Goldmann K.E. Die letzten Wind- und Wassermühlen um Neutomischel – Teil 2

Foto Enderich lata 30-te

Der 2. Teil des berühmten Artikels von Karl Eduard Goldmann, der in den Büchern „Aus dem Posener Lande“ /10.1912 veroffentlicht wurde. Goldmann beschreibt die Mühlen, die sich in der Umgebung von Nowy Tomysl befanden. Einige von ihnen kann man noch heute lokalisieren, wo andere standen, wird wohl ein Rätsel bleiben.


Verliehen nicht auch schon die alten Bockwindmühlen unserm Städtchen vor Jahren ein reizvoll belebendes Bild? Jetzt erinnert nur noch eine übrig gebliebene Windmühle an der westlichen Seite der Neustädter (früher Tirschtiegeler) Straße zwischen Stadt und der so genannten Rutschkowe an die Blütezeit der Windmüllerei. Auf ihrem Sattelbalken befindet sich die Inschrift: „M C G Anno 1791“. Diese würdige Alte, die bereits hat „rücken“ müssen, stand früher an der Stelle der heutigen Buddeeschen Villa und gehörte Tiesler, welcher sie an Gottlieb Reisch verkaufte, und von diesem wurde sie auf Rollen nach ihrem heutigen Standplatz geschafft. Ein ähnliches Schicksal hatte ihre Vorgängerin, die Samuel Arltsche Mühle. Diese stand vor Jahren an der Westseite des Landgrabens, wo ihr durch Baumschlag und nahe liegende Gebäude einer Brauerei der Wind entzogen war. Sie wurde deshalb in ihrem vollständigen Aufbau auf Rollen nach diesem ihren neuen etwa 300 m entfernten Standplatz geschafft, gewiss eine sehr gewagte und beschwerliche Arbeit. Als die behördliche Erlaubnis zur Überführung über die neu erbaute Chaussee, welche nicht zu umgehen war, versagt wurde, stand das schwankende Transportstück trotzdem eines Morgens auf der anderen Seite der Straße; man hatte sie über Nacht unbemerkt über die Chaussee gebracht.

Reisches Windmühle erwähnt von Hr. Arno Kraft, in 50-iger Jahren abgerissen – Aufn: A. Kraft /PM

Durch Brände verschwanden 1873 an der Wilhelm Bielkeschen Wirtschaft von dem inzwischen längst abgetragenen Hübnerschen Weinberg die Eckhardtsche und 1877 von dem heutigen Bäckermeister Schulzschen Eckgrundstück die Traugott Fenskesche Mühle. Im Interesse der Lokalgeschichte will ich die Besitzer und, soweit mir möglich, auch die Vorbesitzer in Klammern anführen. Zum Abbruch kam auf dem jetzigen Hasenfelderschen Grundstück die so genannte „Reichen“ Karl Arlt erbaute Mühle des Hermann Pflaum (Berthold Goldmann). Sie war größer und moderner eingerichtet als ihre älteren Genossen und mit einem schön geformten Dachgiebel versehen. In Bukowiec gelangte sie wieder zum Aufbau. Ebenso wurde erst im vorigen Jahre die auf der anderen Seite der Straße gelegene Mühle des Th. Morzynski (Gottlieb Wolke, Christian Roßak) abgebrochen; sie trug die Jahreszahl 1787. Rechts und links der Bentschener Landstraße standen an den Lehmkeuten die Mühlen von Gustav (Christian) Tepper und Wilhelm Schmidt (Rausch, Kriese). Jedenfalls hatten die Windböcke, wie man sie auch bezeichnete, hier im Westen der Stadt auf dem etwas ansteigenden und freieren Gelände den besten Wind.

Reisches Windmühle – Photo: Arno Kraft

Wenig günstig lagen im Norden der Stadt, und zwar südlich der heutigen Friedhofskapelle die Mühle von Christoph Rausch (Christoph Tepper) und in den so genannten Röhlschen Gärten die des Otto Hecke, sowie der etwa 1857 vom Mühlen- und Bäckermeister Heinrich Tepper erbaute und 1878 abgebrannte prächtige Holländer des Rob. Gläsemer. Diese Mühle hatte in sechs Etagen drei Mahlgänge. Es war nach der noch vorhandenen Bauzeichnung Dampfhilfe für ebenfalls drei Mahlgänge in Aussicht genommen. Gerade dieses Bauwerk war ein besonderer Schmuck des nordwestlichen Stadtbildes.

Aufbau einer Bockwindmühle:1 Bockgerüst, 2 Treppe und Feise, 3 Sterz, 4 Kammrad, 5 Flügelkreuz, 6 Hausbaum, 7 Mehlbalken, 8 Steinboden, 9 Mehlboden, 10 Sattel- Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bockwindm%C3%BChle

Aufbau einer Bockwindmühle:1 Bockgerüst, 2 Treppe und Feise, 3 Sterz, 4 Kammrad, 5 Flügelkreuz, 6 Hausbaum, 7 Mehlbalken, 8 Steinboden, 9 Mehlboden, 10 Sattel- Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bockwindm%C3%BChle

Im Osten, rechts der Straße nach Altomischel, lagen die Mühlen von Neumann und Riediger (A. Männel). Im Süden der Stadt, links und rechts der Bahnhofstraße befanden sich die vor etwa 40 Jahren schon abgebrochenen Mühlen von Kaulfuß, jetzt Faustsches Grundstück, und E. Tepper, letztere ungefähr hinter der erst in neuerer Zeit erbauten katholischen Kirche.

