H. Sommer begann seinen Artikel über die Müllerinnung zu Grätz mit folgenden Worten: Wie aus den mir im Original vorliegenden Statuten zu ersehen ist, verdankt die Müllerinnung zu Grätz in Posen ihre Entstehung einer Anregung von vier dort angesessenen „Bürgern und Windmüllern“ mit Namen Johann Friedrich Dedercke, Andreas Fancke, Johann George Dohn und Andreas Schönfeld.
Es ist nun verwunderlich, dass die Grätzer bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus keine Müllerzunft besessen haben sollen, und sich zwecks Errichtung einer solchen erst an die Nachbarstadt Polnisch Freystadt (heute Rakwitz im Kreise Bomst) gewandt haben. Denn Grätz ist bekanntlich eine viel ältere Stadt, während Rakwitz erst am 24. Februar 1662 gegründet worden war.
Allein da die Tatsache der Grätzer Gründung einer Müllerinnung urkundlich verbrieft ist, muss man wohl annehmen, dass die Verhältnisse des Müllereigewerbes bis dahin in Grätz sehr im Argen gelegen haben, wogegen sich Rakwitz in dieser Hinsicht besserer Zustände von vornherein zu erfreuen hatte.
Denn, wie ich der Schrift „Rakoniewice“ von Dr. Karwowski entnehme, besaß Polnisch Freystadt bereits seit seiner Gründung eine Müllerinnung, die in großer Blüte stand und damals einen schwunghaften Getreidehandel betrieb, so dass dort, als man im Jahre 1762 infolge der Leiden des 7 jährigen Krieges für ein Viertel Getreide einen Dukaten und mehr bezahlen musste, keine Not herrschte. Diese Tatsache muss nun wohl die vier oben genannten Grätzer Müllermeister bewogen haben, wie es in dem den eigentlichen Statuten vorausgehenden Gründungsprotokoll vom 2. April 1761 ausdrücklich heißt, am 20. Oktober 1760 vor den „beschworenen eltesten und jüngsten Meistern des löblichen Gewercks der Wind Müller in hoch gräflicher Stadt Polnisch Freystadt in Gross Pohlen“ zu erscheinen, die sie dort „angeflehet und gebehthen, weil sie willens, bey ihnen eine löbliche Zunfft auffzurichten, man möchte ihnen“ aus der Rakwitzer „Privilegia die Puncta und Articula ertheilen“.
Ihrem Ansinnen hat nun der Innungsvorstand von Rakwitz, der sich damals aus den Bürgern und Windmüllern, Meistern Caspar Bruntzel als Oberältestem, Matthäus Woyte als Nebenältestem, Gottfried Hofmann als Vorreder und Johann George Heyder als Handwerksschreiber zusammensetzte, gern entsprochen. Und so haben sich denn die Grätzer „nachgehends eine Privilegia auf ein weiss Pergament aussfertigen lassen, auch solche bey Ihro hoch gräflichen Excellence Adam von Opalenskl, Canonico von Posen, alss Ihren allergnädlgsten Erbherrn, confirmiren lassen“.
Dies hat nun ungefähr ein halbes Jahr gedauert, worauf sie sich wiederum, nämlich am 30. März 1761,in Polnisch Freystadt oder Rakwitz einfanden, um jetzt zur Errichtung Ihrer neuen Müllerinnung zu schreiten. Der vorgenannte Rakwitzer Innungsvorstand hat hierauf „ihre Privllegia und Puncta genau untersuchet und nach reifer Überlegung für gutt befunden, ferner ihre Geburths Brieffe von Mann und Weib von vier Ahnen her richtig befunden“. Am Tage darauf ist dann die „Neue Zunfft“ aufgerichtet, und deren Ältesten eingesetzt worden. Es wurde nun am 2. April in Grätz selbst ein Meistertag abgehalten, worauf sich die Rakwitzer „nebst dem neuen vorgesetzten eltesten Tisch Meistern und der gantzen neuen Meisterschafft sammt der Handwercks Lade und Prlvilegia vor einen ehrenvesten wohl weissen Magistrat“ begaben und dort die Schriftstücke vorlegten. Hierauf wurde „dem neuen vorgesetzten Ober Eltesten die neuauffgerichte Privilegia und Handwercks Lade alda übergeben“ und danach „von zweyen Jüngsten aus ihrer neuen Zunfft, samt dem gantzen Magistrat, im Beyseyn des gantzen löblichen Gewerck, in sein Hauss getragen“. Soweit das Gründungsprotokoll.
Es folgen nun die Satzungen der neuen Innung, die aus 14 Paragraphen bestehen und mit der üblichen Formel: „Im Nahmen der heiligen und hochgelobten Dreyfalltigkelt“ eingeleitet werden.
Sodann behandelt § l die Aufnahme als Meister in die Innung, die nur nach zuvor erlangtem Bürgerrecht erfolgen kann; bemerkenswert Ist die Bestimmung, dass der Aufzunehmende seinen Lehrbrief „nicht von Dörffern, wo unbezechte Meister wohnen, herbringen“ soll, d. h. er muss bei einem Innungsmeister ausgelernt haben. Als Einstandsgeld für das Meisterrecht waren 12 Mark zu zahlen, und ausserdem mustte eine Tonne Bier des Innungsälltesten aufgelegt werden.
