Der ehemalige evangelische Friedhof von Neutomischel

FSzoldrski“ … Desgleichen ertheile ich dem Städtchen einen Gottes-Acker, denen deutschen Leuten zum Begräbniss.“
Felix Szoldrski Dziedzic Miasta Nowego Tomisla / Felix Szoldrski, Erbherr der Stadt Neu Tomysl
geschrieben am 18 Februar 1788

„In allen Weltkulturen und durch die ganze Menschheitsgeschichte hinweg wurden
Friedhöfe, Gräber und ewigen Ruheorte mit außerordentlicher Pietät betrachtet und werden bis heute,
entsprechend ihrer jeweiligen Kultur-und Zivilisationszustands auf diese Weise behandelt.“
(Denkmalschutz für Friedhöfe. Die Anordnung des Episkopats – Kommission zur Kirchlichen Kunst 1987)

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Blick vom Neuen Markt in Richtung Friedhofgasse, der heutigen Komunalna - Postkartenausschnitt

Blick vom Neuen Markt in Richtung Friedhofgasse, der heutigen Komunalna – Postkartenausschnitt

Wenig ist bekannt über die Anlage des ersten Gottesackers für die protestantischen Einwohner der im Jahr 1788 neu entstehenden Stadt.

Zum Jahr 1836 findet sich jedoch die Erwähnung der „Friedhofsgasse“. Sie führte zwischen den der Stadt zugehörigen Anwesen der Nummern 32 und 33 am Neuen Markt zum Begräbnisplatz.

Das Areal selbst schloss sich an die Hausgrundstücke Nummer 33 – 36 und deren im hinteren Teil der Anwesen befindlichen Stallungen an. Die Breite wurde mit 51,2m im Süden, also zum Neuen Markt hin gesehen und sich dann stadtauswärts nach Norden verbreiternd auf 53,10m und die Länge mit 94m, angegeben.

Im Jahr 1885 hat vermutlich eine erste Erweiterung der Fläche um das von Stadt angekaufte Mühlengrundstück des Christoph Rausch (1811-1899), welches ca. 32m breit und eine Tiefe von 53m besessen hatte, stattgefunden. Die Parzelle hatte sich auf den ältesten einsehbaren Katasterkarten direkt an das Friedhofsgelände angeschlossen. Als einzige Erwähnung bzw. Eintragung hierzu findet sich lediglich der Besitzwechsel im Hypothekenbuch dieses Jahres. Angenommen werden kann, dass sich später niemand mehr dieses Ereignisses erinnerte, denn im Sprachgebrauch wurde lediglich zwischen Altem und Neuem Friedhof unterschieden.

Bis mindestens 1909 war der „Alte“ Friedhof, als einziger Begräbnisplatz der protestantischen Stadtbewohner in Nutzung. Es ist nicht bekannt, ob in einigen Familiengräbern noch über dieses Jahr hinaus Beisetzungen stattgefunden haben.

Lageplan des Alten und Neuen Friedhofsareals - Zeichnung angefertigt anhand von Archivunterlagen

Lageplan des Alten und Neuen Friedhofsareals – Zeichnung angefertigt anhand von Archivunterlagen

Der „Alte“ Friedhof war ursprünglich von einer Kirchhofsmauer umgeben. 1904 war zur Erweiterung des Begräbnisplatzes ein Stück Ackerland, welches sich im Anschluss an das Erstere, weiter nach Norden erstreckte, durch die Stadt angekauft worden. Anlässlich erster Überlegungen zur Gestaltung der Anlage wurde in Erwägung gezogen, das neue Areal mit einer Mauer zu umgeben, welche derselben Bauart wie die des alten Teils entsprechen sollte.

Aus einigen Archivunterlagen, welche die Friedhofserweiterung betreffen, geht nur ab und an eine Information zum Alten Friedhof hervor; schwerpunktmäßig behandeln die Unterlagen jedoch die Erweiterung und die Anlage des „Neuen“ Friedhofes.

Vorrangig für das zugekaufte Erweiterungsareal waren die Auffüllungsarbeiten um das gleiche Höhenniveau des Geländes wie das des alten Bereiches zu erreichen. Das Stück Land war im Anschluss an den Alten Friedhof 53,10m breit und verjüngte sich auf seiner Länge von 103,70m dann auf 50,80m. Die Kalkulation des anzufahrenden Sandes war mit 400-500 cbm Sand veranschlagt worden. Im Februar 1905 erfolgte die Bekanntmachung, dass ein entsprechender Auftrag öffentlich zu vergeben sei, die Arbeiten des Auftrages selbst sollten im Mai 1905 beendigt sein.

