Evangelische Kirchen-Gemeinde Neustadt bei Pinne 1879 – Teil 5

Blick auf die Ruine – Aufn. Sep 2009 GT

  • Nachrichten über die Evangelische Kirchen-Gemeinde augsburgischer Konfession NEUSTADT bei Pinne,
  • zu ihrem hundertjährigen Jubiläum am 15. August 1879 aus den Kirchen-Akten zusammengestellt von Reylaender, Pastor

Als erster Pastor dieser Parochie galt Johann Georg Kaulfuß (1777-1803), ihm folgte Johann David König (1803-1826), der nächste Pastor dem in der Festschrift gedacht wurde war dann Johann Valentin Röder (1828-1850), der nächste gewählte Pastor war dann: Constantin Ferd. Heinrich Held  (1851-1858) nach seiner Emeritation wurde verübergehend Pastor Petersen aus Schleswig-Holstein eingesetzt, ehe dann als nächster gewählter Pastor Rudolph Bethge (1859-1866) das Amt inne hatte

Zum Pastor wurde alsdann gewählt: Konstantin Ferd. Heinrich Held, 1851—1858.

Von seiner Jugend ist nichts bekannt. Vorher war er Rektor und Hilfsprediger in Chodziesen. Verheiratet war er (in kinder­loser Ehe) mit Hedwig Böttcher, Tochter des Pastors Böttcher in Herzogswalde.

Werfen wir wieder zuerst einen Blick auf die Bautätigkeit.

Der Renovation der Kirche, welche im Jahre 1851 beendigt wurde, ist schon Erwähnung getan. Bereits 1856 wurde eine abermalige ziemlich kostspielige Reparatur des Kirchendachs und des Turmes notwendig, welche vom Maurermeister Neumann aus Buk für 530 Thaler ausgeführt wurde. Ebenso wie sein Vorgänger em­pfand der Pastor Held den Mangel an Glocken, da die eine vor­handene kleine Glocke doch einen zu kläglichen Eindruck machte. Er versuchte es mit der Sammlung von freiwilligen Beiträgen und brachte so viel zusammen, dass eine Glocke von 6 Centnern bestellt werden konnte. Sie wurde vom Glockengießer Brese in Posen gegossen und am 4. Januar 1855 aufgezogen. Sie trägt den Namen Fides und die Inschrift: „Diese Glocke ist aus frei­willigen Beiträgen der evangelisch-lutherischen Gemeinde im Jahre des Heils 1854 angeschafft worden. Soli deo gloria,(Gott allein die Ehre) Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohl­gefallen.   Luc. 2, 14.“ — Die Kosten beliefen sich auf 378 Thlr.

Wie viele Umstände die Abzweigung von Pinne gemacht, haben wir oben erwähnt. Desto leichter und rascher ging es seit­dem mit den Verkleinerungen der Parochie. Kein Jahrzehnt ver­rfloß ohne größeren oder kleineren Aderlass. So wurde 1853 die Filialgemeinde Lewitz-Hauland abgetrennt und ein Jahr später das Gut Brodki zu dem neu eingerichteten Kirchspiel Duschnik geschlagen. Entschädigungen wurden nicht gewährt.

Es ist früher erwähnt worden, wie der Pastor Röder an Stelle des Züllichauer das Berliner Gesangbuch eingeführt hatte. Die Bemühungen des Pastors Held waren darauf gerichtet, letzteres wieder abzuschaffen und den Geistlichen Liederschatz einzuführen. Zunächst freilich war er damit bei dem evangelischen Oberkirchen-Rath nicht durchgedrungen. Letzterer meinte, das Berliner Gesang­buch sei gar nicht so schlecht und sodann hätten sich auch nur wenige Gemeindeglieder für Abschaffung desselben erklärt und so könne es zu argen Zerwürfnissen in der Gemeinde kommen. Da jedoch neben dem Berliner Gesangbuch auch der Anhang zu dem­selben, außerdem der Liederschatz und das Züllichauer Gesangbuch im Gebrauch waren, so wurde die Verwirrung mit der Zeit so groß, dass eine zu diesem Zweck berufene Gemeindeversammlung mit großer Majorität für Abschaffung des Berliner und für Wiedereinführung des ehemals schon gebrauchten Züllichauer Gesang­buchs sich aussprach. Unter hoher Genehmigung erfolgte diese im Jahre 1857.

