Dieser Artikel wurde aus der Festschrift zum 125. jährigen Jubiläum der Schützengilde Neutomischel und des 18. Bundesschießens des Schützenbundes Neumarkt-Posen entnommen.
Zur Verfügung gestellt wurde die Kopie des Beitrages zur Veröffentlichung auf dieser Seite von Herrn Dieter Maennel, Kassel aus dem von ihm gepflegten MAENNEL ARCHIV
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Die Zeit der Gründung der Stadt Neutomischel scheint auch die Zeit des Entstehens der Schützengilde hiesigen Ortes zu sein; denn schon in dem Privilegium des damaligen Grundherrn der Herrschaft Tomysl vom 18. Februar 1788, mit welchem die Ortschaft Stadtrechte verliehen worden sind, wird einer Schützengilde mit folgenden Worten gedacht:
„Daß die Schützen-Brüderschaft ebenfalls laut Punktum aus einer der nächsten Städte einricht anlegen, und will ich selbige durch ein Privilegium bestätigen, und derselben behülflich sein.“
Sichere und eingehendere Nachrichten über die Gründung der Schützengilde an und für sich fehlen. Im Besitz der Gilde befand sich nur die Übersetzung eines von demselben Grundherrn unterm 9. Juli 1789 verliehenen Privilegiums, dessen Ausfertigung leider längst abhanden gekommen und nicht mehr zu ermitteln ist. Diese unbeglaubigte Übersetzung lasse ich ihres interessanten Inhalts wegen in ihrem Wortlaute folgen:
W Imie Pańskie! Amen.
Ja, Felix zu Szołdr – Szołdrski. Starościc. Lęczycki, Czempinia y Maiętności Tomislickkiej Pan Dziedziczny etc.
Thun kund, und zu wissen, wem es zu wissen nöthig, daß ich mein Erb-Städtlein, Neu Tomischel, beehre: durch das Schützen Privilegium, und verspreche Ihnen so viel wie möglich alle Protektion zu ertheilen, wozu ich mich und meine Nachkommen, laut der Unterschrift verpflichte, und verspreche, Ihnen, aus allen Herrschaftlichen Abgaben, und der Brüderschaft verspreche 2 Faß Bier.
Ertheile Ihnen folgende Puncte, daß Sie in allen Clausen, und Artiekeln gehalten werden, als Ich es haben will, welche allso lauten:
1ten Soll sich die Brüderschaften, einen Eltesten, und neben Eltesten erwehlen, welche alle Sachen nach dem Gnädigst erlaubten Privilegium von Ihro Excellenzen richten solln.
2ten Soll ein jeder der ein Schützen-Bruder werden will, sich bey den Eltesten melden, und zur Brüderschaft erlegen 6 Pgr. und den Schreiber 15 Pgr.
3ten Soll niemand bey der Brüderschaft angenommen werden, der nicht Bürgerlichen Standes ist, auch nicht welche zum Geistlichen Stande gehören, sondern es soll Ihn nur freystehn, frey Schüße zu thun, welche aber nicht zum Königreiche gelten: es soll auch nicht angenommen werden, bey der Brüderschaft, diese welche solchen aus unehrlichen Geschlecht sein, sollten daß die HE. Eltesten thun, und einen solchen annehm, so soll jeder 12 Mark Strafe erlegen, und derselbe soll aus der Brüderschaft gestoßen werden.
4ten Soll ein Schreiber bey der Brüderschaft sein, welcher ein ordentliches Buch haben muß, da mit er alle Nahmen der Brüder, wie sie sich Einkaufen, Verzeichne
5ten Soll er gutte Obacht auf jeden Schuß haben, da mit „er alles richtig aufzeichne, wie und wer, Geschossen hat, da mit keine Unterschleise geschehen mögen.
6ten Es soll jeden Bruder erlaubt sein 4 Schüße zu thun, den ersten Tag 2 den andern Tag 2 und der Gnädigste Erbherr hat alle mahl den 1 ten als dann der HE. Bürgermeister, nach diesen die Eltesten, und der König.
