Die Zustände in der Provinz Posen

Einband der von Paul Fuß verfassten Schrift über die "Zustände in der Provinz Posen"

Verfasst wurde dieser Beitrag von Paul Fuss – Wituchowo bei Kwiltsch, königlicher Ober-Amtmann und Ritterguts-Besitzer. Der Druck wurde vorgenommen durch die Firma J. Fr. Tomaszewski in Posen, Berlinerstraße 5. (Inhaber: B. Winiewicz u. J. Teska.)

Diese Schrift ist vermutlich im Jahr 1907 verfasst und veröffentlicht worden; eine Datierung selbst ist in der uns vorliegenden Ausgabe nicht vorgenommen worden.

Aus welchem Anlass sich der Rittergutbesitzer Paul Fuß sich so eindringlich mit der Minderheitenpolitik im Preußischen Staat auseinandergesetzt hat war bis jetzt nicht in Erfahrung zu bringen.

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Die nachstehende Schrift soll  keine Ansprüche auf  eine besondere Wissenschaft  machen, sondern sie soll in einfacher und klarer Form das wiedergeben, was ich als Bewohner der Provinz Posen  erfahren  und beobachtet habe.

Ich bin 56 Jahre alt, evangelischer Deutscher, in der Provinz Posen geboren und seit 30 Jahren als Domänenpächter und Rittergutsbesitzer selbständiger Landwirt. Die Urteile derer, die nur vorübergehend, und meistens mit einem argen Vorurteil behaftet, die Provinz Posen kennen gelernt und darübergeschrieben und gesprochen haben, will ich des Näheren auf ihren Wert nicht untersuchen, nur so viel steht fest, dass diese Urteile in den meisten Fällen sehr ungünstig, daher schädlich und unzutreffend ausgefallen sind. Man muss Land und Leute von Kindesbeinen an genau kennen und eng mit ihnen verwachsen sein, wenn man ein wirklich unbefangenes Urteil über die Provinz fällen will. Ich glaube und hoffe, dass man mir im Nachstehenden die Berechtigung hierfür nicht absprechen kann, noch zumal ich zu einer der allerältesten Familien der Provinz gehöre. Ich schicke auch voraus, dass ich nicht nur mich Deutscher nenne, sondern auch Deutscher bin, ein treuer Anhänger meines Kaisers und Vaterlandes.

Auf meinen vielen Reisen habe ich gefunden, dass man sich im großen Westen Deutschlands ein meistens völlig unzutreffendes Bild über die Provinz Posen zurecht gelegt hat, verehrt durch Wort und Schrill und durch Jahrzehnte lange, gänzlich unzutreffende Beschreibungen und Erzählungen.

Der Westdeutsche glaubt die Provinz, noch in völliger Unkultur halb in Russisch-Polen gelegen und hat vielfach sich gar nicht die Mühe kartographischen Studiums genommen. Er müsste sonst längst zu einer sachlich anderen Anschauung gekommen sein. Denn die Provinz Posen rag! durchaus nicht wie Ost- und Westpreußen und Oberschlesien weit nach Russisch-Polen hinein, sondern bildet im Gegenteil einen nierenförmig nach Westen einbuchtenden Bestand­teil des Deutschen Reiches, sie liegt unter der horizontalen Mittelaxe Deutschlands und ihre Provinzialhauptstadt Posen ist nur wenige Bahn-Stunden von Berlin, der Kapitale unseres Deutschen Reiches, entfernt.

Verkehrlich liegt also unsere Provinz demnach so günstig wie möglich. Auch ihr Klima ist ein mildes, mittel norddeutsches und im Winter als nicht zu kalt zu bezeichnen. Jedenfalls ist die Vege­tationsperiode nicht nur eine frühere, sondern auch eine längere, als die in Ostpreußen, Westpreußen, Oberschlesien, Pommern, Mecklenburg und Schleswig-Holstein. Die Niederschläge sind ziemlich gleichmäßig und günstig.

Die Provinz Posen ist ausschließlich eine Ackerbau und Viehzucht treibende, mit landwirtschaftlichen Industrien, als da sind Spiritusbrennereien und große Zuckerfabriken.

Sie baut sämtliche Früchte, wie im andern Deutschland, und besitzt große Musterlandwirtschaften, die sich nicht nur würdig denen im Westen Deutschlands zur Seite stellen dürften, sondern in der Mehrzahl und in der Großartigkeit der Anlage diese überflügeln. Die Provinz besteht in der Haupt­sache aus Acker, Wiesen, Wald und Seen und nur wenigen Flüssen. Gebirge hat sie leider gar nicht.

Steine finden sich oft in Mengen als Findlinge. Es besteht somit die Provinz aus einer großen, Nutzen bringenden Flache, die nur wenig an Ödland abgibt. Dass die Provinz demnach zu den besten Kornkammern des Deutschen Reiches gehört, dürfte wohl niemand bezweifeln.

