Die Holzkirche zu LOMNICA

Holzkirche zu Lomnitz / Lomnica

Bei meinen Besuchen in Nowy Dwor 1987 und 1994 und auch später noch einmal, habe ich  auch das ehemalige LOMNITZ, das heutige LOMNICA , mit eingeschlossen, da es in früheren Erzählungen der Familie immer wieder auftauchte – weniger wegen der mir scheinenden Besonderheit, die dieser Ort ausstrahlt, allem voran die kleine Kirche – als vielmehr  wegen der über Generationen anhaltende Beziehungen der jeweiligen Besitzer beider Güter. Dabei hat sich mir erst erschlossen welches „Kleinod“  sich dort verbirgt.

Für die, die diesen Ort nicht kennen, aber auch für die, die ihn kennen, oder eventuell kennenlernen möchten – egal, wie auch immer; wer Freude hat, etwas zu entdecken, was Generationen über all die turbulenten Zeiten gerettet haben, was jetzt 2011 restauriert wird und nun für weitere, zukünftige Generationen erst einmal gesichert zu sein scheint – der kann mit folgendem Bericht an meinen Eindrücken und Gedanken und der Beschreibung teilhaben.

Zudem wurde alles wieder in Erinnerung gerufen durch die Fotos, die mir die Autoren dieser Seite haben zukommen lassen und somit danke ich ihnen, denn sonst hätte es wohl noch eine Zeit gedauert, bis dieser Text zustande gekommen wäre – die Fotos haben vieles vergegenwärtigt.

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Im Gegensatz zu WEIDENVORWERK  existiert fast alles noch in LOMNITZ  und man kann sich ein gutes Bild machen, von einer außergewöhnlichen barocken Anlage, einer Gesamtkomposition, die in ihre Art der ländlichen Umsetzung ihres Gleichen sucht.  Aber auch teilweise langsames Sterben lässt sich hier nicht verleugnen, denn das ehemalige Herrenhaus dämmert dem Verfall entgegen und in die neue Zeit hat man nur das hinüber genommen, was den Verhältnissen angemessen zu sein schien. Die kleine Kirche ist hier natürlich an erster Stelle zu nennen – ihr hat der Sozialismus wenig anhaben können, im Gegenteil, sie ist und war auch schon bei meinem ersten Besuch 1987 in sehr  gepflegtem Zustand und schon beim Näherkommen dieses kleinen <Landgutes mitten im Walde>, zeigt sie sich zur rechten Seite.

Sie ist aus Holz, dem Material, was die Umgegend zur Genüge hergibt. Fast gleich schenklich in Kreuzform, als kleiner Zentralbau konzipiert, wie so viele Kirchen des christlichen Ostens, also die Form des griechischen Kreuzes aufnehmend und, um bei der Größe ein bisschen mehr Raum zu schaffen, verbinden vorgezogene, schräggestellte Wandflächen mit jeweils einem Fenster die symbolischen Kreuzbalken und erweitern somit den Zentralraum in ein Oktogonal. Eine Kuppel schließt dieses Zentrum ab und eine sogenannte Laterne mit Wetterfahne bekrönt das Ganze.

Welch ein Ort der Zuflucht, inmitten von Wälder, errichtet zu einer Zeit wo Bären und Wölfe den Menschen hier noch zu schaffen machten und man sich schon fast in einer Einöde befand, sieben Kilometer entfernt von Bentschen im Lomnitzer Forst.

Die gleiche Zaunanlage wie beim Herrenhof gegenüber auch hier, sich vom öffentlichen Weg ein wenig abzugrenzen. Nun werde ich mir das alles mal näher anschauen, zumal es scheint, dass die Kirche offen ist. Rechts und links vom kurzen Weg , zwei Heilige auf weißgestrichenen, gemauerten Postamenten, die einen schon ein wenig einstimmen, auf das, was noch kommen soll. Der Eingang der kleinen Kirche ist auch hier, wie so oft im Osten anzutreffen, mit einer Laube versehen. Mehr Stämme als Säulen tragen den oberen Bereich, der in einem Schweifgiebel endet, ähnlich dem des Herrenhauses, wie ich später feststelle. Außen schlicht in der Erscheinung, einfach verschalt mit Brettern, dunkel gestrichen. Nur die weißen Fenster und der ebenfalls weiß hervorgehobene Volutengiebel  setzen Akzente und gliedern die Flächen.

