Bäume den Weg. Wir überschreiten die einstige Hofmitte und wissen noch, dass das Gelände leicht abfallen wird. Richtig, wir bewegen uns bereits abwärts und treffen unmittelbar auf einen Strauchgürtel. Nachdem wir diesen auseinanderbiegen, erkennen wir den sich länglich ausdehnenden, moorig – dunkel schimmernden Teich. Da, Seerosen wie ehemals, Schilfbewuchs an den Innenrändern, auch Trauerweiden, die sich hängend verträumt im dunklen Wasser spiegeln!
Blieb hier die Zeit 50 oder mehr Jahre stehen?
Unser Blick gleitet zum nahegelegenen Ufer gegenüber. Still sitzt dort ein Angler. Wir wollen ihn nicht stören und ziehen uns wortlos zurück.
Ein paar Schritte weiter entdecken wir Reste des kleinen Bootssteges, der sich hier einst befand und an dem damals stets ein Kahn für eine Bootspartie oder für einen Fischzug (nach Karpfen) ankerte.
Ein Foto mit einem Teil der Hochzeitsgesellschaft von Tante Hedwigs Hochzeit ist noch in meinem Besitz und ergänzt die Erinnerungen an romantische, friedvolle Tage.
Wieder wenden wir unsere Blicke und Schritte den leichten Anstieg zum ehemaligen Hof zu und werden auf die Reste eines Brunnens aufmerksam, der seine Funktion längst verlor. Wie oft hat Mutter diesen Brunnen erwähnt, den die Vorfahren ganz sicher noch vor der Errichtung der Gebäude bauten, um das lebenswichtige Nass für Mensch und Tier zu sichern. Anschaulich und einprägsam schilderte Mutter, wie sie unzählige Eimer Wasser schöpfen und per Trage über den Schultern mit je einem Eimer voll Wasser in der Hand den leichten Anstieg hinauf über den Hof in die Viehställe oder in das Wohnhaus schleppen musste.
Nachdenklich und langsam gehen wir weiter. Die Stille der Einsamkeit und Abgeschiedenheit dieses einstigen Hofes nimmt uns gefangen. Nur Vogelstimmen, die aus blühenden, verwilderten Weißdornbüschen und aus dem nahen Wald herüberklingen, sind nicht zu überhören und rufen uns in die Wirklichkeit zurück.
Erneut begegnen wir stummen Zeugen der Vergangenheit. Es sind Reste vertrockneter, knorriger, ehemals prächtiger Süßkirschbäume, die in den 20er Jahren in voller Pracht blühten und saftige Früchte trugen, wie sich Bruder Kurt gern erinnert. Doch er erwähnte auch, dass es Großmutter Ernestine Bruck gar nicht gern sah, wenn ihre Enkelkinder aus Dombrowo zur Reifezeit der Süßkirschen unangemeldet auf den Bruckhof kamen und ohne ihre Erlaubnis oder Kenntnis erst einmal die Kirschbäume erstiegen und sich mit süßen Früchten vollstopften!
Wir überqueren den relativ großen, von Wildgräsern überwucherten Hofraum und verweilen an dem Platz, an dem damals – vermutlich um 1800 (?) – die Ururgroßeltern diesen Platz und das umliegende Land für die Hofgründung vom damaligen etwa 2 km entfernten Herrensitz der von Hardt aus Wonsowo erwarben.
An dieser Stelle, also ungefähr in der Hofmitte, lag einst ein riesiger flacher Findling, der den Hoferbauern noch vor der Errichtung der Gebäude als 1. Tisch diente, so weiß ich es von den Überlieferungen der Mutter. Wer sucht, der findet, heißt es in einem weisen Wort. Doch wir geben die Suche bald auf!
Vergeblich schauen wir uns nach Überresten der einstigen großen Stall – und Scheunenanlagen um, die den Hof im Süden, Osten und Norden begrenzten. Nur die Weißdornhecke hat die Zeit überdauert. Jetzt völlig ausgewuchert bildete sie noch zu meiner Kinderzeit – damals geschnitten und gepflegt – eine natürliche Begrenzung für den Garten im Süden längs des großen Stallgebäudes.