7ten Der Magistrath der Stadt Neuomischel, hat vor der Brüderschaft einen Schuß voraus, welches man den Raths-Schuss nenet, der aber auch zum Königreiche gelten thut.
8ten Es soll jeder Bruder jährlich 4 Quarthalle erlegen, zur Brüderschaft, daß die HE. Eltesten da vor hinnanschaffen können zum Königreich: Und auf Befehl des Gnädigsten Erbherrn soll all Jährlich Zwey mahl geschoßen werden; nehmlich das gewöhnlichen Pfingst-Schüßen, nach dem zu Johanne, eine Löbliche Bürderschaft muß aber Besorgt sein zu dem Johannes Schüßen was anzuschaffen entweder ein Schwein oder ein Schöps.
9ten Es soll auch keine andere Pflinte erlaubt sein, als eine ordinere Kugel Pflinte, kein gezogenes Gewehr, soll bey unser Brüderschaft nicht gelten, und so einer einen nahen Schuß thut, so soll die Pflinte vor der Eltesten Tisch stehen bleiben, und niemanden erlaubt sein daraus zu Schüßen, biß Ihn ein anderer abschüßen thut; sollte er aber der Neheste zum Königreiche bleiben, so muß die Pflinte von den Eltesten in beysein des Majestraths besehen werden, ob sie recht oder falsch sey.
10ten Die König-Scheibe soll in der große bestehen 10 Virtel hoch, und von den Schüßhause, soll sie 150 Schritte abstehen.
11ten Sobald als die Brüderschaft von den Eltesten beordert wird, und so ein Bruder länger außenbleiben sollte, als die Stunde bestimmt, so soll er 6 Pgr. zur Strafe erlegen, sollte er es aber aus Vorwitz thun, und den Befehl der Eltesten nicht respectiren, und es ihn überzeigt wirde, das er es mit Mutwillen thete, so soll er 6 Mark Strafe erlegen.
12ten Es sollde die Dambaur in der Stadt herumgehen, und auf den 2ten Drummelschlag, soll jeder Bruder sich bei den Eltesten einstellen, als dan wenn die Brüderschaft beysammen ist, so soll, nebst denen dazu Verordneten, ein Unter Officir, Dambaur, und Fahnen den Alten König aus seinen Hause abhohlen, und zum Schützen-Eltesten begleiten.
13ten Bey den raus Zuge ins Schüßhauß, soll der Zieler mit der König-Scheibe vorne angehen, als dan der Dambaur, hernach der Commandeer, nebst 4 Forier Schützen, und Fahnen, als dan ein Jüngster Bruder mit einen Teller, und einen Blumen Krantz darauf, als dan die völlige Muic, hinter dem, kommt der König, und der Majestrath begleitet ihn, und nach dem Majestrath, kommt die erste Compagni.
14ten Beim raus Zuge in Schüßhauß, werden alle mahl die Paraden oder Schau-Stücke, dem Könige angelegt, zur Zierde der Brüderschaft, und bey rein Zuge, den ersten Tag, trägt das Königs-Band, einer von den Jüngsten Brüdern auf einen Teller.
15ten Es wird die Königs-Scheibe, jeden Tag, von Schüß-Hause an ihren Orth zum aufsetzen durch die Forier-Schützen, Dambaur, und Fendrichs begleitet.
16ten Es soll jedes mahl bey den Ziehler, in der Grube zwey Brüder wechselsweise sitzen, da mit der Ziehler, nicht falschheit, und Unterschleise mache, sollten es die beyden Brüder bewillingen, so waß zu thun, soll jeder 6 Mark Strafe geben, und solte sich ein Bruder weigern, in die Grube zu sitzen, wan ihn der Unter Officir beordert, so soll er so lange ins Gehorsa gehen, als er sollte in der Grube sitzen.
17ten Es soll, keinen Bruder erlaubt sein, eher zu laden, als er da zu berufen wird, als dan soll er vor den Eltesten Tisch treten, und öffentlich laden, und soll nicht mehrern, erlauft sein, dals Dreien, bey Dreyen, und ehe er schüßen thut, so muß er sich bey den Schreiber melden, sollte er sich nicht melden, so ist der Schuß verfallen.
