Ferdinand Gottlieb Wilhelm Willmann wird 3ter Pastor in Neu Tomysl – 1815

Das letzte ehemalige Pastorhaus - Eigenaufn. 2011

Das letzte ehemalige Pastorhaus – Eigenaufn. 2011

Ferdinand Gottlieb Wilhelm Willmann hatte vor seiner Tätigkeit als Pastor in Neutomy’sl in Schwerin/Warthe das Amt eines Kantors inne.

Er bekam im Juni 1815 die Übernahme des Pastor Amtes in Neutomy’sl durch den Grafen Victor von Szoldrski in dessen Eigenschaft als Patron der evangelischen Kirche von Neu Tomysl angeboten. Diesem Angebot lag auch  die einstimmige Wahl der Kirchenvorsteher, siehe nachfolgenden Text, der vereinigten Gemeinden zugrunde.

„Im Namen des Dreyeinigen Gottes
Nachdem durch das Absterben Sr. Hochehrwürden dem weyl. wohlseeligen Herrn Herrn Christian Friedrich Zachert zeit hero treu gewesener Lehrer und Pastor alhier diese werthe Gemein in einen Waisenstand von Seiten ihres gedachten Lehrers versetzet worden: So haben wir vereinigten evangelische Tomy’sler Hauländer Gemeinen unter Anrufung Gottes durch die Märhrheit der Stimmenzahl zu unsern künftigen Herrn Pastor und Seelsorger erwählt, dem hochehrwürdigen und hochgelehrten Herrn Herrn Gottlob Wilhelm Ferdinand Willmann zeit hero gewesener Diaconus in Schwerin.
Demnach vociren und berufen wir im Namen der allerhöchsten Dreyeinigkeit diesen hochehrwürdigen und hochgelehrten Herrn Herrn Gottlob Wilhelm Ferdinand Willmann zu unseren Pastor und Seelsorger in dem festen Zutrauen, dieselben werden uns den Weg zur Seeligkeit aus dem Worte Gottes durch Lehre und frommes Beyspiel zeigen und treulich auf denselben führen, und dieses göttliche Wort rein und lauter, so wie es auch in der unveränderten Augsburgischen Confession verfasset ist, unermüdet vortragen, die heil. Sakramente nach Jesu Einsetzung und nach den eingeführten Gebräuchen unserer evang.-lutherischen Kirche austheilen. Jedem der Unterricht verlangt, denselben willig geben, vorzüglich aber in Krankheiten alle Zeit bereit seyn, jedem mit seinem Zuspruche und Troste beyzustehen, wie auch auf den Unterricht unserer Jugend ein wachsames Auge zu haben.
Was die besonderen Arbeiten, wie auch den Gehalt und die Einkünfte unsers Herrn Pastoris und Seesorges betrift: So werden wir dieselben in einer besondern Schrift ausfertigen und beylegen laßen. Ueberdem aber versprechen wir dem Herrn Pastor alle Folgsamkeit und Liebe, und rufen Gott an, daß er mit reichen Seegen das Werck des Herrn unseres Gottes zu aller unserer Heil und Seeligkeit unter uns treiben möge.
Zu meherer Beglaubigung haben wir diese Vocation eigenhändig unterschrieben und besiegelt. Geschehen in Tomy’sl Haulande im Jahre Eintausend Achthundert und Fünfzehn nach der Geburt Jesu Christi am Sieben und Zwanzigsten Tage des Monats Junius
Johan Krehan – Kirchen Vorsteher der Paproter Gemeine —Christian Horlitz — J. Christoph Freye — Michael  ? — Michael Janotte – Kirchen Vorsteher in Sinskow“
Der ehemalige Alte Markt - rechts das ehemalige Pastorhaus - Ansichtskarte aus der Sammlung des Wojtek Szkudlarski

Der ehemalige Alte Markt – rechts das ehemalige Pastorhaus – Ansichtskarte aus der Sammlung des Wojtek Szkudlarski

Als er seinem damaligem Arbeitgeber vertreten durch den Kirchenvorstand in Schwerin von diesem Angebot in Kenntnis setzte, äußerte dieser und auch die Schweriner Gemeinde den Wunsch, Willmann als Ihren Prediger behalten zu wollen. Man bot ihm sogar an, dass er nach dem Tode des angestellten Oberpredigers Brix dessen Amt übertragen bekommen würde; welches er schon seit längerer Zeit kommissarisch verwaltete.

Da Willmann weder die eine noch die andere Gemeinde enttäuschen wollte, beide Angebote waren ja ein eindeutiger Vertrauensbeweis seiner Person gegenüber, schrieb der die „Hochpreißl. Königl. Preuß. Großherzogthum Posen’schen hohe Landes-Regierung“ an und bat um Entscheidung, für welches der Ämter diese ihm ihre Zustimmung erteilen würde.