Als Besonderheit kann hier betrachtet werden, dass angeordnet war, die Bekanntmachung durch 2maligen Ausruf zu „veröffentlichen“, jedoch den Herren C. Ed. Goldmann, Otto Maennel sen., Carl Goldmann, Paul Lutz, H. Wittkowsky, Georg Schultz, Fuhrmann Kempe und Fuhrmann Klie zur Kenntnis persönlich vorzulegen gewesen sei. Der Stadtwachtmeister Schubert bestätigte per 13. Februar 1905, dass er den erteilten Auftrag hierzu erledigt habe.

Letztlich erhielt der Kaufmann Paul Goldmann für das erste Los von 250 cbm und Otto Maennel späterhin für das zweite Los, sie hatten jeweils das Mindestangebot abgegeben, den jeweiligen Zuschlag der auszuführenden Arbeiten.

Aus einem, leider undatierten, Schreiben des evangelischen Gemeindekirchenrats der Pauli Kirche zu Posen ist zu entnehmen, dass dieser darauf aufmerksam machte, dass für die Anlegung neuer Begräbnisplätze jener Zeit die Genehmigung des Regierungs-Präsidium erforderlich, eine Kirchhof- bzw. Begräbnis Ordnung vorhanden sein müsste und in jedem Falle der zuständige Medizinalbeamte (Kreisphysikus) zur Prüfung der örtlichen Verhältnisse hinzuzuziehen gewesen sei.Nicht erkennbar ist, ob man seitens der Stadtregierung Neutomischels von diesen Vorschriften Kenntnis gehabt hatte oder nicht.

Im April 1906, also circa 1 Jahr nach dem Abschluss der Auffüllungsarbeiten des Erweiterungsgeländes, wurde der Magistrat der Stadt bzgl. der zu erfüllenden Auflagen, von welchen er in Kenntnis gesetzt worden war, tätig und ließ sich ein Musterexemplar einer Kirchhofsordnung übersenden.

Blick auf den ehem. Friedhof - Bild Maennel Archiv

Blick auf den ehem. Friedhof – Bild Maennel Archiv

Es verging wiederum fast ein Jahr ehe weitere Veranlassung getroffen wurden. Mit dem Stadtverordneten Beschluss vom 15. März 1907 wurde dem Herrn Apothekenbesitzer Dr. Vité unter Mitarbeit des Herrn Kreisrendanten Weber der Auftrag erteilt eine Kirchhofsordnung und einen Gebührentarif für die Stadt Neutomischel anzufertigen. Im Mai 1907 wurden diese in der vorgelegten Form genehmigt. In der gleichen Sitzung wurde der Bau „einer Umwährung und zwar an der Westseite Mauerwerk, an der Nord- und Ostseite Staketenzaun, sowie den Bau einer Leichenhalle, die Erbauung der letzteren soll erst bei dem Vorhandensein verfügbarer Geldmittel erfolgen …“ beschlossen.

Im Mai 1907 setzte man sich mit dem Königlichen Kreisarzt Hochwohlgeboren Dr. Buddee in Verbindung und erbat das notwendige ärztliche Gutachten, welches zur Eröffnung des neu angelegten Kirchhofes notwendig gewesen war. Letztlich wandte man sich im Jul 1907 zwecks Erlaubnis der Eröffnung des neuen Areals an den Herrn Regierungs-Präsidenten in Posen; diese wurde noch im Juli 1907 unter der Bedingung, dass die Bedingungen des kreisärztlichen Gutachtens erfüllt werden würden, erteilt.

Aber gerade diese Bedingungen des Gutachtens waren gewichtig. Hieß es darin doch: “ … Das besichtigte Ackerstück ist nach Größe, Lage und Bodenbeschaffenheit zur Vergrößerung des Alten Kirchhofes geeignet unter der Voraussetzung, dass die Oberfläche an den höheren Teilen um 0,50, an den tieferen um 0,70m erhöht wird und hohe, breite Grabhügel in der zu erlassenden Kirchhofsordnung vorgeschrieben werden….“

Der vollständige Text des Gutachtens und der der Friedhofsordnung ist am Ende dieses Beitrages wiedergegeben.