18ten Und wenn ein Bruder dasteht, daß er seinen gehörigen Schuß thun will, und es Ihn 3 mahl abbrent, so ist der Schuß verfallen, und muß ein anderer hintreten, und seinen Schuß thun.
19ten Es muß alle mahl, wen einer getroffen, der Schreiber den Pfropfen Nummeriren, und die Nummer sich in Buch wohl anzeichnen, damit nicht Streit entsteht.
20ten Und so ein Schuß geschehen thut, daß die Kuhgel nicht durch schliege, durch die König Scheibe, derselbe Schuß soll nicht gehlthen, sondern verfallen sein.
21ten Es soll allemahl, der welcher die Scheibe getroffen hat, den Blumen Krantz am Arm halten, so lange bis ein anderer trifft, und ihn als dan abnimt, aber aus der Schüß Stube, soll er mit den Krantz nicht gehen, sollte er daß thun, so soll er 1 Mark Strafe geben, und wer den 1ten Tag, daß letzte mahl die König-Scheibe trifft, der behält den Blumen-Krantz, und auf den Morbgen muß er einen Neuen machen laßen. Und wer den andern Tag Marschallek ist, der muß übers Jahr einen Neuen machen laßen, den ersten Tag.
22ten Es oll allemahl im Schüßhause bei der Thier zwei von den Brüder stehn, mit geschlossenen Gewehr, damit nicht alles rein laufe, waß nicht rein gehört, und der Unter Officir, muß alle Stunde Zwey andern, von der Brüderschaft, da zu beordern, und sollte einer von den Brüdern ihm nicht gehorchen, so soll er eine Tonne Bier zur Strafe geben.
23ten Es soll nicht erlaubt sein, wen das Brüder Bier getrunken wird, welches über die Schwelle zu tragen, sondern wen einer einen gutten Freunde ein Geschenke halten will, so soll er ihm in die Stube bringen, sollte er es aber aus Vorwitz thun, so daß er Bier raus triege, so soll er eine halbe Thonne Bier zur Strafe geben.
24ten Den andern Morgen, um 8 Uhr, sobald der erste Drommelschlag geschiehet, so soll jeder Bruder sich bey den Eltesten einstellen, da mit daß die HE. Eltesten, in bey sein des Majestrats, Morgen Sprache halten können, da mit wen Streit, und Klagen, eingelaufen, alles entschieden werden kann, und jeden sein gehöriges Recht wiederfahre.
25ten Daß Königreich soll einen jeden Bruder gleich gelten, es mag sein Wirth oder Mitsmann, nur die Königs-Scheibe, soll aus der Stadt nicht kommen bey Strafe.
26ten Denn wen die Brüder einziehen, daß Sie den König in völliger Parade begleiten, so Feuern sie Dreymahl ab, vor den Könige, als dan vor den HE. Bürgermeister desgleichen, als dan wen Sie aus einander gangen, so gehen die Dambaur rum, als dan stellen sich die HE. Brüder ein, und Verzehren das Brüder Bier, welches ohne Zank, und Streit geschehen soll, als dan bey den Trunk, gehen die Dambaur, nebst Unterofficirs und 4 Mann herum, den Zappenstreich das 1te mahl um 8 Uhr, das 2te mahl um 10 Uhr und vor den HEren ihrer Thüre; wird das Gewehr Preesentieret.
27ten Sollte sich etwan ein Bruder, an die Herrn Aelsten, Majestrath oder Officiers mit Worten vergehen, so soll er ins Gehorsam gebracht werden, und 2 Mark Strafe erlegen, wen aber ein Bruder gegen den anderen, mit Schimpf Worten ausselt, so soll erins Gehorsam gehen nach erkänntniß der Aelsten, und der Brüderschaft 6 Mark Strafe erlegen.
28ten Und sollte einer von der Brüderschaft denen Aelteste oder Officier nicht folgen indem was Ihnen anbefohlen wird, so soll er ins Gehorsam gebracht werden, und der Brüderschaft 3 Mark Strafe erlegen.