Ein Teil der aufgeführten Mühlen stammt aus der ersten Zeit des Entstehens der 1786/88 gegründeten Stadt. Einzelne sind vielleicht schon vorher erbaut worden, wahrscheinlich zu oder gar vor der Zeit, als der „Kirchplatz im Tomischler Holland“, heute Alter Markt, entstand. Eine Windmühle befand sich doch sogar zu Anfang des vorigen Jahrhunderts noch auf der nordwestlichen Seite des Neuen Marktes (Das Wohnhaus des Grundstücks No. 35, erbaut 1770, hat höchstwahrscheinlich hierzu gehört, weil schon alte Mühlenhölzer zu seinem Bau Verwendung gefunden haben (Chronik der Stadt Neutomischel, 1888, S. 3).). Sie trug die Jahreszahl 1745 und wurde an die Lehmkeuten (Tepper) verlegt, von wo sie vor einigen Jahren wieder nach Linde zum Verkauf kam.

Budowa kozła (Jan Święch Tajemniczy świat wiatraków)

Einzelne der aufgeführten Mühlen standen vermutlich auf dem angrenzenden Glinauer Gebiet, nur die im Norden und Süden der Stadt   gelegenen auf städtischem

Grunde. Deshalb hatte Neutomischel am Ausgange des 18. Jahrhunderts nach Wuttkes „Städtebuch des Landes Posen“ (1864) auch nur 6 Mühlen. [patrz tłumaczenie oraz Wielkopolska Bibliteka Cyfrowa ]

Die ersten Mühlenbesitzer stammten zumeist aus der näheren Umgegend, so aus den bedeutend älteren Nachbarstädten Rakwitz und Neustadt b. P., auch aus Brätz, Lagow und Züllichau. Es sind aber auch Müller aus der Schweriner und Landsberger Gegend, aus dem Netzebruch, sowie aus der Mark und sogar aus Mecklenburg damals hier eingewandert und seßhaft geworden.

Weitere Mühlen befanden sich aber auch noch in den umliegenden Hauländereien. So hatte noch vor einigen Jahrzehnten

  • Glinau 3,
  • Paprotsch 6,
  • Scherlanke 2,
  • Zinskowo (jetzt Friedenwalde) 2,
  • Kozielaske (jetzt Königsfeld) 2,
  • Kirchplatz, Neu- und Alt-Borui 8,
  • Alttomischel 2,
  • Sontop 6
  • Konkolewo-Hld. 8 Windmühlen,

die selbstverständlich weniger von den Bürgern als von der Landbevölkerung je nach Lage oder Beziehungen beschäftigt wurden. Hatten doch z. B. die Konkolewoer Mühlen in früheren Jahren ausgedehnt Mahlkundschaft in dem abliegenden Paprotsch.

Vermutlicher Standort der Windmühlen – Ausarb. PM

Mühlenruine

Verschiedene Mühlenbesitzer, die sich auch nebenbei dem Getreidehandel widmeten, brachten es zu gewissem Wohlstand. Es ist erklärlich, wenn sich dieses mitunter auch an der inneren und äußeren Ausstattung ihrer Mühlen, wie schon hervorgehoben, zu erkennen gab und einer dem anderen mit seinem Mühlwerk zu übertreffen suchte. Ganz ernst darf es nicht genommen werden, wenn erzählt wird, daß ein Müller nach einer günstigen Geschäftsperiode die Äußerung getan haben soll, er würde sein Haus mit Talerstücken decken und den Weg nach seiner Mühle mit Dukaten pflastern lassen, falls er auch fernhin so vom Glücke begünstigt werde. Das Schicksal hatte es aber anders mit ihm gewollt.

Die Zeit des Niederganges der Windmüllerei ließ nicht lange auf sich warten. Durch die Konkurrenz der Dampfmühlen, deren Neutomischel jetzt zwei große, und zwar eine der ältesten der Provinz (Seite 1848/9), besitzt (Die Männelsche Dampfmühle besteht seit 1848/49 und dürfte fast zu gleicher Zeit mit der Katochwillschen in Posen, welche als die älteste der Provinz gilt, erbaut worden sein), und des sich hierdurch entwickelnden Großmühlenbetriebes unter Einwirkung der 1869 einsetzenden Bahnverbindungen verschwanden im Lauf der letzten Jahrzehnte fast sämtliche Windmühlen. Sie kamen entweder zum Abbruch und fanden in der weiteren Umgegend, wo es an Mühlen noch mangelte, wieder Aufstellung, oder sie gingen, nicht immer zum Leidwesen der Besitzer, in Flammen auf. Nur auf den Dörfern im Umkreise sind noch einige Windmühlen stehen geblieben, z. B. in

  • Altomischel, Bukowiec und Sontop je 2,
  • in Witomischel 1,
  • in Konkolewo-Hld. 4.

Mühlenruine

In der nächstgelegenen Hauländereien sind kaum noch welche vorhanden. Einst zwischen den Büschen und Hopfenanlagen hervorlugend, brachten sie fröhliche Bewegung in das Landschaftsbild. Die Mühlberge, welche bei der niedrigen Bodenbeschaffenheit hiesiger Gegend meist vor der Erbauung der Mühlen erst hergestellt werden mussten, sind längst schon wieder abgetragen.

Windmühle an der Strasse nach Kirchplatz Borui – Quelle: Der Warthegau Landschaft und Siedlung