Im September 1907 fasste die Stadtverordneten Sitzung ihren Beschluss: „Zunächst soll die Aufhöhung … erfolgen und zwar dadurch, dass der hintere Teil des Platzes (ca. 1/3) bis auf 1 Meter tief ausgehoben und mit der gewonnenen Erde der vordere Teile (ca. 2/3) bedeckt wird. Zum Transport der Erde sollen Kippwagen mit den zugehörigen Feldeisenbahngleis leihweise beschafft werden …“. Nach den seinerzeit erstellten Berechnungen wurden 230 cbm Erde durch die Arbeiter Kernchen und Helm bewegt.

Am 10. Januar 1909 wurde „gelegentlich“ der Beerdigung des Altsitzers Wilhelm Lehmann – Glinau (Johann Wilhelm Heinrich Lehmann, geboren 06.10.1847 in Glinau, verstorben am 07.01.1909 in Glinau, Sohn des Wilhelm Lehmann und dessen Ehefrau Juliana geb. Kurtz, verehelicht gewesen mit Mathilde geb. Pflaum), nach Mitteilung des Ortsgeistlichen, Herrn Superintendenten Böttcher, die Einweihung des neuen Kirchhofteiles vorgenommen.

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Wir begannen unseren Beitrag mit den Worten:

„In allen Weltkulturen und durch die ganze Menschheitsgeschichte hinweg wurden Friedhöfe, Gräber und ewigen Ruheorte mit außerordentlicher Pietät betrachtet und werden bis heute, entsprechend ihrer jeweiligen Kultur-und Zivilisationszustands auf diese Weise behandelt.“
(Denkmalschutz für Friedhöfen. Die Anordnung des Episkopats – Kommission zur Kirchlichen Kunst 1987)

Für den ehemaligen evangelischen Friedhof in Neutomischel kam diese Aussage leider zu spät.

Auf einem Teil des Areals des Alten Friedhof befindet sich ein Supermarkt mit zahlreichen Kundenparkplätzen auf einem anderen stehen Garagen. An der Front der heutigen Komunalna, ehemals Friedhofsgasse, wurden ebenfalls zahlreiche Parkplätze auf dem ehemaligen Alten und Neuen Friedhofsgelände eingerichtet. Gräber sind kaum noch erkennbar; zu finden ist einzig ein alter Baumbestand, von dem man sich wünscht, das er gepflegt und noch viele Jahre erhalten werden wird – der Weg zu einem Ort der Ruhe und Besinnung – er wäre erst noch zu beschreiten.

Ein Gedenkstein erinnert, dass es einmal einen evangelischen Friedhof in der Stadt Nowy Tomyśl gegeben hat und daran wo dieser sich einst befand.

Der Gedenkstein erinnert an den ehemaligen evgl. Friedhof, im Hintergrund das Gebäude des Supermarktes - Bild PM

Der Gedenkstein erinnert an den ehemaligen evgl. Friedhof, im Hintergrund das Gebäude des Supermarktes – Bild PM

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Gutachten

Auf Ersuchen des hiesigen Magistrates habe ich heute die zur Vergrößerung des hiesigen evangelischen Kirchhofes angekaufte Ackerparzelle besichtigt, mit folgendem Ergebnis:

I. Lage Das Ackerstück bildet die Forsetzung des alten Kirchhofes nach Norden zu und ist im Norden und Westen von Feldern, im Osten von einer zur Gasanstalt führenden Straße begrenzt. Vom alten Kirchhof ist der Platz durch eine Mauer getrennt. Die nächsten bewohnten Häuser befinden sich östlich, wo jenseits der Straße die Gasanstalt, mit der Wohnung des Gasmeisters, weiter nördlich jenseits der Nordostecke des Platzes ein im Rohbau fertiger Arbeiterwohnhauses stehen.

II. Oberflächenverhältnisse – Der Platz ist im allgemeinen eben, an einzelnen Stellen befinden sich kleine durch Auffüllungsarbeiten entstandene sandige Erhöhungen; sonst ist eine gleichmäßige geringe Sendung von Osten nach Westen zur erkennen.