Hauptaltar

Aber umso mehr ist man  überwältigt  beim Eintreten: welch <barockes Feuerwerk>, welch eine Pracht empfängt einen, welch ein Gegensatz zu vorher – eine fast schon theatralische Steigerung, wie nur der Barock und dann besser noch das Rokoko Meister der Innenraumgestaltung waren. Man kann ja darüber denken, wie man will, es mag gefallen oder nicht, weil man den  Zeitgeist nicht mehr empfangen mag – aber eines kann man diesem Zeitalter nicht absprechen: einen gestalterischen Ideenreichtum und ein handwerkliches Können und wo das Genie ein wenig hintenan bleibt, zeigt sich doch immer noch die Liebe zum Detail bei der Ausführung.

Es ist der Altar, überreich in seiner Form, fast schon die Dimensionen sprengend, der beim Eintreten alles Drumherum erst einmal in den Schatten stellt, gerade, weil die Kirche nicht so groß ist und man gar nicht die Möglichkeit hat sich ihm gebührend zu nähern – er nimmt einen förmlich ein!  Man muss sich erst mal setzen und etwas sammeln. Eine richtige Komposition bedeckt die Wand. Das Zentrum mit dem Altarbild, mehr der Architektur entlehnt, als dem freien Spiel der Formen, zeigt großflächig vielleicht den Patron der Kirche, vielleicht auch einen weltlichen Heiligen. Die Attribute lassen für den Nichteingeweihten einige Deutungen zu, aber das Bild ist teilweise verdeckt durch den Hostienschrein, der so platziert ist, dass er einen Freiraum nach hinten lässt, damit man um ihn herumgehen kann, um sich ganz der <Devotion> dieses Heiligen zu widmen, in einem kleinen abgeschlossenen Bereich, abgetrennt vom Rest der Gemeinde.

Der Hostienschrein zeig das Bild des <Ecce Homo> und ein kleineres, längsovales, den Rahmen des Altarbildes krönenden anderen Bildes, Maria und den Christusknaben – ganz im traditionellen, ikonographischen Sinne. Überreiches Schnitzwerk, ausladend zu beiden Seiten und nach oben, steigert nochmal die Wirkung.

Zwei große, geschnitzte Heiligenfiguren, rechts und links platziert, vervollständigen und schließen diese Altarkomposition ab. Der Rest löst sich in unbändigem <Rocailleschnitzwerk> förmlich auf. Zwei Engel, auf den vorgezogenen Säulen, die den Eingang des hinteren Bereiches des Altars markieren, weisen sozusagen beschwingt auf die <Glorie des Himmelreiches> und im Zentrum Oben in der Mitte, sieht man noch eine Muschel – die Jakobsmuschel, oder ist es die <Venusmuschel> ? Man weiß eben die Symbolik umzudeuten, postum dem heiligen Jacob zu zudenken und wer sie, diese Muschel, vom  Pilgerweg mit nach Hause brachte, dem sicherte sie Ansehen – so sagt man wenigstens! Nun, wie dem auch sei, interessant ist sie schon, diese symbolische Sprache durch die auch die Figuren mit ihren Attributen zu uns sprechen.

Denn rechts vom Altar hält der Heilige in seiner Hand einen großen Grillrost und präsentiert sich somit schon mal in dieser abgelegenen Wildnis, als nicht ganz Unbekannter! Denn über das Martyrium des HEILIGEN LAURENTIUS weinte schon der Himmel die <Laurentiustränen>, in Form der Sternschnuppen im August und der Laurentiussegen ist im Volksmund gegen Brand und Brandwunden. LAURENTIUS wird an den Galgen gebunden und mit der Fackel gebrannt, oder mit dem Haken gegeißelt und auf dem Grill geröstet – selbst das ESCORIAL weißt diese Grillform in seinem Grundriss auf und in Deutschland wird ihm der Sieg über die Ungarn auf dem berühmten Lechfeld zugeschrieben! Alles, was mit Feuer zu tun hat, das ist seine Domäne, bis hin der <armen Seelen>, die im Fegefeuer schmoren!