Wie froh, glücklich und erleichtert war ich als Kind – etwa 8 – 10 jährig – immer, wenn ich diese mannshohe Weißdornhecke vor mir sah, denn dann wusste ich, dass ich den Weg (von Dombrowo) zum Bruckhof nicht verfehlt hatte. Er war nämlich gar nicht so leicht zu merken, dieser Weg vom elterlichen ca. 4 km entfernten Lindenhof. Weil dieser Weg mir oft so romantisch – abenteuerlich erschien, will ich nicht versäumen, ihn hier etwas näher zu beschreiben:
Zuerst lief ich von unserem Westhoftor aus bis zur Hauptstraße und dem großen Kastanienbaum. Nun überquerte ich die Hauptstraße – die links nach Porazyn und rechts nach Kuschlin führte – und bog nach ca. 100 m rechts in einen Waldweg ab. Dieser mündete in unserem privaten Wald, den wir als Kinder durch Pilze-, Beeren- und Reisig sammeln recht gut kannten. Jetzt musste ich darauf achten, dass ich auf dem sandigen, leicht ausgefahrenen Waldweg blieb, um diesen erst an einer bestimmten Gabelung zu verlassen. Hier endete auch unser Wald und ich durfte nun eine bestimmte, mit Jungkiefern bewachsene Schonung nicht verpassen, durch die ein schmaler Pfad bis zum nächsten Hochwald führte. Mit leichtem Unbehagen durcheilte ich diese Schneise und war froh, wenn mein Blick den Hochwald freigab. Trotz Unterholz mit viel Gestrüpp und kratzenden Brombeer-Ranken (deshalb war es auch gut, nicht vom Weg abzuweichen) konnte ich nun bald das idyllisch gelegene Forsthaus vom Förster Joachim erkennen. Oft musste ich an dieser Stelle an Hänsel und Gretel denken, die so- oder so ähnlich – das Hexenhaus versteckt im Walde entdeckt hatten! Kinderträume – erlebte Märchenträume? Das »versteckte« Forsthaus rechts liegen lassend, hieß es, sich links halten und bald erblickte ich ein Stückchen blauen oder grauen Himmel, der Wald lichtete sich, und nun hatte ich mein Ziel fast erreicht! Mit Vorsicht überquerte ich einen – je nach Jahreszeit – feuchten Pfad über die Ausläufer des Teiches, von dem ich bereits berichtete.
Oft genug bin ich zuvor mit der Mutter oder mit den älteren Brüdern diesen Weg gemeinsam gegangen, um mir alle markanten Punkte einzuprägen! Doch nun wieder zurück zum ehemaligen Bruckhof im Sommer 1992!
Unsere Aufmerksamkeit gilt jetzt den Spuren des einstigen neuen, großen Wohnhauses (vielleicht um 1800 erbaut?) – es bildet den Hintergrund des Hochzeitsbildes meiner Eltern. Sicherster Hinweis, so meint mein Bruder Kurt, sei die urwüchsige, alte, hohe Linde, die vor dem Eingang des Wohnhauses stand. Sie hat die Stürme der Zeit überdauert. Ach, könnte sie erzählen! Wir verweilen in ihrem Schatten, lehnen uns an ihren mächtigen Stamm, lassen unsere Blicke schweifen, beschwören unsere Vorstellungskraft. Unsere Suche treibt uns weiter zu entdecken – und wir werden fündig! Überwucherte Mauerreste können ehemalige Grundmauern sein! Ja, sicher, hier stand das große Bauernhaus und da ich die Räume gut kannte, möchte ich noch einige Beschreibungen hinzufügen:
Das Haus wies zum Hof zu einen östlichen Haupt- und Seiteneingang auf, wobei der Haupteingang vermutlich selten benutzt wurde. Ich erinnere mich, das Haus stets durch den Seiteneingang betreten zu haben. Durch einen schmalen, länglichen Flur gelangte ich in die große Küche, in der schon zu Mutters Zeit das Gesinde das Essen einnahm. Geradezu, rechts an zwei Fenstern und einem langen Zubereitungstisch vorbei, stieg man einige Treppenstufen hoch und betrat ein kleineres Zimmer, wohl als Speisezimmer für die Familie gedacht. Von diesem Zimmer aus erreichte man einen größeren Vorratsraum (Speisekammer) und eine zweite Tür führte in den hinteren Mittelflur, von dem aus wiederum eine Tür zum Garten, eine zweite in das große Wohnzimmer (die sogenannte gute Stube) wies. Von hier aus gelangte man durch eine Verbindungstür in das Schlafzimmer und von diesem auf den Hof oder in die Küche.