III. Bodenbeschaffenheit – An der höchsten und tiefsten Stelle des Platzes war ja eine große bis zum Grundwasser reichende Grube ausgeworfen gewesen, an welchen von der Oberfläche an folgende Erdschichten zu erkennen waren:

Im Vordergrund das ehem. Grab des Heimatforschers Goldmann - Bild Privatbesitz

Im Vordergrund das ehem. Grab des Heimatforschers Goldmann – Bild Privatbesitz

A. Höhere Lage
0,30m aufgefüllter Sand
0,30m leichter Ackerboden
0,50m schwarze Erde
0,50m eisenschüssiger Sand
0,30m grauer grober Sand
Grundwasser in 1,90m

B. Tiefere Lage
0,30m aufgefüllter Sand
0,30m schwarze Erde
0,50m eisenschüssiger Sand
0,60m grauer grobkörniger Sand
Grundwasser in 1,70m

Nach den Erfahrungen auf dem Alten Kirchhofe ist die Verwesungsdauer mit 25-30 Jahren reichlich bemessen, vorausgesetzt, dass die Leichen nicht in die Grundwasserschicht kommen

IV. Wasser – Das Grundwasser steht zur Zeit in etwa 1,80m Tiefe, bei hohen Grundwasserstand durchschnittlich in 1,50m Tiefe. Die Richtung des Grundwasserstromes geht von Nordosten nach Südosten. Parallel der Westseite des Platzes nur 3 m von dieser entfernt läuft ein Entwässerungsgraben, der etwa 1 m tief, zur Zeit trocken ist, und ein Gefälle von Norden nach Süden hat. Dieser Graben liegt an der Grenze vom Alten und Neuen Kirchhofe nach Westen und mündet nach 45m in den von Norden Süden führenden Landgraben. Das Wasser dieses Grabens wird nicht benutzt.

Auf dem Hofe der Gasanstalt ist zwar ein Brunnen, dieser dient aber nur technischen Zwecken, das Trinkwasser wird vom Markt geholt. Auf dem anderen östlich gelegenen Gehöfte ist ein Brunnen nicht vorhanden, ebenso sind in westlicher und südlicher Richtung Brunnen im Umkreise von 100m nicht vorhanden.

V. Grundplan – der Platz stellt ein langes Rechteck dar. Dessen Länge von Norden nach Süden gehende Seiten 98m, dessen kurze Seiten 46m lang sind.

VI. Die durchschnittliche Leichenzahl – betrug nach einem 10 jährigen Durchschnitt 16,7 Erwachsene und 12,3 Kinder unter 10 Jahren

VII. Größe des Kirchhofes – Rechnet man für das Grab eines Erwachsenen einschließlich der Gänge pp. 4 qm, für das eines Kindes 2 qm, so stellt sich der jährliche Raumbedarf auf 16,7 x 4 + 12,3 x 2 = 66,8 + 24,6 = 91,4 qm. Die Fläche des neuen Kirchhofes beträgt 4.508 Quadratmeter, würde mithin bei annähernd gleich bleibender Leichenzahl allein d. h. ohne erneute Belegung des alten Kirchhofes, auf etwa 50 Jahre ausreichen.

Schluß – Das besichtigte Ackerstück ist nach Größe, Lage und Bodenbeschaffenheit zur Vergrößerung des Alten Kirchhofes geeignet unter der Voraussetzung, dass die Oberfläche an den höheren Teilen um 0,50, an den tieferen um 0,70m erhöht wird und hohe, breite Grabhügel in der zu erlassenden Kirchhofsordnung vorgeschrieben werden.

Der Kreisarzt G. Buddee

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Alter Baum auf dem ehemaligen Friedhofsareal - Bild EA

Alter Baum auf dem ehemaligen Friedhofsareal – Bild EA

Kirchhofs-Ordnung für den Kirchhof der Stadtgemeinde Neutomischel in der Feldmark Stadt Neutomischel

I. Allgemeiner Teil

§1 Der an der Friedhofstraße gegenüber der städtischen Gasanstalt anschließend an den alten Begräbnisplatz liegende Kirchhof ist Eigentum der Stadtgemeinde Neutomischel, der teils mit einer massiven Mauer, teils mit einem Staketenzaun einzufrieden ist.

§2 Die Aufsicht über den Kirchhof führt der Magistrat der Stadt Neutomischel und in dessen Auftrage der Todtengräber
Der Magistrat sorgt für die Beobachtung der in dieser Kirchhofsordnung festgesetzten Bestimmungen, beaufsichtigt die Dienstführung des Totengräbers und sorgt für ein würdiges Aussehen des Kirchhofs.
Die noch nicht belegten Flächen außerhalb der vorgesehenen Wege werden ausschließlich zur Grasnutzung verwendet, welche dem Totengräber oder einer anderen Person nach dem Ermessen des Magistrats überlassen werden kann.

