
Der „thurmartige Abschluss des Treppenhauses“ über dem ehemaligen Haupteingang des Kreisständehauses – Bild: GT
Die schon im ersten Teil erwähnte zurückhaltende Berichterstattung zum Bau des Kreisständehauses in Neutomischel setzte sich fort.
Zum 01. April 1899, erschien im Kreisblatt die Mitteilung, dass ein „Amtshaus mit Bureaus und Wohnungen“ errichtet werden solle. Die ehemals in der Gemeinde Glinau direkt an der Stadtgrenze belegenen Grundstücke 664-665/336, waren mit Blatt 315 ins Grundbuch aufgenommen worden. Nach §16 der Gesetzgebung vom 25. August 1876 musste die Errichtung eines neuen Hauses bekannt gemacht werden, da dieses als neue Ansiedlung galt; Einsprüche gegen dieses Vorhaben konnten mit einer Frist von 21 Tagen erhoben werden.
Heute kann man annehmen, das obwohl hierzu keine Unterlagen gefunden wurden, dass keine Einwendungen gegen die Errichtung erfolgten – das Kreishaus wurde gebaut.
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Zeichnungen Hinter- und Seitenansicht gg Süden – Gustav Knoblauch (1833-1916) Tuschezeichnung auf Transparent – Entwurf – Quelle: Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek, Inv. Nr. GK423,014

Zeichnungen Vorder- und Seiten Ansicht – Gustav Knoblauch (1833-1916) Tuschezeichnung auf Transparent – Entwurf – Quelle: Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek, Inv. Nr. GK423,013
Bis zum Sommer 1900 konnten keine weiteren Mitteilungen über den Fortgang des Bauvorhabens gefunden werden. Weder fand sich eine Berichterstattung über die Grundsteinlegung, über ein etwaig abgehaltenes Richtfest noch über andere Ereignisse, wie z. B. die Anfuhr der Baumaterialien, die Arbeiten zur Ausführung der Glasmosaiken oder die der restlichen Innenausstattung. Ebenso wurden an der Errichtung des Gebäudes außer dem Bauunternehmer Hasenfelder keine anderen beteiligten Handwerker namentlich genannt.
Dass sich das Gebäude einer Fertigstellung näherte und der Einzug in die Wohnungen und in die Büros anstand, findet sich in der erstmals unter dem 20.07.1900 im Kreisblatt von Neutomischel erschienenen und sich dann mehrfach wiederholenden Vermietungsanzeige des R. Janott aus Kirchplatz-Borui. In ihr wurde „die bisher vom Königl. Landrahtsamt benützte ganze erste Etage“ seines „Grundstücks in Neutomischel“ zum 01. Oktober des Jahres „im Ganzen oder getheilt“ zur Vermietung angeboten.
Aber erst in der Ausgabe vom 02. Oktober 1900 zeigte als verantwortlicher der Regierung Landrat von Daniels an, dass „die Wohnung des Unterzeichneten (von Daniels), sowie die Geschäftszimmer des königlichen Landrathamts und des Kreisausschusses“ sich ab dem 01. Oktober 1900 in dem neu erbauten Kreishaus an der Grätzer Straße befinden würden.
Weitere 2 1/2 Wochen später, in der Ausgabe des Kreisblattes vom 16.10.1900, findet sich dann – endlich – eine ausführliche Berichterstattung:
“ In nebenstehenden Abbildungen* (diese wurden in diesem Beitrag aufgrund der nicht ausreichenden Qualität nicht verwendet) bringen wir unsern Lesern eine Ansicht des neu erbauten Kreishause, das mit dem Beginn dieses Monats seiner Bestimmung, die Geschäftsräume des Königl. Landrathsamts und des Kreisausschusses aufzunehmen und dem Landrath als Wohnung zu dienen, übergeben ist.
Das Kreishaus an der Grätzer Landstraße unmittelbar an der Stadt belegen, für dessen äußere Erscheinung eine einfache Architektur gewählt und das in besserem Mörtelputz bezw. Rauhputz ausgeführt ist, gewährt zumal mit seinen großen, breiten Fenstern, dem wohlgelungenen thurmartigen Abschluß des Treppenhauses einen freundlichen und würdigen Anblick.
Das Projekt ist von dem Architekten Knoblauch in Berlin entworfen und der Bau von dem Maurer- und Zimmermeister Hasenfelder hier ausgeführt.
Das Kreishaus enthält ein Untergeschoß mit Wohnung für einen Hauswart, den erforderlichen Kellerräumen und eine Wagenremise, ein Erdgeschoß und ein Obergeschoß; das Dachgeschoß ist nur theilweise ausgebaut.