29ten Der König soll die Königsscheibe die Hälfte, und die Brüderschaft die andere Hälfte bezahlen; und an das Ordens Band soll der König, ein angedhrtes stück geld geben, welches in einen Reichsthaler bestehen soll.
Dieses Recht und Privilegie, das es in Nichts auf immer ungerührt und ungestöhrt verbleibe, ich mich und meine Nachkommen, laut der unterschrift verpflichte, welches Ich zur beßeren Beglaubiegung eigenhändig unterschrieben und mit Bedrückung meines adlichen Pettschaft Bekräftieget so geschehen in Schloße zu Tomyschelden 3ten Jul 1789.
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Über die weitere Entwickelung der Gilde in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens ist bei dem Mangel jeglichen Materials nichts zu ermitteln.
Daß sie weiter bestanden hat, geht lediglich aus einigen weniger wichtigen Vereinsschriftstücken hervor, die auch deutlich erkennen lassen, welch großes und stets wachsendes Wohlwollen, das bei Gelegenheit der jährlichen Schützenfeste durch Überweisung der privilegierten Festgaben zum Ausdruck gelangte, jeder der damaligen Besitzer der Herrschaft Tomysl der hiesigen Schützengilde entgegengebracht hat.
Das älteste „Verzeichnis der sämtlichen Schützenbrüderschaft in Neu-Tomischel aus dem Jahre 1818“ u. f. möchte ich dem Leser nicht vorenthalten:
„Vors erste folgt ein sämtlicher Magistrat, hernach die HE. Aeltesten, Schreiber und Offizier:
- Christian Teffling,
- Johann Tepper,
- Gottfried Jungnik,
- Gotthilf Xenodochius,
- Jekel,
- Drescher,
- Jacob Schulz,
- Gottfried Kliem,
- Rosenbaum,
- Brauer,
- Gottfried Liedke,
- Martin Lehmann,
- Gottfried Schröter,
- Christian Tepper,
- Martin Fechner,
- Samuael Rösler,
- Gottlob Mentzel,
- Anton Rosanske,
- Röstel,
- Joh. Friedr. Kliem,
- Gottfried Hartmann,
- Hampel,
- Carl Teffling,
- Gottlieb Schulz,
- Hecke,
- J. Brunsch,
- J. Liedke,
- Jander,
- Thomas,
- Strauß,
- Dikonewitz,
- Fengler,
- Joseph, Palitzki,
- J. Kaulfus,
- Johann Luchtmann,
- Wallenthin,
- Pester,
- Krönert,
- Derfurt,
- Hübner,
- Gottlob Gutsch,
- Gottlieb Weber,
- Johann Kannewischer,
- Daniel Mentzel,
- Joh. Friedr. Fechner,
- Gottfried Schäfer,
- Gottfr. Fechner,
- Johann Koch,
- August Hübner,
- Daniel Mayer,
- Franz Semanske.
- 1822: August Jander, Mathey, Lotcejewitz, Maß, Christian Mimez, Gottfried Tepper, H. Hempel, Carl Teffling, Friedr. Tomas, Valentin Decanowitz, Gottlieb Krönert, Gottlieb Hübner, Gottlieb Gutsch, Zimanski, Meier, Joh. Friedr. Tepper,Wengler (?), Joh. Christoph Tepper.
- 1823: Carl Scheibe, Gottlieb Rau, Daniel Pflaum. 1824: Seidelt, Goldmann, Gottlieb Kurtz, Gottlob Männel.
- 1825: Carl Hänschke, Joh. Fröhlich.
- 1826: Gottlieb Schmidt, Gottlieb Pflaum.
- 1827: Apotheker Sperling, Joh. Stein, Gottfried Janott, Jäkel, Sämler, Christian Bruckorf, Joh. Friedr. Pietsch, Carl Peter Kaulfuß, Johan. Wilh. Schrötter, Gottfr. Seiler.
- 1828: Wilhelm Lehmann, Hiersekorn, Johann Rex.
- 1829: Gottlieb Wandrey, Gottlieb Schäfer, Gottfried Stelzer, Fried. Aug. Werner, Adolf Roestel.
- 1830: Wilh. Stahn, Daniel Protsch“ usw.