Die Bevölkerung ist keine dichte, sogar noch ungenügend dicht. Sie ist gemischt sprachlich, deutsch und polnisch mit einigen Juden durchsetzt und den religiösen Verhältnissen nach sind die Deutschen teils evangelisch, teils römisch katholisch; die Polen gehören ausschließlich der römisch-katho­lischen Kirche an, die sie eng mit ihrer Nationalität verbindet. Sehr viel große geschlossene Dorfgemeinden besitzt die Provinz nicht, ebenso besitzt sie außer den beiden Provinzialhauptstädten Posen und Bromberg nur recht wenig nennenswerte Mittelstädte, von den Kleinstädten völlig zu schweigen, Es fehlt in unseren Städten noch viel an Industrie, Kultur und Sauberkeit. Hieraus kann man aber der Bevölkerung keinen besonderen Vorwurf machen; die Schuld ist in der Hauptsache den Maßnahmen früherer Jahrzehnte zuzuschreiben, die leider wenig für den Fortschrill unserer  Provinz getan haben. Hergegeben hat unsere Provinz an Produkten seit Jahrzehnten reichlich ihren Anteil, aber leider hat man versäumt sie beizeiten mit dem Hauptträger der Kultur aus­zustatten, das da sind gute und zahlreiche öffentliche Verkehrsstraßen und sonstige gemeinnützlichen Anlagen.

Erst in den letzten Jahrzehnten ist mehr dafür geschehen, jedoch noch lange nicht genug im Vergleich zu den Westprovinzen. Namentlich fehlt es unseren Eisenbahnen noch gar sehr an dem ausreichenden Ausbau im Allgemeinen und

Palac Wituchowo - Das Rittergut - Aufn. http://www.kwilcz.pl/gmina-kwilcz/pl/right/galeria-zdjec1/gmina-kwilcz-z-lotu-ptaka.html

an einem schnelleren Betriebe derselben. Ebenso fehlt es an einem er­wünschten Komfort in unseren Städten.

Dies beides gerade sind die Punkte, die den von Westen Kommenden unangenehm berühren, ihn zurück­schrecken und ihn schließlich ein Irrbild über unsere Provinz sich bilden lassen. Kein Wunder, wenn dann ein scharfes Urteil gefällt und alles, was nicht schön ist, den Polen und der sogenannten polnischen Wirt­schaft in die Schuhe geschoben wird. Namentlich aber sieht es auch in unseren geschlossenen und viel­fach zerstreut liegenden Dorfgemeinden noch recht unsauber aus und grade dort wird der Mangel an den nötigsten Verkehrswegen recht schmerzlich empfunden.

Wie schon gesagt, hat die Staatsregierung in den Letzten Jahrzehnten erheblich mehr an der Kultur getan, aber wenn uns die hergegebenen 450 Millionen vorgehallen werden sollten, so sei mir die Entgegnung gestattet; „Diese Millionen hätte man einer produktiv so schönen Provinz längst schenken sollen. Die Schuld der Polen Ist dies nicht!

Von diesen 450 Millionen wurden in der ersten Rate 100 Millionen von der preußischen Volks­vertretung bewilligt und zwar in der Hauptsache mit der Motivierung die Provinz besser auszubauen und durch Zuzug von deutschen Elementen dem Rück­gang des Deutschtums vorzubeugen, obwohl ein solcher Rückgang gar nicht existierte, Wohl waren seit Jahren weniger deutsche Bauern, Handwerker und Arbeiter in die Provinz zugezogen, da die Westprovinzen nicht nur diese, sondern auch eine große Menge polnischer Arbeiter benötigte; von einem Rückgänge des gewonnen deutschen Besitzes konnte jedoch keine Rede sein, derselbe hatte ständig zu­genommen. Dass allerdings die Vermehrungsfähigheit der Polen den Deutschen voraussteht, kann man nicht bestreiten und es ist dies gegenüber dem ständig  vorhandenen Arbeitermangel in ganz Deutschland geradezu als ein Segen und nicht, wie man es darzustellen beliebt, als eine Gefahr anzusehen. Es wurde aber diese Tatsache der Vermehrung der Polen als eine drohende nationale Gefahr zurecht konstruiert und mit diesem Märchen, besser gesagt schwarzem Gespenst, ging man hausieren und schaffte zwei weitere staatliche Spenden von zusammen 350 Millionen. Zusammen mit 450 Millionen glaubte man die Provinz auskaufen zu können, doch man irrte sich gewaltig.

Dazu gehören nicht hunderte von Millionen, sondern Milliarden

Eine Menge polnischer Grundbesitzer, die nicht in der besten Vermögenslage sich befanden, gaben ihre Güter her, denn es wurden ihnen Staatspreise gezahlt und sie kamen momentan in eine bessere Vermögenslage, als sie es vorher waren. Man hatte nun auf Seite der Hakatisten (so nennen sich die Feinde der Polen) gehofft, dass die Polen diese erhaltenen Kaufgelder leichtsinnig verbringen würden. Da hatte man sich aber gründlich getäuscht. Die Polen sahen jetzt deutlich, dass es sich nicht nur darum handelte, die Provinz dichter zu bevölkern, sondern dass es Hauptzweck war, lediglich durch das Zerschlagen der angekauften polnischen Güter zu deutschen Ansiedelungen dem deutschen Element Vorschub zu geben, und das polnische Element zurückzudrängen.

Es ging also ein erbitterter Kampf los, bei dem lediglich die Polen ihre nationale Hau! zu Markte tragen sollten, obwohl sie gut bezahlt wurden Und diesen Augenblick betrachteten sie mit recht als den Beginn der Vernichtung ihrer Nationalität und als die jetzt mit Macht vorschreitende Idee der völligen Germanisierung. Dagegen wollten sie sich wehren, sie wollten nicht die Verräter an ihrer eigenen Scholle, an dem von ihren Urvätern überkommenen Nationalheiligtum werden. Und nachdem ihnen auch für ihre Kinder der Religionsunterricht in der Muttersprache genommen war, da erkannten sie, worum es sich handelte. Und nun schlössen sich die Polen eng zusammen, um einer völligen Vernichtung: ihrer ihnen unverkäuflichen nationalen Ehre vorzubeugen.

