Der Oesterreichische Beobachter vom Montag, den 24. Juli 1825 brachte nachstehende Meldung:
„Kürzlich wurde ein sehr bedeutender Diebstahl von Blutigeln bei einem gewissen Godion in Paris begangen, der diesen Gewerbszweig im Großen betreibt.
Sein Hauptbehälter ist dicht bei Perpignan. Sieben bis acht junge Diebe, welche glücklich entdeckt wurden, und wovon fünf schon verhaftet sind, hatten mehrere Streifereien dahin gemacht und die Quantitäten dieser Thiere, welche es ihnen auf jeder Reise glückte zu rauben, zu sehr niedrigem Preise verkauft. Man sagt, daß sie Käufer gehabt, die für 10 bis 12 Franken an sich brachten, was zwei bis dreihundert werth war.“
Dieses war allerdings nicht der einzige Verlust, den die Godion’s aus Paris zu verzeichnen hatten.
Nicht einmal 2 Jahre später waren diese nach Rakwitz in der Provinz Posen gereist und machten dort in bedeutsamer Weise auf sich aufmerksam.
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„Am 24. April 1827 kamen die Blutegelhändler Gebrüder Gobion aus Frankreich mit Extrapost in Rakwitz an, wo sie in dem am Markte belegenen Klinder’schen Gasthaus abstiegen.
In Rakwitz wohnten und wohnen noch viele sehr berüchtigte Diebe, zu welchen insbesondere Abraham Schmerl, Israel Byk und Baer Leib Winterfeld gehörten.
Unmittelbar nach der Ankunft der Fremden – eine, in Rakwitz seltene, Erscheinung – fand sich Israel Byk, der im Klinder’schen Gasthause häufig zu verkehren pflegt, bei Schmerl ein, und erzählte ihm, daß die Franzosen einen Koffer mit Geld mitgebracht hätte, und, mittelst Einsteigen in das Fenster, leicht bestohlen werden könnten.
Noch an demselben Tage erschien der 16 jährige Sohn des Schmerl, Namens Moses, zu zweien verschiedenen Malen in der Wohnung der Fremden; das erstemal unter dem Vorwande, ihnen eine Flöte verkaufen, das andere Mal mit dem Anerbieten, ihnen hübsche Mädchen zuführen zu wollen. Beide Anträge wurden abgelehnt, aber erst den Bestohlenen fiel es auf, daß der junge Mensch bei diesen Gelegenheiten sich im Zimmer nach allen Seiten umgesehen hatte.
Als man von der Lokalität gehörig unterrichtet und der Möglichkeit des Diebstahls versichert war, schickte Schmerl am folgenden Tage einen Expressen an den professionierten, als Einbrecher berüchtigten Dieb Rehmann Jakob Königsberger, genannt Rachmiel nach Rostarczewo, um denselben, behufs der Vollführung des Diebstahls, nach Rakwitz zu bestellen. Königsberger folgte ohne Verzug dieser Aufforderung, kam am 25. April bei Schmerl an, und traf bei ihm dessen Schwiegersohn Baer Leib Winterfeld, der gleichfalls in den Plan gezogen wurde. Den nächsten Abend setzten die drei Consorten zur Ausführung des Diebstahls fest.
Demzufolge holte Schmerl, etwa um 10 1/2 Uhr, seinen Schwiegersohn Winterfeld aus seiner Wohnung ab, um sich mit ihm zunächst nach einer, vor der Stadt liegenden, Scheune zu begeben, wo Königsberger ihrer wartete. Auf dem Wege dahin traf er Israel Byk, welcher eben aus dem Klinder’schen Gasthause kam und den Rath ertheilte, noch ein Weilchen mit der Vollführung des Diebstahls zu warten, da die Leute im Gasthause noch wach seien. An jener Stelle, wo Königsberger getroffen wurde, warteten daher die Diebe bis 11 1/2 Uhr, gingen dann um die Stadt herum, bis zum entgegengesetzten Ende, wo ebenfalls Scheunen stehen. An einer derselben hing eine große Leiter, welche die Diebe herunternahmen und durch ein Seitengäßchen bis nach dem Klinder’schen Gasthause trugen. Dasselbe, mit der Fronte nach dem Markte liegend, hat ein Gehöft, welches, von jenem Hintergäßchen aus, ganz unverwahrt ist. Rechts auf diesem Gehöft befindet sich eine Kegelbahn. Diese gingen die Diebe entlang, bis zu dem, mit der Hintergasse parallel laufenden, Gaststalle. Hier war eine unverschlossene Oeffnung, durch welche die Diebe mit der Leiter in den vorderen, für die Kegelschieber bestimmten, Theil der Bahn, und von dort durch eine andere unverschlossenen Thür in den eigentlichen Hofraum an die hintere Wand des Hauses gelangten, wo sich in der ersten Etage das Fenster befand, durch welches der Einbruch verübt werden sollte.
Dieses Fenster führte in das hintere der, überhaupt aus zwei Zimmern bestehenden, Gobion’schen, Wohnung. Hier lagen die Effekten der Reisenden, welche selbst in der vorderen Stube schliefen, und, zur größten Sicherheit, die Verbindungsthür offen gelassen hatten, um, bei etwaigem Diebstahlsversuche, durch das damit gewöhnlich verbundene Geräusch sogleich geweckt zu werden. Man sieht, sie hatten an die Möglichkeit eines Attentates auf ihr Vermögen sehr wohl gedacht, die Vorkehrungen aber waren, für gewerbsmäßige Diebe, völlig unzureichend.