- (Verschiedene Familiennamen von damals sind heute noch in der Gilde vertreten.)
Die Bennennung der Vereinigung scheint willkürlich gewesen zu sein. Zuerst war die Bezeichnung „Schützenbrüderschaft“ gebräuchlich, später auch „Schützencorporation“, Schützengesellschaft“ und schließlich „Schützengilde“.
Das Eintrittsgeld betrug mehrere Jahrzehnte 15 Silbergroschen, dann bis 1854 1 Taler 15 Sbgr., für Auswärtige 3 Taler. Es gehörten eben auch verschiedene Eigentümer der umliegenden Hauländerein der Gilde an. 1844 wird das erste jüdische Mitglied erwähnt.
Nachdem die Gilde sich längere Zeit einer langsamen aber wohl stetigen Entwickelung zu erfreuen gehabt hatte, sollten die unruhigen Zeiten des Jahres 1848 ihr Gelegenheit geben, die sorgsam gepflegten Bürgertugenden der Treue zu König und Vaterland durch Teilnahme an der Abwehr aufständischer Bestrebungen zu betätigen. Als nämlich die polnischen Insurgenten außer anderen Städten der Provinz Posen auch die Nachbarstadt Grätz bedrohten, sah sich der zu ihrem Schutze dorthin mit einer Truppenabteilung kommandierte königlich preußische Offizier, Major von Hohendorf, veranlasst, die waffenfähige deutsche Bevölkerung der Stadt Neutomischel und Umgegend zur Unterstützung seiner Truppen bei dem zu befürchtenden Kampfe aufzubieten. Diesem Aufgebote leistete am 6. Mai 1848 unter anderen auch das Bürgerwehr-Korps von Neutomischel, zu welchem die Schützengilde den Stamm abgab, begeistere Folge und bildete einen Teil der 5-6000 „geübten und wohlbewaffneten Büchsenschützen“, welche nach geschichtlichen Quellen die Neutomischeler und Bentschener Hauländer zur Bekämpfung des Aufstandes stellten. Hierüber weisen die Akten folgende Bescheinigung des vorgenannten Offiziers auf:
„Dem Herrn Bürgermeister sowie der Gemeinde Neu-Tomysl sage ich bescheinigend meinen Dank für die gezeigten patriotischen Gesinnungen, indem selbige sich heut hier zur Unterstützung einfanden und verspreche zu zugleich mich höheren Orte zu verwenden, daß demselben, sowie der Gemeinde zu Konkolewo, Schwartzhauland, Albertoske u. ihr tätiges Bestreben zur öffentlichen Kenntnis gebracht werde und bemerke nur noch, daß, falls sich diesseits bedeutende Unruhen zeigen würden, ich sofort den Gemeinden Benachrichtigung zugehen lassen werde, woselbst sich dann dieselben hier einfinden wollen.
Cant. Quartier Grätz, den 6. Mai 1848.
Der Major und Commandeur des 3. Bat. 18 Landw. Reg.
L.S. gez. L. von Hohendorf
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Welches Vertrauen sich die Bürgerschaft durch ihr Vorgehen erworben hatte, und wie drohend andererseits die politische Lage sich gestaltet haben muss, beweist die unter dem 13. Mai desselben Jahres durch das Generalkommando des V. Armee-Korps erfolge Überweisung von 50 Infanteriegewehren, nebst 500 Patronen, die an die zuverlässigsten Leute gegen Empfangsbescheinigung ausgehändigt wurden.
Das Schützenfest fiel aus. Der patriotische Eifer wurde derartig angefacht, dass die Bürgerschutzwehr, die zum Schutze der Stadt einen militärisch organisierten Bewachungsdienst eingerichtet hatte, am 29. Mai 1848 den Beschluss fasste, sich zu uniformieren. Während sonst eine weiße Armbinde mit dem schwarzen preußischen Adler als Abzeichen getragen wurde, sollte die neue Uniform bestehen aus
1. einem grünen Waffenrock mit einer Reihe blanker glatter Knöpfe und ganz schwarzem rundem Sammetkragen nebst Aufschlägen
2. weißen Beinkleidern,
3. einer Mütze von dem Tuche des Waffenrockes, für welche die Form der Züllicher Bürgerwehr als Muster dienen sollte.