Was soll, frage ich, dereinst aus solchen Menschen werden, die einen ihnen völlig unverständlichen Religionsunterricht empfanden? – – Etwas Gutes und dem Staat Segen bringendes sicher nicht! — Und dann klagt der Staat über das Zunehmen der Sozialdemokratie und über religiöse Verwilderung?

Die Polen legten das von dem preußischen Ansiedlungsinstitut für ihre Güter erhaltene Geld sorgsamst wieder in Gütern an, sie begannen ein musterhaft sparsames Leben, sie begannen vorzüglich zu wirtschaften und so häuften sie durch die preußischen Millionen und durch eigene sehr ernste Kraft ein nicht unerhebliches Barvermögen zusammen, um nun selbst polnische Ansiedelungen zu gründen, da dem polnischen Arbeiter, einem preußischen Staatsbürger, das Recht, eine preußische Ansiedlung zu erwerben versagt blieb.

Das Wappen der Familie Fuß - heute noch erkennbar an Straße zugewandten Front des Gebäudes, das selbst hinter einer ca. 2 m hohen Mauer verborgen liegt und nicht zu besichtigen ist - Aufn. 2009/09 PM

Wenn man hierbei gerecht urteilen will, so war dies schon nicht nur eine Ungerechtigkeit, sondern ein direkter Verstoß gegen die Verfassung Der preußische Staatsbürger, polnischer Nationalität, der direkt und indirekt zu jenen Millionen durch ehrliche Steuerzahlung genau wie jeder andere preußische Untertan seinen Teil beigetragen hatte, sollte nicht das Recht genießen, auch von dem Effekt dieser Millionengabe einen Teil zu erwerben?

Die Polen schlossen sich nunmehr immer enger zusammen, sie gründeten Banken und damit ein nicht unerhebliches Nationalvermögen, Sie veräußerten keine Güter mehr, sondern kauften im Gegenteil alles, was irgend zu kaufen war, so dass das preußische Ansiedlungsinstitut fast ausschließlich auf den Erwerb und die Zerstückelung deutschen Besitzes angewiesen war. Eine gegenseitige gewaltige Konkurrenz begann und mit ihr ein gegenseitiger Boykott. Von beiden Seiten, und von der deutschen Seite nicht zu knapp, begann nun ein verwerflicher Kampf.

Ein Aufstacheln, Hetzen, Denunzieren und Intrigieren widerwärtigster Art nahm seinen Fortgang; die Polen wehrten sich nach Leibeskräften.

Da sollte ihnen mit Gewalt das Handwerk ge­legt werden und es wurde, trotz besserer Meinungen, das Gesetz im preußischen Abgeordnetenhause durchgebracht, dessen Zweck der war, dass kein Pole mehr in den östlichen deutschen Provinzen das Recht hat, sich je wieder anzusiedeln, sich je wieder ein Haus zu bauen, und einen eigenen Herd, ein eigenes Heim zu gründen.

Wo ich auch in Westdeutschland mit Männern über dieses Thema sprach, man wollte es mir nicht glauben, dass ein solches Gesetz faktisch zur Ausführung gekommen ist. Doch es ist dies der Fall und mit aller nur erdenklichen Strenge wird es gehandhabt.

Ich fordere die ganze gesittete Welt auf, hierüber ihren Rechtsspruch zu fällen.

Wer hierin nicht eine direkte vorsätzliche Ver­kürzung der bisher bestandenen Rechtsgleichheit der preußischen Staatsbürger polnischer Herkunft sieht, dem spreche ich das Verständnis für jedes Rechtsgefühl ab.

Die Verkürzung aber des Staatsbürgerrechtes ist völlig gleichbedeutend mit einem Verstoß gegen Art. 4 der Verfassung.

Der preußische Staatsbürger polnischer Herkunft ist hiermit degradiert, seine Rechte sind ihm verkürzt und er ist damit in eine minderwertige Klasse von Staatsbürgern zurückgedrängt worden.

Und dies Alles nur deshalb, weil er für elenden Mammon die Scholle seiner Vorfahren nicht leicht­fertig hingeben wollte, nur deshalb, weil man in seinem sichtlich besser gewordenen Tun und Treiben das schwarze Gespenst einer riesigen Nationalgefahr für ganz Deutschland witterte?

Es gehört wirklich ein strammes Stück Einbildung, Angst und zum mindesten eine ge­hörige Portion Feigheit dazu, wenn 56 Millionen Deutsche vor dem winzigen Häuflein von 4 Millionen zerstreuter Polen erzittern sollen! Und diese Angst und Gefahr wagt man in ganz Deutschland zu ver­künden und zwar durch deutsche Männer, Hakatisten genannt? Wie lange wollen sich die preußischen und deutschen Staatsbürger dieses lächerliche Märchen noch aufbinden lassen, wie lange will man dieses total unsittliche und unchristliche und undeutsche Gebaren noch treiben und dulden?