Vermittelst der Leiter stieg Schmerl, während Königsberger und Winterfeld Wache standen, zum Fenster hinan, öffnete dasselbe mit dem Brecheisen und stieg ein. Weil in der Vorderstube, wie gedacht, die zu Bestehlenden schliefen, durfte er es nicht wagen, Licht anzuzünden. Indem er also im Finstern herumtappte, entdeckte er einen kleinen, mit einem rauhen Fell überzogenen und mit einem Vorlegeschloß verschlossenen Reisekoffer. Diesen sehr schweren Koffer trug er an’s Fenster und reichte ihn dem, auf der Leiter nachgestiegenen, Königsberger zu, welcher denselben bis zur Mitte der Kegelbahn trug. Schmerl, der inzwischen ebenfalls nach dem Hofe hinunter gestiegen war, wollte die Leiter wieder an ihren Orte, wo sie weggenommen, zurücktransportieren, argwöhnte jedoch Verrath, als er, etwa auf der Hälfte des Weges, Jemanden auf sich zukommen sah, warf die Leiter weg, und kehrte zur Kegelbahn zurück, wo Königsberger und Winterfeld während dessen den geraubten Schatz bewacht hatten. Alle drei begaben sich nun mit dem Koffer, durch dasselbe Hintergäßchen, vor die Stadt bei den Scheunen, wo der Koffer aufgesprengt ward.
Sie fanden darin 18 Geldrollen, zwei Beutel mit losem Gold und Courant, und außerdem einige Kleidungsstücke. Diese ließen sie in dem Koffer liegen, stellten den letztern selbst in einen benachbarten Garten, und legten das gestohlene Geld unter die Schwelle einer Scheune chawure (vergruben es), worauf sie sich, die Theilung aufschiebend, trennten.
Der Diebstahl, als er am folgenden Morgen entdeckt wurde, machte große Sensation, denn er betrug nicht weniger als 19.000 Francs, theils in Fünffrankenstücken, theils in Napoleonsd’ors bestehend. Der Verdacht lenkte sich zwar sogleich auf die wirklichen Thäter, es wurden auch noch an dem nämlichen Tage, sowohl bei Schmerl in Rakwitz, als bei Königsberger in Rostarczewo polizeiliche Hausuchungen abgehalten, die aber natürlich fruchtlos ausfallen mußten.
Zu derselben Zeit befand sich der Vigilant (Polizeiagent) Joseph Adolph Rosenthal gerade in Betsche anwesend. Ihm war, als er von dem Diebstahle Kenntniß erhielt, die Thäterschaft des Schmerl unzweifelhaft, und so proponiert er, der betreffenden Behörde Ueberführungsmittel, namentlich gestohlenes Gut, herbeizuschaffen. Schmerl gestand ihm, in die Enge getrieben, auch seine Thäterschaft bald ein, und behändigte ihm von dem gestohlnen Geld 60 Napoleonsd’ors. um damit sein Stillschweigen zu erkaufen.
Statt der ganzen Bestechungssumme lieferte Rosenthal jedoch nur 28 Napoleonsd’ors an die Justizbehörde ab, während er die übrigen 42 für sich behielt. Es wurde nun zwar gegen Schmerl wegen gewaltsamen Diebstahls die Untersuchung eingeleitet, diese auch in der Folge auf den Rosenthal, wegen Diebeshehlerei, ausgedehnt, Beide jedoch, da sie hartnäckig und gewandt leugneten, auch wohl noch andere Umstände ihnen günstig waren, der Erstere vorläufig, der Letztere aber gar gänzlich freigesprochen.
Anlangend nun den Verbleib der so beträchtlichen gestohlenen Summen, so wagt man kaum nachzusprechen, was die Akten darüber ergeben. Nur, das ist gewiß, daß der verbrecherische Reichthum schon in weniger als Jahresfrist gänzlich verschwunden war, und daß mehr als eine Hand damit vergoldet wurde, die über die Häupter der Gauner sich bedrohlich ausstrecken zu wollen schien.“
Soweit der Bericht in der Veröffentlichung „Die jüdischen Gauner in Deutschland“ aus dem Jahre 1842
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Im Oeffentlichen Anzeiger No. 21, erschienen in Bromberg, den 25ten Mai 1827, erschien hinsichtlich der Ereignisse noch nachfolgende Bekanntmachung der Königlichen Regierung:
„Betrifft einen in der Stadt Rakwitz in der Nacht vom 25. zum 26. v. M. (25./26. April 1827) statt gehabten bedeutenden Diebstahl.
Die drei Gebrüder Gobion aus Paris, welche am 23. v. M. (23. April 1827) mit Extrapost in Rakwitz eintrafen, um dort eine große Quantität Blutegel anzukaufen, sind in der Nacht vom 25. zum 26. v. M. (25./26. April 1827) bei dem Gastwirth Siegfried Klinder daselbst, mittelst gewaltsamen Einbruchs bestohlen worden.
