In diesem Artikel werden die Eindrücke des Lehrers Berthold Hoede geschildert. Er übernahm im Jahre 1905 die Verwaltung der einklassigen Schule „Glinau II“. Aus einer Gegend mit in sich geschlossenen Dörfern stammend hinterliessen die Hauländereien der Gegend bei ihm einen besonderen Eindruck.
Der Bericht gibt eine Erzählung des Lehrers selbst wieder, leider ist jedoch nicht vermerkt, wer der eigentliche Autor dieses Artikels gewesen ist.
Veröffentlicht wurde dieser Beitrag mit der freundlichen Genehmigung der Posener Stimmen – Heimatbrief der Gemeinschaft Evangelischer Posener (Hilfskomitee E.V.), in deren Ausgabe Nr. 8/1966 die Publikation erfolgte.
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Im Jahre 1905 wurde dem jungen Lehrer Berthold Hoede die Verwaltung der einklassigen Schule Glinau II bei Neutomischel übertragen.
Er erzählt darüber:
Von Neutomischel war der nächste Fußweg zur Schule Glinau II, die weit im Hauland lag, der sogenannte Pastorsteg.
Es handelte sich um den Kirchweg zur evangelischen Kirche in Neutomischel. Vom Pastorsteg standen die Wohngehöfte meist weit abseits. Feldwege führten zu den einzelnen Gehöften. Die Häuser mit Stallungen und Scheune lagen zerstreut. Jeder Besitzer hatte sein Land um das Haus. Die Häuser waren meist aus dicken, rohen Balken zusammengefügt, mit einem Strohdach, kleinen Fenstern. Auch Fachwerkhäuser sah man dazwischen und einige große Steinhäuser. Im Sommer waren die Wohnhäuser kaum zu sehen, weil sie von Hopfenfeldern umsäumt wurden.
Der Hopfen wurde an hohen Stangen und auf Drähten gezogen. Dazwischen lagen Getreide-, Kartoffel-, Rübenfelder und Wiesen. Durch das weite Hauland zogen sich Gräben, die an einem Hauptgraben angeschlossen waren. An den Gräben wechselten sich Weiden, Erlen und Gebüsch ab. Gepflasterte Straßen führten nach Neutomischel, Bentschen, Opalenitza, Grätz und Neustadt/Pinne.
Das Schulhaus, aus Ziegelsteinen erbaut, lag neben einem Feldweg, dahinter der Hof mit Stall und Scheune und Garten, ringsum das Schulland. Da ich aus meiner Heimat nur geschlossene Dörfer kannte, kam mir ein Hauland mit Katen bebaut ganz eigenartig und wohnlich einsam vor. Kein Bäcker, Fleischer, kein Kaufladen, keine Gaststätte in der näheren Umgebung. Dreiviertel Stunde Fußweg brauchte man, um aus Neutomischel alles für den Haushalt zu holen. Dazu übernahm ich, vom Lehrerseminar Koschmin kommend, gleich eine einklassige Schule mit 92 Schulkindern.
Ein schwerer Anfang!
Im Sommer führte ich mit Genehmigung des Kreisschulinspektors den Halbtagsunterricht ein. So konnte ich mich den Grundschulklassen mehr widmen. Ich habe gern hier unterrichtet. Die Eltern unterstützten den Lehrer in jeder Weise. Es bildete sich bald ein Vertrauensverhältnis zwischen Eltern, Schülern und Lehrern. Die evangelischen Schulen hatten neben dem Kreisschulinspektor noch einen Ortsschulinspektor; für Glinau war es Superintendent Böttcher aus Neutomischel. Nach alter Sitte hielt er vor Ostern eine Schulprüfung ab, zu der der Schulvorstand geladen wurde.
Eintönig und einsam brauchte ich nicht zu leben. Die Bewohner meiner Schulgemeinde wussten für Abwechslung und Unterhaltung zu sorgen. Ich wurde viel eingeladen und lernte auf diese Weise die häuslichen Verhältnisse kennen.
Zu Hochzeiten wurde ich regelmäßig eingeladen. Nach altem Brauch hatte der Lehrer den Hochzeitsspruch zu sagen, und zwar die 2. Strophe aus dem Kirchenliede von Philip Spitta: O selig Haus, wo man dich aufgenommen . . . Nach der Ansprache bedankten sich Braut und Bräutigam bei ihren Eltern für die bisherige Fürsorge. Die Vermählten wurden von dem Lehrer in ihr neues Heim geleitet. Der Hochzeitszug zur kirchlichen Trauung nach Neutomischel war stets eindrucksvoll. Vor der Brautkutsche die Wagen mit den Brautjungferpaaren, hinter ihr die Wagen mit den Verwandten und sonstigen Hochzeitsgästen. Den Schluss bildeten die Wagen der beiderseitigen Eltern. Die gestriegelten Pferde mit blankgeputztem Geschirr, die Wagen mit Blumen und Bändern geschmückt.
Im Sommerhalbjahr trafen sich die Lehrer aus Neutomischel und Umgebung monatlich im Gasthaus „Rausch“ in Neutomischel zum Kegeln. Die Frauen der Lehrer besuchten sich abwechselnd in ihren Häusern und wurden abends von ihren Männern abgeholt. Es wurde viel bei solchen Zusammenkünften musiziert. Der Lehrerverein Neutomischel und Umgebung tagte monatlich einmal in Neutomischel im Gasthaus Otto Maennel, später bei Kern.
Seit der Errichtung der Schule Glinau II haben dort unterrichtet die Lehrer: Matthey, Max Gruhn, Rudolf Kintzel, Berthold Hoede, Paul Ertel, Kurt Krenz und Pflaum bis 1920. Dann wurde Lehrer Siegfried Beischer eingesetzt, der bis 1945 blieb. Während Glinau I geschlossen und Glinau III und IV nach Neutomischel eingeschult worden sind, blieb Glinau II auch nach 1945 unter einer polnischen Lehrerin als selbständige Schule bestehen.
Obwohl Berthold Hoede im Jahre 1908 die Schule Glinau verließ, verfügt er noch heute (Stand 1966) über die Schülerlisten der Jahrgänge 1905—1908.