Die Folgen hiervon sind die, dass immer mehr Polen nach dem Westen abwandern und sich dort sesshaft machen. Wir Landwirte tragen hierbei die Kosten und werden dadurch erheblich geschädigt. An einen Zuzug deulscher Arbeiter vom Westen nach dem Osten ist schon seit Jahrzehnten nicht zu denken, da ja der Westen seit vielen Jahren selbst seinen Arbeiterbedarf aus dem Osten deckt und trotzdem über einen erheblichen Arbeitermangel fort­gesetzt klagt. Man will nun versuchen, unter den denkbar günstigsten Bedingungen westliche deutsche Tagelöhner als freie Arbeiter mit eigenem Gehöft und etwas Ackerland hier in der Provinz anzusiedeln. Ich glaube bestimmt, dass dieser Versuch im Großen total missglücken wird. Erstens ist das hinreichende Material an Arbeitern im Westen überhaupt nicht vorhanden und zweitens hat der landwirtschaftliche Arbeiter aus dem Westen nie Lust gehabt, nach dem unwirtlicheren Osten zu gehen, was man ihm auch nicht verdenken kann. Haben wir doch seit Jahren dasselbe Beispiel bei den Staatsbeamten zu verzeichnen. Nur sehr ungern gehen sie vom Westen nach Osten und mit Sehnsucht warten sie darauf, wieder nach

dem Westen zurückzukehren. – Man wird mir nun entgegenhalten, dass seit vielen Jahren sich Großgrundbesitzer aus dem Westen kommend im Osten angekauft haben. Das ist ganz richtig und dies hat seinen Grund darin, dass dieselben mit wenig Kapital guten Boden und billige, bescheidene Arbeiterverhältnisse hier vorfanden. Diese Unternehmungen und Hoffnungen aber fangen an, jetzt sehr zu schwinden, denn es herrscht bereits Arbeitermangel in der Provinz und der Boden ist erheblich teurer geworden. – Man wird mir ferner entgegenhalten, dass doch aus dem Westen, seit Beginn der Tätigkeit des Ansiedlungsinstituts, nach unserer Provinz eine große Menge Bauern eingewandert sind. Ich selbst begrüße diese Tatsache da sie unsere Provinz enger besiedeln hilft, ich glaube aber behaupten zu können, dass wenn diese Bauern ihr Auskommen in ihrer westlichen Heimat gehabt hätten, sie nie daran gedacht hätten nach der Provinz Posen zu gehen.

Sie lockte die billige Ansiedelung und die bittere Not trieb Sie meistens aus dem schönen Westen nach Osten, — Ganz anders liegt es beim Arbeiter, ihn treibt nichts, er ist überall gern gesehen.

Ich kann nur eins wiederholt bedauern, dass man das Recht des Ansiedelns aus schon besagten Gründen nur dem Deutschen zuspricht, dem einheimischen Polen es aber in seiner Heimat völlig versagt.

Auch den Galizier und russischen oder ruthenischen Arbeiter lässt man hier, der besagten Polengefahr wegen, sich nicht ansiedeln. Sie führen hier ein Nomadenleben und jedes Jahr steht der Posener Grundbesitzer vor der Alternative, wieder fremde, ausländische Arbeiter annehmen zu müssen, immer wieder andere, die freilich ein inneres Interesse an der hiesigen Scholle gar nicht haben können, da sie ja höchstens 10 Monate sich in Deutschland aufhalten dürfen Diese Leute waren anfänglich vor Jahren billig und willig, heute jedoch stellen sie nicht nur die übertriebensten Ansprüche und sind über ganz Deutschland vergriffen, nein, sie haben überhaupt keine Lust, länger an einer Stelle zu bleiben, oder ein selbständiges Arbeiten zu begreifen, Nur mit Strenge und mit einer kräftigen Aufsicht sind sie zu verwenden.

Die Folgen hiervon können nicht ausbleiben und in wenigen Jahren werden nicht nur die größeren Besitzungen, sondern auch kleinere Ansiedelungen von Arbeitern entblößt sein. Schon heute finden wir beim Gross- und Kleingrundbesitz trotz hoher Getreidepreise die Klage, dass es nicht nur an Arbeitern mangelt, sondern dass dieselben unerschwinglich teuer sind. Es ist daher auch sehr erklärlich, dass eine Menge Besitzer verkaufen, oder solange ihr Vermögen zusetzen, oder ihre Waldungen zu Geld machen, bis auch sie schließlich zum Verkauf genötigt werden.

Will man diese immer ernster werdende Gefahr aufhalten, so weiß ich kein anderes Mittel, als das, den Polen nicht nur, sondern auch östlichen ausländischen Arbeitern das Recht des Ansiedelns in den Ostprovinzen zu verleihen bzw. zurückzugeben und damit auch einen Teil der Gespenstergeschichte über die Polengefahr zu beseitigen. Tun wir dies nicht, so werden unsere Güler veröden und die Produktionsfähigkeit der Provinz wird rapide zurückgehen.

