Die Herrschaft Brody – Emil Paul von Pflug / 1899 und 1901

Brody, das ehemalige Schloss der Familie Pflug, erbaut 1892 - Postkartenausschnitt Sammlung A. Kraft

Brody, das ehemalige Schloss der Familie Pflug, erbaut 1892 – Postkartenausschnitt Sammlung A. Kraft

Im Jahr 1899 war die „Herrschaft Brody 25 Jahre im Besitz der Familie des Emil Paul von Pflug; sie war am 25. Mär 1874 in seine Hände aus dem Besitz derer von Oppen übergegangen. Als Kaufpreis hatte Pflug, so die Daten aus den gefundenen Quellen, 1.150.000 Mark inclusive der angefallenen Stempelgebühren investiert; d. h. der Morgen war mit 191 2/3 Mark bewertet worden.

Als Vorbesitzer und Verkäufer galt George von Oppen, geb. 1845, ein Kgl. Preußischer Oberst und Kommandeur. Seine Ehefrau Maria geb. Allendorf, geb. 1844, war im Oktober 1873 in Brody kurz nach der Geburt der gemeinsamen Tochter Maria im September, verstorben. Von Oppen selbst soll das Anwesen im Jahr 1859 für lediglich 80 Mark pro Morgen aus dem Besitz der polnischen Adelsfamilie Szaniecki angekauft haben.

Der Name A. von Oppen fand sich auch auf dem im Jahr 1895 enthüllten Kreiskriegerdenkmal in Neu Tomysl unter den Gefallenen der Jahre 1870/1871. Vermutlich hat es sich bei dem in der Inschrift Genannten um Adolf von Oppen gehandelt, einem Bruder des damaligen Besitzers der Herrschaft Brody, welcher 1849 in Politzig geboren worden und 1870 in Straßburg gefallen war.

Kartenausschnitt mit Brody und den dazugehörigen Vorwerken - http://mapy.amzp.pl/tk25.cgi?23,48,60,80

Kartenausschnitt mit Brody und den dazugehörigen Vorwerken – http://mapy.amzp.pl/tk25.cgi?23,48,60,80

Es war aber auch die Zeit gewesen, in der sich für den „Arbeitgeber Herrschaft Brody“ die Verhältnisse Arbeiter zu finden und zu beschäftigen verschlechterten. Die in Diensten stehenden Beschäftigten wurden immer älter und wurden als „wenig zur Arbeit geeignet“ eingestufft. Die „nachwachsende Generation männlichen Geschlechts wandernde zu 2/3“ in die Industriegebiete des Westens ab, da dort die Verdienstverhältnisse sich als weiteraus besser darstellten. Letztlich forderte aber auch die „Heerespflicht“ Arbeitskräfte; wurden durchschnittlich 5 junge Männer eingezogen, kehrten von diesen nur 2 zurück, da die übrigen ebenfalls in den Städten verblieben.

In Brody, so die Ausführungen aus dem Jahr 1903, wurden auf dem Betrieb von 1.500 ha im Sommer 339 Arbeiter (per 100ha = 22,6 Personen) und im Winter 249 Arbeiter (per 100 ha = 16,6 Personen) beschäftigt. Die Ostern 1899 anlässlich des 25jährigen Besitzjubiläums unter der Familie Pflug in Form von Sparbüchern ausgeschüttete Gratifikation, für viele Beschäftigte war das darin ausgewiesene Guthaben annähernd ein Jahreseinkommen, diente vermutlich auch dazu, die Arbeiter an den Gutsbetrieb zu binden.

* * *

Die seitens der Fam. Pflug im Jahr 1901 eingeweihte ehem. evangelische Kapelle - Bild: http://cmentarze.oledry.pl/galeria.php?katalog=1202

Die seitens der Fam. Pflug im Jahr 1901 eingeweihte ehem. evangelische Kapelle – Bild: http://cmentarze.oledry.pl/galeria.php?katalog=1202

Die Neutomischler Kreiszeitung berichtete über das Ereignis wie folgt: Der zweite Osterfeiertag (03. Apr 1899) war für die Arbeiter der Herrschaft Brody ein hoher Freudentag, wie er nur selten und an wenigen Orten sich zeigt. Die Herrschaft Brody mit den Vorwerken Brodki, Marsfelde, Rimpau und Siegmundshof ist seit 25 Jahren im Besitz des Herrn Rittergutsbesitzers Emil Pflug.“

An oben genanntem Tage zogen sämmtliche Arbeiter und Wittwen der umfangreichen Herrschaft Brody unter Führung des Herrn Oberinspektors Schlinke in Begleitung seiner Beamten vor das Herrschaftsschloß.

In einer Ansprache drückte Herr Rittergutsbesitzer Pflug seinen Arbeitern seinen Dank für treue und fleißige Arbeit aus, die ihn trotz der schweren Zeiten, welche die Landwirthschaft zu durchleben hatte, nicht rück- sondern vorwärts geführt habe. Als ein äußeres Zeichen seiner Dankbarkeit ließ er jedem Arbeiter und jeder Wittwe ein Sparkassenbuch aushändigen. Jedem Inhaber eines solchen aber gab er zugleich die Mahnung mit, dem grundlegenden Kapital für unvorhergesehene Fälle der Noth fortgesetzt Ersparnisse hinzuzufügen. Herr Oberinspektor Schlinke stattete hierauf im Namen der Arbeiter den Dank ab und schloß mit dem Wunsche für das ferne Wohlergehen des Wohlthäters und seiner Familie.