Der ihnen aus einer Kammer neben ihrer Wohnstube entwendete Koffer hat, außer Kleidungstücken und Wäsche, nachstehende Gelder und Credit-Briefe enthalten:
- a) 18.000 Franken in Gelde und zwar in 20 Franken-Stücken, mit den Geprägen Napoleons, Ludwig des XVIII. und Carls des X. in Roßen, eine jede zu 50 Goldstücken a 1.000 Franken gerechnet;
- b) 500 Franken in 5 Frankenstücken, mit demselben Gepräge wie das Gold, und
- c) 500 Franken in verschiedenen Münzsorten des Königreichs Polen.
Den Koffer selbst hat man am Morgen nach gesehener Wahrnehmung des Diebstahls, unweit der Stadt gewaltsam erbrochen vorgefunden, doch ohne daß von den darin befindlichen Kleidungsstücken und Wäsche etwas herausgeworfen und entwendet worden wäre.
Die Ortsbehörden und das Publikum werden hierdurch auf Ausgeber französischen Geldes aufmerksam gemacht.
Sollten dieselben nicht ganz bekannte und zugleich ganz sichere Menschen seyn, so sind sie unter polizeilicher Aufsicht zu stellen und den betreffenden Landräthen sogleich Anzeige zu machen, damit diese die Sache weiter verfolgen.
Bromberg, den 11. Mai 1827 – Abtheilung des Innern.
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Schon in der Chronik zum 100jährigen Bestehen der evangelischen Kirche von Friedenhorst wurde im 2ten Kapitel hinsichtlich der Ansiedler auch über Räuber und Diebe geschrieben, welche als „viel schlimmere Räuber“ tituliert und welche unter „den ehrlichen Ansiedlern ihren Wohnsitz aufgeschlagen“ haben sollten, geschrieben. Wenn man den Überlieferungen Glauben schenkt, dann hatten einst im Gebiet der Stadt Rakwitz ganze Banden gewohnt und von dort aus ihre Raubzüge geplant und durchgeführt.
„Diese wurden aber nicht Räuber sondern Schenker genannt. Sie erwiesen sich gegen die Nachbarn sehr freundlich, bewirteten sie reichlich in ihrer Wohnung hinter dem Kirchhofe nordwestlich von der Kirche und teilten häufig Geschenke aus. Sie waren aber in der Tat ruchlose Räuber, welche in der Ferne große Kirchendiebstähle und andre Räubereien ausgeübt hatten. Sie glaubten sich hier im Busche geborgen und sollen ihre Schätze hinter und in den Grubsker Bergen vergraben haben. Aber die Hand Gottes fand sie doch; sie wurden entdeckt und an einem Galgen ausgehängt, welcher um ihretwillen an der Grenze des Neutomischeler Kreises errichtet wurde. Der Eigentümer Friedrich Grunwald hier, welcher 1866 in einem Alter von 66 Jahren starb, hat die Säulen desselben nebst der Staupsäule für unzüchtige Frauenzimmer, wenn auch schon halb umliegend, gesehen. Bis auf unsre Tage hat sich das Andenken an diese Schenker in einem Sprichworte in den Buschgemeinden erhalten. Wenn Jemand sagt: „Du könntest mir das schenken”, so antwortet der Angesprochene: „Die Schenker sind gehängt“.“
Wir haben daher entschlossen den Lebenslauf des J. A. Rosenthal, welcher erst als Räuber, dann als Polizeispitzel und letztlich als Räuber im Polizeidienst tätigt gewesen war, und welcher auch in obiger Berichterstattung erwähnt wurde, hier wiederzugeben, möglich wäre es unter Umständen auch, dass hier Zusammenhänge bestanden haben.
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„Kurzer Lebens-Abriß des Inquisiten Joseph Adolph Rosenthal
An merkwürdigen Lebensgeschichten berüchtigter Gauner könnte ich zwar viele mittheilen; dieselben gehören jedoch in die Personalnotizen. Dagegen will ich hier in raschen Zügen die Lebensgeschichte des Inquisiten Rosenthal beschrieben, … da sie das treue Bild eines Gauners widerspiegelt … So aufrichtig Rosenthal auch in seinen Bekenntnissen gewesen ist, sein Lebenslauf liegt nicht überall ganz klar zu Tage, was denn freilich zum großen Theile mit in dem Umstande beruht, daß die meisten der früher gegen ihn verhandelten Aktenstücke leider verloren gegangen sind.
Joseph Adolph Rosenthal ist am 3. April 1778 zu Joachimsthal in der Kurmark geboren. Sein längst verstorbener Vater, Henschel Moses, war, allen Umständen nach, ein ehrlicher Handelsjude. Zwar zu Joachimsthal wohnhaft, genoß er doch nicht des Judenschutzes, sondern stand eigentlich nur im Dienste der dortigen Schutzjuden, weil man ihn nur als Krankenwärter und Todtengräber duldete. Die Mutter des Rosenthal, Schönchen, geborne Simon, lebt noch zu Joachimsthal; von seinen 10 Geschwistern aber sind 8 verstorben.
Rosenthal, welcher bei der Beschneidung die Namen Jacob Henschel erhielt, blieb bis zum vierzehnten Jahre im elterlichen Hause, besuchte während der Zeit die jüdische Schule und erwarb sich ziemlich guten Elementarkenntnisse. Nach vollendetem vierzehnten Jahre aber hörte die glückliche Einförmigkeit seines bisherigen Lebens auf; er sollte sich jetzt selbst ernähren und fing einen Schacherhandel in der Umgegend zu betreiben an. Damit legt er den Grund zu seinem späteren Lebenslaufe, denn er erweckte den Brodneid der Judenschaft zu Joachimsthal. Auf ihr Andringen wurde ihm, der, von einem nicht beschützten Juden abstammend, auch des Staatsschutzes in den preußischen Landen ermangelte, im Jahre 1796, der Aufenthalt zu Joachimsthal gänzlich untersagt.