Trägt man sich jedoch mit dem wenig verzeihlichen Gedanken, das Zurückgehen und den Massenverkauf großer Güter als ein gutes Moment für die Zerteilung in Bauerngüter anzusehen, so halte ich dem entgegen, dass auch der Bauer fremde Arbeiter braucht und heute schon über Mangel klagt, Das Zerschlagen von großen Gütern würde das Abwandern der Arbeiter nur beschleunigen und auch die Bauern würden schließlich ohne Arbeiter dastehen, denn ihren Bedarf an Arbeitern haben sie bisher auf unseren Gütern besorgt, nicht etwa auf Dörfern, deren es nur wenig gibt. Es würde auch eine Provinz, die in der Hauptsache aus Bauern besteht, sehr bald kulturell erheblich zurückgehen, denn der Führer des Kulturfortschrittes, des Ausprobierens von Maschinen, Zuchtvieh und Saaten ist bisher der Großgrundbesitzer und der Domänenpächter in ganz Deutschland gewesen, der Bauer durchaus nicht. Es ist dies auch nicht von ihm zu verlangen; er besitzt dazu weder die nötigen Kenntnisse, noch das nötige Betriebskapital. Ich habe jedenfalls noch nie und nirgends die Resultate beim Bauern gesehen, wie sie der größere Besitzer aufzuweisen hat.

Aber auch finanziell durfte ein solches Aus­sterben von großen Gütern böse Früchte für die steuer­liche Staatskasse tragen, denn wir sehen zur Genüge alljährlich, dass die Steuern, die von den Bauern aufgebracht werden, geradezu minimale sind. Es mag ja dies und das im Westen etwas besser sein, erheblich aber nicht.

Dann ist noch die politische Seile zu erwägen. Glaubt die Regierung wirklich, dass auf die Dauer große einheitliche Bauerndörfer absolut konservativ und für die Regierung günstig bei den Wahlen stimmen werden? – – Ich glaube es nicht und habe zu oft das Gegenteil erfahren.

Ich möchte aus diesen Gründen doch warnen vor einer übereilten und zu großen Zerteilung großer Güter, obwohl ich, wie schon gesagt, die dichtere Besiedelung unserer Provinz für durchaus nötig halte, jedoch unter den obigen Gesichtspunkten einer humanen und christlichen Gleichberechtigung für beide Nationalitäten. Will aber der Fiskus den Gedanken der weiteren Ansiedelung noch weiter durchführen, so stehen ihm ja seine Staatsdomänen und noch genug freihändig zum Verkauf kommende Güter zur Verfügung.

Um nun aber doch die Idee der bisher antipolnischen Ansiedelung weiter fortzuführen und angesichts dessen, dass von Polen Güler überhaupt nicht und von Deutschen nur für sehr teures Geld zu kaufen sind, ist man auf den verwegenen Gedanken der Enteignung gekommen, Und es haben sich hierfür wirklich Menschen finden lassen, die die Zustimmung der preußischen Volksvertretung für möglich halten. Ich halte dies aus rein sittlichen Gründen nicht für möglich. Ich glaube nicht, dass die verantwortlichen Vertreter unseres preußischen Volkes in ihren Anschauungen über Recht und Gerechtigkeit so tief stehen dürften. Es würde dies eine Maßnahme sein, die den Grundzug der Verfassung, den Schutz des Privateigentums, rücksichtslos über den Haufen stoßen würde, Eine Maßnahme, die das entsetzlichste Un­heil im Gefolge haben würde!

Schon der Gedanke, schon das Wort „Enteignunghat etwas so gewaltsames an sich, dass man unwillkürlich an die Zeiten des dunklen Mittelalters denken könnte. Dieser Idee fehlt jeder Humanitätsgedanke, jedes Christentum. Sinnlos will man darauf los stürmen, um eine total sozialistische Idee durchzusetzen, ohne jede Rücksicht auf den Nebenmenschen. „Enteignen“ heißt: Jemandem mit Gewalt sein Gut nehmen. Und wie es hier geschehen soll: ihn vertreiben von Haus und Hof, ihn für Mammon eigenmächtig vertreiben von allem, was er von seinen Urvoreltern empfangen hat, von allem, was ihm lieb und teuer geworden und für Geld unveräußerlich ist.

Wohl kann der Staat im Falle äußerster Not­wendigkeit bei öffentlichen Anlagen kleinere Teile eines Grundbesitzes im Wege des Zwangsverfahrens erstehen. Dem muss sich jeder fügen und tut es auch.

Wenn man aber jemandem seine ganze Scholle d. h. sein ganzes Rittergut nehmen will, nur um es an Ansiedler aufzuteilen, nur um den Gedanken der Germanisierung mit Gewalt durchzusetzen und damit das Polentum an die Wand zu drücken, da würde doch jedes Gerechtigkeits-, jedes Humanitäts- und christliches Gefühl aufhören, — Eine solche Tat wurde zum Himmel schreien und sich furchtbar rächen.

Haben wir nicht in Deutschland schon genug unwillige und unzufriedene Menschen unter den weniger Gebildeten, sollen diese noch durch eine Schar gebildeter Menschen vermehrt werden? Ist es nicht genug Arbeit für die Staatsregierung, die 3 Millionen Sozialdemokraten im Schach zu halten, sollen dazu noch 4 Millionen Polen mit Gewalt getrieben werden?

Ja, die Sozialdemokraten warten schon längst darauf und mit offenen Atmen würden sie jene Unglücklichen empfangen. Und diesen würden sich in unseren Ostprovinzen eine Menge unzufriedener deutscher Handwerker und Arbeiter anschließen. Die Gefahr würde unabsehbar werden und die Staatsregierung würde es künftig nicht mit 3, sondern vielleicht mit 10 Millionen Sozialdemokraten zu tun bekommen.