Die Regierung entsandte Willmann, mit Entscheid vom 25ten August 1815,  als Pastor in die Gemeinde von Neu Tomy’sl.

Superintendent und Pastor Knispel, zu jener Zeit in Hammer-Boruy, erhielt den Auftrag Willmann in sein Amt der evang.-lutherischen Gemeinde zu Neu-Tomischel einzuführen. Knispel begann seinen Antwortbrief bzgl. der Amtseinführung des „… bisherigen Diaconum Willmann in Schwerin, als Prediger der Parochie Tomy’sl, ordnungsgemäß, zu introducieren…“, an die Regierung in Posen noch mit den Demut ausdrückenden Worten: den diesen „gnädigen Auftrag“ wollte er sogar mit „untertänigster Bereitwilligkeit“ tun, wenn, ja wenn  „bei der Wahl des neuen Predigers, alles ordnungsmäßig verhandelt worden wäre“. Beim Lesen des Textes wartet man schon förmlich darauf, dass der wahre Grund dieses Schreibens zum Tragen kommt, denn diese zum Ausdruck gebrachte Untertänigkeit setzt geradezu voraus, dass ein – aber… – kommen wird.

Und schon einen Absatz weiter ist es soweit, der wahre Grund des Schreibens kommt zum Vorschein, denn Knispel schrieb weiter: „Es ist aber diese Wahl, ohne mein Wißen und meine Zuziehung, wider die Oberservanz der Kirchen Verfaßung, vom Erbherrn, anbefohlen, und von den Gemeinen, in dem Hause ihres Schulzen, abgehalten worden“. Weiter führte er aus: „Eine solche ordnungswidrige Wahl, kann ich, nach meinem Erachten, nicht, für eine Rechtliche, sondern nur für eine Winkelwahl halten.“

Die ehemalige evangelische Kirche - heute Herz Jesu Kirche der katholischen Gemeinde zu Nowy Tomysl - Quelle: Kurzgefasste Chronik

Die ehemalige evangelische Kirche – heute Herz Jesu Kirche der katholischen Gemeinde zu Nowy Tomysl – Quelle: Kurzgefasste Chronik

Erklärt sei hier, dass alles was mit  dem vorangestellten „Winkel“ beschrieben wurde, nicht ganz legal war, als Beispiel sei hier genannt der „Winkeladvokat“, diese Redewendung verstehen wir noch heute als eine abwertende Bezeichnung für einen Anwalt, dem es an Fachkenntnis mangelt und der auf unlautere Methoden zurückgreift. Und eben unlautere Machenschaften unterstellte Knispel dem Erbherrn und der Gemeinde von Neu Tomy’sl.

Knipsel führte weiter aus, dass er „pflichtwidrig“ handeln würde, wenn er seine „vorgesetzten Behörden“, über ein derartiges „ordnungswidriges Verhandeln“, welches die „kirchliche Ordnung und die Würde der Verfassung und des geistlichen Standes“ verletzen würde, nicht anzeigen täte. Seit 1790 sei er im  Amt eines „Aufsehers“ im Karger Kirchenkreises beschäftigt gewesen, und alle während dieser Zeit vorgenommenen Wahlen waren unter seiner Leitung vorgenommen worden. Er empfand es als Anmaßung, dass diese Autorität seit ca. 1814 durch die Erbherrn, die es als ihr ausschließliches Recht ansahen Wahlen zu veranlassen und durchzuführen, untergraben sein würde. Neu Tomy’sl war allerdings nicht allein schuldig an der Verärgerung des Knispel, auch in Rostarzewo war der Rector Fechner aus Fraustadt unter Vorsitz des Erbherrn zum Prediger erwählt und auch angestellt worden. Letzteres war auch ohne Einschaltung des Knispel veranlasst worden. Dieser schlug vor, um die kirchliche Verfassung nicht vollständig vernichtet zu sehen, dass die Introduction beider Prediger, erst nach einer feierlichen Wahl gemäß der Kirchenordnung geschehen sollte. Der Brief endet wie er begann; Knispel bittet um „gnädige Bescheidung“ zu seinen Ausführungen und bittet „untertänigst“ um Antwort bevor er mit „vollkommenster Hochachtung und Ehrerbietigkeit“ unterzeichnete.

Aus der Antwort vom 30. September 1915 sei hier nur der Auszug wiedergegeben, der da heißt: „Sie haben unseren Befehl vom 25. August … ohne Anstand zu befolgen…“.

