Eine Festung im Sumpfe Bentschen

Torturm der alten Festung – Bild aus dem Original Artikel

Mutet unsere Abbildung nicht fremdländisch an, so fragte im Jahr 1908 Heinrich Müller die Leser, mit ihrer ragenden italienischen Pappel und den massigen Formen des Turmes? Und doch ist das Bild in unserer Provinz im Jahre 1889 aufgenommen. Es ist der Torturm der alten Feste Bentschen, deren übrige Bauwerke längst von der Erde verschwunden sind.

Im Sumpfe zwischen dem Obraflusse und dem Bentschener See liegt eine regelrecht mit Bastionen versehene kleine Festung, in welcher wohl gegen tausend Mann lagern konnten, und die bei dem Stande des Geschützwesens in früheren Jahrhunderten nur bei haltendem Froste hätte erobert werden können. Das Aufschütten der ausgedehnten Wälle war eine gewaltige Arbeit; dann aber saß der polnische Kastellan sicher in seiner Grenzburg, die nur von einer einzigen Stelle aus zugänglich war, nämlich durch den früher mit einer Zugbrücke versehenen Torturm.

Etwa tausend Schritte entfernt liegt auf einer Bodenerhebung die Pfarrkirche von Bentschen, um sie drängt sich die alte Stadt, umgeben von Sümpfen und der Obra.

Jetzt ist die Gegend verändert: die Sümpfe sind durch die allgemeine Regulierung der Wasserverhältnisse in nasse Wiesen verwandelt, und als Damm führt die Chaussee durch die Niederung.

Schön ist die alte Festung durch den wahrhaft prachtvollen Baumwuchs an den versumpften Gräben und auf den Wällen; auch im Inneren des Wallringes befinden sich herrliche Bäume: gleich rechts vom Turme zwei mächtige Kastanien und weiterhin riesige Tannen und Kiefern. In der Mitte des Ringes liegt an der Stelle des in seinen letzten Überresten erst vor wenigen Jahren beseitigten Schlosses ein Gärtnerhaus; noch stehen hinter ihm die geschorenen Buchengänge; von den verwitterten Sandsteinpostamenten sind die Figuren der Zopfzeit längst verschwunden.

Torturm der alten Festung heute - Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:62387_Zbaszyn_brama_zamkowa_4.JPG?uselang=de

Torturm der alten Festung heute – Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:62387_Zbaszyn_brama_zamkowa _4.JPG?uselang=de

Wer die Bentschener Festung besuchen will, muss dies an einem schönen Frühlingsabend tun; dann prangt die im Sumpfe aufgeschüttete Erde in üppigen Pflanzenwuchse, der Flieder duftet, die Nachtigallen schlagen, im Röhricht des nahen Sees ruft die Dommel und schwatzt der Star, und die Frösche konzertieren auf den Wiesen.

Die Rittergutsherrschaft Bentschen, zu der Stadt und Schloß Bentschen, drei Dörfer, sechs Hauländereien, sechs Vorwerke und ein Steinhaus am Markte in Posen gehörten, war lange Zeit im Besitze der Familie von Garczynski. Um 1760 war Grundherr der Königlich Polnische General Stephan von Garczynski, dessen Erben die Herrschaft im Jahre 1797 an ihren Vetter, den ehemaligen polnischen Rittmeister Stephan von Garczynski verkauften; auf diesen folgte im Jahre 1827 der Königliche Kammerherr Thaddäus von Garczynski. Nach kurzem Besitze der Grafen Pourtalès-Gorgier erwarb 1855 der Graf und Edle Herr von Lippe-Biesterfeld die Herrschaft; sein Sohn, Graf Ernst, der spätere Graf-Regent von Lippe Detmold, verkaufte im Jahre 1898 den umfangreichen Besitz an den Major von Klitzing. Seit langer Zeit wohnt die Gutsherrschaft nicht mehr im Ringe der alten Festung, sondern jenseits des Bentschener Sees in Neudorf auf steiler Höhe am See, zu welchem die verschlungenen Wege des malerischen Parkes hinabführen.

Der Turm ist 1726 errichtet worden, er trägt auf der Innenseite über dem Bogen das Wappen der Familien Ciswicki und Zbaski mit einer auf den Erbauer und die Entstehungszeit weisenden lateinischen Inschrift. Die Wetterfahne ist gezeichnet: S(tephanus) G(arczynski) 1806.

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Quelle: Aus dem Posener Land – Blätter für Heimatkunde – Dritter Jahrgang 1908 – Zweites November Heft – veröffentlicht über die Großpolnische Digitale Bibliothek: http://www.wbc.poznan.pl/dlibra