Ohne Zweck, ohne Ziel, verließ der 18 jährige junge Mensch das Vaterhaus, in die weite Welt tretend, die er nicht kannte, worin er ein Fremdling war. Von der Stätte seiner Geburt hatte man ihn vertrieben, hatte ihn nach gesetzlichen Formen zum heimathlosen Landstreicher, gemacht. Wer kann mit ihm rechten, daß er, Groll im blutig zerrissenen Herzen, der Behörde und dem Gesetze zu trotzen beschloß? Wohin er sich auch wenden mochte, für ihn den Heimathlosen gab es nirgends einen Ruhepunkt, überall war er vogelfrei. Er blieb daher in der Nähe von Joachimsthal, besuchte heimlich, im Dunkel der Nacht, dann und wann seine Eltern, hausierte, unter beständiger Gefahr, auf dem Lande herum, und verkroch sich vor dem Auge der Polizei in schmutzige Schänken und Wirthshäuser. Hier machte er die Bekanntschaft von allerhand schlechtem Gesindel, das damals auf den Landstraßen, namentlich an der mecklenburgischen Grenze, mit dem Schleichhandel, sein Wesen trieb.
Bei seiner Jugend, bei den für ihn bestehenden Verhältnissen, war er fast willenlos auf den Beistand dieser Menschen angewiesen. Er schloß sich ihnen an, wurde eingeweiht in die Geheimnisse ihres verbrecherischen Gewerbes, und die Würfel seines Geschickes waren geworfen.
Noch hatte er es nicht bis zum eigentlichen Diebe gebracht, als er, im Jahre 1799, beim Verkaufe eines von seinen Genossen gestohlenen Mantels, verhaftet, und von den Schulamtsgerichten zu Joachimsthal zur Untersuchung gezogen ward. Er leugnete, weil er die Thäter nicht zur verrathen wagte, und wurde deshalb, wegen ersten großen gemeinen Diebstahls, rechtskräftig zu dreimonatiger Zuchthausstrafe verurtheilt; nach Verbüßung derselben, in der Strafanstalt zu Spandau, aber mit der Bedrohung über die preußisch-sächsische Grenze gebracht, daß er im Rückkehrungsfalle mit Festungsstrafe belegt werden solle. Gleichwohl kehrte er noch an demselben Tage in’s Preußische zurück, und kam nach Berlin, wo er bei einem, damals an der Königsmauer No. 7 wohnhaften Kochemer, Namens Faesel, heimlich Aufnahme fand.
Hier lernte er zwei jüdische Diebe kennen, Daniel Sprenger aus Polen und Levin Hirsch aus Wrietzen a.d.O., welche hierselbst im Gasthofe zum goldnen Stern in der Klosterstraße logierte. Sie wollten nach Mecklenburg reisen, um Contrebande über die Grenze zu bringen. Rosenthal betheiligte sich bei ihrem Unternehmen und bewogh sie, von Sehnsucht nach seinen Eltern getrieben, mit ihm über Joachimsthal zu reisen. Dort aber angekommen, weigerten sich seine Eltern, ihn zu beherbergen, weil sie daraus üble Folgen für sich, die ja gleichfalls nur geduldet waren, befürchteten. Das Versöhnungsfest, wo bekanntlich die Juden, nach ihrem Religionsgebrauche, nicht reisen dürfen, war indessen vor der Thür, und dadurch bestimmte, suchte Rosenthal mit seinen Gefährten Zuflucht auf dem Hausboden eines Joachimsthaler Schutzjuden. Hier fanden sie eine Quantität Schaaffelle, welche sie stahlen. Rosenthal verkaufte sie an den Schlächter Krohn zu Joachimsthal und ging dann mit seinen Gefährten, behufs des Contrebandirens, nach Mecklenburg, wurde aber von den Landhusaren angehalten, und, da er keinen Paß hatte, über die preußische Grenze zurücktransportiert. Wieder umkreister er darauf, wie ein verscheuchter Vogel, das heimathliche Nest, traute aber seinem eigenen Vater nicht mehr, und schlich nur, wenn er diesen abwesend wußte, bei nächtlicher Weile auf einige Stunden zu seiner Mutter hin. Doch war er, bei all‘ seiner Vorsicht, nicht unbemerkt geblieben, und auf Veranlassung des Krohn, der inzwischen wegen der, bei ihm gefundenen, gestohlenen Felle in gerichtlichen Anspruch genommen worden war, erfolgte bei einem jener nächtlichen Besuche, am 31. Dezember 1799, seine Verhaftung. Abermals wegen Diebstahls zur Untersuchung gezogen, entledigte er sich eines Tages, in Abwesenheit des Gefangenenwärters, mittelst eines Beiles, das er sich zu verschaffen wußte, seiner Fesseln und entsprang. Dies geschah am 20. Januar 1800.
