Ein vom Schwurgericht unschuldig Verurtheilter – Daniel Lehmann 1858/1861- Zeitungsmeldung

„Am 7. Februar (1861) kam die Untersuchungssache wider den Wirthschafter Daniel Lehmann aus Neu-Boruy, welcher durch Urtheil des Schwurgerichts in Meseritz (in Preußen) vom 7. Juli 1858 wegen Raubes auf öffentlicher Straße unschuldig zu 10 Jahren Zuchthaus verurtheilt worden, zur nochmaligen Verhandlung.

Die frühere Verurtheilung gründete sich hauptsächlich auf die bestimmte Rekognition seitens des angeblich beraubten Wirthsohnes August Deutschmann aus Wiosker Hauland.

Während Lehmann im Zuchthause saß, war seine Ehefrau eifrig bemüht gewesen, Beweise seiner Unschuld aufzusuchen.

Ihre Bemühungen hatten den Erfolg, daß Lehmann, der die angetragene Begnadigung abgelehnt hatte, einstweilen aus dem Zuchthause entlassen, gegen Deutschmann aber die Untersuchung wegen fahrlässigen Meineides eingeleitet und derselbe zu 6 Monaten Gefängnis verurtheilt wurde.

Die Verhandlung am 7. Februar stellte die Unschuld des Lehmann vollständig heraus. Deutschmann hatte ihn verkannt und mit einem Taglöhner Bläschke aus Neu-Boruy verwechselt. Dieser war nämlich in Begleitung von drei Frauen mit Deutschmann an demselben Orte und zu derselben Zeit, wo Lehmann den Letzteren um 10 Sgr. beraubt haben sollte, zusammengetroffen, hatte eine gleiche Mütze wie Lehmann, dem er auch an Gestalt ähnlich ist, aufgehabt und den ziemlichen angetrunkenen Deutschmann wegen seines ungebührlichen Betragens gegen die drei Frauen gemißhandelt.

Die 10 Sgr. mochte Deutschmann vertrunken oder verloren haben, wenigstens hatten die Frauen nichts von der Beraubung gesehen. Die letzteren, durch Bläschke bestochen, hatten von diesem Vorfalle geschwiegen und erst nach der Verurtheilung des Lehmann geplaudert, daß derselbe unschuldig sitze.

Auf diese Weise hatte dessen Ehefrau von diesen Beweisen Kenntniß erhalten.

Seit dem 12-jährigem Bestehen des hiesigen Schwurgerichts ist dieß der erste Fall des sogenannten Restitutions-Verfahrens, indem ein Verurtheilter seine Unschuld darzuthun suchte.

Der Staatsanwalt selbst hob das Beklagenswerthe in der Nothwendigkeit und zugleich das Erfreuliche in der Möglichkeit einer solchen Verhandlung hervor und forderte am Schlusse seines Vortrages die Geschworenen auf, durch einstimmige Freisprechnung dem Angeklagten eine Genugthuung zu gewähren. Diesem Antrag gemäß wurde von den Geschworenen erkannt.“

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Quelle: Augsburger Tagblatt, Freitag 08. März 1861