§3 Der Totengräber wird seitens des Magistrats angenommen. Die Besucher des Kirchhofs haben seinen Anordnungen Folge zu leisten. Für die etwas von ihm angenommenen Arbeiter und Arbeiterinnen trägt der Totengräber dem Magistrat gegenüber die volle Verantwortung.

§4 Die Benutzung des Kirchhofs steht jedem Mitgliede der Stadtgemeinde nach Maßgabe dieser Kirchhofsordnung gegen Zahlung der im angehängten Tarif festgesetzten Gebühren zu. Auch die Leichen der Nichtmitglieder der Stadtgemeinde können mit Erlaubniß des Magistrats gegen Zahlung der tarifmäßigen Gebühren auf dem Kirchhof beerdigt werden. Das Eigentumsrecht an sämtlichen Grabstellen verbleibt aber der Stadtgemeinde Neutomischel

§5 Der ganze Kirchhof ist außer den an der Kirchhofsgrenze angelegten Erbbegräbnissen in einzelne Gräberviertel eingeteilt von welchen einzelne für Erwachsene (große Gräber), einzelne für 8-14 jährige Kinder (Mittelgräber), einzelne für Kinder unter 8 Jahren (kleine Gräber) bestimmt sind.
Für die Anlage und Benutzung der Gräber gelten folgende Bestimmungen:

1. Die Tiefe der Gräber darf bei Kindern nicht unter 1,00 Meter, bei Personen von 5-14 Jahren nicht unter 1,50 Meter und bei Gräber Erwachsener nicht unter 2,00 Metern, jedoch in keinem Falle mehr als 2,10 Meter, betragen.
Sämtliche Gräber müssen eine Länge bei großen Gräbern 2m, bei einer von Breite 1m, Mittelgräber 1,50 bzw. 0,75m, kleine Gräber 1m bzw. 0,5m haben.
2. Zwischen je zwei Einzelgräbern ist eine Erdschicht von 0,3m Dicke zu lassen.
3. In jedem Grabe darf in der Regel nur eine Leiche beerdigt werden. Ausnahmen können getroffen werden für die Beisetzung einer Wöchnerin mit ihrem Kinde, und für die zweier gleichzeitig zu beerdigenden Geschwister nicht über 8 Jahren.
Auch in einer Gruft dürfen nicht mehr Leichen beigesetzt werden, als die Zahl der in derselben enthaltenen Grabstellen beträgt, ausgenommen in den beiden vorher bezeichneten Fällen.
4. Schachtgrüfte, d. h. schachtartig angelegte Gräber in der welchen mehrere Särge übereinander zu stehen kommen sind unzulässig. Auch in Grüften und Grabgewölben dürfen Särge niemals aufeinander gestellt werden.
5. Für die Grabhügel werden folgende Maße festgesetzt:

a. bei großen Gräbern: 2,00m lang, 0,90m breit, 0,50m hoch
b. bei Mittelgräbern: 1,50m lange, 0,60m breit, 0,40m hoch
c. bei kleinen Gräbern: 1,00m lange, 0,45m breit, 0,30m hoch
Demnach sind die Zwischenräume zwischen den Grabhügeln der großen Gräber 0,60m, der Mittelgräber 0,50m, der kleinen Gräber 0,50m breit

6. Die Gräber sind sofort nach erfolgter Beerdigungsfeier sorgfältig zuzuschütten und hügelförmig aufzuwerfen, vorher aber unter allen Umständen die ausgeworfenen Erstellen gehörig aufzulockern.

Ehem. Grab der Familie Maennel - Bild Maennel Archiv

Ehem. Grab der Familie Maennel – Bild Maennel Archiv

§6 In das Einzelgrab wird durch eine mit einer arabischen Ziffer versehene Tafel bezeichnet. Über sämtliche Gräber hat der Totengräber ein Grabregister zu führen. Dasselbe enthält ein fortlaufendes Verzeichniß sämtlicher belegten Gräber, in welcher die genaue Bezeichnung der Gräber nach Viertel und Ziffer, sowie Name, Alter, Todes- und Begräbnistag des Verstorbenen, und falls der Tod an einer ansteckenden Krankheit erfolgte, die Todesursache, einzutragen sind. Ein Duplikat des Grabregisters, welches halbjährlich zu ergänzen ist, befindet sich im Magistratsbureau

§7 Als Frist für die Wiederbelegung der Gräber wird bis auf Weiteres für Erwachsene ein Zeitraum von 30 Jahren, für Kinder unter 15 Jahren ein solches von 20 Jahren festgesetzt.
Auf die in den Grüften vorhandenen Grabstellen dürfen nicht vor Ablauf der allgemeinen Begräbnisturnus von Neuem benutzt werden.
Der Grabinhalt von früheren Bestattungen, z. B. Gebeine und Sargteile, ist bei einer Wiederbelegung der alten Grabstelle sorgfältig wieder auf den Boden des Grabes unter dem Sarge, unterzubringen.