Seitenaltar

Das Pendant, der Heilige auf der linken Seite, auch überwiegend in Weiß und Gold gefasst, ist fast noch expressiver in seiner Botschaft, denn zu seinem Sockel windet sich förmlich eine weitere Figur. Sie zeigt, hier wird etwas <unter den Füssen gehalten>, wohl die Gewalt und das Böse bändigend. Vieleicht ist es den HEILIGE CYRIAKUS, der den Teufel im Zaume hält? Eine Kette fehlt, aber die Handhaltung ließe durchaus so etwas zu!  Wer weiß – und wer kennt sich schon aus bei all diesen Heiligen, zumal als Protestant, aber den Gedanken ist Raum gelassen und überhaupt besticht die ganze Ausführung in seiner Feinheit.  Wahrscheinlich ist der Altar nicht vor Ort entstanden, ebenso wie die beiden Seitenaltäre, denn diese Einzigartigkeit der Schnitzereien steht schon ein wenig im Gegensatz zu dem sonst etwas <rustikalen>Kirchenraum, der mit Brettern verkleidet und in lichtem blaugrau gestrichen ist. Zudem hat man im Tambour, im Unterbau der Kuppel, direkt auf diese Holzflächen gemalt, ohne sich um die Schwundmaße des Holzes zu kümmern! Fein zeichnet sich Brett für Brett ab, was aber dem Ausdruck der Beschwingtheit der Malerei keinen Abbruch tut! Im Gegenteil, hier hat einer von den vielen, mit Talenten gesegneten, der seine Fähigkeiten nie zur Perfektion ausgearbeitet hat, mit Hingabe und Liebe die Flächen gestaltet.

Die oktogonale Kuppel zeigt abwechselnd religiöse und dekorative Elemente, kleine Putten, die lachend auf Sockeln sitzen, Blumen in der einen Hand halten und, um der Feierlichkeit des Ortes gerecht zu werden, in der anderen Hand natürlich religiös-symbolische Attribute, kleine Palmenwedel und Olivenzweige. Das Ganze ist mit gemalten Voluten in einem Rahmen gefasst, der sich schwungvoll auch im Oberlicht fortsetzt. Die anderen alternierenden Flächen ohne Fenster des <Tambours> sind alle mit einem architektonisch gemalten Triumphbogen eingefasst, durch dem man durchblickt auf die jeweilig dargestellten Szenen. Flach und ohne Perspektive, auch hier wieder der HEILIGE LAURENTIUS, ostentativ sein Grillrost zeigend! Ein anderes Motiv ist <Die Verkündigung Marias>, in derb-barocker, bäuerlicher Form, breitbeinig sitzend, so als schäle sie Kartoffeln, schräg zur Seite blickend, bei der Arbeit gestört! Aber all diese künstlerischen und handwerklichen Gegensätze fügen sich so harmonisch zu einen ungewohnten Zusammenspiel und man ist wirklich fasziniert von der Ausdruckskraft, mit der hier jeder Künstler gearbeitet hat, ganz individuell und seinem Geist verpflichtet.

Und so klein der Raum auch ist, es gibt doch so viel zu gucken, das Auge wird gar nicht mehr satt – man versteht eben im Barock zu beindrucken! Mit einem Altar ist noch nicht genüge getan, nein, es gibt noch zwei weitere Altäre, rechts und links an der Wand, der Gemeinde zugewandt, so dass man alle Altäre von den Sitzbänken aus gut sehen kann. Im Stil sind sie gleich, Predelle, Altaraufsatz mit Bild und üppigstes Rokokoschnitzwerk mit Vorsprüngen, die auch wiederum je zwei Gold gefasste, weltliche Heilige tragen und in der typische Asymmetrie dieses Stiles, rechts mit einem Engelskopf und links mit einer Urne endend, Weiß und Gold gefasst auch hier der Rest.