Während er als Jakob Henschel mit Steckbriefen verfolgt wurde, verfertigte er sich auf den Namen eines Brenners Bremer einen Dienstentlassungsschein, und ging damit nach Stettin, wo er auf Grund desselben einen Gouvernementspaß erhielt. In Pommern, wo er sich jetzt vorzüglich umhertrieb, brachte ihn sein flüchtiges unstetes Leben mit vielen christlichen Dieben zusammen, und erst jetzt eigentlich begann er seine Laufbahn als Gauner und Dieb, auf welcher er denn freilich jetzt auch erstaunlich schnelle Fortschritte macht. Noch im Sommer 1800 wurde er in dem Dorfe Krussow bei Angermünde wegen Tücherdiebstahls arretiert; da er aber die gestohlenen Tücher restituiert und die Atzungskosten bezahlte, so ließ man ihn nach einigen Tagen ungestraft wieder laufen. Mehrere, um dieselbe Zeit zu Freyenwalde verhafteten, Verbrecher bezeichneten ihn schon als Mitglied einer in der Mark zerstreuten Diebesbande.
Mit dreien christlichen Spitzbuben, Blass, Noske und Tanke, machte er im Jahre 1891 Streifereien in Mecklenburg. Unweit Neukalden trafen sie in einem Wirthshause mit einem reisenden Schlächter zusammen, dem sie seine beiden Hunde zu vergiften versuchten, vermuthlich in der Absicht, ihn unterweges des bei sich führenden Geldes zu berauben Auf die Anzeige dieses Schlächters wurden sie, bei ihrer Ankunft in Neukalden verhaftet, und viele verdächtige Sachen, unter anderem auch Krähenaugenteig, bei ihnen gefunden. Rosenthal, der sich Jakob Bremer nannte, und auf diesen Namen einen (falschen) Paß des preußischen Consulates zu Bremen bei sich führte, gab sich mit vieler Consequenz für einen Christen aus, und entsprang endlich, noch vor beendigter Untersuchung, auf sehr pfiffige Weise aus dem Gefängnisse, nachdem er beinahe 8 Monate lang eingesperrt gewesen war.
In Kerkow bei Angermünde fand er sich am 26. Januar 1802 mit einem Passe ein, worin er als der Sohn eines Reiters vom Lei-Kürassier-Regiment, Namens Heinrich Cohn, welcher die Kammerjägerkunst erlernt hatte, aufgeführt war. Die Dorfgerichte visierten ihm seinen Paß, an dessen Richtigkeit sie nicht zweifelten; mehrere daselbst einsitzende Diebe aber hatten ihn gesehen, und verriethen, daß er ein Jude sei. Man setzte ihm nach und brachte den Flüchtling nach Kerkow zurück, wo er von einem, früher zu Joachimsthal im Dienste gestandenen, Knecht als der von dort entsprungene Jakob Henschel erkannt wurde.
Die Folge davon war seine Ablieferung nach Joachimsthal, wo er diesmal ein Geständnis, nicht nur über den Felldiebstahl, sondern auch noch über mehrere andere Verbrechen, ablegt. Durch das Erkenntniß der Kriminal-Deputation des Königl. Kammergerichts vom 3. März 1802 wurde er zu 60 Peitschenhieben und dreijähriger Festungsarbeit mit der Maßgabe verurtheilt, daß er nach verbüßter Strafe über die Grenze zu transportieren, und ihm die Wiederbetretung der preußischen Staaten bei lebenwieriger Festungsarbeit zu untersagen sei.
Er appellierte und sollte, nach berichtigtem Defensionspunkte, zur Antretung seiner Strafe nach der Festung Spandau abgeführt werden. Der Gerichtsdiener aber hatte ihn lieb gewonnen, und erbot sich, ihm zu seiner Flucht behilflich zu sein. Zu dem Ende händigte er ihm, kurz vor seiner Abführung, die durch zwei ziemlich einfältige Bürger-Transporteure bewirkt wurde, einen zweiten Schlüssel zu seinen Fesseln und eine Flasche mit Branntwein ein, mit deren Hilfe er in der Lank’schen Heide, wo seine Transporteure zur Einnahme des Frühstücks Rast machten, am 13. Mai 1802 wirklich entsprang. Keck genug kehrte er nach Joachimsthal zurück, präsentierte sich dem Gerichtsdiener als dankbarer Schuldner, erhielt von dem Gefälligen noch 1 Thlr. Reisegeld, sagte seinen Eltern Lebewohl, und verließ eine Gegend, die ihm jetzt keine Sicherheit mehr bot.
Das Nächste, was er zu thun hatte, war, seine früheren Bekannten, die christlichen Gauner, wieder aufzusuchen, was ihm, der alle ihre Schlupfwinkel wußte, nicht schwer werden konnte. Außer dem, schon früher erwähnten, Tanke, der ihm jetzt einen Paß auf den Namen Schultze fabrizierte, lernte Rosenthal bis zum Jahre 1805 vorzüglich noch einen gewissen Mai, Papke, den Kesselflicker Schultze und mehrere Andere kennen, mit denen er in Pommern und der Mark eine Reihe von Diebstählen verübte. Wegen eines Einbruchs beim Krüger zu Nabern, unweit Neudamm, wurden Rosenthal, Mai, Tanke und Papke in der Radung bei Vietze arretiert, und nach Cüstrin zur Untersuchung geliefert. Sie gestanden jedoch nicht nur nichts, sondern entwichen sogar am Abend des 25. Dezember 1803 sämmtlich aus dem Gefängnisse, wozu ihnen wiederum ein Gerichtsdiener behilflich war.