§8 Das Wiederöffnen eines Grabes, abgesehen von den Fällen gerichtlicher Anordnung, sowie die Überführung einer schon beerdigten Leiche nach einem anderen Kirchhofe oder einer anderen Stelle dieses Kirchhofes darf nur nach erfolgter schriftlicher Genehmigung des Magistrats und des zuständigen Kreisarztes und nur des Nachts geschehen.
Auch der Eintritt in Grüfte und Grabgewölbe ist nur zulässig, nachdem festgestellt worden, daß eine Anhäufung von schädlichen Gasen nicht mehr besteht.

§9 Der Kirchhof ist im Sommer von Morgens 6 bis Abends 9 Uhr, im Winter von Morgens 8 bis Abends 5 Uhr geöffnet.
Jede Beschädigung oder Verunreinigung der Gräber, Denkmäler oder Anlagen, das Abpflücken von Blumen und Zweigen usw. sowie das Betreten der Grabhügel ist verboten und wird nach §168 und 304 des Reichsstrafgesetzbuches mit Geld oder Gefängnis bestraft.
Das Mitbringen von Hunden auf den Kirchhof, ebenso wie das Raufen auf demselben ist ausdrücklich verboten.
Kinder unter 10 Jahren dürfen nur den Kirchhof besuchen wenn sie in Begleitung ihrer Angehörigen sind. Bei Beerdigungsfeierlichkeiten dürfen Kinder unter 14 Jahren den Kirchhof nur dann betreten, wenn sie in Begleitung ihrer Angehörigen sind. Ausgeschlossen hiervon sind die Kinder der Leidtragenden.

II. Besonderer Teil

§10 Der Kirchhof wird eingeteilt in Erbbegräbnisse und Grabstellen.
Erbbegräbnisse sind nur längs der Kirchhofsgrenze zulässig und werden unter ausdrücklichen Hinweis darauf, daß das Eigentumsrecht an sämtlichen Grabstellen der Stadtgemeinde Neutomischel verbleibt, unter folgenden Bedingungen vergeben:

a. der Erwerber ist verpflichtet die Seiten der Grabstelle, falls nicht innerhalb 6 Monaten ein Oberbau über derselben errichtet ist, in der angegebenen Zeit mit einem eisernen Gitter zu umwähren, widrigenfalls der Magistrat dies in einer ihm gut scheinenden Weise auf Kosten des Erwerbers bewirken kann.
b. der Erwerber zahlt im Voraus die im Tarif festgesetzte Entschädigung an die Kämmereikasse gegen eine vom Rendanten derselben unterzeichnete Quittung
c. der Erwerber erlangt nur für isch, seine Familienmitglieder in auf- und absteigender Linie, Ehegatten, Schwieger- und Stiefkinder das Recht, auf der Erbbegräbnisstelle beerdigt zu werden. Andere Personen darf er nur ausnahmsweise nach vorheriger Erlaubnis des Magistrats und Zahlung der festgesetzten Aufschlaggebühr dort begraben lassen.
d. das Recht auf ein Erbbegräbnis erlischt, und letzteres fällt mit den darauf befindlichen Mauern, Gittern und Denkmälern an die Stadtgemeinde zurück

1. wenn 30 Jahre seit der Beerdigung des zuletzt verstorbenen Beerdigten vergangen sind, falls nicht eine Neuzahlung stattgefunden hat.
2. Melden sich binnen 6 Monaten keine berechtigten Nachkommen, oder verweigern dieselben die Zahlung der vorerwähnten Entschädigungssumme, so darf der Magistrat anderweil über das Erbbegräbnis verfügen.
3. die privaten Rechte zur Benutzung von Erbbegräbnissen sind in ihrer Ausübung von der Einhaltung sämtlicher allgemeiner Vorschriften dieser Kirchhofsordnung abhängig.