Grabplatte Familie Opitz

Das jeweilige Bild ist wiederum mit einem Rahmen versehen und auch hier nun wieder die Frage: wen will man uns zeigen. Der rechte Nebenaltar mit einer Heiligen, wohl eine Märtyrerin mit einen Kreuz und einem Buch in der Hand, das Blutopfer zollend, entsteigt sie einer Menschenmenge zu ihren Füßen, begleitet von Engeln und Engelsköpfen, schwebend dem Himmlischen entgegen. Und bei dem Reichtum der Heiligen, Seligen, Nothelfern, Fürbittern und was sonst noch die Katholische Kirche aufzubieten hat, wer soll es wissen. Und auch hier wieder: wer soll es wissen, wen man darstellt, als Lutheraner obendrein!  Aber der linke Nebenaltar mit seinem Bild  spricht schon eindeutiger – Pilgergewand, Wanderstab mit Kalebasse, das lässt sich eindeutig dem Jakobus zuordnen und sein anderes Attribut, die Jakobsmuschel, die hat man ja schon am Hauptaltar entdecken können!

Trotz alle Fülle und diesem intimen Charakter den dieser Sakralbau ausstahlt – eine Standuhr gibt es auch – bleibt trotzdem  noch ein Freiraum in der Mitte, der sternenförmig mit Bretterbohlen ausgelegt ist, eingefasst durch umlaufende, marmorierte Säulen, die den Kuppelaufbau tragen. Es ist auch noch Platz für einen Beichtstuhl und natürlich für die Gläubigen, die rechts und links vom Eingang in extra abgeteilten Bereichen Platz nehmen können. Unter dem Altarteppich, halb verdeckt schaut eine Grabplatte hervor, zeigt den  Platz, wo zwei von den  Besitzern ihre letzte Ruhestätte fanden, bevor man die monumentale Grablege im Park errichtete.

Und wirklich, eine Kuriosität entdecke ich noch, die gar nicht unbemerkt bleiben kann, denn sie hat die Größe einer Kinderwiege und so sieht sie eigentlich auch ein bisschen aus! Aber es ist ein Boot mit windgeblähtem Segel, der Bootskörper aus Planken zusammengesetzt, ganz wie ein richtiges Schiff, vergoldet obendrein. Und auch dafür hat sich noch einen Platz gefunden. Nun kenne ich derlei aus vielen Kirchen die in Küstennähe liegen, wo Seeleute nach wundervoller Rettung ihrem Gelübde entsprechend dem Herren ihr Weihgeschenk machten, aber im Binnenland sehe ich es hier zum ersten Mal. Aber der Bentschener See ist ja auch schon ein kleines Meer! Zumindest hat der Fischer sich hier bei seinem <ex voto> nun wirklich nicht lumpen lassen!

Bootsnachbildung

Man liegt nicht falsch, wenn man diese Kirche als ein Kleinod bezeichnet. Abseits von allem, versteckt, zeigt sie doch, mit welcher Hingabe man sie ausgestaltet hat – und eigentlich frage ich mich nun, warum mir meine Großtante nie davon erzählt hat?! Wieder draußen, gehe ich noch einmal um die Kirche herum, schaue mir den freistehenden Glockenturm an, der hinter Kirche steht und den man von vorne gar nicht bemerkt. Zwei kleine Glocken mit Rokokoornamenten ziert einem Schriftzug < Sali deo gloria. Me fecit Adam Huldt Posnania> und eine Jahreszahl  –  1770

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LOMNITZ/LOMNICA  gehörte seit 1712 den Garczynskis, und ein Edoardo Garczynski, scheint doch mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit der Schöpfer dieser ganzen Anlage mit Barockgarten, Herrenhaus, den kleinen Kavaliershäusern und eben dieser Holzkirche zu sein – alles ungefähr zur selben Zeit um 1770 bis 1771 entstanden.  Ein Obelisk im Garten von 1898, ist in Erinnerung und Dank, diesem Edoardo  gewidmet.

Die Familie Opitz, die seit wohl ca. 1830 den Garczynskis folgte war dann bis 1945 dort ansässig.

In Gedenken dieser Familie und vor allem der letzten Besitzerin Marika Schoepke, geb. Opitz ist dieser Auszug auch in Erinnerung gewidmet, denn diese Familie hat sich in Wertschätzung und Liebe der Pflege und Erhaltung dieses barocken Erbes dieses Garczynskis angenommen, ohne in einer größeren Form, im folgenden Jahrhundert, in die Substanz einzugreifen.

Alexander S.-Klahr