Wieweit dieser Beschluss zur Ausführung gebracht wurde, ist nicht zu ersehen, jedenfalls bracht die allmählich eintretende Beruhigung des Landes es mit sich, dass die Bürger sich ganz wieder ihren friedlichen Geschäften zuwendeten und die mit so großer Begeisterung aufgenommenen königlichen Steinschloßflinten ruhig verrosten ließen, so dass sie bei der Ablieferung im Jahre 1850 von der königlichen Festungs-Kommandantur in Posen mit einer Rechnung über 5 Taler für die nötig gewordene Reinigung bedacht wurden.
Immerhin aber sah sich der damalige Landrat Burscher v. Saher zum Weißenstein veranlasst, für die Schützengilde Neutomischel, „welche sich 1848 allein im Buker Kreise durch Patriotismus und treue Anhänglichkeit an Se. Majestät den König und das Königl. Haus ausgezeichnet hatte“, das Ordensband des Hausordens von Hohenzollern als Fahnenband zu beantragen. Leider ist aus den Vereinsschriftstücken über den Erfolg des Antrage nichts mehr zu ersehen. Ob mit dem Antrag die Tatsache zusammenhängt, dass an dem Fahnenstock der alten grünseidenen Fahne eine „eisernes Kreuz“ befestigt war, muss dahingestellt bleiben.
Überhaupt trat nach und nach bei der Schützengilde eine Zeit des Niederganges ein. Mehrfache Vorgänge, namentlich bei festlichen Veranstaltungen der Schützengilde erregten das öffentliche Ärgernis in solchem Maße, dass im Jahre 1855 der Bürgermeister Fischer sich genötigt sah, die vorläufige Schließung der Gilde zu verfügen, eine Maßregel, die auch von dem kgl. Landratsamte gutgeheißen werden musste.
Erst im Jahre 1857, als sich nach langwierigen Verhandlungen die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer Reorganisation der Gilde mehr und mehr Bahn gebrochen hatte, wurde die bisher bestehende Vereinigung unter Aufteilung des Vereinsvermögens endgültig aufgelöst und unter besonders anerkennenswerter Mitwirkung desselben Bürgermeisters sofort eine neue Körperschaft nach Ausschluss der unliebsamen Elemente begründet.
An Inventarienstücken wurden neben kleineren Gebrauchsgegenständen mit übernommen:
die älteste Fahne
eine neue Fahne aus grüner Seide
zwei Trommeln mit Bandolier
eine Schützenlade
ein Königsband mit 3 von 21 Stück vorhanden gewesenen verschiedenen Silbermünzen und
1 Säbel mit Koppel und messingner Scheide
Es ist aufs tiefste zu bedauern, dass von diesen für die Gilde im Lauf der Jahre so unschätzbar wertvoll gewordenen Gegenständen nur noch die Schützenlade und das rosaseidene Königsband ohne Münzen vorhanden sind. Später fans sich noch eine Halskette aus Silberblech.
Die von einem früheren Mitglied Eduard Kantorowicz aus Posen 1859 geschenkte kunstvolle Porzellanbowle findet noch jetzt bei festlichen Gelegenheiten der Gilde Verwendung.
Der erste Schießstand befand sich etwa in der Mitte der Hinterstraße in der Richtung der der so genannten städtischen Gärten hinter der Synagoge. Später wurden die Schützenfeste auf dem Kriese Schmidt’schen Hocken, heutigen H. Toeffling’schen Garten (am Witteplatz) und bis 1860 auf der damals Kurtz Knoll’schen Wirtschaft in Glinau (gegenüber dem Kreishause) abgehalten.
Im Jahre 1861 wurde mit dem Bau eines Schützenhauses begonnen, das der damalige Schützenbruder Hoffbauer auf seinem in Paprotsch belegenen Grundstücke, dem heutigen Festplatze, unter der Bedingung zu erbauen übernahm, dass die Schützengilde sich verpflichtete, während eines 50jährigen Zeitraumes ihre sämtlichen Festlichkeiten darin abzuhalten.