§ 11 die sämtlichen Gräber außer den Erbbegräbnissen werden in den einzelnen Abteilungen in Reihen eins nach dem andern gegraben mit der im §12. bestimmten Ausnahme. Jedes Gemeindemitglied hat das Recht, gegen Zahlung der tarifmäßigen Gebühren für seine verstorbenen Angehörigen Grabstellen zu wählen.

Das alte Gelände heute - Bild PM

Das alte Gelände heute – Bild PM

§12 Es ist gestattet, sich auf den für die Grabstellen bestimmten Gräber-Vierteln Grabstellen in beliebiger Zahl gegen die festgesetzten Gebühren reservieren zu lassen, jedoch muß der ganze reservierte Raum sofort ganz bezahlt und bei Vermeidung des Rückfalls an die Stadtgemeinde durch Anpflanzungen von Blumen usw. ein würdiges Aussehen gegeben werden.

§13 Es ist wünschenswert, daß die Hinterbliebenen der Verstorbenen die Grabstellen mit Anpflanzungen versehen. Für diese Anpflanzungen gelten folgende Bestimmungen:

a. das Pflanzen von Blumen und anderen Sträuchern auf die Gräber ist ohne besondere Erlaubnis gestattet.
b. dagegen dürfen Bäume nur in einer Entfernung von 15cm von dem Grabe nach vorher eingeholter Genehmigung des Magistrats gepflanzt werden
c. eine gleiche Erlaubnis bedarf es, wenn Blumen oder Sträucher neben die Gräber gepflanzt werden sollen
d. Bäume deren Wurzeln sich weit ausbreiten, besonders Akazien, Kastanien, Weiden, Birken sowie Obstbäume und Pappeln dürfen nicht gepflanzt werden

§14 die Umwährung der Gräber kann geschehen durch eiserne Gitter, eventl. auf massiver Plinte und durch bedecken des Grabes mit einer aus Stein, Cement usw. bestehenden Platte.
Die Lage und Fluchtlinie der Gitter dieser Gitter bestimmt der Magistrat. Wer eigenmächtig und nicht ordnungsgemäß die Fluchtlinie der Gitter liegt, hat zu gewärtigen, dass diese auf seine Kosten seitens des Magistrats entweder entfernt oder anders gelegt werden.

§15 Ausgemauerte Grüfte, Grabgewölbe, Mausoleen und dergleichen sind nur in Erbbegräbnissen statthaft. Dieselben bedürfen in jedem Einzelfalle einer besonderen Genehmigung des Magistrats, vor deren Erteilung eine genaue Beschreibung der Konstruktion jedes Mal vorzulegen und von dem zuständigen Medizinalbeamten zu prüfen ist. Außerdem ist zur jedemaligen Anlegung einer Gruft ortspolizeiliche Erlaubnis einzuholen.

§16 Denkmäler und Umwährungen, welche einzustürzen drohen, werden auf Anordnung des Magistrat entfernt, wenn sie nicht auf ergangene Aufforderung desseben von dem Inhaber der Stelle in würdigeren und sicheren Zustand gebracht sind.
Ebenso werden Grabhügel, die sich in einem unwürdigen Zustande befinden und mindestens 30 Jahre seit der Beerdigung des Verstorbenen vergangen sind, entfernt und eventl. deren Plätze wieder belegt.

§17 Unter Beobachtung der ergangenen oder später ergehenden sanitätspolizeilichen Bestimmungen können Leichen in gehörig verschlossenen Särgen bis zur Stunde der Beerdigung in der auf dem Kirchhofe befindlichen Leichenhalle niedergesetzt werden.
Vor der Benutzung der Leichenhalle muß die Genehmigung des Magistrats nachgesucht werden, welche gegen Zahlung der im Tarif festgesetzten Gebühren erteilt wird. In eiligen Fällen kann der Totengräber ohne diese Genehmigung Leichen in die Halle aufnehmen, er hat dann aber spätestens am folgenden Vormittag von der erfolgten Aufnahme dem Magistrat Anzeigen zu erstatten.

§18 Das Zurechtmachen der Gräber am Sonntage ist nicht gestattet; die Pflege derselben durch Begießen ist hiervon nicht betroffen.

§19 Aus den auf dem Kirchhofe befindlichen Brunnen darf jeder zur Pflege der Gräber und Anpflanzungen Wasser entnehmen. Für andere Zwecke ist die Entnahme von Wasser verboten.