Die kath. Kirche in Brody, ein Holzbau mit separat stehendem Glockenturm - Ansichtskarte Sammlung Wojtek Szkudlarski

Die kath. Kirche in Brody, ein Holzbau mit separat stehendem Glockenturm – Ansichtskarte Sammlung Wojtek Szkudlarski

Die Spareinlagen beliefen sich ohne Ansehen der Stellung oder des Dienstalters auf 100 Mark, diejenigen der Wittwen auf 50 Mark. (zu Einzelheiten über Verdienste siehe den  Artikel: Lohnverhältnisse 1903)

Aus gleichem Anlaß baut Herr Rittergutsbesitzer Pflug neben der evangelische Schule, dem Herrenhause gegenüber, eine Kapelle für evangelische Gottesdienste. Mit den gärtnerischen Anlagen ist bereits begonnen, der Grundstein wird voraussichtlich am 23. d. Mts. gelegt werden.“

* * *

„Am Donnerstag (30. Mai 1901) wurde die von dem Rittergutsbesitzer Herrn Pflug in dem benachbarten Brody neu erbaute Kapelle zur Abhaltung evangelischer Gottesdienste eingeweiht.

An der Einweihungsfreier betheiligten sich auch der Herr Regierungs-Präsident aus Posen, der Herr Landrath aus Neutomischel und viele Besitzer der Umgegend.

Früh um 9 3/4 Uhr versammelten sich die Festtheilnehmer vor dem herrschaftlichen Schlosse.

Blick auf das ehemalige Schloss, heute ist in diesem ein Versuchsbetrieb der Naturwissenschaftlichen Universität Poznan untergebracht - Bild: http://cmentarze.oledry.pl/galeria.php?katalog=1202

Blick auf das ehemalige Schloss, heute ist in diesem ein Versuchsbetrieb der Naturwissenschaftlichen Universität Poznan untergebracht – Bild: http://cmentarze.oledry.pl/galeria.php?katalog=1202

Den Zug eröffneten die Kinder der evgl. Schule zu Brody unter Begleitung des Herrn Lehrers. Dann folgten die Aeltesten der Kirche mit den heiligen Geräthen, die geistlichen hohen Herrn, die geladenen Gäste und die Gemeindemitglieder. Unter Absingung des Chorals: „Jesu, geh‘ voran“ setzte sich der Zug in Bewegung. Bald war die Kapelle bis auf den letzten Platz gefüllt, daß viele Theilnehmer noch vor der Thüre stehen mußten. Bevor die Kapelle betreten wurde, überreichte Herr Pflug dem Herrn Generalsuperintendenten Hesekiel aus Posen die Schlüssel, dieser dieselben dem Herrn Superintendent Radtke aus Birnbaum. Herr Pfarrer Schulze aus Neustadt b. Pinne öffnete dann die Thüren des geschmackvollen Gotteshauses.

Gleich beim Eintritt intonierte der hiesige Kirchenchor: „Jauchzet Gott alle Lande“ und darauf die Gemeinde: „Allein Gott in der Höh'“. Hierauf hielt Herr Generalsuperintendent D. Hesekiel die Weiherede, der ein geistliches Lied folgte. Herr Superintendent Radtke aus Birnbaum hielt die Liturgie und Herr Pfarrer Schulze die Predigt. Der Schluß dieser erhebenden Feier war ein Lob- und Danklied.

Die ehemalige evgl. Kapelle - Bild: http://cmentarze.oledry.pl/galeria.php?katalog=1202

Die ehemalige evgl. Kapelle – Bild: http://cmentarze.oledry.pl/galeria.php?katalog=1202

So steht das geschmackvolle Kirchlein nun da und zeugt von der Glaubenstreue und Hingebung des Erbauers.

Am Tage vor der Weihe der Kapelle zu Brody hielt der Herr Generalsuperintendent eine Andacht in der evangelischen Kirche zu Neustadt b. P. ab, in der er seine Erlebnisse auf der Kaiserreise nach Jerusalem, die er mitmachte, erzählte und die sehr interessant anzuhören waren. Während dieser Rede waren viele Personen aus allen Konfessionen hiesiger Stadt in der evangelischen Kirche anwesend.“

In einem weiteren Artikel wurde noch ausgeführt: „Der Kapellenbau präsentiert sich durch die an ihm innen und außen ausgeführte Vollendung, als ein Werk genialster Baukunst und bildet zugleich ein herrliches Monument für den edlen Gründer. Die Garten-Anlagen um die Kapelle sind äußerst geschmackvoll angelegt.“

 * * *

  • Die alte Grabstätte derer von Pflug auf dem Gelände der ehemaligen evgl. Kapelle in Brody - Bilder: http://cmentarze.oledry.pl/galeria.php?katalog=1202

    Die alte Grabstätte derer von Pflug auf dem Gelände der ehemaligen evgl. Kapelle in Brody – Bilder: http://cmentarze.oledry.pl/galeria.php?katalog=1202

    Emil Paul von Pflug – geboren 1849 in Berlin – verstorben 1915 in Brody

  • Eheschliessung 1882 in Detmold mit
  • Maria Elise Niemeyer, geboren 1864 in Lage Lippe
  • 1884 Geburt des Sohnes Emil Friedrich Adolph
  • 1885 Geburt der Tochter Maria Elisa Meta
  • 1888 Geburt der Tochter Dorothea Amalie Hertha
  • 1891 Geburt des Sohnes Christian Heinrich Günther

* * *

Quellen, soweit nicht direkt im Text oder in Bildbeschreibungen angegeben: 1) Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – „Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel“ 1899/04/07 und 1901/06/04, 2) Akten des Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/): Standesamtsaufzeichnungen, 3) „Die Herrschaft Brody“ – Ernst Weiss – Veröffentlicht 1903, 4) Das Friedhofsprojekt P. Mierzejewski „cmentarze“ – 1202 Nowy Tomyśl / Lwówek / Brody / niem. (Brody) (http://cmentarze.oledry.pl/galeria.php?katalog=1202)