Seitdem entwickelte sich die Gilde mehr und mehr und erreichte Ende der 70er bis Mitte der 80er Jahre ihren Höhepunkt. Die Gilde hatte sich in der ganzen Zeit, seit ihrer Neuorganisation des besonderen Wohlwollens des späteren Kommissionsrates Jos. Jac. Flatau zu erfreuen, der ihr im Jahre 1859 die noch jetzt den jedesmaligen Schützenkönig zierende Silberkette geschenkt hat. Außerdem stiftete er alljährlich zum Pfingstschießen wertvolle Preise, die noch so manchem jetzt lebenden Schützen die Erinnerung an dieses Ehrenmitglied der Gilde wach erhalten werden. 1861 vertrat Flatau auch die Schützengilde auf dem 1. Allgemeinen deutschen Schützenfest in Gotha.
Am 14. April 1883 fand die Einweihung einer neu beschafften, noch jetzt im Gebrauch befindlichen Schützenfahne statt.
Hierbei mag gleich erwähnt werden, dass seit Bestehen der Gilde viermal die Königswürde für Mitglieder des Herrscherhauses erschossen wurde und zwar:
1. 185? von dem Hopfenhändler Heinrich Toeffling für Se. Majestät den König Friedrich Wilhelm IV.
2. 1875 von dem Mühlenbesitzer und späteren Schützenmajor Theophil Morzynski für S. Kais. und Kgl. Hoheit den Kronprinzen Friedrich Wilhelm
3. 1879 von dem Major und Bezirkskommandeur von Hippel für Se. Majestät den Kaiser Wilhelm I.
4. 1882 von dem Hopfenhändler und damaligen Nebenältesten Julius Toeffling für Se. Kais. und Kgl. Hoheit den Kronprinzen Friedrich Wilhelm
Leider sind aber auch hier wieder die über die jedesmal erfolgte Annahme der Königswürde seitens der genannten hohen Herren erfolgten Kabinettschreiben der Gilde nicht erhalten geblieben. Ebenso muss mit Bedauern festgestellt werden, dass die an die reorganisierte Gilde überkommenen drei Münzen aus der früheren Königskette versteigert und in Privathände übergegangen sind. Es ist hier wohl der Wunsch erlaubt, dass etwa noch vorhandene Gegenstände, auf die die Aufmerksamkeit hiermit gelenkt sei, der Gilde wieder zugeführt werden mögen, und dass in Zukunft etwas mehr Wert als in früheren Jahren auf die Erhaltung überkommener vereinsgeschichtlicher Wertstücke gelegt werden möchte.
Am 9. Juli 1889 konnte die Gilde auf ihr 100jähriges Bestehen zurückblicken, welch seltenes Fest am 4. August in würdiger und glanzvoller Weise unter Teilnahme von sieben benachbarten Gilden gefeiert wurde.
Als eine Stiftung für die Gilde mag noch erwähnt werden, dass 1896 der Schützenkönig und der Marschall, Restaurateur Heinrich Rausch und Bürgermeister Carl Witte, an das grüne Band für den Marschall der Gilde 10 silberne Münzen gestiftet haben, auf denen die Namen der seit dem Jahre 1886 in der Marschallswürde gewesenen Personen eingeschnitten sind.
1911 und 1912 schloss sich die hiesige Schützengilde dem damals in der Gründung begriffenen Schützenbund Neumark-Posen an, dessen Vorstand und Mitglieder wir bereits 1807 und 1904 zum IV. bzw. XII. Bundesschießen als Gäste begrüßen durften.
Auch zu dem gegenwärtig hier wieder stattfindenden XVIII. Bundesschiessen rufen wir den Bundesgenossen ein „Herzlich Willkommen“ zu. Gilt es doch gleichzeitig das 125 jährige Bestehen der Schützengilde Neutomischel zu feiern. Wünschen wir, dass dieses Fest zur Ehre der Jubelgilde und unserer Stadt einen allseitig fröhlichen Verlauf nehmen und jedem Teilnehmer noch lange in freundlicher Erinnerung verbleiben möge !
K.E.G. (Karl Eduard Goldmann)