Sie hatten nämlich das in Nabern gestohlne Gut, vor ihrer Verhaftung, in einem Walde Chawure gelegt, und davon hatten Tanke dem Gerichtsdiener vertrauliche Nachricht gegeben. Beide waren in einer Nacht nach der Chawure gegangen, hatten das Geld erhoben, und waren damit nach Cüstrin zurückgekehrt. Der Gerichtsdiener erhielt davon seinen Antheil, den Rest aber verzehrten die Gauner im Gefängnisse und drohten, als nchts mehr da war, die ganze Sache zu verrathen, wenn ihnen nicht Gelegenheit zum Entkommen verschafft würde. Auf diese Weise vermochten sie den geängsteten Mann zur Beförderung ihrer Flucht.
Schon einige Monate nach seiner Entweichung aus Cüstrin gerieth Rosenthal, wegen Paßfälschung, von Neuem zu Sonnenburg in Untersuchung und Haft. Welchen der vielen in seinem Leben geführten Namen er sich damals beigelegt, hat er selbst nicht angegeben, noch hat diese sonst ermittelt werden können.
Das Erkenntniß erster Instanz verurtheilte ihn zu einer dreimonatigen Strafarbeit nach Cüstrin, und, da er sich für einen Ausländer ausgegeben, zum demnächsten Transport über die Grenze. Er wurde, zur vorläufigen Antretung der Strafe, nach der Festung Cüstrin abgeliefert; schon nach einigen Wochen aber erging das zweite Erkenntniß, welches ihn von der Instanz absolvierte. Er ward nun nach Sonnenburg zurücktransportiert, und dort einem Boten übergeben, der ihn über die sächsische Grenze bringen sollte. Nur bis Frankfurt a.O. aber geleitete dieser ihn; dort schrieb ihm Rosenthal einen fingierten Ablieferungsschein, mit dem er nach Sonnenburg zurückkehrte.
Daß Rosenthal nun nicht freiwillig über die Grenze ging, versteht sich von selbst. Er begab sich nach Schwerin a. W., wurde dort mit einem in jener Gegend damals sehr berüchtigten Diebe, Namens Wilhelm bekannt, knüpfte mit dessen Stieftochter, Marie Elisabeth, ein Liebesverhältnis an, und veranlaßte sie, ihm nach Scneidemühl zu folgen, wo sie, eine Christin, zum Judenthum übertrat und sodann nach jüdischem Ritus mit ihm getraut wurde.
Dies Bekehrungswerk hielt Rosenthal ein ganzes Jahr lang in Schneidemühl auf, während dessen er mit den dort und in der Umgegend sich aufhaltenden christlichen Dieben verkehrte. Mit dem genannten Wilhelm, einem gewissen Retzlaff, Havenstein und Carl Michaelis, der Berliner Carl genannt, verübte er unter andern auf dem Gute Wallbruch bei Tempelburg mittelst Einbruchs einen Kleiderdiebstahl, wurde aber mit dem gestohlnen Gute, sammt seinen Genossen, ergriffen, und nach Graudenz, von da aber an das Hofgericht zu Bromberg zur Untersuchung abgeliefert. Rosenthal, zu dreimonatiger Zuchthausstrafe verurtheilt, hatte bereits 10 Wochen davon in dem Gefangenenhause zu Bromberg abgemacht, sollte aber doch zur Verbüßung des kleinen Restes, noch nach der Strafanstalt zu Rössel geschaft werden. Auf dem Transporte dahin entsprang er, zwischen Fordon und Culve, zum fünften Male.
In dem Gefängnisse zu Bromberg hatte Rosenthal, der bis dahin nur mit Christen verkehrt und gestohlen hatte, verschiedene jüdische Diebe, theils von Person, theils ihrem Namen und Wohnorte nach, kennen gelernt. Zu ihnen gehörte namentlich Jüdel Joseph aus Schneidemühl, Hirsch Joseph aus Czarnikau, Israel Gutkind, gen. Schocher, Abraham aus Storchnest, und Andere. Die beiden Letzteren und den bereits erwähnten Retzlaff, traf er, nach seinem Entspringen vom Transporte, in dem Städtchen Margonin. Sie hatten eben einen Diebstahl an Silberwaaren verübt, auch das gestohlene Gut bereits verschäfte, von dessen Erlöse sie ihm einige Thaler als Branntweinsgeld gaben. Sie forderten ihn auf,, an einem von ihnen beabsichtigten Diebstahle Theil zu nehmen, wozu er bereitwillig war.
Durch Schneidemühl kommend, wurde von Rosenthal ein Diebstahl in der dortigen Post in Vorschlaft gebracht. Er und Retzlaff inspicierten die Lokalität, indem sie ein, in Briefformat zusammengelegtes und mit einer Adresse versehenes, Stück Papier zur Beförderung auf die Post gaben. Im Expeditionszimmer bemerkten sie zwei Fäßchen mit Geld, welche die Gauner zu stehlen beschlossen. Am Abend des folgenden Tages, bis wohin die Wittwe D. zu Schneidemühle, die frühere Wirthin des Rosenthal, sie beherbergte, wurde das Unternehmen ausgeführt. Unfern des Postgebäude trafen sie den, früher erwähnten; Wilhelm und einen Schuhmacher Gerhardt, welche eben auf einen Schnittwaaren Diebstahl ausgehen wollten. Sie wurden mit unter den Massematten genommen, und dieser selbst durch Einlegung der hinteren Hauswand ausgeführt. In den beiden Fäßchen fanden die Diebe 2.000 Thlr Courant, welche sie unter sich theilten, und wovon denn auch für die Wittwe D. eine namhafte Summe abfiel.