Aus dem bis dahin gutmütigen, bewundernswert duldsamen Polen würde ein Sozialdemokrat bester Form werden, voll des Hasses, voll der Rache für das über ihn gebrachte Unheil, für das Vertreiben von der heimatlichen Scholle, für alle schon erfahrenen Verkürzungen seiner früheren Staatsbürgerrechte!

Soll wirklich diese lächerliche Erzählung von der Polengefahr zu solchen Resultaten führe n, sollen wir wirklich ein zweites Russland erleben? Sollen wir wirklich von uns sagen lassen; Die Sozialdemokratie ist nicht mehr gruppenweise über ganz Deutschland verteilt, sondern Deutschland hat jetzt eine ganze Provinz Sozialdemokraten, die Provinz Posen, in der bis dahin gutmütige Polen waren, die nunmehr die verbitterten Demokralen geworden sind?

Soll es wirklich dahin kommen?

Und es würde bei der Enteignung zweifellos dazu kommen. Der Mensch, wenn er zur Ver­zweiflung getrieben wird, muss zur wilden Bestie werden   und   dagegen    mit  Gewaltmaßregeln   anzukämpfen ist sehr schwer, oft  ganz  verfehlt und macht die Sache meistens noch schlimmer.

Und wie unendlich schwer ist es, wie vieler Jahrzehnte bedarf es. um derartige Missgriffe, Schäden und Gefahren wieder zu beseitigen. Wie leicht ist ein Unheil gestiftet, wie schwer ausgeglichen!

Nein – zu   einer solchen Maßnahme wird kein ehrenhafter Preuße je seine Zustimmung geben! Fort mit diesem unsittlichen, barbarischen Gedanken, er hat als bloße Annahme schon böses Blut zur Genüge gemacht. –

Will man aber wirklich tief in das Volksleben eines Teils unserer preußischen Staatsbürger ein­greifende Ausnahmegesetze schmieden und damit eine Verfassungsänderung bewirken, so muss man auch einen ernsten Nachweis der Notwendigkeit führen.

Mit bloßen Annahmen, Redensarten oder Märchenerzählungen ist das nicht abgemacht, sondern es muss der Beweis erbracht werden, dass die preußischen Staatsbürger polnischer Nation tatsächlich Um­triebe vollziehen, die dem Bestande des preußischen oder deutschen Staatswesens äußerst gefährlich sind. Es muss also den Polen in der Tat Hochverrat in wiederholten Fällen nachgewiesen werden. Nur dann sind Ausnahmegesetze zulässig. Haben wir es aber nur mit Ungehorsam und einem Sich-ungern-fügen-wollen in die bestehenden Gesetze zu tun, so genügen zur Aufrechterhaltung der Ordnung die Gesetze, welche früher bestanden haben. Ich stelle die Frage auf:

Sind seitens der Polen derartige Ausschreitungen seit 1848 vorgekommen, dass das preußische Staatswesen dadurch gefährdet wurde?

Die Antwort hierauf muss ein lautes „Nein“ sein.

Es ist außer kleinen Reibereien, wie sie allerwärts vorkommen, auch nicht das Geringste passiert, was ernstlich staatsgefährlich zu bezeichnen wäre.  Es liegt nicht ein Moment des Hochverrates vor,

Wäre dies der Fall, dann wären die Strafen nicht ausgeblieben. Den Darstellungen der Hakatisten nach müssten andere unkundige Menschen aber glauben, dass die Provinz Posen von Hochverrätern starrt. Sie müssten glauben, dass unsere Zuchthäuser und Gefängnisse von polnischen politischen Ver­brechern überfüllt sind.

Nichts von Alledem ist je in die Erscheinung getreten. Märchen, Gespenster, Geschichten und schließlich Lügen und sinnlose Übertreibungen sind es, die man seit Jahren dem deutschen Volke aufgebunden hat, um künstlich eine Polengefahr zu konstruieren. Hat man etwas getan, um endlich zur Verbesserung der Provinz Posen von der Volksvertretung Gelder zu erhalten, dann will ich das .Motiv der Notwendigkeit höherer Kultur gelten lassen, die Begründung dieser Forderung aber mit einer politischen Polengefahr zu belegen, muss ich ver­werfen. Eine ernst zu nehmende politische Gefahr existiert nicht, sie ist seit 1848 selbst im Gehirn des fanatischen Polen begraben. Der Pole weiß sehr wohl, dass er auf einen gewaltigen Widerstand stoßen würde, und ist viel zu klug, sich je wieder die Finger zu verbrennen.

Er ist mit Freuden bereit ein pflichttreuer preußischer Staatsbürger zu sein, aber er verlangt auch mit Recht, dass ihm, wie jedem ändern preußischen Staatsbürger, alle Vorteile eines gemeinsamen Volks­- und Staatslebens zu Teil werden und dass er nicht wie ein Strafkind abgefüttert wird, oder wie ein Verbrecher mit bitteren Ausnahmegesetzen bedacht wird.

Er verlangt mit Recht die Streichung des Gesetzes nach dem kein Pole sich ansiedeln darf. Er verlangt, dass die Kinder in der Mutter­sprache den Religionsunterricht genießen und er verlang!, dass er in seiner nationalen Sprache und in seinen nationalen Empfindungen nicht immerwährend mit widerwärtigen Verdächti­gungen belastet wird.