§ 2 setzte fest, dass der Aufzunehmende entweder eine eigene Windmühle besitzen oder eine solche gemietet haben müsse, überhaupt durfte kein Innungsmeister mehr als eine Windmühle haben bei Verlust seines Meisterrechts. Auch wir das Überbieten beim „Einkauffen des Getreydes“ verboten, wofür „vor einen Scheffel zwelff Groschen Polnisch“ als Strafe in die Handwerkslade entrichtet werden mussten.
Der nächste § 3 betrifft das Lehrlingswesen, er setzte drei Lehrjahre fest, für Meistersöhne jedoch nur eines. Das zu erlegende Lehrgeld war auf „20 Floren“ d. h. polnische Gulden bemessen, außerdem erhielten die Meister ½ Tonne Bier. Bemerkenswert Ist die Bestimmung, wonach „der Lehr Junge sich nicht In Bier und Brandwein Häusern finden lassen, viel weniger bey dem Kegelspiel“, bei letzterem nur mit Erlaubnis seines Meisters antreffen lassen durfte. Nach Ablauf der Lehrzeit hatte der freizusprechende Lehrling wieder „10 Floren“ in die Lade zu erlegen und ½ Tonne Bier zu geben, erhielt aber von seinem Lehrmeister „ein untadelhafftes Schurtz Fell, welches ihme durch zwey Gesellen vor offener Lade vorgebunden“ werden musste. Mehrere Lehrlinge gleichzeitig durfte kein Meister halten „bey der Straffe fünff Marck in die Lade“. Freigesprochene Lehrlinge mussten „zwey Jahre verwandern“, wenn sie Meistersöhne waren, nur ein Jahr, ehe sie das Meisterrecht erwerben konnten.
§ 4 handelt von der Sonntagsruhe; es war untersagt, „unter dem hohen Amte von neun Uhr biss eilff Uhr zu mahlen“, ausgenommen „in höchst dringender Noth in Ermangelung des Windes“. Verstöße gegen dieses Verbot zogen das Auflegen von ½ Tonne Bier nach sich.
§ 5 bestimmte, dass jeder Innungsmeister wöchentlich „Donnerstag um 9 Uhr ein Viertel Mehl unter die Waage zu bringen“ verpflichtet war. Die Unterlassung dieser Bestimmung zog „sechs Groschen Polnisch“ an Strafgeld nach sich. Das Abspenstigmachen von Mahlgästen war bei zwei Mark Strafe untersagt.
Die Müllerinnung besaß nicht nur das Monopol des Getreidehandels, sondern auch einen gewissen Schutz gegen die Einfuhr von Getreide, wie aus § 6 erhellt.
Die §§ 7—12 betreffen das Leben und Verhalten der Innungsmeister. Ledige Meister, die sich binnen Jahresfrist nicht verheirateten, waren gehalten, für jedes Jahr ihres Junggesellenstandes eine Tonne Bier aufzulegen. Wenn ein Meister von einem andern ehrenrühriger Dinge geziehen wurde, so wurde dem Beschimpften „sein Handwerck so lange geleget, biss er seinen ehrlichen Nahmen wiederum gerettet, seine Unschuld aussgeführet“ hatte. Das Fluchen und Schwören beim Namen Gottes sowie bei den heiligen Sakramenten, während das Meisterbier getrunken ward, war bei „drey Marck in die Lade“ verboten. Zu den Innungsversammlungen durfte „bey Straff eine Marck“ niemand bewaffnet erscheinen; ein hier ausgebrocheuer Zank oder eine etwaige Schlägerei wurden mit drei Mark Strafe belegt, auch musste das angezapfte Bierfass seitens der Übertreter wieder aufgefüllt werden. Das Einführen liederlicher Manns- oder Weibspersonen zum Meisterbier sowie das Fortschaffen von Meisterbier, um es anderwärts zu verschenken, war mit einer Mark Strafe bedacht. Endlich zog auch das unterlassene Weiterschicken des Handwerkszeichens, um die Quartals- oder sonstige Sitzungen anzukünden, eine Strafe von „zwölff Groschen Polnisch“ nach sich. Wer aber den Verlust des „Zechzeichens“ verschuldete, musste „in die Lade fünfzehn Groschen“ erlegen und „ein neu Zeichen machen lassen“.
Alle Jahre musste ein Jahres- und Kassenbericht erstattet werden und jeder Meister „zum Quartal erlegen sechs Groschen Polnisch“, so bestimmte es § 13, während der Schlußparagraph die Maßnahmen des Gewerks beim Todesfalle eines Angehörigen, „es sey Mann oder Weib, oder Kinder, oder Knecht“, anordnete. Als Leichenträger waren die Jüngsten bestimmt, die im Falle der Behinderung „einen tauglichen und eine andere Person, jedoch auss dieser Zeche“, bestellen durften.
Das ganze Statut ist in recht guter und deutlicher Schrift aufgezeichnet, das Eingangsprotokoll wie die Satzungen am Schlusse unterzeichnet und mit dem Innungssiegel versehen und in einen festen Deckel mit schwarzem Lederbezug, dessen Rand mit Goldpressung verziert ist, gebunden und dadurch wohlerhalten.
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