§20 Laien dürfen nach den gesetzlichen Bestimmungen bei öffentlichen Beerdigungen auf dem Kirchhofe keine Rede halten. Der Totengräber hat unbedingt jeden Versuch dazu, der trotzdem etwa gemacht werden sollte, zu verhindern eventl. unverzüglich die Bestimmung des Magistrats einzuholen.

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Gebührentarif

§1 Für das Niedersetzen einer Leiche in der Leichenhalle:

a. Erwachsene (über 14 Jahre) – 10,00 Mark
Dieser Betrag kann bei der ärmeren Bevölkerung nach dem Ermessen des Magistrats bis auf 3 Mark ermäßigt werden
b. Personen bis zu 14 Jahren – 6,00 Mark
dieser Betrag kann bei der ärmeren Bevölkerung nach dem Ermessen des Magistrats bis auf 2 Mark ermäßigt werden
Die Benutzung der Leichenhallte wird bei notorischer Armut unentgeltlich gewährt.

§2 Für die Erbbegräbnisse und Grabstellen

I. Erbbegräbnisse

1. für einen Quadratfuss – 0,50 Mark
Außerdem wird für Erbbegräbnisse die an der Mauer errichtet werden ein Aufschlag von 50% erhoben

II. Große Gräber (in der Reihe)
(Grabstellen für Personen über 14 Jahren) – Eine Grabstelle – 8,00 Mark

III. Mittelgräber
(Grabstellen für Kinder von 5-14 Jahren) – Eine Grabstelle 6,00 Mark

IV. Kleine Gräber
(Grabstellen für Kinder unter 5 Jahren) – Eine Grabstelle – 3,00 – 5,00 Mark

V. Grabstellen für Nicht-Gemeindeglieder
Für Grabstellen von Nicht Gemeindegliedern wird das Doppelt der Unter No. I – IV. angesetzten Gebühren erhoben.
Grabstellen können Gemeindegliedern bei notorischer Armut ermäßigt bzw. unentgeltlich gewährt werden. Bei Entrichtung der Geldbeträge an die Kämmereikasse sind dem betreffenden Personen Quittungen, worauf die Paragraphen dieser Ordnung abgedruckt sind auszuhändigen.
Der Platz für evtl. zu errichtende Gitter und Umwährung an den Gräbern zu II – V ist mit 0,50 Mark per Quadratfuß besonders zu vergüten

§3 Gebühren für den Totengräber

1. Für Herstellung

a. eines großen Grabes in der Zeit vom 15. November bis 15. März – 4,50 Mark
vom 15. März bis zum 15. November – 3,00 Mark
b. eines Mittelgrabes in der Zeit vom 15. November bis 15. März – 3,50 Mark
vom 15. März bis zum 15. November – 2,50 Mark
c. eines kleinen Grabes in der Zeit vom 15. November bis 15. März – 2,50 Mark
vom 15. März bis zum 15. November – 1,50 Mark

2. Ausgraben und Translozieren einer Leiche – 15,00 Mark

§4 Schlußbestimmungen

Für den Fall absoluter Schließung des Alten Kirchhofes durch höhere Gewalt werden Zahlungen für dort genommene Grabstellen bei dem Erwerb von Plätzen auf dem neuen Kirchhofe auf deren Preis nicht in Anrechnung gebracht.

Vorstehender Tarif tritt von dem Tage seiner Bestätigung an mit den darin für die Grabstellen an den Magistrat zu zahlenden Gebühren auch für den alten Kirchhof in Kraft mit der Maßgabe, daß vom 1. Oktober an gerechnet für den alten Kirchhof die 30 jährige ?zeit für die bereits belegten Stellen beginnt. Der erste Pachtzins demnach am 1. Oktober 1937 zu entrichten ist.

Vorstehende Kirchhofsordnung nebst Gebührentarif ist von uns unter Zustimmung der Stadtverordneten Versammlung festgesetzt worden

Neutomischel, den 17. Mai 1907

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Quellen: 1.) http://hauland.de/das-privileg-von-felix-szoldrski-18-februar-1788/, 2.) Personenstandsunterlagen der Stadt Neutomischel – Staatsarchivs in Poznan – http://szukajwarchiwach.pl/, 3.) Akten des Staatsarchivs in Poznan – http://szukajwarchiwach.pl/ – Stadtakten Neutomischel 4385/0110 Begräbnisplatz, 4.) Denkmalschutz für Friedhöfen. Die Anordnung des Episkopats – Kommission zur Kirchlichen Kunst 1987