Sonst ist noch zu erwähnen, daß im Jahre 1852 der Kantor Brust emeritiert wurde und an seine Stelle der Kantor Simon trat. Im Jahre 1853 fand eine General-Kirchenvisitation unter Leitung des Bischofs Freymark aus Posen statt, welche sich auch auf die Revision einiger Schulen erstreckte. — Im Jahre 1854 werden die Einnahmen aus dem hiesigen Kirchhofe, welche bis dahin zur Kirchenkasse geflossen waren, aus derselben ausgeschieden und eine eigene Kirchhofskasse gebildet, welche ebenso wie der Kirchhof unter Auf­sicht eines aus dem Pastor und den städtischen Kirchenvorstehern zusammengesetzten Kirchhofsvorstandes steht.

Auch der Ausgang des Pastors Held war ein betrübender. Er wurde 1858 unfreiwillig emeritiert, erhielt dann einige Zeit darauf eine Pfarrstelle in Brasilien, wo er ein paar Jahre später gestorben ist. Er hatte sonst einen tadellosen Lebenswandel geführt, war ein gläubiger Prediger, ein eifriger Seelsorger gewesen. Wenn ihm nachgesagt wird, dass er „sehr orthodox“ (rechtgläubig) gewesen sei, so ist das kein Tadel, sondern ein Lob. Allerdings musste das zu jener Zeit mehr auffallen und hat ihm manchen Feind gemacht.

Die Verwaltung der erledigten Stelle erhielt als Pfarrverweser der Pastor Petersen, ein durch die Dänen vertriebener Schleswig-Holsteiner, von 1858 bis Mai 1859. Während seiner Amtierung verlässt der Kantor Simon seine Stelle, um nach Rogasen zu gehen. Es wird der Kantor Ernst Mertner gewählt und im Mai 1858 eingeführt. — Das Kirchendienerhaus wird neu gebaut (479 Thlr). Wegen seines fremdländischen Dialekts fällt Petersen bei der Wahl durch und es wird gewählt:

Rudolph Bethge 1859-66.

Derselbe war geboren am 4. Juni 1828 zu Berlin, woselbst sein Vater Schneidermeister war. Nachdem er das Gymnasium zu Prenzlau in der Uckermark besucht hatte, studierte er auf der Uni­versität zu Berlin, war dann Hauslehrer und später Rektor in Fiddichow. Von dort kam er nach Neustadt und wurde am Sonn­tage Miser. Dom. eingeführt. In demselben Jahre verheiratete er sich mit Elise Kellermann, Tochter des Pfarrers Kellermann aus Hohen-Krönig bei Schwedt.

Gebaut wurden im Jahre 1860 durch Zimmermeister Hoffmann aus Pinne zwei Ställe für Kantor und Kirchendiener. Die Kosten betrugen 405 Thlr.

Im Jahre 1865 wurde Kuschlin nebst zwei anderen Ortschaften abgezweigt. Zur Deckung des dadurch entstehenden Ausfalls an Stolgebühren für die Kirchenbeamten wurden direkte Kirchenbeiträge zunächst 3 1/2 Sgr. pro 1 Thaler Klassensteuer eingeführt, und die alten Quartalbeiträge dafür beseitigt.

Das bare Gehalt des Pastors, welches bis dahin 135 Thlr. betragen hatte, wurde demgemäß auf 200 Thlr., das des Kantors von 40 auf 60 Rthl. erhöht. Eine Verbesserung ihres Einkommens hatten sie damit aber nicht erlangt.

Schon längst hatte es der Pastor Bethge als Übelstand em­pfunden, dass das übrigens nachgerade auch baufällig gewordene Pfarrhaus so sehr beschränkt war, da es nur 3 Zimmer, oben aber im altersschwach vornüber gebeugten Erker ein unheizbares Stübchen enthielt. Dazu kam, dass die Konfirmanden, welche seit dem Amtsantritt des Pastors Bethge nicht mehr wie früher vom 1. Oktober bis zur Adventszeit alle Montage, und in der Passionszeit täglich, sondern auf allseitigen Wunsch der Gemeinde den ganzen Winter hindurch unterrichtet wurden, diesen Unterricht in der kalten Kirche erhalten mussten. So wurde denn vom Pastor Bethge eine Vergrößerung seines Hauses durch  Anbau eines Konfirmandensaales projektiert. Die Gemeinde ging aber auf diesen Wunsch nicht ein. Das war wohl mit bestimmend für den Entschluss des Pastor Bethge, die Neustädter Stelle mit einer andern zu vertauschen. Er ging nach Zebbin auf der Insel Wollin, wo­selbst er noch gegenwärtig amtiert.