Dies war das letzte Verbrechen, welches Rosenthal in Gemeinschaft christlicher Diebe beging; denn im Jahre 1805 siedelte er, der damals unter seinen Genossen den Namen Juden-Heinrich führte, sich in Betsche an, und hat seitdem ausschließlich mit Juden verkehrt.
„Der Grund welcher mich bestimmte,“ so lauten die eigenen Worte des Rosenthal, „von nun an meinen Aufenthalt in Betsche zu wählen, war der, daß ich erfahren hatte, wie man in Betsche sehr leicht Leute, die nirgend sich ansäßig zu machen vermöchten, aufnehme, und daß dies bei den Ortsbehörden und den Judenältesten durch Geld zu bewirken sei. Die beiden Judenältesten waren damals die unlängst verstorbenen berüchtigten Diebe Jakob Nathan Stahl und Simon Baer, welcher letztere damals erst kürzlich von Leipzig, wo er eine 10 jährige Zuchthausstrafe verbüßt hatte, zurückgekehrt war. An diese, welche mich ganz genau, nach meinem Namen, meinem Geburtsorte und meinem Treiben kannten, wandte ich mich zuerst. Mit ihnen verabredete ich, daß ich den Namen Jakob Ascher annehmen, und Danzig für meinen Geburtsort ausgeben solle, um unter diesen Angaben in Betsche mein Domicil aufschlagen zu können. Ihre Bereitwilligkeit zu meiner Aufnahme ward von meiner Seite mit 4 Louisd’ors belohnt. Durch 4 andere Louisd’ors, die meine Frau dem Bürgermeister, und durch 6 Louisd’ors, welche sie dem (verstorbenen) Landraht N.N. behändigte, erlangte sie auch die Einwilligung dieser Behörden, zu meiner, ohne Vorwissen der Regierung erfolgenden, Aufnahme in Betsche etc.“
Es ist überflüssig zu sagen, daß auf ähnliche Weise die Domicilierung noch vieler andern Verbrecher, und nicht nur in Betsche allein, vor sich ging, wovon schon früher die Rede gewesen ist, und was überhaupt nicht in die Lebensgeschichte des Inquisiten Rosenthal gehört. Kaum wohnhaft in Betsche, war sein erstes Geschäft eine Reise in diebischer Absicht zum Markte in dem Städtchen Bernstein, wozu er von den genannten beiden Judenältesten selbst aufgemuntert wurde. In ihrer Gemeinschaft bestahl er, auf dem Rückwege nach Betsche, einen Gastwirth in der Gegend von Colberg mittelst einer sogenannten Pleite. Nicht lange darauf reiste er, gleichfalls in diebischer Absicht, mit Salomon David Stock aus Betsche und Daniel Herschel Spiegel aus Rostarczewo zum Danziger Dominikmarkte. Dort trafen sie, eben von einem Diebstahle kommend, den Moses Levi Altenburger, Simon Levin Grätzer und noch drei andere jüdische Diebe aus Schermeysel und Betsche. Sie vereinigten sich und es wurde beschlossen, zunächst einem Kloster einen Besuch abzustatten. Einer von ihnen schloß auf und Rosenthal ging hinein, um, als Neuling unter den jüdischen Dieben, sein Probestück zu machen. Noch zu wenig beherzt, wagte er jedoch im Innern nicht Hand anzulegen, und ging daher unverrichteter Sache wieder hinaus, seinen Genossen vorlügend, daß er Alles erbrochen, aber nichts gefunden habe. Ein anderer Diebstahl in einem Wirthshause, welcher nun vorgeschlagen wurde, lief so unglücklich ab, daß Altenburger und Grätzer dabei verhaftet wurden, und von einem dritten, den sie, ungeschreckt bei einem am Walle wohnenden Spediteur unternahmen, wurden sie verjagt. Auf der Rückreise dagegen baldowerte ein gewisser Thier Wolff einen Diebstahl bei einem Dorfschmied, der verübt und wobei 100 Thlr. erbeutet wurden.
So ging es fort, bis zum Jahre 1806, wo die Invasion der Franzosen erfolgt, und wo Rosenthal, wie viele Andere, sich ein Fuhrwerk anschaffte und marketenderte. Im Jahr 1808 kehrte er nach Betsche zurück, und es begann nun der diebische Verkehr nach um so größerem Maßstabe, als mehrere der Gauner jetzt schon eigenes Fuhrwerk besaßen.
Es wäre eine undankbare Mühle, die große Anzahl von Diebstählen alle beschrieben zu wollen, welche er nunmehr in ununterbrochener Reihenfolge bis zu seiner, bald näher zu erwähnenden, Verhaftung in Frankfurt a. O. hin, verübte; und wenn er selbst gesteht, während dieser Zeit nur ausschließlich vom Diebstahle gelebt zu haben, so wüßte ich diesem Geständnisse auch in der That nichts hinzuzufügen.
Wegen eines, in Gemeinschaft mit seinem Bruder Levi und Daniel Simon Michaelis aus Betsche, bei einem Juden zu Soldin vollführten gewaltsamen Diebstahls.