Das Herz kann man den Polen nicht aus dem Leibe reißen und die Zunge nicht aus dem Munde. Die polnische Nation hat durch Selbstverschulden genug Schimpf und Schande seil 100 Jahren ertragen, sie hat die Schwächen ihrer Könige und die eigenen bitter und schwer büßen müssen, ihr Reich ist zer­splittert worden durch den unerforschlichen Willen Gottes. der allein das Recht dazu hatte. Wir Men­schen aber haben nicht das Recht, zu diesen Bitternissen noch eines hinzuzufügen. Einem Menschen, der so schwer geprüft worden ist, versetzt der Starke nicht noch besondere Fußtritte. sondern er hat die Pflicht, sich des Bedrückten und Schwächeren in Liebe anzunehmen.

Wir haben kein Recht vor Gott und der Menschheit, den Polen die Hoffnungen auf die Wiedererstehung ihres dereinstigen Reiches für alle Ewig­keit abzusprechen.

Und eine solche Wiedererstehung gehört in der Tat in die Grenzen der Ewigkeit, momentan liegt dafür nicht der geringste Anhalt vor. Es müsste um Deutschland sehr böse stehen und in Trümmerhaufen müsste es erst darnieder liegen, wenn an die Schaffung eines Polenreiches gedacht werden könnte. Das muss sich jeder verständige Deutsche, wenn er nicht ein Erzfeigling ist, selbst zugestehen und jeder vernünftige Pole weiß dies zu Genüge.

Wenn der Pole seine Nationalehre hochhält um! die Wiederaufrich tu n g seines Reiches in die Hand Gottes stellt, wenn er seine nationale Ehre fest mit seinem religiösen Glauben verbindet und um keinen Preis der Welt all dies hergibt, so hat er nicht nur hierzu das volle Recht, sondern jeder ehrenhaft fühlende Mensch muss ihn bewundern!

Vorbildlich müsste auf uns Deutsche dies wirken und nicht widerwärtig oder gehässig, wie es von unkundigen Menschen dargestellt wird.

Haben wir kleinen Brandenburger nicht genau dereinst ebenso gedacht, als wir das preußische Königreich schmiedeten und den großen deutschen Nationalgedanken immer wieder hoch hielten? Ist nicht Blut genug deshalb geflossen und sind nicht sogar 1848 ausgezeichnete deutsche Nationalhelden ins Gefängnis geworfen worden, nur weil man in engherzigster Weise m ihnen die Gefahr für den Bestand des preußischen Staatswesens witterte?

Man wirft den Polen permanent die großen Wohltaten vor, die sie seit ihrer Zugehörigkeit zum preußischen Staat von diesem erhalten haben. Sind dies wirklich besondere Wohltaten gewesen oder waren es die Wohltaten, die jeder andere preußische Staatsbürger empfunden hat?

Nein, sie waren es nicht, sondern sie waren geringer. Es waren die Brosamen, die von des Reichen Tische fielen, und nicht das volle Maß, das man den Polen geben müsste, wo man es ihnen zugesagt hatte und sie ihren Staatsbürgerpflichten genau ebenso nachkamen, wie jeder deutsche Staatsbürger auch.

Hat man ihnen jemals in der Staatsverwaltung oder in dem Offizierskorps gleiche Anrechte eingeräumt?

Doch nur sehr selten!

Man hat sie am Zucker lecken lassen, als  sie aber zubeißen wollten,  da hat man ihnen stets  den Zucker vor der Nase weggenommen.

Hat man sie gleichberechtigt teilnehmen lassen an Bahnhauten, Wegebauten oder sonstigen gemeinnützlichen Anlagen?

Doch nur sehr selten!

Man hat ihnen Versprechungen gemacht und oft hat man sie mit allerhand Entschuldigungsgründen abgewiesen.

Sie haben am Wege stehen und zusehen müssen, wie bei vielen öffentlichen Anlagen der deutsche Nachbar bevorzugt, sie aber benachteilig! wurden. Eine ganze Menge von Fällen und Aktenstücken der Großgrundbesitzer und der Kreisverwaltungen sprechen dafür und sind ein unumstößlicher Beweis dafür.

Und da wundert man sich, wenn die Bitterkeit und das Misstrauen der Polen nie abgenommen haben? Verlangen wir denn von ihnen, dass sie Übermenschen sein und sich wie die Pudel behandeln lassen sollen? Verlangen wir von ihnen, dass sie ihr ganzes Ehr­gefühl wie einen alten Rock in den Schrank hängen sollen?

Haben die Polen nicht ehrlich ihre Steuern bezahlt und bezahlen müssen, sind sie nicht auch als Soldaten ihrer Pflicht im vollen Maß nachgekommen?

Diese Polen des Posener 5ten Armeekorps haben nicht nur wie jeder preußische Soldat in den Feldzügen Gul und Blut für ihren König und das preußische Vaterland eingesetzt, nein, sie haben sich unter Steinmetz 1866 und unter Kirchbach 1870 mit solcher Bravour geschlagen, dass sie anderen Kontrahenten als Muster hingestellt wurden,

Man scheint dies als selbstverständlich zu be­trachten, oder man wünscht wohl diese Tatsachen in den Bereich der Vergessenheit zu werfen, um nicht den Gedanken des Dankes und völliger Gleichberech­tigung aufkommen zu lassen?

Einer großen Nation ist es würdig, stets ihrer Helden und Wohltäter mit unauslöschlichem Dan zu gedenken, ganz gleich welcher Nationalität dieselben angehörten. Einer großen Nation ist es würdig, sich über kleinliche Zwistigkeiten und Meinungsverschiedenheiten hinweg zu setzen und jedem das Recht auf die Hoffnung zu belassen.