Ich ging gern durch den Hinterausgang in den Blumengarten denn dieser Garten wies eine Vielfalt von Blumen, immergrünen Sträuchern und kleinwüchsig umrandete Beeteinfassungen aus Buchsbaum auf. Außerdem gelangte man von hier aus zu dem ersten, alten, aus dicken Bohlen errichteten Wohnhaus, das damals nur noch als Schuppen oder Abstellraum benutzt wurde und welches für uns Kinder immer irgendwie geheimnisvolle Anziehungskraft besaß. Hier, so Mutters Überlieferungen, wohnten die Urgroßeltern Bruck bis zu ihren letzten Tagen. Die Urgroßmutter starb 1910, als meine Mutter 12 Jahre alt war. Von ihren Großeltern, vor allem von der Großmutter, hat mir Mutter viel und oft erzählt. Sie war eine ungewöhnliche Frau, die auf ein arbeitsreiches Leben zurückblicken konnte, in welchem sich Fleiß mit kluger Wirtschaftsführung vereinte. Voller Liebe und Güte nahm sie sich der zwei Halbwaisen (meiner damals dreijährigen Mutter und der zweijährigen (Schwester) an, als die Mutter der Mädchen nach der Geburt des 3. Kindes starb. Schwer trug die Großmutter an diesem Schicksalsschlag. Zu schwer war die tägliche Arbeit der jungen, zarten Bauersfrau auf dem großen Hof. Hinzu kam, dass wenig Zeit blieb, sich von den rasch nacheinander folgenden Geburten zu erholen. So brach sie, geschwächt und entkräftet, eines Tages hochschwanger, unter der Last von zwei Futtereimern in den Händen bei der Arbeit zusammen. Sie erholte sich nicht mehr und auch das zu früh geborene Söhnchen starb.
Solange Großmutter und Großvater Bruck lebten, wuchsen die beiden Mädchen wohlbehütet auf. Doch bald mussten sie während dieser Zeit schon oft in das große Bauernhaus, um im Haushalt und bei der Aufsicht der 5 Geschwister aus 2. Ehe zu helfen. Damit begann für die beiden Mädchen eine schwere Zeit, vor allem als der 1.Weltkrieg ausbrach. Es mangelte mehr und mehr an Arbeitskräften, die Mädchen mussten oft einspringen und harte Männerarbeit leisten. Am schwierigsten und äußerst kräftezehrend waren wohl Arbeiten auf den Feldern im Umgang mit den Pferden. Fast in Verzweiflung gerieten die Mädchen beim Pflügen. Der Boden war besonders im Frühjahr und Herbst nass, schwer, lehmig und steinig. Der Pflug musste mit ganzer Kraftanstrengung gehalten, niedergedrückt und geführt werden! Wehe, er sprang, etwa wegen eines Steines, aus der Furche. Der Vater stand am Hofausgang oder sonst in der Nähe, beobachtete und kommandierte den Fortgang der Arbeiten. Er brüllte zuweilen seine Anweisungen und Tadel mit einer Lautstärke, die den Mädchen durch Mark und Bein gingen. Es war auch demütigend, wenn die Mädchen mit dem übrigen Gesinde zusammen in der großen Küche essen mussten, während sich die übrige Familie ins Nebenzimmer begab. Oft war das Essen knapp bemessen, die Mädchen langten meist zögerlich zu oder ließen sich von den kräftigen und rüden Knechten an die Seite drängen. Zudem waren sie wiederholt unflätigen Bemerkungen der Männer ausgesetzt, wie das in solchen Kreisen oft üblich war. So war es zu verstehen, dass die Mädchen hungrig vom Tisch aufstanden und sich in unbeobachteten Augenblicken noch eine Scheibe Brot – das in einer Truhe in der Küche aufbewahrt wurde – abschnitten. An Aufstrich war natürlich nicht zu denken, den hielt die Stiefmutter streng unter Verschluss. Doch eines Tages merkte sie, dass Brot fehlte und kerbte hinfort angeschnittenes Brot ein. Dass sie damit die »Diebinnen« bald überführte, lässt sich denken. Strafen und noch härtere Arbeit waren die Folgen.