Vom Kreisständehaus zum Stadtamt 1900-2014 – gezeichnet und gebaut wie heute noch erhalten und zu besichtigen / Zeichnungen Gustav Knoblauch (1833-1916) Tuschezeichnung auf Transparent – Entwurf – Quelle: Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek, Inv. Nr. GK423,020 links oben, GK423,028 rechts oben, GK423,026 rechts unten, Stadtamt links unten in den 90iger Jahren Kreisbibliothek, Aufnahmen 2014 PM
Das Erdgeschoß, welches die Amtsräume enthält, hat für diesen Verkehr den Zugang durch die an der linken Front belegene Eingangshalle über die hier angelegt breite massive Treppe. Ueber dieser Eingangsthür ist der Preußische Adler und die Inschrift „Pr. Landrathsamt“ angebracht Im bunten Oberlichtfenster befindet sich das Wappen der Stadt Neutomischel. Von der hübschen Vorhalle aus gelangt man über den alle Räume verbindenden Mittelgang in die Arbeitsräume der Beamten, die Registraturen und den Sitzungssaal, während unmittelbar rechts an der Treppe und vor dem durch eine „Windfangthür“ abgeschlossenen Mittelgang ein geräumiges Wartezimmer eingerichtet ist, so daß man von hier leicht und ohne Störungen in den gegenüberliegenden Sitzungssaal gelangen kann. Letzter entspricht in seiner Größe den hiesigen Kreisverhältnissen, in seiner Ausstattung den für feierliche Versammlungen und ernste Sitzungen zu stellenden Anforderungen in vornehm würdiger Weise. Die Decke ist mit Stuck und Malerei geschmückt, darunter die Wappen der beiden Städte des Kreises – Neutomischel und Neustadt b. P., und Hopfen- und Kiefernkulturen zum Ausdruck bringende Bilder. Die Wände sind mit einfachem Holzpanneel versehen.

Das „kleine Stallgebäude“ im Entwurf, nur noch auf alten Postkarten erkennbar – Gustav Knoblauch (1833-1916) Tuschezeichnung auf Transparent – Entwurf – Quelle: Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek, Inv. Nr. GK423,029
Die Ausstattung des Obergeschosses trägt den heutigen Ansprüchen an die Einrichtung der verschiedenen Räume für gesellige Vereinigungen und für Wohn- und Wirthschaftszwecke Rechnung.
Den Zugang zum Obergeschoß, der Wohnung des Landraths, bildet der an der Straße liegende Haupteingang und Treppenflur. Ueber der Thür ist ein Adler mit ausgebreiteten Fittichen und die Inschrift „Kreishaus“, über dem großen bunten Treppenfenster, das sich besonders vortheilhaft präsentiert, die Jahreszahl „1900“ angebracht. Alle Räume machen einen lichten und freundlichen Eindruck, sind bequem zugänglich und ihrem Zwecke entsprechend unter einander verbunden, wobei auch die Himmelsrichtung nicht unberücksichtigt geblieben ist.
Ein kleines Stallgebäude schließt den Hof nach der Seite des Nachbarn hin ab. Für einen geräumigen Garten, der nunmehr angelegt werden soll, gewährt das Grundstück reichlich Platz. Gleich der Mehrzahl der Kreisstädte hat somit nun auch unsere Kreisstadt ein „Kreishaus“, das die heutige Bedeutung des Landrathsamts in staatlicher, sowie kommunaler Hinsicht, insbesondere aber auch die stetig wachsenden Verkehrsbeziehungen zwischen der Kreisbehörde und den Kreiseingesessenen in angemessener und würdiger Weise zum Ausdruck bringt.
Wir sprechen unsere Freude aus über die glückliche Beendigung des Baues, bei dem sich während einer einundeinhalbjährigen Bauzeit Gottdank kein Unfall zugetragen hat und wir verbinden damit die Hoffnung und den Wunsch, daß von dem neuen Kreishause die Interessen des Kreises fördernde, Segen bringende Ent- und Beschlüsse ausgehen und daß die Bewohner des Hauses sich allezeit wohl, glücklich und heimisch in unserem Kreise fühlen möchten.“

Das Stadtamt in den 60iger Jahren bevor der Anbau errichtet wurde – Bild: Kreis- und Stadtbibliothek von Nowy Tomyśl
Fortsetzung folgt ….
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bereits erschienen: Teil 1 – Ein Kreisständehaus für Neutomischel … / 1898
Quelle:
- Kreisblätter von Neutomischel 01.04.1899 / 20.07.1900 / 02.10.1900 – Großpolnische Digitale Bibliothek – www.wbc.poznan.pl
- Bauzeichnungen – Technische Universität Berlin – Architekturmusem – GK423,013 / 014 / 020 / 026 / 028 / 029
- Bilder Stadtamt 60iger und 90iger Jahre – Kreis- und Stadtbibliothek von Nowy Tomyśl
- Bilder 2014 Nowy Tomyśl – P. Mierzejewski, G. Tabbert