Mit Güte und Liebe bringt man verschiedene Nationalitäten unter einen Hui, nicht aber mit Härte und Strenge und Verkürzung staatsbürgerlicher Rechte.

Damit macht man die Menschen nur immer böser und unzugänglicher. Hat nicht Österreich es mit den verschiedensten Nationalitäten zu tun und sogar schwer zu tun und doch besteht es; und der so oft prophezeite Zusammenbruch der österreichischen Monarchie gehört längst für ernst denkende Menschen in das Bereich der Mythe.

Hat es nicht Amerika verstanden, alle Nationen der ganzen großen Welt unter eine regierende Hand zu bringen, indem es klugerweise noch heule den Bedürfnissen des Geistes und der nationalen Gefühle jeder einzigen Nationalität Rechnung trägt?

Hat nicht Frankreich es musterhaft verstanden, die altgermanischen Länder Elsass und Lothringen so eng mit Liebe und Güte zu umgeben, dass heute noch, nachdem diese alten germanischen Länder seit bereits 36 Jahren dem deutschen Reiche einverleibt sind, eine große Anzahl Elsässer und Lothringer mit ihrem ganzen Herren an Frankreich hängen?

Und da sollte es uns deutschen Preußen nicht gelingen, die Polen für uns zu gewinnen?

Geben wir uns nur einmal ernstlich Mühe, bringen wir ihnen endlich einmal Liebe und Vertrauen ent­gegen und zwar ausdauernd und nachhaltig, verbannen wir die Ausnahmebestimmungen und unser leider permanentes, dem Deutschen eigentümliches Misstrauen. Lassen wir die Polen einmal nachhaltig und ohne Systemwechsel voll und ganz mitessen an der großen Staatsschüssel, dann wird auch bei ihnen das Misstrauen schwinden, sie werden Liebe mit Gegenliebe verbinden und sie werden mit Freuden nicht nur preußische Staatsbürger sein, sondern es auch bleiben wollen. Wir haben dies aber bisher nie getan und nie konsequent durchgesetzt, immer wieder hat uns, Bagatellen wegen, das Misstrauen selbst unterbekommen und wir sind in einem ewigen Systemwechsel geblieben, bis wir schließlich falsche Bahnen eingeschlagen und zu unglücklichen Ausnahmegesetzten gegriffen haben.

Nun ist es schwer zurück zu gehen und ehrlich die permanent begangenen Fehler einzugestehen. – Und doch ist es richtig und würde unserer großen deutschen Nation nicht den mindesten Abbruch tun, wenn wir endlichst eingestehen wollten, dass wir die Polen nicht nur ungerecht behandeln, nein, dass wir sie nie richtig, gerecht und liebevoll behandelt haben!

Haben wir Menschen uns nicht alle schon häufig im Leben geirrt und ist es nicht ehrenhaft seine Irrungen einzugestehen. Irrte sich nicht unser größter deutscher Mann Bismarck gewaltig, als er den kühnen Ausspruch tat: „nach Canossa gehen wir nicht!“

Und falsch und unzutreffend war dieser Ausspruch. Wie sehr haben wir es bereut, ihn aus dem Munde eines solchen Mannes zu hören. Wie elend ist die ganze unhaltbare, das religiöse Gefühl vernichtende Maigesetzgebung zusammengebrochen.

Man hat sie einsichtsvollerweise beseitigt und dennoch sind sichtbare Spuren zurückgeblieben. Das sind die Folgen verfehlten Denkens und unangebrachten Hochmuts; die Folgen einer vermeintlichen Allmächtigkeit!

Und Alle haben wir unter diesen Folgen noch heute zu leiden.

Und  da prickelt es in unseren Adern und wir wollen schon wieder und immer wieder im eigenen engsten Vaterlande Unheil stiften, anstatt Ruhe und Frieden zu halten! Bestrahlt nicht heute der Friedensstern die ganze Welt und da sollte es mit gutem Willen nicht unserer großen deutschen Nation gelingen, endlich Frieden auch den Polen zu bringen?

Wollen die Polen den Frieden nicht haben ?

Ja und tausendmal ja! Mit Leidenschaft wollen sie ihn haben, aber nicht stückweise wie bisher, sondern ganz.

Trotz aller Miseren müssten wir ihre Geduld und Ruhe anerkennen. Ich maße mir das Recht an, die Polen genau zu kennen und zu verstehen, ich maße mir auch die Gewissheit an, dass sie mit Frieden unserem geliebten Kaiser huldigen würden, wenn er liebevoll ihnen die Landesvaterhand zum ewigen Frieden entgegenstrecken würde!

Hierin aber mischen sich die bösen Geister, die durchtränkt sind von Egoismus, Eitelkeit und Ehrengelüsten, durchtränkt von der Sucht, Böses zu erzählen und zu erfinden.

In die Einsicht und Weisheit unseres Kaisers aber setzten die Polen unausgesetzt ihre Hoffnungen. Sie hoffen, dass der Kaiser, wie schon so manchen Feind, auch den Feind der Polen dereinst richtig erkennen und von sich verbanne wird. Hoffen wir Insassen der Provinz dies Alle, hoffen wir, dass in unserer Heimat endlich Ruhe und Frieden wird.