Zu gern wären die Mädchen nach dem Volksschulbesuch vom Bruckhof weggegangen, hätten eine Ausbildung, z.B. als Schneiderin oder Mutter als Lehrerin (was ihrem heimlichen Wunsch entsprach) aufgenommen. (Für ihre Tochter – also mich – sollte sich dieser Wunsch viel später – ab 1943 – erfüllen!) Doch der Vater ließ in dieser Richtung nichts zu, behielt die Mädchen als billige Arbeitskräfte auf dem Hof und zog – wie damals oft üblich – höchstens günstige Heiratsangebote in Erwägung.
So heiratete Mutter 1919 unseren Vater, Otto Xenodochius, und zog auf den Lindenhof nach Dombrowo. Dass sie es auch auf dem Lindenhof nicht leicht hatte, wäre eine andere erzählenswerte Geschichte.
Mutters Schwester dagegen erwartete mit einer Heirat ganz gegen ihren Willen ein weitaus schwereres, ja aus meiner Sicht tragisches, fast unmenschliches Los. Man zwang sie in die Ehe mit einem Jahrzehnte älteren Onkel. Der Leidensweg und das Schicksal dieser Tante gäbe ebenfalls Stoff für die Wiedergabe einer Erzählung.
Es wird Zeit – wir gehen langsam zum einstigen südlichen Hofausgang zu und verlassen den »Bruckhof«, den es nicht mehr gibt, der aber in meiner Erinnerung lebendig geblieben ist und von dem ich mit Sicherheit nur einen Bruchteil seiner Geschichte wiedergeben konnte. Allen, die einst diesen Hof mit Leben erfüllten, die Freud und Leid miteinander teilten, die die wechselvolle Geschichte dieser Heimat durchlebten, die Großes leisteten, möchte ich diese Zeilen widmen, ehe sich der Schleier der Vergessenheit über alles legen wird.
Bleiben wird vom Bruckhof ein versonnenes, vergessenes, idyllisch gelegenes Fleckchen Erde, der Natur zurückgegeben.
Nichts hält oder bleibt ewig, alles ist vergänglich hier auf Erden. Die Spuren verweht der Wind, wenn Menschen die Stätten ihres Wirkens verlassen oder verlassen müssen, wenn Krieg, Flucht, Tod, Vertreibung tiefe Wunden hinterlassen. So möchte ich meine Erinnerungen nicht beenden, ohne die letzten Bewohner des Bruckhofes zu erwähnen, die alles aufgeben und zurücklassen mussten. Die unheilvollen Ereignisse nach dem 2. Weltkrieg trugen sie in eine unbekannte Fremde.
1939 heiratete Onkel Adolf Bruck und damit kam neues Leben und neuer Schwung auf den Hof! Tante Agnes ist mir als tüchtige, umsichtige Hausfrau in Erinnerung, die klug wirtschaften und einteilen konnte. Ihren Haushalt, die Kleinviehbestände, die großen Gärten und viele anderenAufgaben sowie die Betreuung und Erziehung ihrer drei Kinder meisterte sie mit Aufopferung und Geschick. Ich besuchte sie so oft ich konnte, bewunderte ihre Energie, denn bald nach Ausbruch des Krieges musste sie alle Verantwortung allein übernehmen.
Onkel Adolf musste einrücken, überlebte den Krieg, aber er starb kurz danach in einem Flüchtlingslager.
1943, kurz bevor ich zur Lehrerausbildung nach Lissa kam, durfte ich den kleinen Hans – Georg Bruck in der Kuschliner Kirche als Patin über das Taufbecken halten.
Im Flüchtlingslager hielt der Tod reiche Ernte und raffte Gisela, das Töchterchen und älteste Kind sowie Großmutter Ernestine Bruck dahin.
Tante Agnes blieben die beiden Jungen Dieter und Hans – Georg und sie fand nach langer Odyssee eine vorläufige Bleibe bei Verwandten in der Nähe von Berlin. Tapfer kämpfte sie sich in der entbehrungsreichen und schwierigen Nachkriegszeit durch und opferte alles für ihre Söhne. Beide waren ihrer lieben Mutter für alle Liebe und Güte bis zu ihrem Ableben von Herzen dankbar.
Das Geschlecht der Brucks lebt in den Kindern und Kindeskindern weiter und mögen sie durch diese kurzen Aufzeichnungen erfahren, wo die Wurzeln ihrer Vorfahren zu finden waren.