Am 5ten November 1815, unter Anwesenheit des Mietherrn von Alt-Tomysl von Bronkowski, da der Erbherr Szoldrski „entfernt wohnte“, des Pastor Fendler aus Pieske – als Schwiegervater, des Pastor Stürzel aus Bentschen – als Onkel des Pastor Willmann, des Bürgermeisters der Stadt Neu Tomy’sl und der sämtlicher Kirchenvorsteher und Schulzen  wurde Pastor Willmann das „Amt der Seelensorge bei der Gemeinde von Neu-Tomysl“ feierlich übergeben und ihm die Vocations Urkunde ausgehändigt.

Abschließend noch die Abschrift des Arbeitsvertrages zwischen den vereinigten Gemeinden und dem Pastor

„Arbeiten und Verrichtungen des Herrn Pastoris    
1. Alle Sonn- und Festtage wird Vormittags eine Predigt gehalten und an den ersten Festfeiertagen der drey hohen Feste auch Nachmittags eine Vesperpredigt. An denen Sonntagen werden der Herr Pastor von Ostern bis St. Michaelis, Nachmittags über den Catechismus Kinderlehre halten und zugleich die Vormittagspredigt mit den Kindern wiederholen. Von Michael aber bis Ostern ist wegen der kurze Tage Nachmittgas kein Gottesdienst.
2. Die Beichthandlung geschieht allemal vor der Predigt so, daß ein Jeder besonders seine Beichte ablegt. Die Communion wird gleichfalls vor der Predigt gehalten. Außer dem öffentlichen Sonn- und Festtäglichen Gottesdienste wird keine so genannte Privat Communion stattfinden.
3. Am heiligen Abend vor Weynachten wird eine Christnachtspredigt gehalten, der Gottesdienst nimmt seinen Anfang so bald es dunckel geworden ist.
4. In der Fastenzeit wird wöchentlich Freytags über die Passionsgeschichte gepredigt und zwar Vormittags.
5. Die Einleitungen der Wöchnerinnen geschehen blos an denen Tagen wenn öffentlicher Gottesdienst gehalten wird.
6. Da wir bishero wegen großer Entfernung von den Kirchen, wo wir uns hinhielten unsere Kinder durch die Schulhalter zum Gebrauche des heiligen Abendmals haben müßen praepariren laßen, nun aber jener Nothfall verschiedene Jahre nicht mehr ist: So wird der Herr Pastor sich eine hinlängliche Zeit aussetzen, in welcher er selbst die Praeparation mit ihnen vornehmen wird, damit sie in ihrem Christenthum recht gegründet werden, und allezeit bereit seyn können zur Verantwortung gegen Jedermann, der Grund fordert.
7. Bey öffentlichen Begräbnißen werden der Herr Pastor die Leichen allemal an dem Kirchhofe erwarten, und als den in der gewöhnlichen Prozession mit auf den Kirchhof gehen, wo die Bestättigung zur Erden mit den üblichen Ceremonien geschieht.
8. Die Visitation der Schulen werden sich der Herr Pastor angelegentlich seyn laßen, auch den Schulhaltern eine gute Ordnung des Kinder Unterrichts anweisen und vorschreiben.
9. Der Herr Pastor wird auch dahin sehen, daß die Kirchenväter ihre Schuldigkeit beobachten, sonntäglich das eingekommene Geld, nachdem es in seinem Beysein überzählet und eingeschrieben worden in seiner Gegenwart in die Lade thun, und das Kirchengeräthe wohl verwahren; auch in allen andern Stücken Ordnung und Genauigkeit beobachten werden. Die Kirchenkasse wird in einem verschloßenen Kasten allemal in des Herrn Pastoris Wohnung seyn.
10. Nachträglich willigt der Herr Pastor noch ein, daß er die Leichen, wenn das Wetter nicht zu schlecht ist, oder ihm Altersschwäche daran hindert, aus dem Leichenhause abholt, und in Procession zum Kirchhofe begleitet.
Folgende Einkünfte und Accidentien werden dem Herrn Pastor versprochen und verschrieben.
1. Den Salario Fixo ist ausgesetzt:
a. An baarem Gelde von jeder Hufe 3 Fl. schreibe drey Floren, polnische Hufen sind 249 1/4. Das Geld wird der Schulze jeder Gemeine in der Michaeliswoche von den Wirthen einsamlen, und es hernach dem Herrn Pastori richtig berechnen und abbringen, worüber ihm ferner der Herr Pastor quittiert.
b. An Getreide von jeder Hufe zwey Garniec Korn, welches gleichfalls jede Gemeine bei ihren Schulzen zusammen bringt, von wo es dem Herrn Pastor hingeliefert wird.
2. An Accidentien:
a. Die Jura Stolae werden nach derjenigen Taxa Stolae entrichtet, welche die hochpreißl. Synode von allen actibus ministeralibus fest gesetzt und publiciert haben.
b. Alle drey hohe Festtage geben der Herr Pastor den ersten Feiertag ein Opfer.
c. Von dem Opfer bei der Communion wird der Herr Pastor zugleich den nöthigen Wein und Hostien anschaffen, doch können sich der Herr Pastor versprechen, daß das Opfer nicht schlecht fallen werde.
d. Vor die Mühle, die sie mit der Praeparation der Kinder zum heiligen Abendmal haben werden, setzen wir zwar nichts gewißes fest, wir werden uns aber auch bei dieser Gelegenheit bemühen, keine Undankbarkeit und Unerkenntlichkeit uns zu Schulden kommen zu laßen.
Alles, was in der Pfarrwohnung und denen dazu gehörigen Stücken zu bauen und zu erhalten nöthig ist, davor wird die Gemeine sorgen. Wir versprechen auch den Herrn Pastor Fuhren zu geben, wenn er zu einem Kranken verlangt wird, oder eine Leiche begraben woll, es sey den, daß der Kranke oder Kirchhof ganz nahe wäre.
Ueberdieses bedingen sich, die sämmtlichen Gemeinen aus, daß wenn der Herr Pastor dieselben verlaßen und unter zehn Jahre eine andere Vocation annehmen sollte, derselbe sich verpflichtet, die jezt aufgewandeten Kosten bey deßen hiesiger Wahl-Vocation und Installation zu vergüten.
Zu desto größeren Glaubwürdigkeit haben wir diese Schrift eigenhändig unterschrieben und mit den Kirchensiegel bestättigt. Geschehen Tomy’sler Hauländer im Jahre Jesu Christo 1815 den 27ten Junius.
Die heutige Herz-Jesu Kirche zu Nowy Tomysl - Eigenaufn. 2008

