Gottfried Meißner – die Kirchenzucht 1754 und das Halsgerichtsurteil 1757

„Peinliches Verhör“ im 17. Jahrhundert - Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Folter

Der Pfarrer einer Gemeinde war auf das Belehren und Ermahnen der Kirchengemeindenangehörigen beschränkt. Er konnte jedoch Sünder und Störenfriede aus „seiner“ Kirche hinausweisen oder diesen auch kirchliche Handlungen, wie z. B. das Abendmahl verwehren.

Gottfried Meißner hat im Jahr 1754 diese durch den Pfarrer Krumbholz in Rackwitz ausgesprochenen Restriktionen erleben müssen. Vermutlich angegriffen durch die Schmach, die die Schwangerschaft seiner unverehelichten Stieftochter, ein Zustand, der in jener Zeit als untragbar und als „Schande“ über die ganze Familie bringend galt, zudem unter Einfluß Dritter und Alkolhols waren „lästerliche“ und wohl auch beleidigende Worte gegenüber Pastor und Kirche gefallen.

Es sollte für Gottfried Meißner aber 1757 noch weitaus schlimmer kommen. Im Strafrecht wurde in diesem Jahre der gerichtliche Zwang zur Ablegung von Geständnissen unter Zufügung von Schmerzen, Folter, Tortur oder auch peinliche Befragung die „peinliche Halsgerichtsordnung“ genannt. Der Name bzw. die Benennung war abgeleitet von der in ihr geregelten schmerzhaften und auch Pein ( =Schmerz) bereitenden Befragung unter dem Einsatz der Folter. Und eben einer solchen hatte sich Gottfried Meißner zu unterwerfen, als er im Branntwein Rausch Gotteslästerung beging.

Gegen ihn wurde das Todesurteil verhängt. 

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Eod. Ao. Dominica  VI. nach Trinitas mußte ein Bürger, Meister Gottfried Meißner, ein Fleischer allhier öffentliche Kirchen-Buße thun, nach dem er 14 Tage in der Komorke geseßen. Er hatte unter andern Exceßen auf mich (Pastor Krumholz) und die Evangelische Kirche lästerliche Reden ausgestoßen. Die Ursache, daß er mich angegriffen, war diese: eine Stieftochter war mit einem Bauern Kerl zur Hure worden.

Ehe es heraus kam, nahm sie, (Gott weiß, ob nicht mit Vorwißen ihrer Mutter) Artzney ein, adabortum procurandum, und als die Würkung dieser Artzney sie an die Pforten des Todtes bracht, so wurde nach mir geschickt, um sie zu berichten.

Sie entdeckte aber nichts von ihrem gefährlichen Seelen Zustande, wie sie wohl hätte zur Bezeugung einer wahren Reue und Zerknirschung ihres Hertzens thun sollen, und empfing also das heilige Nachtmahl in Verstellung und Unwürdigkeit.

Während meiner Abwesenheit in Sachsen entdeckte sich ihre Schwangerschaft und sie wurde mit ihrem Kerl von dem Hr. Canonikus getrauet.

Als ich nach Hauße kam, drang ich auf Kirchen-Buße. Vater u. Mutter kamen zu mir, u. entschuldigten sich, sie, die böse Person selbst aber wolte durchaus nicht erscheinen, schickte aber ihren brutalen Mann, der die trotzigsten Reden führte. Ich verboth ihm also zum Beicht Stuhl und heiligem Abend Mahl zu kommen, biß er sich der Kirchen Ordnung submittieret hätte. Der Stief-Vater Meißner nahm sich ohne Ursach dieses Handels an, und verklagte mich deßhalb bey dem Herrn Branetzky, welcher aber gesagt, er menge sich nicht in geistliche Händel.

Hierauf hatte er im Soffe die lästerlichen Reden wieder mich und die Kirche ausgestoßen. Er wurde davor auf dem Rathhauße verurtheilt 3 Sonntage hintereinander den Gottes-Dienst hindurch vor dem Altar zu knien. Das geschah auch do, IV. Trin. würklich. Er wurde durch 6 Jüngsten mit Gewehr aus der Komorke in die Kirche geführet, und auch wieder so dahin zurück gebracht. Die anderen 2 Sonntag wurden ihm erlaßen.

Ich bath selbst vor ihm: Gott gebe, daß er sich dieses zu Beßerung seines bösen Lebens dienen laße.

Sonnabend zuvor war Herr Burger Meister Standkowski bey mir, und meldete mir was vorgehen solte. Ich sagte zu ihm, ich befürchtete, es möchte Meißner etwas thun, welches ihn vor aller Straffe befreyte. Er antwortete aber er möchte thun was er wolte, so müßte er doch seine Strafe ausstehen. Es hatte auch Meißner würklich bey den Herrn Canonikus geschickt, und sich anbieten laßen, catholisch zu werden. Es war ihm aber zur Antwort worden: er solte erst seine Strafe ausstehen, und als dann kommen.

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Anno 1757 um die Adventszeit verging sich der schon obenerwehnte Fleischer Gottfried Meißner so weit, daß er, in einem Brandwein-Rausche, da er sehr betrunken war, Gott lästerte.

Er ward deßhalben angeklagt und auff der Stelle eingezogen, auch, weil er von nichts wissen wolte, gemartert; er blieb aber dabey, es könte zwar seyn, daß er es im Trunke gesagt habe; allein er wiße gar nichts davon, habe auch nie den Vorsatz gehabt, Gott zu lästern.

Nichts desto weniger war ihm das Schwerdt zuerkannt, und auff am Tage nach den unschuldigen Kindlein wurde er vor dem gesezten peinlichen Halß-Gerichte auff dem Marckte öffentlich zum Todte verurtheilet.

In seinem Gefängnis wurde ihm sehr zugesetzt, umzutreten, mir aber ward durchaus nicht erlaubt, ihn zu besuchen, ob er gleich inständig darum bath. Vor dem Halß-Gerichts-Tische mangelt es auch nicht an theils ungestümen Zuredungen, welche aber von dem Deliquenten mit gleichem Ungestüm zurückgewiesen wurden.

Er ward zwar endlich gegen die Richt-Stätte, vor der Stadt, zugeführet, aber auff dem halben Wege kehrte man wieder mit ihm um und setzte ihn ins Gefängniß.

Es wurde der Frau Starostin die Sache auf das neue berichtet, und Meißner bekam sein Leben geschenkt, mußte aber, laut Urtheils, 6 Sonntage, während des Gottes-Dienstes im Sterbe-Kittel, vor dem Altar, auf der Erde (krzyzem) liegen, und also öffentliche Buße thun. Meißner erwehlte sich die Evangelische Kirche und stand seine Straffe aus.

Als alles vorbei war, kam erst Befehl, daß er die Stadt meiden solte, welches er auch, wiewohl mit großem Widerwillen that und sich nach Schlawe wandte.

Die ihm Umfange, nach erhaltener Lebens-Schenckung, merklich gewesene Lebens-Beßerung dieses Mannes dauerte nicht lange. Er fieng bald wieder an, sich zu betrinken und unordentlich zu leben.

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Quelle: Kirchenbuch Rackwitz – Archiwum Państwowe w Poznaniu, Fond: Akta stanu cywilnego Parafii Ewangelickiej Rakoniewice (pow. wolsztyński) [1714-1766] http://szukajwarchiwach.pl/53/3843/0/-/2