„Und dieser Umstand,“ erzählt Rosenthal, „bewog mich, Betsche auf einige Zeit ganz zu verlassen. Während derselben Zeit war meine Frau bemüht, ein Abzugsattest von Betsche für mich, meine Frau und unser einziges Kind, welches wir in der Ehe erzeugt hatten, auszuwirken, indem ich nämlich beschlossen hatte, von nun an in Rostarczewo meinen Wohnsitz zu nehmen. Meiner Ehefrau gelang es, während meiner Abwesenheit das nöthige Abzugsattest zu bewirken. Demgemäß zog ich im September 1812, unter dem Namen Jacob Ascher Rosenthal, nach Rostarczewo. Ich wußte, daß man in dieser Stadt bei Aufnahme von Juden eben so wenig schwierig war, wie in Betsche. Durch Vermittelung des damaligen (verstorbenen) Judenältesten und mehrerer andern Personen, an die ich mich wandte, und denen ich mich dafür erkenntlich zeigt, erfolgt denn auch meine Aufnahme ohne sonderlichen Anstand.“
In Rostarczewo wohnte Rosenthal bis zum Jahre 1819, während welcher Zeit er fast mit allen berüchtigten Dieben des Großherzogthums, auch mit solchen, die nur temporair durch ihr Geschick dorthin verschlagen wurden, Chawer war. Dazu gehörten Ruben Abraham gen. Meyerchen Rhin, Marcus Michel vulgo Mortgen Schwerin, Salomon Levin gen. Schmul Mannheim und Andere.
Nachdem er wegen Diebstahlsverdacht im Jahre 1813 zu Hermsdorf und 1814 zu Warmbrunn eine Zeit lang in Untersuchung gesessen, ohne daß jedoch etwas Erhebliches gegen ihn ermittelt werden konnte, machte er im Jahre 1815 mit Jacob Jacubowitz, Jacob Gerson Levinstein, Jacob und Aron Rehfeld und Selig Joel eine große Diebes-Excursion durch Schlesien, die Mark und Pommern nach Preußen. In Stolpe schloß der berüchtigte Marcus Joel sich der Chawrusse an, worauf es über Danzig, wo mittelst Einbruchs 329 Thaler erbeutet wurden, nach Memel ging. Hier wurden Jacubowitz und Marcus Joel beim Nachschlüsseldiebstahle in flagranti ergriffen und die Uebrigen, welche mit dem Fuhrwerke vor der Stadt gewartet und die Flucht ergriffen hatten, zurückgeholt. Gegen Rosenthal, welcher, wie alle Anderen, hartnäckig leugnete, wurde hier die Untersuchung wegen des Soldiner Diebstahls wieder aufgenommen und er deshalb nachträglich mit 40 Peitschenhieben und 6 monatiger Zuchthausarbeit bestraft. Seine Entlassung hatte auch wieder eine Diebesreise nach Schlesien zur Folge.
Im Jahre 1819 endlich bestahl er mit Moses Levin Altenburger, Becker, Grätzer, Chaium Krotoschyn und Hirschgen Neubrück hintereinander das Gerichts-Depositorium zu Lübben, und den Kaufmann Krüger zu Cottbus um die sehr bedeutende Summe von zusammen 8.000 Thalern. Durch einen von Berlin abgesandten Polizeibeamten wurde er deshalb mit seinen Genossen verhaftet und zu Frankfurt a.O. von einer zu diesem Zwecke besonders niedergesetzten Commission zur Untersuchung gezogen. Daß er wegen seiner offenen Geständnisse in dieser Untersuchung und wegen seiner ersprießlichen Thätigkeit bei Gelegenheit einer, damals nach dem Großherzogthum Posen gesandten, Sicherheits-Commission in der Folge begnadigt wurde, habe ich schon früher erwähnt.
Im Jahr 1821 zog er sodann, mit höherer Genehmigung, nach Berlin, trat hier zum christlichen Glauben über, und wurde mit sehr großem Erfolge zu sicherheitspolizeilichen Zwecken benutzt. Frägt man nun aber nach den Umständen, unter welchen er wieder zum Verbrecher ward, nach der Art und Weise, wie es ihm möglich wurde, fast 10 Jahre lang seine eigentliches Treiben so geschickt zu verbergen, daß er selbst die umsichtigsten Behörden täuschte; nach seinen Thaten, während seiner Doppelrolle als Spitzbube und Polizeiagent; so knüpfen sich an diesen Punkt Interessen von so zarter Natur, daß sie ohne schmerzliche Verwunderung von der Hand des Biopgraphen nicht leicht berührt werden können. Die bloße Aufzählung einer zahllosen Menge von Diebstählen, an deren Vollführung er wieder, anfangs nur mittel-, nachher aber sogar unmittelbar Theil nahm, würde aber schwerlich etwas anders als die Ermüdung des Lesers bezwecken, die man mir also ohne Entschuldigung erlassen wird.“
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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt: „Österreichischer Beobachter“ 1825/No. 206; http://hauland.de/zum-100-jahrigen-jubilaum-der-evgl-kirche-in-friedenhorst-2-kapitel-die-ansiedler/; Amtsblatt No. 21 Bromberg – Öffentlicher Anzeiger; „Die jüdischen Gauner in Deutschland“ – Berlin 1842 – Autor A. F. Thiele