Die evgl. Holzkirche zu Rakwitz

Rakwitz – ehemalige evgl. Kirche – Aufn. 2010/09

Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um einen Auszug aus dem 1920 erschienen Artikel: „Beiträge zur Entwicklung des protestantischen Holzkirchenbaues im Posener Lande“

Nach dem Erscheinen seines Artikels über die Laubenhäuser zu Rakwitz (http://oledry.pl/de/die-laubenhaeuser-zu-rakwitz/), vervollständigen seine Ausführungen zu der Holzkirche in Rakwitz seine Baubeschreibungen des Städtchens. Der hier veröffentlichte Beitrag ist eine gekürzte Version des Originals. Alle Schwarzweiß Aufnahmen wurden der Original Veröffentlichung entnommen; die Farbphotos zeigen die ehemalige Kirche, das jetzige Feuerwehrmuseum, im September 2010.

Die hier im Vergleich ab und an erwähnte evgl. Holzkirche zu Obersitzko wurde 1911 abgerissen, das Kircheninnere wurde kurz vor dem Abbruch von dem Posener Kunstmaler Heinrich Blanck gemalt; das Bild und seine Wiederholung wurden seinerzeit von der Baugewerbeschule bzw. vom Museum in Posen erworben, über den jetzigen Aufenthalt des Gemäldes ist uns nichts bekannt.

In diesem Artikel werden Akten und Bücher mit „bemerkenswerten“ Begebenheiten der Geschichte der Kirche erwähnt, leider haben wir bis heute dazu nichts weiter, in den uns bis jetzt zugängigen Archiven, finden können.

Die Gesamtveröffentlichung ist zu finden in der digitalen Bibliothek DBC Dolnoslaska Biblioteka Cyfrowa (http://www.dbc.wroc.pl/dlibra) Zeitschrift für Bauwesen Jhrg. 70 /1920

Abb. 2 Evangel. Kirche in Rakwitz; erbaut 1662, Turm von 1781

In einer Studie, die Baurat Kohte – Berlin der „Geschichte des protestantischen Kirchenbaues in der Provinz Posen“ widmet, spricht er mit vollem Rechte von der geringen Beachtung, die man den anspruchslosen Holzbauten bisher gewidmet, und dass man versäumt habe, „ihre Gestalt vor der Zerstörung in Wort oder Bild aufzunehmen und der Nachwelt zu überliefern“.

… in den zahlreichen Siedlungen Kirchen für die protestantischen Ansiedler neu anzulegen, stellte diese vor ein völlig neues Bauprogramm. Mit Recht sagte Kohte: „die Not wurde zum Segen“. Und darin liegt vielleicht die größte Bedeutung für die baukünstlerische Entwicklung des protestantischen Kirchenbaues; denn es galt die Frage „nach der zweckmäßigsten Gestalt des protestantischen Gotteshauses“ zu lösen. Eile tat not, die Mittel waren gering. Man wählte den Holzbau, der in dem steinarmen und holzreichen Polen der gegebene Werkstoff war.

Abb. 1 Neue evangl. Kirche in Obersitzko

Gleichwohl schien man sich anfangs von der katholischen Überlieferung nicht trennen zu können, wie der erste Bau dieser Art in Bauchwitz erweist, der, in Blockbauweise erstellt, östlich einen rechteckigen Chorraum aufweist. Den gleichen Grundriss weist (nach Kothe) auch die benachbarte Blockholzkirche in Lagowitz auf. Anklänge an ältere Grundrissbeispiele weisen ferner auf, die kreuzförmigen Anlagen der Fachwerkkirchen in Schlichtigsheim und Bojanowo (1857 durch Brand zerstört).

Reine, von der Überlieferung unbeeinflusste, und natürliche Zweckform zeigen uns indessen eine Reihe Kirchenbauten jener Zeit. Sie haben ausgesprochene „Scheunenform“, d. h. den ungegliederten rechteckigen Grundriss. Sollte hier das Innere dem gottesdienstlichen Zweck angepasst und die nüchterne Kahlheit vermieden werden, so musste durch Einbauten, Scheingewölbe und vor allem durch Malerei für eine würdige Innendekoration gesorgt werden. Und das ist fast immer in – wenngleich meist naiver – so doch künstlerisch befriedigender Weise erreicht worden.

Nachstehend sollen drei bemerkenswerte Beispiele dieser Arte Posener Holzkirchen näher gewürdigt werden: die Fachwerkkirchen in Obersitzko, Rakwitz und das in Bohlenbauweise errichtete kleine Kirchlein in Ehrbahrdorf.

In dieser gekürzten Version des Aufsatzes wurde lediglich der Abschnitt der Kirche zu Rakwitz übernommen …

… Verwandt im Grundriss und Aufbau mit dem Kirchlein in Obersitzko ist die noch erhaltene Holzkirche in Rakwitz. Die Vorgeschichte dieser Stadt, die als von polnischer Seite bewirkte deutsche Ansiedlung anzusehen ist, mag gerade in gegenwärtiger Zeit, da diese deutsche Stadt dem neuen Polen zugesprochen wird, besondere Beachtung verdienen. Sie ist in des Verfassers Aufsatz in dieser Zeitschrift (1918 – Die Laubenhäuser von Rakwitz) eingehend behandelt und braucht hier nicht wiederholt zu werden.