Die heutige Herz-Jesu Kirche zu Nowy Tomysl – Eigenaufn. 2008

Johan George Kurtz – Schulte der Paprotschen Gemeinde
Martin Meißner — Gorge Fried Wielhelm ? — Gorge Fried Lüdke — Christian Klemtke –) sämtlich Gerichten  — —  Johann Gottfried Kleinitz  – Gemein Rath
Gericht Schultz Joh. George Seyde – zu Scherlanken Gemeinde  — —Gottfried Flaum — Christian Freier — Christian Schultz — George Wenzel —) Gerichte
Johann Georg Horlitz – zu Alt Tomischl Gerichts Schulz
Johan George Lehmann – in Nahmen sämtlichen Gerichte zu Koselosken
Christian Hecken – Gericht Schultz zu Lipken Gemeinde in Nahmen der sämtlichen Gerichten
Cristgan Sender – Gerichts Schultz in Mnischke ? Hauland
J Daniel Hartmann — Gottfried Koter — Gottfried Zöber ? — Johannes Siegmund  — Johan Fried Michael Arndt ?  ) sämtlich Gerichten

Jako Dziedzic i Kollator zaświadczam przy wyci: śnięciu rodowitey Pieczęci. Datum w Poznaniu Dnia 29 go Czerwca 1815 go roku

Wiktor Szoldrski

(bestätigt mit Siegel durch Wiktor Szoldrski am 29. Juni 1815)“

 

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Der Artikel wurde zusammengestellt anhand von Akten, die im Staatsarchiv von Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/) verwahrt werden; hier: Besetzung und Einkünfte der evangelischen Predigerstelle Vol. 1

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Persönliche Daten zur Familie Willmann – ein Auszug aus der Genealogischen Datensammlung Gudrun Tabbert und Przemek Mierzejewski:

  • Gottlieb Wilhelm Ferdinand Willmann geb. ca. 1783 verstorben 1835 in Neutomischel
      • Eltern: Gottlieb Benjamin Willmann, 1814 Pastor und Rektor in Schwiebus oo mit Rosina geb. Bensch
      • Eheschließung: 02 Nov 1814 in Pieske mit
  • Louise Wilhelmine geborene Fendler geb. ca. 1795 verstorben 1857 zu Bauchwitz
      • Kinder:
      • 1816 Louise Wilhelmina Benigna
      • 1818 Caroline Emilie Auguste +
      • 1820 Maria Ferdinanda Rosina +
      • 1821 Hulda Maria Rosina Ferdinanda
      • 1823 Hermine Sophia Christina
      • 1825 Samuel Theodor Eduard Ferdinand
      • 1827 Emilie Caroline Auguste Eleonora
      • 1828 Hermann Carl Gotthold
      • 1831 Clementine Gottliebe Clotilde