Die Kirche ist (nach Kohte) 1662 errichtet, also gleichzeitig mit dem Bau des Städtchens. Sie zeigt die gleich Grundrissanlage wie Obersitzko (… der Grundriss zeigt ein Rechteck von etwa 17/11,5m; die ausgemauerten Fachwerkstiele sind 21 cm breit. Die dreischiffige Anlage zeigte ringsumlaufende Emporen in zwei Geschossen, den ins Mittelschiff vorgeschobenen Altar und die Kanzel an einer Stütze des südlichen Seitenschiffes. Das Mittelschiff ist auffallender weiser, entsprechend der Dachstrebenform, mit abgekanteter, verschalter Decke versehen …) , ist aber im Mittelschiff mit einer Scheintonne überdeckt, deren Brettfugen mit Leistenüberdeckung und profilierten, schmalen Graten versehen sind. Die Zimmerarbeit ist recht reif, aber im Gegensatz zu Obersitzko mit seinen urwüchsigen Stützen und Knaggenformen, wird hier der künstlerisch-malerische Eindruck durch die gekünstelten, glatten Formen verwischt. Es fehlt auch die reiche Farbenwirkung der Malerei; der Eindruck ist ziemlich nüchtern und eintönig. Auffallend ähnlich sind die beiden Altäre, und es nicht von der Hand zu weisen, dass hier der gleiche Meister tätig war, hier wie dort den Altar durch eine Figur des neuen bzw. alten (Moses) Testamentes flankierend.  Die Binderbalken sind sichtbar gelassen und mit zarten Profilen allseitig versehen, während die Emporenbalken glatt gehobelt in die Erscheinung treten. Die Kanzel, die in Obersitzko einen auffallenden, an gute Beispiele des katholischen Barock gemahnenden Reichtum aufweist, ist hier schlicht und wenig ansprechend, mutmaßlich dem nüchternen Handwerksmeister des Kirchenbaues selbst zuzuschreiben. –

Abb. 3 Blick nach dem Altar

Balkenkonstruktion auf den Emporen – Aufn. 2010/09

Der von unten auf verbretterte Turm ist auch hier später (1781) errichtet (die Mittel hierzu waren der Gemeinde testamentarisch durch einen wohlhabenden Bürger zugefallen); in seiner Form ist er dem zu Obersitzko ungemein ähnlich.

Über die Geschichte der Kirche wird in deren Akten und Büchern manches Bemerkenswerte berichtet. Wir erfahren, dass der Starost die Einwilligung zum Baue nur zögernd gab. Der erste Geistliche der jungen Gemeinde, Christof Eccard, verließ sein Amt „wegen höchst widriger Schicksale und wegen Mangels des notdürftigen Lebensunterhaltes“ – wie er selbst ins Kirchenbuch schreibt. 1682 erfolgte eine Ausbesserung des Gotteshauses, zu welcher die Nachbargemeinden (vor allem das eingepfarrte Grätz) beisteuerten. Die Evangelischen standen unter der Aufsicht des Propstes, der ihnen, als 1703 das Dach schadhaft wurde, nur die Erneuerung einiger Schindeln gestattete. Als er aber auf einige Zeit abwesend war, ließ der Kirchenvorstand eine Dachseite ganz, die andere zur Hälfte umdecken, wofür 10 Dukaten Strafe entrichtet werden mussten.

Nicht minder eigenartig vollzog sich 1763 die Ausbesserung der mittlerweile morsch gewordenen Außenmauern. Aus Furcht wurden diese hart hinter den vorhandenen von innen aus ausgeführt, wobei indessen polnische Mitbürger heimlich und unentgeltlich behilflich waren. Der katholische Geistlich ließ den Bau scheinbar unbemerkt ausführen, verlangte aber hernach für den Fürstbischof und das katholische Konsistorium eine Geldbuße von 200 Dukaten; außerdem sollten zwei Mitglieder des Konsistorium je 24 Dukaten erhalten, damit ihr Bericht in dieser Sache an ihre Behörde für die Evangelischen günstig erstattet werde. Auch die Frau Starostin erhielt „für ihre Hilfe und geleisteten Schutz“ gemäß ihrer Forderung 100 Dukaten.

Abb. 4 Kanzel

Blick über die Emporen zum Tonnengewölbe - Aufn. 2010-09

Blick über die Emporen zum Tonnengewölbe – Aufn. 2010-09

Ein unerwarteter Umbau der Kirche fand im Sommer 1705 statt, als in Rakwitz schwedische Soldaten im Quartier lagen. Auf Befehl des Rittmeisters wurde das Gotteshaus gründlich ausgebessert und alte Wände durch neue ersetzt, auch ein neues Pflaster um das Gebäude gelegt.